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—XÖTIL tu/ şi îU/c vr v—-gv c |Ttg v — şì t/v~ 'TtïsT
allem dem folgen zu können. Ich kann mit der
„Dialektik" und wie die anderen Dinger alle
heißen, rächt fertig werden. Es erscheint mir das
alles als nebelhafte, graue Masse. (Heiter
keit.) Es fehlt mir die philosophische Ader und
vielleicht ist auch meine nicht genügende Vor
bildung schuld. Deshalb glaube ich an alle diese
Dinger — denn das thut nicht weh. (Stürmische
Heiterkeit.) Genosse Bebel sagte, es sei kein Anlaß,
von Ketzerrichterei zu sprechen. Genosse Bebel hat
vielleicht nicht alle Vorgänge im Sommer verfolgt,
sonst würde er wissen, daß gegen Bernstein und
die Bernsteinianer in einer Weise gewüthet ist,
daß man der Meinung sein mußte, daß in
Hannover der Scheiterhaufen errichtet werden
würde und daß dort alle Bernsteinmänner einer
nach dem anderen geröstet werden würde. (Große
Heiterkeit.) Daß man uns nicht hängen oder
rösten wollte, wissen wir. Das lag vielleicht weniger
an dem guten Willen, als an den Thatsachen.
Dem Bernstein supponirt man, was man gerade
braucht und sagt dann: „So, nun kommt her,
jetzt setzt es Senge." (Stürmische Heiterkeit.)
Genosse Bebel sollte nicht vergessen, wie leicht
Mißverständnisse entstehen können. Erinnern Sie
sich, Parteigenossen, an Bebel's Rede, in der er
sagte, er erwarte den Kladderadatsch 1889.
(Zwischenrufe Bebel's.) In Privatgesprächen hat
mir ungläubigem Thomas Bebel mehr als einmal
vorgerechnet, der Kladderadatsch müsse dann und
dann eintreten. (Heiterkeit. Zwischenrufe.) Er
rief mir damals zu: „Auch du bist ja ein Philister,
du hast ja gar kein revolutionäres Blut in Dir."
(Stürmische Heiterkeit. Zwischenrufe.) Als dann
1889 der Kladderadatsch bis in die 90er Jahre
prolongirt war, und als Engels und Marx zu
sammen den Schlußtermin auf 1898 festgestellt
hatten, blieb ich nach wie vor der ungläubige
Thomas und sagte: „Ich kann ja warten." (Heiter
keit.) Wenn Kautsky gestern es für Idiotismus
hinstellt, so hat er indirekt Bebel des Idiotismus
beschuldigt und Bebel hat ihn auch schon heute
.früh seinen Kartellträger zugeschickt. (Heiterkeit.
Zwischenrufe Bebel's.) Mißverständnisse sind
möglich. Wir müssen den Kampf mit loyalen
Mitteln führen. Ich stimme für die Bebel'sche
Resolution, nicht weil sie gegen Bernstein ist,
sondern weil sie Bernstein ebensogut verfaßt haben
könnte. (Heiterkeit und Zustimmung.) Das be
stätigt mir auch Bernstein selber, der mir schrieb,
als ich ihm den Inhalt der ursprünglichen Re
solution mittheilte: „Lieber Freund Auer, mit
dem nöthigen, bei solchen Dingen üblichen
Körnchen Salz st im me auch ich für
die Resolution." (Heiterkeit. Stürmischer
Beifall.) — Mit überlegenem Spotte verhöhnte
Auer das Jgnorantenthum in der Partei, indem
er sagte: „Wie mag Bernstein, wenn er alle diese
Dinge liest, sich in die Haare fahren und sagen:
Um "Gottes willen, alle diese Leute fitzen über
mich zu Gericht, die auch nicht eineSeite
meines Buches gelesen haben!" Auer
kennt seine Pappenheimer.
Abg. v. Vollmar-München: Für den viel
angegriffenen Genossen, ineinen Freund Bernstein,
ist es eine Ehre, daß sich die Partei eine ganze
Woche mit ihm beschäftigt. Ich fasse meinen
Eindruck über die ganze Debatte dahin zusammen,
daß kaum jemals ein so gründlicher Wandel ein
getreten ist und uns eine heiß gekochte Suppe so
kalt vorgesetzt wird. Der Scheiterhaufen war schon
da, aber die Zündhölzchen haben noch gefehlt und
die Kraft uns hinaufzubringen. Daß Bernstein
hinaus sollte aus der Partei, stand bei gewissen
Leuten fest. Eine Schriftstellerin hatte ganz richtig
herausgefunden, daß es mit Bernstein nicht ab
gethan sei. Die ganze „kleine aber einflußreiche
Clique", Auer, Schippel, ich selbstverständlich, ich
stehe ja jedes Jahr aus der Proscriptionsliste,
sollten am Kragen genommen werden. Man sprach
von einer reinlichen Scheidung, der Opportunismus
sollte für alle Zeit beseitigt werden. Was ist
daraus geworden? Die Genossin Luxemburg hat
sich gestern sehr milde gezeigt, und nur gewünscht,
daß die Bernsteinsche Richtung nicht mehr Anhang
findet. Für so bescheiden hätte ich sie nicht ge
halten. Um ein solches Windei zu legen, hätte
es eines solchen Gackerns nicht bedurft. (Stür
mische Heiterkeit).
Abg. Singer den Redner unterbrechend
Der Redner hat zwar keinen Namen genannt,
ich kann es aber nicht billigen, daß in Bezug
auf die Ausführungen einer Rednerin von Ge
gacker gesprochen wird. (Erneute Heiterkeit).
Abg. v. Vollmar: Ich stehe zu lange im
Parlament, um einen Ordnungsruf krummzuneh
men. Ich habe nicht das physische „Gegacker"
gemeint, sondern nur den Lärm und Sums; die
Genossen sollten die Lehre ziehen, daß es Zeit
sei, das Gerede von der Versumpstheit und den
Gefahren bei Seite zu lassen. Auf die Dauer
wird es der Partei zu langweilig. Ich mache
kein Hehl daraus, daß mir manches und manche
Personen in der Partei nicht gefallen. Ich denke
mir aber meinen Theil und erwarte, daß die
Entwickelung das hinwegräumt. Auf jedem
Parteitag bin ich dagegen aufgetreten, daß man
künstlich Machtproben zwischen den beiden Rich
tungen herbeizuführen sucht. Wenn diese ver
dammte Art, aus jeder Kleinigkeit welterschütternde
Dinge zu construiren, nicht aufhört, dann könnte
den Parteigenossen endlich die Langmuth ausge
hen und sie könnten den Leuten mit allen Macht
mitteln andeuten, daß sie sich das abgewöhnen
möchten. Ich und meine Parteigenossen in Bayern
sind einverstanden mit der Resolution Bebel und
werden für dieselbe stimmen.
* *
2-
Hannover, 13. Oct. Auf dem sozial
demokratischen Parteitage wurde die Re
solution Bebel mit 216 gegen 21 Stimmen
angenommen.
Berlin, 13. Oct. Wie verlautet, wird
die sozialdemokratische Fraktion des Reichs
tages alsbald nach dem Wiederbeginn der
Sitzungen darauf dringen, daß von den
von ihr eingebrachten Jnnitiativanträgen
derjenige, welcher die Aufhebung des
Majestätsbeleidigungs - Paragraphen des
Strafgesetzbuches bezweckt, mit an erster
Stelle zur Verhandlung gelangt.
Ausland.
Außereuropäische Gebiete.
In Afghanistan drohen nach in London
eingetrofsenen Petersburger Meldungen
schwere Konflikte. Der Emir betrachte sich
als berechtigt, sich mit Rußland zu ver-
künden, falls dies besser zahle als Eng
land, Kürzlich wollte er nach Mosari
Cherifs gehen, wo er besser mit der russi
schen Regierung verhandeln zu können
— ich spreche offen — ich finde die Per
sonen hier wenig anziehend. Wäre nicht
mein Vater —" Sie hielt inne und während
sie die Lippen schloß, reckte sie den schlanken
Hals rückwärts, wie Jemand, der einer starken
Empfindung Herr zu werden versucht.
(Fortsetzung folgt.)
yogw.' sine i'mzcuu PMonen verriethen
seine Absicht, wodurch sie vereitelt wurde
Aus Wuth ließ er dieselben, darunter hohe
Beamte, unter greulichen Martern hin
richten. In Folge dessen geht das Gerücht,
er sei wahnsinnig. Die englischen
Truppen an der afghanischen Grenze
werden bedeutend verstärkt, und
Rußland beobachtet die Entwickelung auf
das schärfste, da des Emirs Gesundheit
sich rapid verschlimmere und ernste Ereig
nisse in Afghanistan bevorständen.
Portugal.
Die Pest in Oporto macht bedenk
liche Fortschritte. Am Mittwoch verzeich
nete man neun Fälle. So zahlreiche Fälle
an einem Tage wurden bisher noch nicht
gezählt. Der Ausschuß der Kaufleute
suchte bei den Behörden nach, daß die
Zahl der Erkrankungen von den Zeitungen
nicht veröffentlicht werden dürfe. Eine
nette Vertuschung!
Inland.
Berlin, 13. Okt. Zum Nachsolger des
Herrn v. B i t t e r im Ministerium des
Innern ist Herr v. Bischoffshausen
ernannt; derselbe war bis zum Jahre
1889 Landrath des Kreises
Pinneberg ist damals mit dem jetzi
gen Minister des Innern genauer bekannt
geworden, als dieser bis zum Jahre 1886
als Regierungsassessor beim Oberpräsi
denten von Schleswig-Holstein beschäftigt
war. Bon Pinneberg wurde Herr von
Bischoffshausen im Jahre 1889 zum Ober
regierungsrath und Stellvertreter des
Regierungspräsidenten in Schleswig be
fördert, und diese Stellung hat er acht
Jahre bekleidet, bis er im April 1897
zum Regierungspräsidenten in Minden als
Nachfolger des nach Magdeburg versetzten
Präsidenten v. Arnstedt ernannt wurde.
Berlin, 13. Oet. Der aus Westasrika
in Liverpool eingetroffene Dampfer
„Niger" bringt die Nachricht, daß der
deutsche Kommandeur von Rio
del Reh (Kamerun), Leutnant Quise, Herr
L o h m e y e r von der deutschen Handels
gesellschaft und etwalOOSoldaten
und Träger niedergemacht
worden sind. Sie hatten sich den Rio
del Reh-Fluß auswärts begeben nach dem
Croß-Fluß zu, um dort ausgebrochene
Unruhen unter den Eingeborenen zu
unterdrücken, wurden jedoch auf dem
Marsche von einem verrätherischen Führer
in einen Hinterhalt gelockt und beim
Ueberschreiten einer Brücke, trotz tapferer
Gegenwehr, ermordet, da ihre Leute sie
nur schwach unterstützten. Den Verräther
konnten sie vorher erschießen. Die Nach
richt wurde von zwei Engländern strom
abwärts gebracht, denen es bei einem
Angriff der Mörder auf eine Fabrik, der
nach der Niedermetzelung der Deutschen
unternommen wurde, zu entkommen glückte.
Am 6. September gelangten sie nach
Rio del Reh, das etwa 100 Meilen ent
fernt von der Unglücksstelle liegt. Dort
herrscht große Aufregung, weil ein
Ueberfall der Eingeborenen befürchtet
wird und nur ein paar Soldaten dort
stationirt sind. Es ist an das deutsche
Gouvernement in Kamerun um Hülfe ge
schickt worden. Die Unglücksnachricht
wird, wie den „B. N. N." aus London
telegraphirt wird, durch Privatmeldungen,
die bei der Anbas-Bai-Handelsgesellschaft
in Liverpool eingetroffen find, in allen
wesentlichen Punkten bestätigt. Dagegen
ist hier an amtlichen Stellen keinerlei
Nachricht über die Katastrophe eingetroffen.
Berlin, 13. Okt. (Prozeß gegen den
Klub der Harmlosen", 10. Verhandlungs
tag.) Heute wurde zunächst der Schneider
des Angeklagten von Kroecher, der Effek-
tenlieferant Schulz, vernommen, welcher be
kundet, daß er Herrn v. Kroecher 2000 Mk.
geliehen, welchen Betrag dieser ihm aus
einem größeren Spielgewinn prompt zu
rückgezahlt hat. Der Angeklagte von Kroe
cher hatte während eines Vierteljahres zwei
Wohnungen inne, für die er in dieser Zeit
zusammen 1000 Mark Miethe zu zahlen
hatte. In: weiteren Verlaufe der Verhand
lung wird eine Reihe von Offizieren ver
nommen, welche über ihre Verluste im
Spielklub berichten, sonst aber nichts Neues
aussagen. Ter Angeklagte von Kayser stellt
fest, daß ihm von seiner Mutter jährlich
70 000 Mark zustanden. Der Zeuge Lieute
nant Hoepfer schränkt seine belastenden Aus
sagen in der Voruntersuchung heute wesent
lich ein, welcher Umstand den Oberstaats
anwalt veranlaßt, festzustellen, daß die Zeu
gen sämmtlich in der Voruntersuchung be
lastender ausgesagt haben, als wie sie jetzt
bekunden. Wenn daher vielleicht eine un-
nöthige Schärfe in die Voruntersuchung hin
eingekommen, so sei das nicht Schuld der
Behörden, sondern der Zeugen. Zeuge
Schneider Schwarz legt dann die Schneider
rechnung des Angeklagten von Kroecher vor,
die ziemlich hohe Beträge aufweisen. Ver
schiedene weitere Zeugen, meist Offiziere
des Gardecorps und der Husaren-Regimen-
ter bekunden über die Vorgänge im Central
hotel in demselben Sinne, wie die früheren
Zeugen. Kaufmann Nix, welcher ein En-
gros-Geschäft für Diamanten besitzt, hat
insgesammt auf dem Spieltische ca. 50 000
Mark gelassen. Nach der Aussage dieses
Zeugen ist Herr von Zedlitz der geistige
Leiter der Spielgesellschaft im Viktoria-Ho
tel gewesen. Derselbe habe auch das
Bonmot vom „Klub der Harmlosen" auf
gebracht. Die Sitzung tvird schließlich auf
Morgen früh vertagt. Man hofft, nwrgen
mit den Zeugenvernehmungen zu Ende zu
kommen. Am Montag fällt die Sitzung
kommissarischer Vernehmungen wegen aus
Das Urtheil steht Mittwochs-Abend oder
Donnerstag-Vormittag zu erwarten.
Ie. Hamburg, 12. Oct. Zu Ehren des
Kaisers findet am Mittwoch, den 18.
d. Mts., anläßlich des Stapellaufs des
Linienschiffes B auf der Blohin & Voss
sehen Werst ein Galadiner zu ca. 60
Couverts Abends 6 V 2 Uhr in den Fest
sälen des Rathhauses statt. Die Gala
tafel wird mit den kostbaren Prunkstücken
aus dem Silberschatz des Rathhauses
geschmückt werden. Sämmtliche Raths-
drener erscheinen in Gala-Livree. Aus
dem Rathhausthurm wird die Kaiser
standarte gehißt werden und die Rath-
hauswache wird von einem Offizier des
2. Hanseatischen Infanterie - Regiments
Nr. 76 befehligt werden. Als Gäste
des Senats werden u. A. erscheinen der
Königl. preußische Gesandte Graf Wolfs-
Metternich, Kammerherr Frhr. v. Heintze-
Weißenrode, der kommandirende General
des 9. Armeekorps General v. Maffow-
Altona und der Stadtkommandant von
Altona, Frhr. v. Schleiwitz, der Regiments
kommandeur der 76er, Oberst v. Bohn,
die Herren des Kaiserlichen Gefolges,
der Kommandant des Kreuzers „Falle",
Kapitän Schönfelder, sowie die aus
Berlin, Kiel und Wilhelmshaven zu er
wartenden Admirale.
Provinzielles.
Der deutsche Thierschutz-Verband hat die
Herren Gynmasial-Oberlehrer Rohweder aus
Husum und Kaufmann Busse aus Hamburg
nach Helgoland entsandt, um in der gegen
wärtigen Flugzeit der Vögel Beobachtungen
über den Vogelmassenmord anzustellen und
darüber Bericht zu erstatten.
Ein Liebesdrama hat sich Dienstag
Nachmittag in Alt-Rahlftedt abgespielt
Vor etwa 8 Tagen mietheten sich eine
etwa zwanzigjährige junge Dame und ein
junger Mann von etwa 19 Jahren, an
geblich Geschwister, bei einem Restaurateur
an der Ahrensburger Chaussee ein. Am
genannten Tage hörte das Hausmädchen
aus dem betreffenden Zimmer lautes Rufen
und Stöhnen; die Thür war von innen
verschloffen. Der benachrichtigte Haus
Herr ließ die Thür durch einen Schlosser
öffnen. Den Eintretenden bot sich ein
entsetzlicher Anblick dar. Der junge Mann
nebst seiner angeblichen Schwester lagen
bekleidet im Bett; er hatte noch ein dolch-
artiges Messer in der rechten Hand, mit
dem er dem jungen Mädchen einen tiefen
Stich in die Herzgegend versetzt hatte.
Er selbst hatte sich mit dem Dolche in die
linke Seite beigebracht. Die beiden Ver
letzten wurden nach Anlegung eines Noth
Verbandes in das Wandsbecker Kranken
haus gebracht. Das Liebespaar — um
ein solches handelt es sich —- gehört der
ähne an. Die jungen Leute, die jedoch
zur Zeit ohne Engagement und von Geld
mitteln entblößt sind, wollten sich heira-
then, aber der Vater der jungen Dame,
angeblich ein Rittmeister, soll gegen diese
Verbindung gewesen sein und deshalb
hatten die Liebenden den Plan gefaßt, ge
meinsam in den Tod zu gehen.
Zu dem Bürgermeisterposten in Uetersen
haben sich bis jetzt 26 Bewerber gemeldet,
darunter 11 Juristen.
Wie wir hören, ist es nicht ausgeschlossen,
daß die kaiserlichen Prinzen mit ihrem
Gouverneur aus Plön zu dem Stapellauf
des Linienschiffes B nach Hamburg kommen
Wie wir aus bester Quelle mittheilen
können, hat die Königin Wilhelmina der
Niederlande dem Prinzen Eitel Fritz
am 11. d. M. das Großkreuz des
NiederländischenLöwenordensmit
Stern und Band durch ihren Flügel
adjutanten Major van der Bosch überreichen
lassen. Der Major traf auf der Rückreise
heute in Hamburg ein.
—? Apenrade, 13. Okt. In einen
starrkrampfähnlichen Schlaf gefallen ist der
noch sehr rüstige und geistesfrische Rentier
N. Davidsen Hierselbst. Seit neun Tagen
schläft der 97jährige Greis, der älteste Bür
ger der Stadt, fast ununterbrochen. Kaum,
daß man ihn aus dem Schlafe aufrütteln
kann, um die Mahlzeiten zu sich zu nehmen,
schläft der Me auch schon von Neuem wie
der ein, um fester zu schlafen, wie zuvor.
Wie lange dieser todesähnliche Schlaf noch
dauern wird, darüber kann ein Urtheil noch
garnicht abgelegt werden. Die Angehörigen
des alten Davidson sind über dessen Zu
stand in sofern beruhigt, als dem Greise
sonst nichts fehlt und die verabreichten Spei
sen demselben sichtlich zu munden scheinen.
Kiel, 12. Oct. Nach anderen Blättern
veröffentlichten wir gestern schon in kurzer
Form einen Erlaß der Eisenbahn-Berkehrs-
Jnspection. Derselbe soll nach dem „Bor
wärts" folgenden Wortlaut haben:
„Kiel, 10. September.
Es ist den Beamten gegen Namens-
Unterschrift bekannt zu geben, daß ich ihre
Versetzung nach nördlich gelegenen Sta
tionen beantragen werde, falls dieselben
wegen Nervosität oder durch andere Krank
heiten dienstunfähig werden, da derartige
Beamte hier nicht verwendet werden können.
Kgl. Verkehrs - Inspection.
Marx
„Kiel, 14. September.
Von jeder Erkrankung eines Beamten,
auch wenn dieselbe voraussichtlich nicht
von größerer Dauer ist sofort hierher
Meldung zu machen.
Kgl. Verkehrs - Inspection.
Marx."
Darauf erhielten die „Kieler Neuesten
Nachr." folgende Berichtigung:
Zu dem Artikel „Ein merkwürdiger
Erlaß der Königlichen Verkehrs-Jnspection
Kiel" in Nr. 239 Ihrer Zeitung ersuche
ich Sie auf Grund des A 11 des Gesetzes
über die Presse um Aufnahme folgender
Berichtigung:
Der Erlaß lautet:
„Es ist sämmtlichen Beamten gegen Namens-
Unterschrift zu eröffnen, daß ich für unrgehende
Versetzung der Beamten, die öfters an Ner
vosität und dergl. erkranken, nach kleinen Dienst
stellen des Nordens Sorge tragen werde, da
derartige Beamte hier nicht verwendbar sind."
Der Erlaß ist nicht den Beamten des Bahn
hofs- und Betriebsdienstes, welche mir gar nicht
unterstehen,^ sondern den im inneren Bureau
dienst der Güterabfertigung beschäftigten Beamten
bekannt gegeben, steht somit mit der Betriebs
sicherheit in keinem Zusammenhange.
Selbstverständlich liegen der Verfügung ganz
bestimmte, den Beamten 'bekannte Vorgänge zu
Grunde.
Marx.
Das Gesetz über die Presse schreibt vor,
daß jede Berichtigung aufzunehmen ist,
auch dann, wenn diese keine Richtig
stellung ist.
Aus der uns gewordenen Zusendung
der „Königlichen Eisenbahn - Verkehrs-
Jnspection gez. Marx", so schreibt das
genannte Blatt, geht klar und deutlich
hervor, daß auf Wahrheit beruht, was
wir gestern ausgeführt haben. Mit Straf
versetzung wird derjenige Beamte bedroht,
der „öfters namentlich an Nervosität und
dergl." erkrankt. Die Erkrankung wird
somit unter Strafe gestellt, denn daß die
Versetzung „nach kleinen Dienststellen des
Nordens" eine Strafe ist, das wird selbst
die „Königliche Eisenbahn - Verkehrs-
Jnspection gez. Marx" nicht berichtigen
wollen. Zum Unglück der Krankheit —
zu seinem Vergnügen erkrankt doch Nie
mand — kommt somit, nach Anordnung
der „Königlichen Eisenbahn - Verkehrs-
Jnspection gez. Marx", die Strafe der
Versetzung „nach kleinen Dienststellen des
Nordens".
Weiter erklärt uns die gewordene Zu
schrift, daß der Erlaß nicht den Beamten
des Bahnhofs- und Betriebsdienstes, son
dern den im inneren Bureaudienst der
Güterabfertigung beschäftigten Beamten
bekannt gegeben sei, „somit mit der Be
triebssicherheit in keinem Zusammenhange"
stehe. Letztere Behauptung dürfte selbst
in Fachkreisen Aussehen erregen. Im
Uebrigen wird es unzweifelhaft zur allge-
meinen Beruhigung beitragen, daß, wie
Jedermann aus der uns gewordenen Zu
schrift ersieht, „die Beamten des Bahn
hofs- und Betriebsdienstes" dem Vorstand
der „Königlichen Eisenbahn - Verkehrs-
Jnspection gez. Marx" nicht unterstehen.
Diese Beruhigung allein schon ist um den
Preis obiger „Berichtigung" nicht zu theuer
erkauft.
Kiel, 13. Okt. Die sechzehnjährige Elsa
Reichardt aus Berlin, welche sich besuchs
weise bei ihrer hier wohnenden Schwester
aufhielt, ist seit vier Tagen spurlos ver
schwunden.
Das Seminar in HadcrSleben wird
voraussichtlich in nächster Zeit bedeutenden
baulichen Veränderungen unterworfen, deren
Kosten auf 70 000 Mk. veranschlagt sind.
Das Seminar wird alsdann in der Lage
sein, statt bisher 60, in Zukunft 90 Zög
linge aufzunehmen.
Der Landmann C. Thomsen-Augusten-
burg hat seinen Landbesitz nebst dm hierzu
gehörigen Gebäuden für die Summe von
90 000 Mk. an die Regierung verkauft.
Der Landbesitz soll zum Augustenburger
Hof geschlagen werden, zu dem er großen-
theils früher schon gehört hat.
Erfde, 13. Oct. Gestern Abend
war eine Versammlung für die Einwohner
des Kirchspiels Erfde im Lokale des
Gastwirths H. Hansen Hierselbst an-
beraumt. Zweck derselben war Gründung
eines Bildungsvereins für Erfde und
Umgegend. Der Verein wurde gegründet
und traten sofort 52 Mitglieder dem-
selben bei. In den Vorstand wurden
u. A. gewählt die Herren Dr. Dumstrey,
Amtsvorsteher Paulsen, Pastor Traut
mann, die Lehrer des Kirchspiels, die
Gemeindevorsteher des Kirchspiels re. Be
schlossen wurde, in den Wintermonaten
alle 8 Tage Vorträge zu halten und zwar
soll der Anfang am ersten Freitag des
Monats November gemacht werden und
am letzten Freitag des März der letzte
Abend abgehalten werden. Im ersten
Jahre sollen die Vorträge in Hansen's
Gasthof, im zweiten Jahre in Plöhn's
Gasthof und im dritten Jahre in
Schwerdt's Gasthof stattfinden. Der Bei
trag jedes Mitgliedes wurde als Maxi-
mum auf 1 Mk. pro Jahr festgesetzt.
Man muß es mit Freuden begrüsten, daß
endlich ein solcher Verein hier ins Leben
gerufen worden ist und haben wir es
wohl hauptsächlich Herrn Dr. Dumstrey
zu danken, welcher auf Befürwortung der
Regierung die Sache in Anregung ge-
bracht hat, es wäre daher wünschenswerth,
daß die Mitgliederzahl sich noch bedeutend
vermehrte und sind deshalb die Vorträge
im Monat November als Probe an
zusehen, woran auch Nichtmitglteder theil-
nehmen können.
Gestern feierte der SchleSwigcr Gesang
verein, einer der ältesten Vereine unserer
Provinz, der wie wohl kein anderer als
Träger des Deutschthums in schweren
Jahren der dänischen Fremdherrschaft gelten
kann, sein sechszigjähriges Stiftungsfest.
L2 Ha,reran, 13. Okt. In dem be
nachbarten Ohrsee wurde die holländische
Bock-Windmühle des Landmannes Marx
Schwieger heute Vormittag durch einen
Wirbelwindstoß aus westlicher Richtung um
geweht. Die Mühle ist völlig zertrümmert.
Menschen sind nicht verunglückt.
äst Rendsburg, 14. Okt. Die Ver
setzung des Herrn Amlsgerichtsrath Vitali
aus Uetersen an das hiesige Kgl. Amtsge
richt ist auf dessen Wunsch zurückgezogen
worden. -
Ģ Rendsburg, 14. Okt. Am 1.
November d. I. wird in Gevelsberg eine
von der Neichsbankstelle in Elberfeld ab-
häugige Reichsbanknebenstelle mit Kassen-Ein-
richtung und beschränktem Giroverkehr er
öffnet werden. Wechsel auf Gevelsberg,
welche nach dem 1. November fällig werden,
werden von jetzt ab von der Reichsbank an
gekauft. ■ ‘I V
+ Rendsburg. 14. Oktober. In Neu
werk ereignete sich gestern das Unglück, daß
ein Kaufmannslehrling aus der Luke eines
Speichers auf den gepflasterten Hof stürzte.
Der Unglückliche stöhnte schrecklich und
wurde sofort nach dem Krankenhause be
fördert.
X Rendsburg, 14. Okt. Dem Vor
stande ^ der gewerblichen Fortbildungsschule
des hiesigen Arbeitervereins von 1848 ist
vom Regierungspräsidenten die Mittheilung
zugegangen, daß der beantragte erhöhte
Staatszuschuß nicht habe bewilligt werden
können, weil die von der Regierung ge
wünschte Einrichtung einer obligatorischen
Schule von der städtischen Vertretung abge
lehnt sei. Es wird dem Vorstande weiter
zu erkennen gegeben, daß für das laufende
Jahr noch eine Beihülfe von 1720 Mark
gewährt werde, um zu verhüten, daß in dem
begonnenem Unterricht eine Unterbrechung
eintrete. Endlich wird dem Vorstände auf
gegeben, die Umwandlung der Schule in
eine obligatorische erneut zu erwägen
und eine Abschrift des Protokolls der dies
bezüglichen Verhandlungen an die Regierung
einzusenden. Voraussichtlich werden sowohl
der Schulvorstand als auch die Stadtver-
trctung erneut ablehnen und dann wird
für das nächste Jahr der Staatszuschuß auf
hören. Wenn es auch wahrscheinlich ist,
daß der Ausfall durch erhöhte Zuschüsse von
Seiten der Stadt und der Spar- und Leih
kasse gedeckt wird, so steht doch zu befürchten,
daß die Schule in ihrer Weiterentwicklung
sehr gehemmt wird. Nachdem die neue
Handwerkerorganisation zur Durchführung
gekommen ist und alle Jnnungsstatüten die
Vorschrift enthalten, daß die Lehrlinge oer-
pflichtet sind, die Fortbildungsschule zu be
suchen, . kann die Aufsichtsbehörde in der
fakultativen Schule denselben Einfluß geltend
machen, als in der obligatorischen. Die
Beseitigung der facultativen Schulen auch
in unserer Zeit ist jedenfalls nur eine Frage
der Zeit. Ob die Arbeitgeber dieser Neu
ordnung gegenüber sich zustimmend verhalten,
ist eine andere Frage. Wir glauben, daß
gerade das Gegentheil der Fall ist. *
Rendsburg, 13. Oct. Ueber den
Unfall, der das Rendsburger Tjalkschiff
„Bernhardine" in der Wiker Bucht ge
troffen, wurde heute vor dem Königlichen
Amtsgericht zu Kiel Verklarung abge
nommen. Aus der Vernehmung des
Schiffers Wegener und seines Matrosen
ging hervor, daß die ^ Bernhardine",
während sie vor Anker lag, um für die
Kanalpassage einklarirt zu werden, von
dem Torpedoboot „V 6" derartig ange-
raunt wurde, daß das Bordergeschirr weg
gerissen wurde und das Schiff zur Repa-
ratur nach Kiel eingeschleppt werden mußte.
Als die Collision erfolgte, war der Schiffer
unter Deck und der Matrose hielt Wache.
Es war um die Mittagszeit und das
Wetter war sichtig.
X Rendsburg, 14. Oct. Der heutige
Wochenmarkt wor von Landleuten nicht
stark besucht. Auf dem Ferkelniarkt war
die Zufuhr die gewöhnliche- Die Preise
betrugen im Durchschnitt -10—-12 Mk.
Butter kostete das Pfd. 1-20—1.40 Mk.,
Eier wurden mit 1.40 Mk.mdas Stieg
bezahlt. Hühner kosteten 1.20^-1.40 Mk.,
Küken 60—65 Pfg-, Hasen >2.50 -3 00
Mk., Enten desgleichen. Gänse waren
reichlich und wurden mit 00^65 Pfg.
das Pfd. bezahlt. Obst und Gemüse be-
dangen die üblichen Preises Kartoffeln
wurden für 4—5 Mk. die Tonne ange
boten. Am Fischmarkt befanden sich
bauptsächlich Aale und Dorsch. .rift
Abend-Depeschen u. neueste Nachrichten.
London, 14. Oct. (Orig.-Telegr. des
Rends. Wochenbl ) Die Meldung über
die erste kriegerische Operation der
Buren, wobei die Engländer 1» Todte
hatten, erregt großes Aufsehen. Die
Promptheit, womit die Buren seit
der Kriegserklärung vorgehen, läßt
darauf schließen, daß sie längst ihren
Kriegsplan vorbereitet haben und
denselben unverzüglich ausführen. In
militärischen Kreisen hält man ein
gemeinschaftliches Vorgehen der bei
den Bnrenarmee» gegen das englische
Hauptquartier in Ladysmith für nicht
ausgeschlossen. Man glaubt, daß die
Buren sogar den Plan hegen, bis
Durban vorzudringen. Zwei Eisen-