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ZnsertionspreiS: pro Petitzeile 15 b-
Morgen-Berichte.
London, 7. Oktober. Die zweite Aus
gabe der „Times" meldet: Die die R e-
serven einberufende Proklamation
ist unterzeichnet worden. Es werden
nur soviel einberufen, als genügend er
scheint, jedes für Südafrika bestimmt e
Bataillon auf 1000 Mann zu verstärken.
Die Einberufenen haben Befehl, sich am
17. Oktober zu stellen.
Das Kriegsamt giebt bekannt, daß etwa
25 000 Reservisten die Aufforderung, sich
zum aktiven Dienst zu stellen, erhalten
werden.
London, 7. Oct. Durch Erlaß der
Königin wird das Parlament auf
den 17. October zur Berathung
dringender und wichtiger Angelegenheiten
einberufen.
Landen, 7. Oct. Lord Salisbury begab
sich sofort nach seinem Eintreffen in London
in das Ministerium des Auswärtigen, wo
selbst er eine längere Konferenz mit dem
französischen Botschafter hatte und darauf
zwei Stunden mit dem Minister der Kolonien
conferirte.
Berlin, 8. Oct. Der Präsident der
Seehandlung, Freiherr v. Zed litz, hat
Veranlassung genommen, aus Gesundheits
rücksichten sein Entlassungsgesuch ein
zureichen. Herr von Zedlitz dürfte mit dem
Beginn des nächsten Jahres mit der ge-
schlich ihm zustehenden Pension in den
Ruhestand treten.
Berlin, 7. Oct. Das Anarchistenblatt
„Armer Konrad" hat mit dem heutigen
Tage sein Erscheinen eingestellt. Das Blatt
sollte namentlich der Massenagitation unter
der arbeitenden Bevölkerung dienen. Es er
scheinen nunmehr in Berlin noch die beiden
anarchistischen Blätter „Sozialist" und
„Neues Leben."
Berlin, 8. Okt. Eine folgenschwere
Explosion hat gestern in der Anilin-
Fabrik zu Rummelsburg stattgefunden.
5 Arbeiter wurden durch eine heiße Masse,
die unter starkem Druck aus einem der
Reductions - Apparate ausströmte, stark
verbrüht.
Magdeburg, 7. Oct. In der 6. und
8. Compagnie des 26. Jnfanterie-Regi
ments ist der Typhus ausgebrochen. Die
Zahl der Erkrankten ist bedeutend, läßt
sich aber nicht feststellen, da über die
Epidemie Stillschweigen beobachtet wird.
Darmstadt, 8. Oct. Heute Vormittag
fand im engsten Kreise die kirchliche Ein
weihung der neu erbauten russischen Kapelle
statt. Anwesend waren: Das Zarcnpaar,
de» Großherzog und die Großherzogin, die
3 n der nächsten Nummer beginnt der
mehrfach angezeigte sehr gewählte
Roman Hermann Heiberg's:
..Grevinde",
was wir unseren geehrten Lesern hiermit
zur gest. Kenntnißnahme mittheilen.
Die Redaction.
Amerikanische Mlionà-
töchter.
Vergangenen April landete in New-^ork
ein österreichischer Baron, dessen Visitenkarte
lautete:
Reichsfreiherr von und zu Bischoffshauseu,
von Brege, Neuenrode und Allenstein,
k. u. k. Oberlieutenant i. d. K. des Ulaneu-
Kegiments Alexander II., Kaiser von Kuss
land, No. 11.
Dieser bedeutende Mann war nach New-
Aork gekommen, um nach einer Erbin zu
suchen. Er war im Hotel Windsor abge
stiegen und hatte zwei Annoncen inserirt,
von denen die eine lautete: „Einer schönen
Millionärin, unabhängig, 17—25 Jahre
alt, die gerne bei Hofe vorgestellt werden
möchte, bietet sich Gelegenheit, einen jungen
Mann von hohem Adel zu heirathen. Briefe
und Photographieen werden gewiffenhaft
retournirt. Unter „Exclusiv".
Die andere Annonce hatte folgenden Wort
laut: „Schöner, junger Ofsicier, adlig,
wünscht ein sehr schönes und sehr junges
Mädchen zu heirathen. Man bittet um
Antwort binnen einer Woche, da er nach
Arrestes mrd §elelenstrs Klatt im Kreise Keudsvnrg.
Anzeigen für die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten.
Ş2 fter Jahrgang.
Bei Betriebsstörungen
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung
dieses Blattes vorbehalten.
Dem Rendsburger Wochenblatt wird
„Der Landwirth"
(Zeitschrift für die politischen u. socialen Interessen
der Landwirthschast) gratis beigegeben.
Dienstag, den 10. October
Großfürsten Andreas, Khrill und Boris,
ferner die Kronprinzessin von Rumänien.
Karlsruhe, 7. Oct. Heute tagte hier der
14. Verbandstag der deutschen Baugcwerbs-
berufsgcnosscnschaftm. Wie der Vorsitzende
Felisch aus Berlin mittheilte, wurde von
dem Beschluß, die Weltausstellung in Paris
zu beschicken, Abstand genommen, weil der
zur Verfügung gestellte Rauin viel zu klein
sei, die Bedeutung der Baugewerbsberufs-
gcnosscnschaftcn zur Geltung zu bringen. In
einer Resolution protcstirt der Berbandstag
gegen die Bestimmung, wonach die Genossen
schaften verpflichtet werden sollen, von allen
Rentenfeststcllungen der Behörde Mittheilung
zu machen, da hierdurch die Berufsgenossen
schaften mit Arbeit überlastet würden, ohne
praktischen Werth davon zu haben. In einer
weiteren, zur Annahme gelangten Resolution,
erklärte sich der Verbandstag gegen die Billi
gung von Rentenstellen für die Festsetzung von
Unfallrentcn. Sodann beschloß der Verbands
tag die Gleichstellung der Beauftragten der
Berufsgenosscnschaften bei Ueberwachung von
Uufallvorschriftcn mit den Gewerbeinspektoren
anzustreben. An den Verhandlungen bethei
ligte sich and) der Vertreter des Reichsver-
sichcrungsamtcs, Geheimrath Greef. Die
badische Regierung war durch den Mini-
sterialrath Weingärtner vertreten.
Hanau, 7. Oct. Hierselbst tritt der
T y p h ns auf. Zwei Häuser am Heu-
markt sind der Herd der Epidemie. Die
Bewohner sind erkrankt, einer ist gestorben
Sechs Personen, deren Zustand bedenklich
erscheint, wurden in das Landkrankenhaus
geschafft. Auf behördliche Anordnung
wurden beide Häuser geräumt. Sämmt
liche Bewohner wurden in dem außer
halb liegenden Lehrhof untergebracht.
Weimar, 7. Oct. Nachdem die Re
gierung sämmtliche socialdemokratischen
Versammlungen im Großherzogthnm unter
sagt hat, werden seit gestern auch die
unpolitischen Gewerkschaftsversammlungen
verboten. Weitere Maßregeln gegen die
Socialdemokraten stehen bevor.
Wien, 8. Oct. Zum Ministerpräsidenten
wurde vom Kaiser Graf Manfred Clary
Aldeingen ernannt. Derselbe war Statt
Halter von Steiermark.
Budapest, 7. Oct. Im Nationaltheater
kam es bei der gestrigen Abendvorstellung zu
einer peinlichen Scene, weil ein Hörer der
Landesschauspiclschulc während der Vor
stellung auf die Bühne sprang und laut
gegen die Abhaltung der Aufführung am
Tage der Nationaltraucr für die Arader
Märtyrer protestirte.
London, 7. Oct. „Daily Telegr " ver
öffentlicht die Namen der bei den letzten
Ueberschwcmmungcn in Bengalen (Indien)
Ertrunkenen; cs sind dies im Ganzen 250
Personen, außerdem sind 10 000 Häuser
eingestürzt.
Belgrad, 8. Oet. In hiesigen politischen
Kreisen ruft die Haltung Rußlands, welches
die diplomatischen Beziehungen mit Serbien
vollständig abgebrochen hat und den serbischen
Geschäftsträger in Petersburg ignorirt, große
Bcsorgniß hervor. Man erwartet, daß die
Regierung dem König die baldige Begnadigung
der im Hochverrathsprozesse Berurtheilten
nahe legen wird, damit sich die Beziehungen
zu Rußland wieder bessern.
, 7. Oct. In den Ostfeeprovinzen
wurden neuerdings dreißig deutsche Bolks-
chullehrer entlassen. Ein Ersatz ist noch
nicht beschafft, da die Behörde nur Ruffen
anstellen will.
"" Ausland
Außereuropäische Gebiete.
Johannesburg (Transvaal), 7.
Okt. Dreitausend Eingeborene verließen die
Minen, dafür kommen vierhundert andere.
Tie erste Abtheilung des irländischen Corps
ging zur Grenze ab, um gegen die Englän
der zu kämpfen. In Johannesburg ist große
Aufregung; berittene Polizei durchreitet die
Straßen. Die Corps, speziell die Constab-
ler, bestehen meist aus Deutschen und Fran
zosen, aber auch! einige Engländer sind dar
unter. Die Polizeitruppe ist angeworben,
um mit der Ortspolizei zu cooperiren. Die
Fereiramine wird in vollem Betriebe er
halten. Die Regierung erklärte die Ab
sicht, das Gold aller Minen einzuziehen und
den Direktoren nur soviel gemünztes Gold
zugeben, um die Löhne zu bezahlen. ^Tau
sende von Eingeborenen kamen in die Stadt.
Die Behörden beschlossen, sie unter
cortc aus der Stadt führen zu lassen. Die
Kafsern ermordeten drei israelitische Krä-
tncr; sie plündern alle Läden, wo sie
Schnaps vermuthen. — Nach einer Pri
vatmeldung anS Johannesburg haben die
Kafsern in Modderfontaine große Mengen
Dynamit gestohlen. Die Uitlanders, George
Alber an der Spitze, formirten Polizeicorps
zum Schutze der Bergwerke.
E i n e ° m v d e r n e Ehe wurde in
Toledo (Ohio, Nordamerika), geschlossen,
wie der Hannoversche Courier mittheilt,
die, ganz amerikanisch, den modernen
anarchistischen Ansichten von der Ehe,
wenigstens denjenigen in Amerika herrschen
den, Ausdruck giebt. Die Braut ist nicht
aufgefordert worden, ein Gehorsamsgelübde
zu leisten, ihr Eigenthum abzutreten, noch
ihren Mädchennamen gegen den des
Mannes einzutauschen, den sie als Gatten
angenommen hat. Die Heirathsceremonie
wurde von einem O r t s r i ch t e r voll
zogen, und die beiden Parteien haben ein
BBESS
schriftliches Uebereinkommen abge.
schlossen. Ihre Ansichten über den Ideal-
zustand der Ehe wurden in folgenden Er
klärungen niedergelegt. Die Braut be
gann: „Ich glaube, daß eine wahre
Ehe eine innige Verwandtschaft des
Herzens, des Geistes und der Seele
zwischen Mann und Frau ist, die in ein
ander die Begeisterung für das Beste,
Höchste, Edelste und Reinste des Charakters
finden. Da ich glaube, daß solche Ver
wandtschaft des Herzens, des Geistes und
der Seele zwischen uns besteht, und daß
wir miteinander harmoniren werden, ver
pflichte ich, Lydia Kingsmill Comman
der, mich in Gegenwart dieser Zeugen,
das Weib Herbert Newton Cas sons zu
sein, und verspreche, Alles mit ihm zu
theilen, was die Wechselsälle des Lebens
auch bringen mögen, ihm in Kummerund
wie in Freude, in Krankheit wie in Ge
sundheit, wenn die Welt lächelt oder
finster ist . . ., so lange, aber nur so
lange zur Seite zu stehen, wie Liebe unsere
Herzen verbinden wird und unsere Seelen
in eins verschmolzen sind. . . — Der
Bräutigam begann seine Erklärung
mit folgenden Worten: „Ich wünsche
eine vorurtheilsfreie Frau zu heirathen,
keine Sklavin. Mit dem ganzen Vertrauen
der Liebe, gestehe ich meiner Frau jedes
Recht zu, das ein Mann einer Frau ge
währen sollte. Ich will weder Liebe
erzwingen, noch einen Anspruch durch ein
gesetzliches Recht geltend machen. Nur
so lange die Liebe aus freiem Antriebs
kommt, ist sie Liebe. Ich wünsche nur
so lange geliebt zu werden, wieichli ebens
werth bin, und nicht länger. Ich will
niemals ein anderes Leben unwideruf-
lich an das meinige ketten. Darum
erkläre ich, Herbert Newton Casson, vor
diesen Zeugen, daß ich Lydia Kingsmill
Commander so lange zu meinem Weibe
nehmen will, wie Liebe und Weisheit
uns vereinen. Ich verpflichte mich, daß
diese Heirath den von ihr erwählten Be
ruf und ihrer weiteren Entwickelung nicht
entgegen sein wird." Diese Dokumente
wurden von der Braut und dem Bräuti
gam unterzeichnet. Wie lange diese „Ehe"
wohl dauern wird?
Frankreich.
Wie die Münchener Allgemeine Zeitung
aus Paris erfährt, ist es Graf Murawiew
gelungen, cine Coalition vorläufig von Ruß
land, Frankreich und Spanien (!) gegen
England im Falle des Ausbruchs von Feind
seligkeiten in Südafrika zu schaffen. Was
Deutschland betrifft, so scheine bis jetzt eine
mglandfreundliche Partei in den maßgebenden
Kreisen noch die Oberhand zu haben, obwohl
es eine sehr starke Partei gebe, die zum
Anschluß an Rußland dränge. — In^Paris
wird man wohl seine Auffassung von dm
Verhältnissen in deutschen maßgebenden Kreisen
berichtigen müssen. Ganz so liegt die Sache
nicht.
Paris, 6. Okt. Bon ihrem Kammer
diener ermordet wurde eine ungefähr
50 jährige, anscheinend reiche Spanierin,
die in Begleitung eines 40 jährigen Mannes
in einem Hotel von Cabere (Pyrsnêes-
Orientales abgestiegen war. Sie wollte
in der Nacht nach dem Badeorte Banguls
abreisen, ließ sich aber von ihrem Be
gleiter, angeblich ihrem Kammerdiener,
bereden, nach diesem Orte sich zu Fuß
auf einem durch die Berge führenden
Maulthierpfade zu begeben, als sie den
Zug versäumt hatte. Am nächsten Morgen
fand man den Leichnam auf dem Wege
ausgestreckt. Sie war nach augenscheinlich
verzweifeltem Widerstände von dem Mörder
erwürgt worden. Der Mörder hatte seinem
Opfer alle Papiere abgenommen, so daß
die Identität der Unglücklichen nicht fest-
gestellt zu werden vermochte.
In Ronbaix ist ein großer Polizei-
Skandal ausgebrochen, in den sich bereits
die Gerichtsbehörden von Lille eingemischt
haben. Dem Maire von Roubaix fiel es
in der letzten Zeit auf, daß viele Geheim
polizisten ihre Entlassung einreichten.
Aus Schreiben, die ihm von diesen in der
Folge zugingen, erkannte er endlich den
Grund dieser auffälligen Massendemissionen.
Die Beamten erklärten nämlich, daß der
Chef der Geheimpolizei von Roubaix
Namens Huyghes ein einfacher Bandit
wäre, und sie bekräftigten diese Behauptun
gen durch Vorführung von Thatsachen, die
die sofortige Entlassung Huyghes aus
dem städtischen Dienst zur Folge hatte
und ihm schwere Bestrafungen zuziehen
werden. Unter anderem wurde bewiesen,
daß er gegen mehrere ausländische Ge
werbetreibende gegen Bezahlung seitens
Konkurrenten Ausweisungsbefehle erwirkte.
Die schlimmste gegen ihn erhobene Be
schuldigung ist aber die, die V erurth ei-
Iuitg eines Unschuldigen zu 20jähri-
ger Zuchthausstrafe wissentlich herbei
geführt zu haben. Es handelt sich dabei
um Folgendes: Im Jahre 1895 entstand
eine wahre Panik unter den Bewohnern
von Wasquehal und Umgebung wegen
zahlreicher Brandstiftungen. Da alle
Nachforschungen der Polizei nach den
Brandstiftern vergeblich blieben, faßte
Huyghes den teuflischen Plan, einen wegen
Landstreicherei und kleinerer Vergehen
mehrfach verurtheilten armen Kerl Namens
Berhulst als einen der Schuldigen
Jean
Ablauf dieser Frist die Stadt verlaffen muß
Näheres unter „Aufrichtigkeit".
Unglücklicher Weise fielen die Ankündigun
gen des Barons einigen jungen Mädchen
in die Hände, welche beschlossen, sich mit
dem Oesterrcicher einen Scherz zu machen.
Sie wählten die Photographie einer sehr
schönen, aber völlig unbekannten Schau
spielerin, tauften sic zu dem Zweck mit dem
Namen einer Millionärstochter, Miß Grace
Stuyvesant, und sandten das Bild nebst Brief
an die Adreffe des jungen Officiers. Am
folgenden Tage erhielten die Absenderinnen
nachstehende Antwort:
„An Miß Grace Stuyvesant. Ihr ent
zückendes Antlitz hat auf mich einen tiefen
Eindruck gemacht, und bitte ich Sie, mir auf
folgende Fragen vertrauensvoll zu erwidern:
Welcher Religion gehören Sie an? Ist Ihr
Gesicht rund oder länglich? Was ist der
Umfang Ihrer Taille? Und Ihr Gewicht
in Pfunden? Lieben Sie den Tanz? Die
Musik? Singen Sie oder spielen Sie
irgend ein Instrument? Welche Sprachen
sprechen Sie? Fahren Sie Rad? Reiten
Sie? Lebt Ihr Vater noch? Wie alt ist
er? Und Ihre Mutter? Wie alt ist diese?
Haben Sie Brüder? Schwestern? Wie
viele? Sind sie verheirathet? Was für
Landsleute find Ihre Schwager? Amerikaner?
Ausländer? Adlige? Bürgerliche? Sind
Sie Herrin Ihres Vermögens oder nur der
Zinsen des Kapitals? Wie groß ist Ihr
Vermögen? Besteht cs in baarem Geld?
In Besitzungen? In Renten? Haben Sie
außerdem noch etwas zu erwarten? Hoch
achtungsvoll Exclusiv."
Da der edle Grande auf diesen Brief
ohne Antwort blieb, schrieb er unaufhörlich
an seine präsumtive Braut, schilderte ihr in
glühenden Farben die äußeren und inneren
Vorzüge des annoncirenden Edelmannes, und
schließlich sandte er, um das Eis zu brechen,
seine Photographie mit der Unterschrift
C. Stonel. Unvorsichtiger Weise trug das
Bild den Namen des Berliner Photographen
und die Nummer der Platte, und so war
es für die jungen Damen ein Leichtes, den
Namen des Eroberers zu erfahren, den sie
dann drei Wochen später niitsammt dem
Bilde und dem Facsimile der Briefe in
einem großen New-Porker Blatte veröffent
lichten. So zwangen sie den Heiraths-
kandidaten zur schleunigen Flucht.
Und doch war das Vorgehen des Oester-
reichers nach all den bekannten Präcedenz-
fällen entschuldbar. Wäre Miß Grace
Stuyvesant, falls sie cxistirt hätte, die erste
gewesen, die sich mit ihren Kronen eine
Krone erkauft? Miß Anna Gould ist be
kanntlich Gräfin Castellane geworden, Miß
Consuelo Vanderbilt Herzogin von Mal-
borough und dadurch der Königin von Eng
land verwandt. Gräfin Essex, Ladh Greh-
Egerton, Prinzessin Hatzfeldt entstammen
alle der 5. Avenue und deren Umgebung.
Und damit sind die Beispiele nicht erschöpft.
Miß Forbes hat den Grafen von Choiseul-
Praelin geheirathet, Miß Gardner den
Marquis von Bretcuil, Miß Godard den
Prinzen Carl Poniatowski, Miß Hoffmann
wurde Marquise von Morès, während zwei
Schwestern Singer sich dem Prinzen von
Polignac und dem Herzog von Dccaze ver
mählten und Madame Stevens dem Herzog
von Dino eine Mitgift von 35 Millionen
Francs brachte. Im übrigen ist ja Amerika
das Land, welches seinen nach der alten
Welt verhcirathcten Töchtern während des
letzten Jahres bis rund 200 Millionen
Dollars mitgab, von denen die Hälfte auf
Frankreich allein entfiel. Miß Gould er
hielt 75 Millionen Francs, Miß Vander
bilt 50 Millionen und Madame Roberts,
jetzige Gattin des Obersten Ralph Vivian,
60 Millionen Francs.
Doch brachte die erkaufte Krone den ehr
geizigen Schönen nicht auch zugleich das
erhoffte Glück. Im Augenblick z. B. be
trachtet sich die Herzogin von Malborough
als Gegenstand tiefen Bedauerns. Und
zwar, weil ihr in Miß Jennie Chamberlain
aus Cleveland, Gattin des Baronets Nay-
lord-Leyland, eine gefährliche Rivalin auf
dem Gebiete des Luxus und der Pracht-
Entfaltung zu erstehen scheint. Denn das
völlige Glück dieser Damen besteht nur in
der anerkannten Ueberlegenheit in Bezug auf
Reichthum und Eleganz. So würde Miß
Astor, falls sie in Newport mit hundert
Toiletten zur Badesaison landete, sofort ab
reisen, wenn sie hörte, daß irgend eine
Andere der jungen Millionärinnen im Be
sitze von hundertzehn Kleidern sei. Miß
Territt z. B. sandte im vergangenen Jahre
ihre beiden, mit 4200 Dollars bezahlten
Pferde nach New-Uork zurück, da sie er
fuhr, daß Miß Wilson Vollblutthiere für
6000 Dollars kutschiren würde. Außerdem
verdankte sie dem Aerger einen Anfall von
Gelbsucht.
Und die Brüder dieser Millionenschwester?
Heirathen sie in ahnenreiche aber goldarmc
Familien? Keinesfalls. Da sie von den Titeln
und Namen ihrer Bräute keinerlei Vortheile zu
erwarten hätten und ihre angeborene Derbheit
und die Zwangsloftgkeit ihrer Manieren
inmitten der prüden Umgebung Anstoß er
regen würde, suchen sie, wie Kevues des
Kevues schreibt, ihre Gattinnen auf den
Brettern, wie Mr. Terry die bekannte
Sängerin Sybil Sanderson, oder in der
Mantzge wie Mr. Gould, der die Reiterin
Mlle. Clemmons heirathete. Mr. Fengler,
ein fünfzigfacher Millionär, verliebte sich in
die Sängerin Miß Mandelick, nach dem
Vortrage des Liedes „Blümlein traut, sprecht
für mich", und sandte der jungen Dame
so viele Blümlein, bis sie deren Sprache
verstand, wobei das Anerbieten seiner Hand
jedenfalls zum schnelleren Verständniß bei
trug. Heute ist Mrs. Fengler eine der
reichsten Petroleumköniginnen New-Porks.
Sonderbar und wohl bezeichnend für das
lediglich dem Vergnügen und dem Luxus ge
weihte Dasein der amerikanischen Millionärin,
das ihr zur Kinderpflege und Erziehung
keine Zeit lassen würde, ist der Umstand,
daß unter 45 Millionärspalästen nur vier
von fröhlichem Kinderlachcn erfüllt sind.
Und zwar sind es im ganzen 12 Kinder,
die sich demnach auf 45 Familien vertheilen.
Diese armen, reichen Kinder lernen in
ihren goldenen Käfigen die gesunden, ein
fachen Freuden der Armen niemals kennen.
Ohne Herz, ohne Seele wachsen sie heran,
mit dem einzigen Gedanken der unbestrittenen
Ueberlegenheit ihres Vermögens über das
der Anderen. Sie kennen nicht den Zauber
des Wunsches, nicht das Glück rosiger
Träume, und mit ausdruckslosen Puppcn-
augen blicken sie auf jene, die strahlenden
Blicks, das Glück im Herzen und auf den
Lippen an ihnen vorübereilen und mitleidig
flüstern: „Arme Kleine!" ZA ĢMģ
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