Stellung aus gesehen, flimmerten ihre
Feuer wie neckende Irrwische.
„Zum Teufel, Scharfenstein, was fehlt
Dir? Du machst ein Gesicht, als hättest
Du gestern zum Souper einen Kroaten
verschluckt; die Kerls sind allerdings un
verdaulich genug und liegen mir auch
schwer im Magen. Aber Du siehst zum
Erbarmen aus, Mann, es fröstelt einen
ordentlich, wenn man Dich ansieht."
Der Major von Scharfenstein ließ den
langen, braunen Schnurrbart langsam
Durch die Finger gleiten, während ein
eigenthümliches Lächeln seine Lippen kräu
selte. „Malachowski" — sagte er nach
geraumer Weile — „glaubst Du an
Ahnungen — an das sogenannte zweite
Gesicht, dem der Schleier der Zukunft sich
lüftet?"
„Ahnungen, zweites Gesicht? Dummes
Zeug! Was hat ein Husar damit zu
schaffen? Das paßt sich für alte Weiber,
die sich nur noch mit unnützem Kram be
schäftigen können, oder für Zigeuner,
w-lche Dnmmköpse damit betrügen wollen."
„Und doch ragen übernatürliche Er
scheinungen in unsere Sinnenwelt, die
wir nicht erklären können," erwiderte der
Major ernst. „So weiß ich ganz gewiß,
daß mir heute z»m letzten Mal das
Morgenroth leuchten wird, daß ich heute
meinen letzten Ritt machen werde."
„Du bist ein Narr, Scharfenstein!"
ries der Oberstlieutenant v. Malachowski.
„Vor lauter Langweile müßte der Schlag
Dich rühren, sonst wüßte ich wahrlich
nicht, wie Dn zu Tode kommen solltest.
Seit Wochen liegen wir nun in dem ver
dammten Loch hier still und halten Maul-
affen seil, und heute wird das schwerlich
anders sein; denn die Oesterreicher wären
Esel, wenn sie zu uns herunterkämen,
mnd wir greifen in unserer jetzigen Stellung
gewiß nicht an, wenigstens wäre das der
erste Schwabenstreich, den der König
machte. Der verdammte Nebel, in dem
wir fortwährend stehen, ist Dir wahr
scheinlich auf's Gehirn gefallen. Da
trink' einmal, damit Dir die Flausen
aus dem Kopf gehen."
Der Major wehrte den ihm dargebotenen
Becher mit der Hand ab.
Rascher Husschlag wurde in diesem
Augenblick in unmittelbarer Nähe laut,
und „Oberstlieutenant v. Malachowski"
ließ sich die Stimme eines Reiters ver-
nehmen, in welchem beim Schein des
Wachtfeuers der Hauptmann v. Kalkreuth,
Flügeladjutant des Königs, erkannt wurde.
„Herr Oberstlieutenant, Sie sollen auf
der Stelle zu Sr. Majestät kommen" —
meldete der Adjutant, und im nächsten
Augenblick jagte der Oberstlieutenant mit
dem Hauptmann in den Nebel hinein.
Der Major v. Scharfenstein ließ den
Kopf langsam in die aufgestützte Hand
sinken und blickte sinnend in die Flammen,
welche an den Holzblöcken leckten.
„Bis über das Grab hinaus will ich
die Feindschaft nicht treiben," murmelte
er vor sich hin. „Er ist doch immer
mein Bruder und wenn auch der jüngere,
so hatte er doch dieselben Ansprüche an
das Mädchen, wie ich; daß sie ihm den
Vorzug gab, darf ich ihm nicht in An
rechnung bringen. Nein, ich will dem
Testament, das in einer dunklen Stunde
Rachsucht mir entrissen hat, eine Klausel
anhängen und ihm die schädliche Spitze
abbrechen. Mit diesem Bewußtsein kann
ich dann ruhig zum letzten Ritt aufsitzen."
Mit einem Ruck warf er den Kops in die
Höhe und richtete sich auf.
„Saldern," wandte er sich an den
Regimentsadjutanten, der unweit von ihm
am Feuer lag, „haben Sie vielleicht
Schreibzeug zur Hand? „Zu Besehl, Herr
Oberstwachmeister." Während der Lieu
tenant v. Saldern das unentbehrliche
Möbel aus dem ambulanten Regiments-
bureau herbeischaffte, trennte der Major
sorgfältig ein weißes Blatt aus seinem
Taschenbuch und legte die Säbeltasche auf
seine Kniee, um dieselbe als Unterlage
zn benutzen.
Wenige Zeilen genügten für den Zweck
^deê Majors.
„Welchen Datum haben wir heute,
Saldern?"
„Den 20. September, Herr Oberstwacht
meister."
Der Major tauchte nochmals die Feder
ein und versah das Schriftstück mit seiner
Namensunterschrift, worauf er den Ritt
meister v. Prittwitz sowie den Lieutenant
v. Saldern bat nach Durchlesung des
Inhalts ihre Namen ebenfalls darunter
zu setzen, und zur bessern Beglaubigung
drückte der Adjutant noch das Regiments-
siegel bei. Nochmals überflog der Major
das Document, dann faltete er das Blatt
zusammen und steckt es in die Säbeltasche.
Ihm war ein Stein vom Herzen ge.
fallen, und im Bewußtsein einer guten
That hüllte er sich in den Mantel und
streckte sich neben dem Feuer aus.
Der Tag graute und nach und nach
erloschen auch die letzten Lagerfeuer,
während die Sonne hinter den Höhen von
Chlum h-raufstieg, aber noch gestattete der
dichte Nebel ihren Strahlen keinen Durch
blick.
Heute blieb es still im preußischen
Lager, die Vorposten uud Feldwachen
wurden nicht abgelöst. Es war klar, der
König beabsichtigte einen Schachzug.
Ganz gegen seine Gewohnheit kam der
Oberstlieutenant im Schritt zurück; aus
seinem Antlitz schien der rauhe, energische
Zug hinweggewischt.
„Saliern," sagte er, absitzend, in einem
ruhigen und fast sanften Tone, „bringen
Sie den Rittmeister den Befehl, daß die
Schwadronen in einer Stunde fertig zum
Aufsitzen sind." Dann setzte er sich neben
die noch g'immenden Kohlen nieder, aber
er blieb jchweigsam und ließ seinen Blick
mit ganz eigenthümlichem Ausdruck zu
dem Major v Scharfenstein hinütnr-
schweifen. Glaubte er vielleicht doch an
Ahnungen?
Die Stunde, welche der Befehl be
stimmte, war beinahe verflossen. Ueberall
im preußischen Lager gaben sich Bewe
gungen kund, und Malachowskts Husaren,
welche größtentheils nächtlichen Vorposten
dienst gehabt hatten, saßen bereits sämmt
lich zu Pferde.
„Auf, meine Herren!" wandte der
Oberstlieutenant sich an die ihn umgeben
den Offiziere und seine Stimme klang
rauh und hart wie sonst. Er war wieder
dir Alte. Vor die Front des Regiments
sprengend, rief er:
„Kinder! endlich geht's los. Der
König will die Armee über die Elbe füh
ren, um in einer bessern Stellung den
Oesterreichern eine Schlacht anzubieten,
und es handelte sich darum, den Feind
so lange festzuhalten, bis der Uebergâng
erfolgt ist. Ich habe dem Könige ver
sprochen, daß wir festhalten werden, so
lange noch ein Mann im Sattel ist, und
der König erwartet, daß ein Jeder seine
Schuldigkeit thut!"
„Es lebe der König!" tönte es aus
den Reihen der Husaren.
Im Rücken derselben wurde es mit jeder
Minute lebendiger, das Lager wurde ab-
gebrochen, und während die Brücken über
die Elbe geschlagen wurden, rangirten
sich die Truppen zum Uebergang. In
zwischen nahmen die Husaren unter
Malachowski mit den Dragonerregimen
tern Wuthenau und Quitzom sowie den
Grenadierregimentern Kleist und Arnim
weiter vorwärts, wo die äußersten Vor-
Posten gestanden hatten, Stellung und
harrten des Zeichens zum Angriff.
Den Oesterreichern war die Bewegung
im preußischen Lager nicht entgangen und
da sie einen Angriff vermutheten, waren
sie auf ihrer Hut.
Hin und wieder wurden in dem hin-
und herwogenden Nebel Schleichpatrouillen
der Croaten sichtbar, welche sich wie
Füchse am Fuß der Höhen hiudrückten,
um über die Absicht der Preußen so viel
als möglich zu erspähen. Endlich nach
langen Stunden waren die Anstalten zum
Uebergang beendet und die Artillerie nebst
der Bagage hatte denselben bereits be
werkstelligt; da ertönte plötzlich über die
Ebene hin die Feldmusik der preußischen
Regimenter, welche sich nunmehr zum
Uebergang in Bewegung setzten. Das
war das Zeichen zum Angriff.
Dem Stoß der preußischen Kolonne
leisteten die Croaten gar keinen Wider
stand, flüchtigen Fußes suchten sie die
Höhen zu gewinnen, wo sie sich in Chlum
und von da bis Königgrätz in geeigneten
Positionen festsetzten.
Unterstützt von den Dragonern von
Wuthenau, drangen die Grenadiere von
Arnim in Chlum ein und warfen nach
kurzer Gegenwehr, welche aber dadurch
hartnäckig und blutig wurde, daß das
Grenadierregiment „Prinz Eugen" den
Croaten zu Hülfe eilte, die Kaiserlichen
aus dem Ort hinaus. Gleichzeitig war
das Grenadierregiment Kleist, von dem
DragonerregimentQuitzow flankirt, zwischen
Chlum und Königgrätz vorgegangen,
während die Husaren Malachowski's die
Croaten bis an die Mauern dieser Festung
zurückwarfen.
Es war um die Mittagsstunde und die
Sonne drückte mit ihrer Kraft den wider
spenstigen Nebel zu Boden. Bald stand
sie in ihrer leuchtenden Pracht am blanen,
wolkenlosen Himmel und in ihrem funkeln
den Schein defilirte eben das letzte preu-
ßische Regiment über die Elbe. Die
Feldmusik verstummte, und drei Kanonen-
schüffe, welche von der Höhe jenseits
Pardubitz abgefeuert wurden, zeigten den
fünf preußischen Regimentern an, daß ihre
Aufgabe erfüllt war, und bildeten für sie
das Signal zum Rückzug.
Mit dem Nebel fiel es den Oesterreichern
wie Schuppen von den Augen. Sie hatten
sich in der Ueberzeugung befunden, die
preußische Armee wäre in ihrer Ausdauer
endlich doch ermüdet und hatten auf
glänzende Revanche für Hohenfriedberg
gerechnet. Statt dessen war diese Armee
aus dem Sack, aus welchem es kein Loch
zu geben schien, entschlüpft und stand
nun in einer höchst vorteilhaften Position
auf den Höhen jenseits Pardubitz. Dabei
hatte eine Hand voll Preußen die ganze
österreichische Armee im Schach erhalten
und den Abzug über die Elbe ermöglicht.
Entrüstung und Wuth erfüllte im öster
reichischen Lager Offiziere und Soldaten.
Im Nu demaskirten sich die österreichischen
Batterieen unter einem verheerenden Feuer
uid die Colonnen rückten gegen das Häuf
lein der Preußen zum Angriff vor. In
wenigen Minuten stand Chlum in Flam
men und die Preußen sahen sich zur
Räumung gezwungen. (Forts, folgt.)
Allerlei.
— In der „Straßb. Post" veröffentlicht
ein Philologe „für die Mitwelt bearbei
tete" Uebersetzungen Horazischer
Oden. Die wie uns scheint gelungenste
lautet:
Bewahre stets Dir, lieber Colleg' und Freund,
Der „Wurstigkeit" erhabenes Hochgefühl;
Nicht üppig werde, wenn Dir's gut geht,
Aergere Dich nicht, wenn die Aktien sinken!
Denn sterben mußt Du doch — dieseriSatz
steht fest!
Ob Du von Kohl nun als Vegetarier lebst,
Ob Du bei Valentin magst schlemmen
Bei einer feineren Marke Cliquot!
Drum laß denStumpfsinn fahren dahin für heut',
Auf Rades Flügeln wollen wir ihm entslieh'n
Und fröhlich durch die Lande schweifen,
Bis uns ein schattiges Plätzchen winket!
Mit kund'ger Hand uns dort eine Bowle brau'n,
Den zarten'Pfirsich thun in den sauren Wein
Und süßen Sekt darein dann gießen:
Noch ist die goldene Zeit der Rosen!
Was nützt das Dasein, wenn seinenReiz Du fliehst.
Wenn auf den Mammon Du nur allein bedacht?
Was nützt der beste Wein im Keller,
Wenn ihn der lachende Erbe austrinkt!
Was gilt es schließlich, wenn Du in's Gras
einst beiß'st,
Ob dann des Alters Schwäche Dich hingerafft,
Ob Du der Leberschrumpfung oder
Chronischem Magenkatarrh anheimfällst?
Drum trinke froh, solang' noch das Lämpchen
glüht;
Wer weiß, welch' Unheil Deiner schon morgen harrt?
Wenn Du im Grave dann vermoderst,
Wirst Du vergebens den Kellner rufen!
— Langsam ist theuer. Man ist ge-
wohnt, es als wohlbegründete Thatsache
hinzunehmen, daß die Kosten für die
Schnellzugbesörderung beträchtlicy
höher sind, als die für gewöhnliche Per-
sonenzüge. Bei näherem Augenschein
jedoch drängen sich Zweifel hieran in ver
schiedenen Richtungen auf. Zwar ist das
Wagenmaterial der Schnellzüge werthvoller,
die Abnützung aller bei der Fahrt in
Mitleidenschaft gezogenen Bahntheile grö
ßer, aber auf der anderen Seite bedingt
die längere Fahrzeit des Personenzuges
einen Mehraufwand für Personal, Be
leuchtung, Wagenheizung. Wie steht es
nun mit dem Aufwand an Maschinenkraft
und ihrer Quelle, dem Kohlenverbrauch?
In Bezug auf diesen sind, wie der „New-
Iork Herald" mittheilt, in Amerika sehr
beachtenswerte Versuche gemacht worden,
durch die man ermittelt hat, welche Kosten
durch das Anhalten von Zügen auf klei
nern Zwischenstationen verursacht werden.
Die Versuche fanden auf einer Strecke
von 198 Kilometer Länge statt, Und zwar
mit zwei Zügen, von denen der eine die
ganze Strecke ohne anzuhalten zurücklegte,
während der andere auf 14 Z wischenstationen
zum Stillstehen gebracht wurde. Der
Schnellzug legte 80 Kilometer in der
Stunde zurück, während der Führer des
„Bummelzuges" beauftragt war, die auf
den Stationen verlorene Zeit nach Mög
lichkeit wieder einzuholen. Die Lokomo
tive des letzter« Zuges verbrauchte für
Zurücklegung der gesummten Strecke 11 400
Pfund Kohlen, der Schnellzug dagegen
nur 10 317 Pfund, ein Unterschied von
nahezu einer halben Tonne Brennstoff.
Für die nicht anhaltende Züge ergaben
sich somit nicht unbeträchtliche jährliche
Ersparniffe.
Humoristisches.
Erkannt.
Herr Kommerzienrath, zu Ihrem Fräu
lein Tochter zieht's mich mit magneti
scher Gewalt.
Dacht ich es doch, daß etwas Metall
isches dabei im Spiele war. (Dorsb.)
Annonce.
Gesucht wird eine Amme, welche neben
bei auch Fahrräder reparieren kann.
(Fl. Bl.)
Ueberflüssig.
Heirathsvermittler: Soll die Dame,
die Sie zu heirathen gedenken geistreich
sein? (Lust. Bl.)
Mrs. st'antippe.
Erst kriegten wir die pferdlosen Wagen
und jetzt die drahtlose Telegraphie. Bin
neugierig, was demnächst kommen wird.
Er (schüchtern): Vielleicht die weiber
lose Ehe. (Lust. Allerlei.)
Schrecklich.
Graphologe: . . . Aus der Schrift
eines Menschen kann man ganz genau
seinen Charakter erkennen!
Bauer: Jeffas, Herr Doktor, ņo' muß
I' jo gar kein' Charakter hab'n — I'
kann jo gar net schreib'«! (Fl. Bl.)
Damen-Neid.
Der Hut gefällt mir — haben Sie
noch mehrere davon?
Noch vier, gnädige Frau!
Nein, er steht mir doch nicht recht!
Modern
Junge Witwe (drei Tage nach der
Beerdigung ihres Mannes zu einer Freun
din): Ach, er war so ein guter Mensch —
ich kann ihn halt noch immer nicht ver
gessen! (Fl. Bl.)
Gleiches Refutat-
Junger Arzt: Ich lasse die meisten
meiner Patienten radeln — da gehen
in einer größeren Familie die Verletzungen
fast gar nicht aus!
Kollege: Dazu bin ich zu ehrlich; ich
verbiete im Gegentheil das Vilociped und
hab' trotzdem immer zu thun. Meine
Patienten werden ja doch zur rechten Zeit
von den anderen überfahren!" (Fl. Bl.)
Räthsklcckc.
Rebus.
(Nachdruck verboten.)
Wortspiel.
Es sollen sieben Wörter gesucht werden
deren Bedeutung unter a angegeben ist.
Aus jedem dieser Wörter läßt sich durch
Vorsetzen eines Buchstaben ein neues
Wort bilden, von der unter d angegeben
Bedeutung. Die Anfangsbuchstaben der
Wörter unter d nennen nacheinander ge
lesen, einen deutschen Dichter.
a b
Theil eines Ofens— Naturerscheinung
Artikel — Fluß in Deutschland
eine Zahl — Zeitraum
ein Thier — Gefäß
heidnischer Gott — biblischer Name
Stadt in Böhmen— Menschenrace
ein Thier — biblischer Name
(Die Auflösungen obiger Räthsel erfolgen in nächster Nummer des Unterhaltungs-Blattes.)
Auflösungen aus voriger Nummer:
s Rösselsprung.
Am Waldessäume träumt die Föhre,
Am Himmel weiße Wölkchen nur;
Es ist so still, daß ich sie höre
Die tiefe Stille der Natur.
Rings Sonnenschein auf Wies' uud Wegen,
Die Wipfel stumm, kein Lüftchen wach.
Und doch, es klingt als ström' ein Regen
Leis tönend auf das Blätterdach.
Th. Fontane.
Magisches Kreuz.
S F E
e l n
S e n e gal
F l e c h t e
E n g h
a t
l e
l e
e
n
n
Tauschräthsel.
Sund
Aster
Celle
HauS
Sand
Elbe
Niemen
Sachsen, Dresden.