HägLich erscheinendes H-Lcitt.
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—Ģ2 stee Jahrgang.
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irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung
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Druck und Verlag von dem verantwortlichen Herausgeber H. Möller (H. Gütlein Nächst.), Rendsburg, Mühlenstraße 18.
Dem Rendsburger Wochenblatt wird
„Der Landwirth"
(Zeitschrift für die politischen u. socialen Interessen
der Landwirthschast) gratis beigegeben.
WO. 242.
Sonntag, den 15. Hetober
1899.
Morgen-Berichte.
W Berlin, 13. Oct. Die „Nordd. Allg.
Ztg." bringt in Sperrdruck folgende
Notiz: Wir haben bisher von der Zei>
tungsfehde, welche sich zwischen politischen
Blättern der verschiedensten Richtungen
über eine angebliche Krisis innerhalb des
Staatsministeriums entsponnen hat, keine
Notiz genommen, aus dem einfachen
Grunde, weil nach unseren zuverlässigen
Informationen über die schwebenden Fra
gen unserer inneren Politik Meinungs
verschiedenheiten im Schooße des Staats
ministeriums überhaupt nicht bestehen.
Wenn einzelne Zeitungen so weit gehen,
zu behaupten, der Direktor des Litterari
schen Bureaus des Staatsministeriums,
Geh. Regierungsrath Dr. v. Falk habe
im Aufträge des Bicepräsidenten des
Staatsministeriums allein oder in Gemein
schaft mit einem Andern die Redaction der
„Neuen Preußischen Zeitung" aufgesucht
und daselbst irgend welche Erklärungen
abgegeben, so scheint doch geboten, weiterer
Legendenbildung entgegen zu treten. An
der ganzen Nachricht, deren tendenziöse
Unwahrheit übrigens von einigermaßen
urtheilsfähigen Blättern leicht hätte erkannt
werden können, ist selbstverständlich kein
wahres Wort.
Berlin, 13. Oct. In seiner heutigen
Sitzung hat das Magistrats-Collegium
beschlossen, gegen das Erkenntniß des
Bezirksausschusses in der Angelegenheit
des Friedhosspotals im Friedrichshain
beim Oberverwaliungsgericht Berufung
einzulegen.
München, 13. Oct. Nach Bläitermel-
dungen aus Augsburg stürzte dort heute
Wittag kurz vor 12 Uhr bei dem Fabrik-
Neubau der mechanischen Weberei von
Kahn und Arnold die dreiStockwerk
hohe, ganz in Eisen ausge-
führteWollhalle in sich zu
sammen. 3 Arbeiter wurden unter den
Trümmern begraben, von denen 2 todt,
der dritte schwer verletzt ist.
Mannheim, 12, Oct. Bei einem Brande
in Mundelfingen (Baden) sind 4 Kinder
ums Leben gekommen.
München, 13. Okt. Bei der „Fausts-
Vorstellung im Hoftheater erlitt der Dar
steller des Faust, Stury durch einen Sturz
eine Gehirnerschütterung. Die Vorstellung
wurde abgebrochen.
Lübeck, 13. Okt. Die Polizei über
raschte in einem hies. Hotel 10 Personen
bei verbotenem Glücksspiel; eine
wurde wegen'Falschspiels verhaftet.
Prerau (Mähren), 13. Okt. Gestern
Abend durchzogen mehrere hundert Personen
lärmend und pfeifend und Spottlieder
singend die Straßen nnd zertrümmerten
mehrere Fensterscheiben durch Steinwürfe.
Der Polizei und Gendarmerie gelang es,
die Ruhe wiederherzustellen.
M.-Gladbach, 12. Oct. Auf der Land
straße bei Anrath wurde der hiesige
Tischlermeister Oberem in der Nacht
von drei Unbekannten überfallen und
schwer verletzt. Heute früh ist er gestorben.
Die Ursache des lleberfalles 'ist noch un
aufgeklärt.
Zürich, 12. Oct. Nach viertägiger
Verhandlung sprach heute unter allgemei
nem Jubel einer großen Volksmenge
das Schwurgericht den des Mordes an der
Dirne Kleinhenne angeklagten Müller ein
stimmig frei, unter Kosten- und Entschädi
gungsübernahme an den Staat. Der
Freispruch erfolgte, weil der Angeklagte
sein Alibi fast bis zur Evidenz nachweisen
konnte.
Paris, 13. Oct. Ein Nachspiel der
Dreyfus-Asfaire wird aus Bar
le-Duc berichtet. Dort fand vorgestern
ein Duell zwischen zwei Leut-
n a n t s des in St. Mihiel in Garnison
liegenden 25. Jäger-Bataillons zu Fuß
statt. Leutnant Olivier wurde von seinen
Kameraden des „Drcyfusismus" bezichtigt
und seit acht Monaten deshalb gemieden.
Daraus ergab sich kürzlich ein Streit mit
dem Leutnant Oherne und eine Forderung
auf Pistolen. Der Zweikampf wurde in
dem Hohlweg von Verzeilles ausgesochten.
Leutnant Olivier hielt das Feuer seines
Gegners ruhig aus, ohne es zu erwidern
und bot demselben zweimal die Hand zur
Versöhnung, die zweimal von diesem aus
geschlagen wurde.
Tromsö, 13. Oct. Anfang dieser Woche
hat es hier bei einer Kälte von mehreren
Grad gefroren und sind in einer Nacht
7—10 Zoll Schnee gefallen.
Rom, 13. Oktober. Professor Ernst
Haeckel hat sich durch einen Sturz vom
Maulthier verletzt.
Newyork, 12. Oct. Aus Washington
liegt die offizielle Erklärung vor, daß die
Union in dem Konflikt zwischen
Transvaal und Engtand nicht vermittele
Vom Kriegsschauplatz
liegt noch nichts Wichtiges vor. Die Boeren
sind zwar überall im Vorrücken; aber die
Engländer haben sich ihnen noch nicht ge
stellt und zu einem Kampfe ist es daher bis
jetzt nicht gekommen.
Aus Vryburg (Britisch-Betschuanaland)
wird unter dem heutigen Datum gemeldet:
Ein gepanzerter Eisenbahnzug ist zerstört
worden. Mau befürchtet große Verluste an
Menschenleben. Die Meldung wird offiziell
bestätigt.
Präsident Krüger lehnte es ab, Pretoria
zu verlassen. Er erklärte, er werde wie ein
braver Kapitän auf der Brücke bleiben,
gleichviel, ob sein Schiff sicher in den Ha-
fen einlaufe oder in die Tiefe hinabsinke.
Der Präsident des Oranje-Freistaates,
S t e i j n, erließ eine Proklamation, in
der er die Bürger des Oranje-Freistaates
auffordert, der Schwesterrepublik Hülfe zu
leisten beim Widerstände gegen den Angriff
eines skrupellosen Gegners, der schoir lange
nach einem Vorwände suche, uni die
Afrikander zu vernichten. Präsident Steijn
giebt der Hoffnung Ausdruck, daß Gott den
Bürgern beistehen werde.
Die im Oranje-Freistaat liegende Station
Albertina, welche Eigenthum der Natal-
Staatseisenbahn ist, wurde von den Boeren
genommen. — Aus Amsterdam wird te-
legraphirt, daß dortigen Blättern zufolge
die Engländer Negersoldaten aus Bedschua-
naland rekrutiren, uni dieselben int Kriege
gegen Transvaal zu verwenden. In Folge
dessen wird die Transvaalregierung eben
falls die Schwarzen bewaffnen. — In
Laurenco Marquez eingetroffeue Züge ha
ben 10 000 Kaffern hierher gebracht, die
außerhalb der Stadt lagern. Dieselben sol
len mit Dampfern nach> dem Limpopo ge
schafft werden.
London, 13. Okt. In: auswärtigen
Amte findet heute Mittag ein Ministerrath
statt. Die seit vorgestern herrschende Be
geisterung hat sich hier bedeutend gelegt,
da man überzeugt ist, daß die englischen
Truppen vor der Hand einige Niederlagen
erleiden dürften und die Offensive nicht vor
dem Ende des Monats Dezember ergriffen
werden kann. Die ini Kriegsministeriunr
eingelaufenen Meldungen schätzen die Zahl
der kampfbereiten Boeren auf 25 000. Der
englische Heerführer giebt zu, daß diese
Truppen vortrefflich bewaffnet und ausge
zeichnete Schützen sind, kritisirt dagegen die
mangelhafte Organisation der Kavallerie
und das ungenügende Feldartillerie-Mate
rial. Der englische Generalstab Wird gegen
die Zahl der Boeren eine doppelte Anzahl
Engländer in's Feldstellen, so daß ein end-
giltiger Sieg Englands unausbleiblich sein
dürfte. Es sind augenblicklich 52 000
zur Einschiffung bereit. Die Regierung be
absichtigt außerdem noch die Mobilisation
eines weiteren Armeecorps.
Sozilàmàtischtt Parteitag,
Hannover, 12. Oct. In der Fortsetzung
der Debatte waren die Hauptredner gegen Bern
stein auch Frau Klara Zetkin und Ledebour
(Dresden). Frau Zetkin will von einer Aenderung
des Programms nichts wissen. Reformen sind
in ihren Augen nur Mittel, um das Proletariat
kampffähiger zu machen. Von einer Republik
der demokratischen Sammlung hält sie nichts.
Es gebe keine starke bürgerliche Partei, mit der
sich die Sozialdemokratie verbinden könne. Man
müsse sich die Agitation so lebendig gestalten,
als ob das Endziel morgen schon vor der Thür
steht. Sie erklärt sich damit einverstanden, in
der Bebelschen Resolution anstatt „Programm"
Grundanschauungen" zu setzen. Die sozial
demokratische Agitation sei niemals auf die
Katastrophe gerichtet gewesen; die Sozial
demokratie habe von jeher auch die kleinste
Reform acceptirt, aber wir können dieselbe nicht
als Ansatz zur Sozialisirung der Gesellschaft be
trachten. Wenn es wahr wäre, daß jede Reform,
wie David meinte, der Arbeiterklasse zu gute
kommt und einen Schritt weiter zur Sozialisirung
der Gesellschaft führt, dann kann man auch die
Polizeiverordnung, daß jeder Hund einen
Maulkorb tragen muß, als eine solche
Reform betrachten. (Große Heiterkeit. Rufe: Au!)
Das Endziel sei die Beseitigung allen Lohn
systems. Auf dem Boden der Gewerkschaften
oder auf dem Wege der Genossenschaften sei es
nicht möglich, zur Sozialisirung der Gesellschaft
zu gelangen. Die Genossenschaften in Belgien
bilden allerdings das Rückgrat für die dortige
politische und gewerkschaftliche Arbeiterbewegung.
Wenn es möglich wäre, in Deutschland ähnliche
Einrichtungen zu treffen, dann würde ich be
antragen, daß die Partei als solche Genossen
schaften gründen solle. Wenn es möglich wäre,
wie in Belgien die Parteibcträge von den Ge
nossenschaften zu erhallen, dann wäre es nicht
mehr nöthig, in der Parteikasse den fiskalischen
Standpunkt so sehr in den Vordergrund zu
stellen. Frau Zetkin bedauerte, daß es in der
Partei eine Anzahl Elemente gebe, die eine
Politik im demokratischen Sinne anstreben. Da
durch laufe die Sozialdemokratie Gefahr, sich
vom Boden des Klassenkampfes zu entfernen.
Wir begrüßen jede Reform, die geeignet ist, die
Lebenshaltung der Arbeiter zu verbessern und
letztere auf ein höheres geistiges Niveau zu
führen. Aber wir wollen diese Reformen nur
deshalb, weil die Arbeiter dadurch kampffähiger
für den dereinstigen Befreiungskampf werden,
weil wir misten, daß mit Sklaven vielleicht ein
Putsch gemacht, aber nicht die Umwälzung der
heutigen Staats- und Gesellschaftsordnung, die
Eroberung der politischen Macht erreicht werden
kann. Wir wären Bauernfänger, wollten
wir dies den Arbeitern nicht sagen. Partei
genossen! Wir müssen den Arbeitern stets unser
Endziel vor Augen halten, sie mit Begeisterung
erfüllen für ihren Befreiungskampf, sie zum
Kamps vorbereiten, als ob die Er
reichung unseres Endziels schon
m o r g e n m ö g l i ch wäre. (Stürmischer Bei
fall.,
L ö s ch e-Altona wandte sich entschieden gegen
Bernstein und besonders auch gegen David.
Bernstein sei zum Ideologen geworden.
Abg. Stolle erklärte, daß in der Textil
industrie die Verelendung immer größer werde.
Ebenso sei es auch in allen anderen Branchen
und auch in der Landwirthschaft. Der Weg, den
die Partei bisher gewandelt, habe dieselbe groß
gemacht, er habe die Ueberzeugung, die Ge
nossen werden von diesem Wege nicht abweichen,
es sei dies zweifellos der Weg, auf dem das
Proletariat zum Siege gelangen werde. (Leb
hafter Beifall.)
Ledebour war nicht so scharf, wie man
nach seinen: früheren Auftreten hätte glauben
können. Er erklärt, er wolle kein Ketzergericht
veranstalten. Das Vorgehen Davids finde! er
sympathischer als das Verhalten jener Leute, die
in Volksversammlungen scharfe Reden gegen
Bernstein gehalten, aber auf dem Parteitag sich
seitwärts in die Büsche schlagen. In der Reso
lution Bebel will Ledebour den Passus streichen,
der von der Möglichkeit eines Zusammengehens
mit den bürgerlichen Parteien handelt. Er tadelt
die bayerischen Genossen, daß sie bei der Land
tagswahl nicht wenigstens die Forderung der
Prvportionalwahl zur Grundlage ihres Wahl
bündnisses mit dem Centrum gemacht haben,
Sehr stürmisch geht es bei der folgenden Rede
zu.
Redacteur Pens- Dessau beginnt nämlich
seinen Vortrag mit den Worten: Bebel ist nicht
der Idiot, als welcher er gestern von Kautsky
hingestellt worden ist. Große Unruhe im Saale.
Glocke des Präsidenten Singer: Ich mache
den Redner darauf aufmerksam, daß das Niemand
behauptet hat. P e u s fortfahrend: Kautsky hat
gestern gesagt, Engels müßte ein Idiot sein,
wenn er den Kladderadatsch für 1898 prophezeit
hätte. Aus dem Parteitage 1891 sagte Bebel, er
freue sich, daß sein Freund Engels den grund-
legendm Umschwung der Verhältnisse um das
Jahr 1898 vorhersage. Er sagte dann: Vollmar
hat darüber gespöttest, ich habe aber Engels ge
schrieben: „Älter, du und ich, wir beide sind die
einzigen Jungen." Und er sagte weiter: Es
giebt Konservative, welche sagen: „Gebt Acht,
die Katastrophe kommt bald." (Unruhe.) Wenn
Bebel den Standpunkt von 1891 heute ablehnt,
so zeigt das, daß die Verhältnisse sich geändert
haben. Vollmar ließ man 1891 nur so noch
durchschlüpfen. Heute hat er gesiegt und seine
Taktik beherrscht die Partei.
Besonders interessant war die heutige Rede des
Abg. A net, der in ironischer und humoristischer
Welse die in der Debatte hervorgetretenen Gegen
sätze behandelte. Gegenüber dem Abg. Stadthagen,
der die stete Betonung des Endziels der Partei
für unerläßlich erklärte, führte Auer aus:
Wenn man dem Vorredner folgt, hängt der
Wahlerfolg davon ab, ob man das Endziel scharf
genug betont. Ja, wie erklärt er sich die Durch
fälle. Den Gen. Bebel und Liebknecht wird Gen.
Stadthagen zutrauen, daß sie vom Endziellauch
etwas verstehen. Liebknecht war 1881 in Mainz
gewählt — natürlich mit dem Endziel — und
konnte wegen einer Doppelwahl nicht annehmen.
Und mm wurde Bebel, der in Berlin durchgefallen
war, natürlich auch mit dem Endziel — nicht
gewählt. (Heiterkeit.) Ich glaube dem Genossen
Heine nicht unrecht zu thun, wenn ich annehme,
daß Gen. Stadthagen meint, daß es bei ihn: mit
dem Endziel nicht alles in Ordnung ist.
(Stürmische Heiterkeit.) Und Gen. Heine ist in
denrselben Aufmarsch mit Stadthagen gewählt
worden. Gen. Stadthagen stellt die Behauptung
auf, daß es zwei Richtungen von Genossen giebt.
So lange Sie mir den Schlafmützen-Agitator
nicht auf den Tisch des Hauses legen, (Heiterkeit)
der verzichtet, die Masten zu gewinnen und sich
mit der Gründung eines Lesezirkels begnügt,
muß ich annehmen, daß Sie etwas behauptet
haben, was Sie nicht beweisen können. Ich bin
ebensowenig Bernsteinianer wie ich Marxist bin,
in dem Sinne wie unsere marxistischen Kirchen
blätter den Marxismus ausgebildet haben. Wissen
Sie, was ich Bernstein geschrieben habe? "Ich
schrieb ihm: „Lieber Ede! Du bist ein Esel.
So etwas sagt man nicht, so etwas thut inan
nur!" (Stürmische Heiterkeit.) Also Bernsteinianer
bin ich nicht, wie mir nachgesagt wirdpj und
Marxist, wie man es sein soll, bin ich auch nicht
s Grevisde.
Roman von Hermann Heiberg.
(Nachdruck verboten.)
Comtesse Lucile Lavard war eine unge
mein schlanke Dame mit einer außerordent
lich vornehmen Haltung. Ihr Gesicht be
saß eine vollendete Regelmäßigkeit; sie glich
einer edlen Römerin, die den Schönheits
preis davongetragen. Die Nase war leicht
gebogen, die schwarzen Augen glühten in
einem dunklen Feuer, die Lippen waren fein
geschnitten. Gleich der Abendröthe Anhauch
lagen sanfte Farben auf den weichen Wan
gen, und ihre Zähne blitzten in dem Weiß
der Fischgräte.
Die Gräfin hatte Recht, sie war blendend
schön und zugleich von einer Liebenswürdig
keit, die etwas wahrhaft Bestrickendes be
saß. —
Als man das Schloß erreicht hatte, zog
sich Axel absichtlich zurück und wanderte ins
Dorf.
Mitten in diesem lag, zurückgelehnt, der
Besitz des Grafen Knut, ein zweistöckiges,
schneeweiß angestrichenes Haus mitten unter
Grün und Tannen.
Er fand den Besitzer in seinem Garten
bei den Blumen, und nachdem ein im Hause
eingenommenes Glas Wein und eine Cigarre
bereits die Gemüthlichkeit erhöht hatten,
unternahmen sie zusammen einen Spazier
gang durch den sehr ausgedehnten, mit statt
lichen Gehöften und Baucrhäusern, aber auch
mit vielen ärmlichen Kathen besetzten Ort.
Bei dieser Gelegenheit ließ sich Axel möglichst
viel von Lavards und auch von Lucile er
zählen.
Graf Knut berichtete, daß Lucile vor
anderthalb Jahren mit einem französischen
Gesandtschaftsattachö in Kopenhagen, dem
jungen Marquis von Rebullion, verlobt ge
wesen sei und diese Verbindung wieder ge
löst habe.
Deni wäre es zuzuschreiben, daß sie seit
her keine Ehe eingegangen sei.
Er bezeichnete sie als ein vollendetes
Mädchen, sie besitze aber einen unbeugsamen
Standesstolz.
Während sie noch sprachen, kam Doktor
Presto vorüber, machte eine Bewegung, als
ob er stehen bleiben wolle, besann sich aber
und grüßte den Grafen mit großer Artig
keit, Axel aber mit steifer Gemeffenheit. Es
geschah, obschon Presto Axels Besuch noch
nicht erwidert hatte.
»Ein recht unangenebmer Mensch!" warf
Axel hin.
Graf Knut bewegte stumm die Schultern.
„Sie scheinen meine Auffassung nicht zu
theilen?"
„Man muß den Zusammenhang der Dinge
kennen, um ein gerechtes Urtheil zu fällen -
entgcgnete Graf Knut. „Prestos Eltern
standen unter dem Druck eines maßlos hoch
mütigen und gegen seine Untergebenen
rücksichtslos harten Gutsherrn, des Grafen
Vedelsborg auf Bornholm. Prestos Vater
war dort Guts-Inspektor. So sog der
Sohn den Haß gegen den tyrannischen
Gutsherrn seit seiner Kindheit in sich ein.
Prestö ist völlig mittellos; die unvermögen
den Eltern sind lange gestorben; nur durch
eisernen Fleiß, Stipendien und Stunden
geben hat er sein Studium ermöglicht. Durch
solche Thaten, durch solches Ringen um die
Existenz bilden sich Charaktere, allerdings
selten liebenswürdige, eher einseitige und
selbstsüchtige. Als unser alter Doktor vor
sechs Monaten starb, gab ich die Veran
lassung, daß sich Prestö hier niederließ. Ich
interessirte mich von jeher für die Eltern.
Gewiß, seine Manieren lassen recht sehr zu
wünschen übrig, ich gestehe das zu. Auch
gährcn in ihm die Ideen der neuen Zeit.
Ich bedauere diese Richtung. Aber — was
will man machen? Wechsel regiert die Welt,
und mit ihm treten neue Anschauungen und
Erscheinungen zu Tage. Wir — die Guts
herren — haben die gute Zeit gehabt, nun
wollen auch die Bauern einmal leben!"
„Ah, nun verstehe ich! Deshalb Jmgjors
Eintreten für ihn! Sie begegnen sich in
ihren Anschauungen. Jetzt ist mir alles
klar. Nun weiß ich, wer meinem Werben
um sie entgegensteht."
„Sie interessiren sich für die Comteffe
Jmgjor, Herr Graf?"
„Ich gestehe es — außerordentlich! Ich
habe auch des Grafen und der Gräfin
Beifall für meine Pläne. Bisher glaubte
ich nur gegen Vorurtheile zu kämpfen. Nun
bin ich üherzeugt, daß ich in Prestö meinen
eigentlichen Widersacher zu suchen habe.
Gewiß, sie lieben sich!"
„Vielleicht doch nicht —" betonte der
Graf, auf das Gespräch ohne Umschweife
eigehend. „Daß Jmgjor Jntcreffe für ihn
besitzt, will mich wohl auch bedünken. Aber
er für sie? Er war schon als Student
verlobt und ist es, so viel ich weiß, noch —"
„Ah, welch' eine gute Nachricht! Erzählen
Sie, ich bitte!" fiel Axel lebhaft ein und
zog den alten Herrn über das Dorfgebiet
hinaus. —
Am folgenden Tage, nach dem zweiten
Frühstück, wußte cs Axel so einzurichten, daß
er mit Lucile im Garten auf- und ab
wandelte. Der Graf hatte wegen seiner
Geschäfte auf eins der Vorwerke fahren
müssen, und die Gräfin — eine selten vor
kommende Erscheinung — mußte wegen
einer Migräne das Zimmer hüten.
Lucile war, in Vertretung ihrer Mama,
beim Frühstück sehr liebenswürdig um Axel
bemüht gewesen. Sie besaß ähnliche Eigen
schaften wie ihre Mutter. Mit Verstand
und Geist verband sie große Lebhaftigkeit.
Wie sie sonst zu beurtheilen sei, mußte er
erst ergründen.
Es giebt Frauen, die bei aller sonstigen
Beweglichkeit eine stolze Prüderei hervor
kehren, sobald ein Mann eine über das
Conventionelle hinausgehende Annäherung
wagt.
Zu einer engeren Berührung im ersteren
Sinne gehört nach ihrer Auffassung die
Prüfung eines halben Menschenalters, und
Artigkeiten, die ein Interesse verrathen,
weisen sie mit einer verletzenden Schroffheit
zurück.
Der Graf hatte Recht: zu diesen schien
Lucile zu gehören.
Lucile sprach mit Vorliebe über ihren
Aufenthalt in den großen Städten und
ihren Verkehr mit den Personen der bevor
zugten Stände. Es geschah das aber in
einer Weise, die keinerlei Absichtlichkeit durch
schimmern ließ; sie behandelte die Dinge als
etwas naturgemäß zu ihr gehöriges. Aber
es ging aus allem hervor, daß sie Umgang
und Beziehungen zu solchen Personen über
alles stellte, daß das Leben in diesen Kreisen
mit dem Interesse für Toilette, Korsos,
Jagden, Pferde und geräuschvolle Gesellig
keiten ihr Eldorado war. Und dieses Hervor
kehren und dieses Werthlegen auf Dinge,
die Axel als minderwerthige ansah, reizte
ihn und verführte ihn zu starkem Wider
spruch.
„Was Sie besonders anzuziehen scheint,
Comtesse, stößt mich geradezu ab —“ warf
er, herabsetzend im Tone, hin.
Und mit einem „So, so! Ja, der Ge
schmack ist eben ein verschiedener —" ant
wortete sie darauf.
Statt daß Lucile, wie Axel s erwartet
hatte, ein Erstaunen darüber an den Tag
legte, daß er, der doch zu diesem Kreise
gehörte, einen solchen abweichenden Ge
schmack bekundete, schien sie das hinzunehmen,
wie das Zwitschern eines Vögelchens, das
über ihnen in den Zweigen huschte.
Sie rechnete mit dem, was einmal vor
handen war; sie entwickelte keinen Eifer
darüber, daß er mit ihren Neigungen nicht
übereinstimmte.
Während sie sich eben wieder dem Schloß
näherten, in dem sie ein Waffenzimmer be
sichtigen wollten, von dem beim Frühstück
die Rede gewesen war, sagte erst.
„Sie ziehen also wohl jedenfalls die
Stadt dem Lande vor. Sie finden wahr
scheinlich gar keinen Geschmack an dem ein
förmig-stillen Leben auf Rankholm, Com
tesse?"
Statt einzutreten — eben hatten sie eine
Pforte im Souterrain erreicht, durch die man
von hinten ins Schloß gelangen konnte —
blieb fie stehen, richtete den Blick geradeaus
und sagte, zunächst durch eine Kopfbewegung
seinen Worten begegnend:
„Nein, ich bin hier sehrS gern. Im
Sommer ist mir die Stadt nichts. Abc
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