Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 2)

TägLìch erscheinendes WLatt. 
(Außer an Sonn- und Festtagen.) 
Màb«rgêr M Wochenblatt. 
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ZnsertionspreiS: pro Petitzeile 15 b- 
Morgen-Berichte. 
London, 7. Oktober. Die zweite Aus 
gabe der „Times" meldet: Die die R e- 
serven einberufende Proklamation 
ist unterzeichnet worden. Es werden 
nur soviel einberufen, als genügend er 
scheint, jedes für Südafrika bestimmt e 
Bataillon auf 1000 Mann zu verstärken. 
Die Einberufenen haben Befehl, sich am 
17. Oktober zu stellen. 
Das Kriegsamt giebt bekannt, daß etwa 
25 000 Reservisten die Aufforderung, sich 
zum aktiven Dienst zu stellen, erhalten 
werden. 
London, 7. Oct. Durch Erlaß der 
Königin wird das Parlament auf 
den 17. October zur Berathung 
dringender und wichtiger Angelegenheiten 
einberufen. 
Landen, 7. Oct. Lord Salisbury begab 
sich sofort nach seinem Eintreffen in London 
in das Ministerium des Auswärtigen, wo 
selbst er eine längere Konferenz mit dem 
französischen Botschafter hatte und darauf 
zwei Stunden mit dem Minister der Kolonien 
conferirte. 
Berlin, 8. Oct. Der Präsident der 
Seehandlung, Freiherr v. Zed litz, hat 
Veranlassung genommen, aus Gesundheits 
rücksichten sein Entlassungsgesuch ein 
zureichen. Herr von Zedlitz dürfte mit dem 
Beginn des nächsten Jahres mit der ge- 
schlich ihm zustehenden Pension in den 
Ruhestand treten. 
Berlin, 7. Oct. Das Anarchistenblatt 
„Armer Konrad" hat mit dem heutigen 
Tage sein Erscheinen eingestellt. Das Blatt 
sollte namentlich der Massenagitation unter 
der arbeitenden Bevölkerung dienen. Es er 
scheinen nunmehr in Berlin noch die beiden 
anarchistischen Blätter „Sozialist" und 
„Neues Leben." 
Berlin, 8. Okt. Eine folgenschwere 
Explosion hat gestern in der Anilin- 
Fabrik zu Rummelsburg stattgefunden. 
5 Arbeiter wurden durch eine heiße Masse, 
die unter starkem Druck aus einem der 
Reductions - Apparate ausströmte, stark 
verbrüht. 
Magdeburg, 7. Oct. In der 6. und 
8. Compagnie des 26. Jnfanterie-Regi 
ments ist der Typhus ausgebrochen. Die 
Zahl der Erkrankten ist bedeutend, läßt 
sich aber nicht feststellen, da über die 
Epidemie Stillschweigen beobachtet wird. 
Darmstadt, 8. Oct. Heute Vormittag 
fand im engsten Kreise die kirchliche Ein 
weihung der neu erbauten russischen Kapelle 
statt. Anwesend waren: Das Zarcnpaar, 
de» Großherzog und die Großherzogin, die 
3 n der nächsten Nummer beginnt der 
mehrfach angezeigte sehr gewählte 
Roman Hermann Heiberg's: 
..Grevinde", 
was wir unseren geehrten Lesern hiermit 
zur gest. Kenntnißnahme mittheilen. 
Die Redaction. 
Amerikanische Mlionà- 
töchter. 
Vergangenen April landete in New-^ork 
ein österreichischer Baron, dessen Visitenkarte 
lautete: 
Reichsfreiherr von und zu Bischoffshauseu, 
von Brege, Neuenrode und Allenstein, 
k. u. k. Oberlieutenant i. d. K. des Ulaneu- 
Kegiments Alexander II., Kaiser von Kuss 
land, No. 11. 
Dieser bedeutende Mann war nach New- 
Aork gekommen, um nach einer Erbin zu 
suchen. Er war im Hotel Windsor abge 
stiegen und hatte zwei Annoncen inserirt, 
von denen die eine lautete: „Einer schönen 
Millionärin, unabhängig, 17—25 Jahre 
alt, die gerne bei Hofe vorgestellt werden 
möchte, bietet sich Gelegenheit, einen jungen 
Mann von hohem Adel zu heirathen. Briefe 
und Photographieen werden gewiffenhaft 
retournirt. Unter „Exclusiv". 
Die andere Annonce hatte folgenden Wort 
laut: „Schöner, junger Ofsicier, adlig, 
wünscht ein sehr schönes und sehr junges 
Mädchen zu heirathen. Man bittet um 
Antwort binnen einer Woche, da er nach 
Arrestes mrd §elelenstrs Klatt im Kreise Keudsvnrg. 
Anzeigen für die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten. 
Ş2 fter Jahrgang. 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung 
dieses Blattes vorbehalten. 
Dem Rendsburger Wochenblatt wird 
„Der Landwirth" 
(Zeitschrift für die politischen u. socialen Interessen 
der Landwirthschast) gratis beigegeben. 
Dienstag, den 10. October 
Großfürsten Andreas, Khrill und Boris, 
ferner die Kronprinzessin von Rumänien. 
Karlsruhe, 7. Oct. Heute tagte hier der 
14. Verbandstag der deutschen Baugcwerbs- 
berufsgcnosscnschaftm. Wie der Vorsitzende 
Felisch aus Berlin mittheilte, wurde von 
dem Beschluß, die Weltausstellung in Paris 
zu beschicken, Abstand genommen, weil der 
zur Verfügung gestellte Rauin viel zu klein 
sei, die Bedeutung der Baugewerbsberufs- 
gcnosscnschaftcn zur Geltung zu bringen. In 
einer Resolution protcstirt der Berbandstag 
gegen die Bestimmung, wonach die Genossen 
schaften verpflichtet werden sollen, von allen 
Rentenfeststcllungen der Behörde Mittheilung 
zu machen, da hierdurch die Berufsgenossen 
schaften mit Arbeit überlastet würden, ohne 
praktischen Werth davon zu haben. In einer 
weiteren, zur Annahme gelangten Resolution, 
erklärte sich der Verbandstag gegen die Billi 
gung von Rentenstellen für die Festsetzung von 
Unfallrentcn. Sodann beschloß der Verbands 
tag die Gleichstellung der Beauftragten der 
Berufsgenosscnschaften bei Ueberwachung von 
Uufallvorschriftcn mit den Gewerbeinspektoren 
anzustreben. An den Verhandlungen bethei 
ligte sich and) der Vertreter des Reichsver- 
sichcrungsamtcs, Geheimrath Greef. Die 
badische Regierung war durch den Mini- 
sterialrath Weingärtner vertreten. 
Hanau, 7. Oct. Hierselbst tritt der 
T y p h ns auf. Zwei Häuser am Heu- 
markt sind der Herd der Epidemie. Die 
Bewohner sind erkrankt, einer ist gestorben 
Sechs Personen, deren Zustand bedenklich 
erscheint, wurden in das Landkrankenhaus 
geschafft. Auf behördliche Anordnung 
wurden beide Häuser geräumt. Sämmt 
liche Bewohner wurden in dem außer 
halb liegenden Lehrhof untergebracht. 
Weimar, 7. Oct. Nachdem die Re 
gierung sämmtliche socialdemokratischen 
Versammlungen im Großherzogthnm unter 
sagt hat, werden seit gestern auch die 
unpolitischen Gewerkschaftsversammlungen 
verboten. Weitere Maßregeln gegen die 
Socialdemokraten stehen bevor. 
Wien, 8. Oct. Zum Ministerpräsidenten 
wurde vom Kaiser Graf Manfred Clary 
Aldeingen ernannt. Derselbe war Statt 
Halter von Steiermark. 
Budapest, 7. Oct. Im Nationaltheater 
kam es bei der gestrigen Abendvorstellung zu 
einer peinlichen Scene, weil ein Hörer der 
Landesschauspiclschulc während der Vor 
stellung auf die Bühne sprang und laut 
gegen die Abhaltung der Aufführung am 
Tage der Nationaltraucr für die Arader 
Märtyrer protestirte. 
London, 7. Oct. „Daily Telegr " ver 
öffentlicht die Namen der bei den letzten 
Ueberschwcmmungcn in Bengalen (Indien) 
Ertrunkenen; cs sind dies im Ganzen 250 
Personen, außerdem sind 10 000 Häuser 
eingestürzt. 
Belgrad, 8. Oet. In hiesigen politischen 
Kreisen ruft die Haltung Rußlands, welches 
die diplomatischen Beziehungen mit Serbien 
vollständig abgebrochen hat und den serbischen 
Geschäftsträger in Petersburg ignorirt, große 
Bcsorgniß hervor. Man erwartet, daß die 
Regierung dem König die baldige Begnadigung 
der im Hochverrathsprozesse Berurtheilten 
nahe legen wird, damit sich die Beziehungen 
zu Rußland wieder bessern. 
, 7. Oct. In den Ostfeeprovinzen 
wurden neuerdings dreißig deutsche Bolks- 
chullehrer entlassen. Ein Ersatz ist noch 
nicht beschafft, da die Behörde nur Ruffen 
anstellen will. 
"" Ausland 
Außereuropäische Gebiete. 
Johannesburg (Transvaal), 7. 
Okt. Dreitausend Eingeborene verließen die 
Minen, dafür kommen vierhundert andere. 
Tie erste Abtheilung des irländischen Corps 
ging zur Grenze ab, um gegen die Englän 
der zu kämpfen. In Johannesburg ist große 
Aufregung; berittene Polizei durchreitet die 
Straßen. Die Corps, speziell die Constab- 
ler, bestehen meist aus Deutschen und Fran 
zosen, aber auch! einige Engländer sind dar 
unter. Die Polizeitruppe ist angeworben, 
um mit der Ortspolizei zu cooperiren. Die 
Fereiramine wird in vollem Betriebe er 
halten. Die Regierung erklärte die Ab 
sicht, das Gold aller Minen einzuziehen und 
den Direktoren nur soviel gemünztes Gold 
zugeben, um die Löhne zu bezahlen. ^Tau 
sende von Eingeborenen kamen in die Stadt. 
Die Behörden beschlossen, sie unter 
cortc aus der Stadt führen zu lassen. Die 
Kafsern ermordeten drei israelitische Krä- 
tncr; sie plündern alle Läden, wo sie 
Schnaps vermuthen. — Nach einer Pri 
vatmeldung anS Johannesburg haben die 
Kafsern in Modderfontaine große Mengen 
Dynamit gestohlen. Die Uitlanders, George 
Alber an der Spitze, formirten Polizeicorps 
zum Schutze der Bergwerke. 
E i n e ° m v d e r n e Ehe wurde in 
Toledo (Ohio, Nordamerika), geschlossen, 
wie der Hannoversche Courier mittheilt, 
die, ganz amerikanisch, den modernen 
anarchistischen Ansichten von der Ehe, 
wenigstens denjenigen in Amerika herrschen 
den, Ausdruck giebt. Die Braut ist nicht 
aufgefordert worden, ein Gehorsamsgelübde 
zu leisten, ihr Eigenthum abzutreten, noch 
ihren Mädchennamen gegen den des 
Mannes einzutauschen, den sie als Gatten 
angenommen hat. Die Heirathsceremonie 
wurde von einem O r t s r i ch t e r voll 
zogen, und die beiden Parteien haben ein 
BBESS 
schriftliches Uebereinkommen abge. 
schlossen. Ihre Ansichten über den Ideal- 
zustand der Ehe wurden in folgenden Er 
klärungen niedergelegt. Die Braut be 
gann: „Ich glaube, daß eine wahre 
Ehe eine innige Verwandtschaft des 
Herzens, des Geistes und der Seele 
zwischen Mann und Frau ist, die in ein 
ander die Begeisterung für das Beste, 
Höchste, Edelste und Reinste des Charakters 
finden. Da ich glaube, daß solche Ver 
wandtschaft des Herzens, des Geistes und 
der Seele zwischen uns besteht, und daß 
wir miteinander harmoniren werden, ver 
pflichte ich, Lydia Kingsmill Comman 
der, mich in Gegenwart dieser Zeugen, 
das Weib Herbert Newton Cas sons zu 
sein, und verspreche, Alles mit ihm zu 
theilen, was die Wechselsälle des Lebens 
auch bringen mögen, ihm in Kummerund 
wie in Freude, in Krankheit wie in Ge 
sundheit, wenn die Welt lächelt oder 
finster ist . . ., so lange, aber nur so 
lange zur Seite zu stehen, wie Liebe unsere 
Herzen verbinden wird und unsere Seelen 
in eins verschmolzen sind. . . — Der 
Bräutigam begann seine Erklärung 
mit folgenden Worten: „Ich wünsche 
eine vorurtheilsfreie Frau zu heirathen, 
keine Sklavin. Mit dem ganzen Vertrauen 
der Liebe, gestehe ich meiner Frau jedes 
Recht zu, das ein Mann einer Frau ge 
währen sollte. Ich will weder Liebe 
erzwingen, noch einen Anspruch durch ein 
gesetzliches Recht geltend machen. Nur 
so lange die Liebe aus freiem Antriebs 
kommt, ist sie Liebe. Ich wünsche nur 
so lange geliebt zu werden, wieichli ebens 
werth bin, und nicht länger. Ich will 
niemals ein anderes Leben unwideruf- 
lich an das meinige ketten. Darum 
erkläre ich, Herbert Newton Casson, vor 
diesen Zeugen, daß ich Lydia Kingsmill 
Commander so lange zu meinem Weibe 
nehmen will, wie Liebe und Weisheit 
uns vereinen. Ich verpflichte mich, daß 
diese Heirath den von ihr erwählten Be 
ruf und ihrer weiteren Entwickelung nicht 
entgegen sein wird." Diese Dokumente 
wurden von der Braut und dem Bräuti 
gam unterzeichnet. Wie lange diese „Ehe" 
wohl dauern wird? 
Frankreich. 
Wie die Münchener Allgemeine Zeitung 
aus Paris erfährt, ist es Graf Murawiew 
gelungen, cine Coalition vorläufig von Ruß 
land, Frankreich und Spanien (!) gegen 
England im Falle des Ausbruchs von Feind 
seligkeiten in Südafrika zu schaffen. Was 
Deutschland betrifft, so scheine bis jetzt eine 
mglandfreundliche Partei in den maßgebenden 
Kreisen noch die Oberhand zu haben, obwohl 
es eine sehr starke Partei gebe, die zum 
Anschluß an Rußland dränge. — In^Paris 
wird man wohl seine Auffassung von dm 
Verhältnissen in deutschen maßgebenden Kreisen 
berichtigen müssen. Ganz so liegt die Sache 
nicht. 
Paris, 6. Okt. Bon ihrem Kammer 
diener ermordet wurde eine ungefähr 
50 jährige, anscheinend reiche Spanierin, 
die in Begleitung eines 40 jährigen Mannes 
in einem Hotel von Cabere (Pyrsnêes- 
Orientales abgestiegen war. Sie wollte 
in der Nacht nach dem Badeorte Banguls 
abreisen, ließ sich aber von ihrem Be 
gleiter, angeblich ihrem Kammerdiener, 
bereden, nach diesem Orte sich zu Fuß 
auf einem durch die Berge führenden 
Maulthierpfade zu begeben, als sie den 
Zug versäumt hatte. Am nächsten Morgen 
fand man den Leichnam auf dem Wege 
ausgestreckt. Sie war nach augenscheinlich 
verzweifeltem Widerstände von dem Mörder 
erwürgt worden. Der Mörder hatte seinem 
Opfer alle Papiere abgenommen, so daß 
die Identität der Unglücklichen nicht fest- 
gestellt zu werden vermochte. 
In Ronbaix ist ein großer Polizei- 
Skandal ausgebrochen, in den sich bereits 
die Gerichtsbehörden von Lille eingemischt 
haben. Dem Maire von Roubaix fiel es 
in der letzten Zeit auf, daß viele Geheim 
polizisten ihre Entlassung einreichten. 
Aus Schreiben, die ihm von diesen in der 
Folge zugingen, erkannte er endlich den 
Grund dieser auffälligen Massendemissionen. 
Die Beamten erklärten nämlich, daß der 
Chef der Geheimpolizei von Roubaix 
Namens Huyghes ein einfacher Bandit 
wäre, und sie bekräftigten diese Behauptun 
gen durch Vorführung von Thatsachen, die 
die sofortige Entlassung Huyghes aus 
dem städtischen Dienst zur Folge hatte 
und ihm schwere Bestrafungen zuziehen 
werden. Unter anderem wurde bewiesen, 
daß er gegen mehrere ausländische Ge 
werbetreibende gegen Bezahlung seitens 
Konkurrenten Ausweisungsbefehle erwirkte. 
Die schlimmste gegen ihn erhobene Be 
schuldigung ist aber die, die V erurth ei- 
Iuitg eines Unschuldigen zu 20jähri- 
ger Zuchthausstrafe wissentlich herbei 
geführt zu haben. Es handelt sich dabei 
um Folgendes: Im Jahre 1895 entstand 
eine wahre Panik unter den Bewohnern 
von Wasquehal und Umgebung wegen 
zahlreicher Brandstiftungen. Da alle 
Nachforschungen der Polizei nach den 
Brandstiftern vergeblich blieben, faßte 
Huyghes den teuflischen Plan, einen wegen 
Landstreicherei und kleinerer Vergehen 
mehrfach verurtheilten armen Kerl Namens 
Berhulst als einen der Schuldigen 
Jean 
Ablauf dieser Frist die Stadt verlaffen muß 
Näheres unter „Aufrichtigkeit". 
Unglücklicher Weise fielen die Ankündigun 
gen des Barons einigen jungen Mädchen 
in die Hände, welche beschlossen, sich mit 
dem Oesterrcicher einen Scherz zu machen. 
Sie wählten die Photographie einer sehr 
schönen, aber völlig unbekannten Schau 
spielerin, tauften sic zu dem Zweck mit dem 
Namen einer Millionärstochter, Miß Grace 
Stuyvesant, und sandten das Bild nebst Brief 
an die Adreffe des jungen Officiers. Am 
folgenden Tage erhielten die Absenderinnen 
nachstehende Antwort: 
„An Miß Grace Stuyvesant. Ihr ent 
zückendes Antlitz hat auf mich einen tiefen 
Eindruck gemacht, und bitte ich Sie, mir auf 
folgende Fragen vertrauensvoll zu erwidern: 
Welcher Religion gehören Sie an? Ist Ihr 
Gesicht rund oder länglich? Was ist der 
Umfang Ihrer Taille? Und Ihr Gewicht 
in Pfunden? Lieben Sie den Tanz? Die 
Musik? Singen Sie oder spielen Sie 
irgend ein Instrument? Welche Sprachen 
sprechen Sie? Fahren Sie Rad? Reiten 
Sie? Lebt Ihr Vater noch? Wie alt ist 
er? Und Ihre Mutter? Wie alt ist diese? 
Haben Sie Brüder? Schwestern? Wie 
viele? Sind sie verheirathet? Was für 
Landsleute find Ihre Schwager? Amerikaner? 
Ausländer? Adlige? Bürgerliche? Sind 
Sie Herrin Ihres Vermögens oder nur der 
Zinsen des Kapitals? Wie groß ist Ihr 
Vermögen? Besteht cs in baarem Geld? 
In Besitzungen? In Renten? Haben Sie 
außerdem noch etwas zu erwarten? Hoch 
achtungsvoll Exclusiv." 
Da der edle Grande auf diesen Brief 
ohne Antwort blieb, schrieb er unaufhörlich 
an seine präsumtive Braut, schilderte ihr in 
glühenden Farben die äußeren und inneren 
Vorzüge des annoncirenden Edelmannes, und 
schließlich sandte er, um das Eis zu brechen, 
seine Photographie mit der Unterschrift 
C. Stonel. Unvorsichtiger Weise trug das 
Bild den Namen des Berliner Photographen 
und die Nummer der Platte, und so war 
es für die jungen Damen ein Leichtes, den 
Namen des Eroberers zu erfahren, den sie 
dann drei Wochen später niitsammt dem 
Bilde und dem Facsimile der Briefe in 
einem großen New-Porker Blatte veröffent 
lichten. So zwangen sie den Heiraths- 
kandidaten zur schleunigen Flucht. 
Und doch war das Vorgehen des Oester- 
reichers nach all den bekannten Präcedenz- 
fällen entschuldbar. Wäre Miß Grace 
Stuyvesant, falls sie cxistirt hätte, die erste 
gewesen, die sich mit ihren Kronen eine 
Krone erkauft? Miß Anna Gould ist be 
kanntlich Gräfin Castellane geworden, Miß 
Consuelo Vanderbilt Herzogin von Mal- 
borough und dadurch der Königin von Eng 
land verwandt. Gräfin Essex, Ladh Greh- 
Egerton, Prinzessin Hatzfeldt entstammen 
alle der 5. Avenue und deren Umgebung. 
Und damit sind die Beispiele nicht erschöpft. 
Miß Forbes hat den Grafen von Choiseul- 
Praelin geheirathet, Miß Gardner den 
Marquis von Bretcuil, Miß Godard den 
Prinzen Carl Poniatowski, Miß Hoffmann 
wurde Marquise von Morès, während zwei 
Schwestern Singer sich dem Prinzen von 
Polignac und dem Herzog von Dccaze ver 
mählten und Madame Stevens dem Herzog 
von Dino eine Mitgift von 35 Millionen 
Francs brachte. Im übrigen ist ja Amerika 
das Land, welches seinen nach der alten 
Welt verhcirathcten Töchtern während des 
letzten Jahres bis rund 200 Millionen 
Dollars mitgab, von denen die Hälfte auf 
Frankreich allein entfiel. Miß Gould er 
hielt 75 Millionen Francs, Miß Vander 
bilt 50 Millionen und Madame Roberts, 
jetzige Gattin des Obersten Ralph Vivian, 
60 Millionen Francs. 
Doch brachte die erkaufte Krone den ehr 
geizigen Schönen nicht auch zugleich das 
erhoffte Glück. Im Augenblick z. B. be 
trachtet sich die Herzogin von Malborough 
als Gegenstand tiefen Bedauerns. Und 
zwar, weil ihr in Miß Jennie Chamberlain 
aus Cleveland, Gattin des Baronets Nay- 
lord-Leyland, eine gefährliche Rivalin auf 
dem Gebiete des Luxus und der Pracht- 
Entfaltung zu erstehen scheint. Denn das 
völlige Glück dieser Damen besteht nur in 
der anerkannten Ueberlegenheit in Bezug auf 
Reichthum und Eleganz. So würde Miß 
Astor, falls sie in Newport mit hundert 
Toiletten zur Badesaison landete, sofort ab 
reisen, wenn sie hörte, daß irgend eine 
Andere der jungen Millionärinnen im Be 
sitze von hundertzehn Kleidern sei. Miß 
Territt z. B. sandte im vergangenen Jahre 
ihre beiden, mit 4200 Dollars bezahlten 
Pferde nach New-Uork zurück, da sie er 
fuhr, daß Miß Wilson Vollblutthiere für 
6000 Dollars kutschiren würde. Außerdem 
verdankte sie dem Aerger einen Anfall von 
Gelbsucht. 
Und die Brüder dieser Millionenschwester? 
Heirathen sie in ahnenreiche aber goldarmc 
Familien? Keinesfalls. Da sie von den Titeln 
und Namen ihrer Bräute keinerlei Vortheile zu 
erwarten hätten und ihre angeborene Derbheit 
und die Zwangsloftgkeit ihrer Manieren 
inmitten der prüden Umgebung Anstoß er 
regen würde, suchen sie, wie Kevues des 
Kevues schreibt, ihre Gattinnen auf den 
Brettern, wie Mr. Terry die bekannte 
Sängerin Sybil Sanderson, oder in der 
Mantzge wie Mr. Gould, der die Reiterin 
Mlle. Clemmons heirathete. Mr. Fengler, 
ein fünfzigfacher Millionär, verliebte sich in 
die Sängerin Miß Mandelick, nach dem 
Vortrage des Liedes „Blümlein traut, sprecht 
für mich", und sandte der jungen Dame 
so viele Blümlein, bis sie deren Sprache 
verstand, wobei das Anerbieten seiner Hand 
jedenfalls zum schnelleren Verständniß bei 
trug. Heute ist Mrs. Fengler eine der 
reichsten Petroleumköniginnen New-Porks. 
Sonderbar und wohl bezeichnend für das 
lediglich dem Vergnügen und dem Luxus ge 
weihte Dasein der amerikanischen Millionärin, 
das ihr zur Kinderpflege und Erziehung 
keine Zeit lassen würde, ist der Umstand, 
daß unter 45 Millionärspalästen nur vier 
von fröhlichem Kinderlachcn erfüllt sind. 
Und zwar sind es im ganzen 12 Kinder, 
die sich demnach auf 45 Familien vertheilen. 
Diese armen, reichen Kinder lernen in 
ihren goldenen Käfigen die gesunden, ein 
fachen Freuden der Armen niemals kennen. 
Ohne Herz, ohne Seele wachsen sie heran, 
mit dem einzigen Gedanken der unbestrittenen 
Ueberlegenheit ihres Vermögens über das 
der Anderen. Sie kennen nicht den Zauber 
des Wunsches, nicht das Glück rosiger 
Träume, und mit ausdruckslosen Puppcn- 
augen blicken sie auf jene, die strahlenden 
Blicks, das Glück im Herzen und auf den 
Lippen an ihnen vorübereilen und mitleidig 
flüstern: „Arme Kleine!" ZA ĢMģ 
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