Dreyfus ;chn IahrcnZ
Gefängniß verurtheilt.
Rach fünfwöchiger Verhandlung hat
am
Sonnabend-Nachmittag das Kriegsgericht
in Rennes sein Urtheil dahin gefällt, daß
Dreyfus wegen Landesverraths, unter Be
willigung mildernder Umstände, mit zehn
Jahren Gefängniß zu bestrafen ist. Wir
haben diese Thatsache bereits durch Ex-
trablätter unseren Lesern zur Kennt
niß gebracht. Sie lauteten:
Rennes, 9. Sept. Das Kriegsge
richt hat mit 5 gegen 2 Stimmen Dreyfus
des Verraths für schuldig befunden und
unter Zubilligung mildernder Umstände
zehn Jahren Gefängniß verurtheilt.
Das Urtheil wurde unr 5 Uhr Nachmit
tags gesprochen. Der Vorsitzende Jouaust
las es mit fester Stimme vor. Dreyfus war
nicht anwesend. Im -ersten Augenblick
herrschte eisige Stille, dann brachen die
Nationalisten in Jubel aus und verliehen
den Saal, während Octave Mirbeau und
Severine ihre Thränen nicht zurückhalten
konnten.
Das Urtheil wird vielfach so gedeutet,
daß Präsident Loubet die fünf Jahre, die
Dreyfus auf der Teufelsinsel zugebracht hat,
als vollkommen verbüßte Strafe ansehen
kann, da das hiesige Kriegsgericht Dreyfus
zu zehnjähriger einfacher „Detention" ver
urtheilte und die Jahre auf der Teufels
insel doppelt zählen sollen. Das Urtheil
spricht nur allgemein von mildernden Um
ständen, ohne die ausgestandene Haft zu
erwähnen. Die im Urtheil ausgesprochene
„Detention" ohne Beisatz „Deportation"
bedeuten Festungshaft. Das Urtheil be
stimmt, daß der Präsident der Republik die
Festung wählen kann.
Die Vertheidiger und mehrere bekannte
Anhänger Dreyfus' vereinigten sich zu einer
Konferenz. Die vorherrschende Meinung ist,
daß kein Gnadengesuch eingereicht, sondern
der Kampf weitergeführt werden soll. An
dererseits verlautet, daß das Kriegsgericht
selbst einen Begnadigungsantrag stellte.
Dreyfus selbst hörte das Urtheil mit voll
ster Ruhe an. Die Verlesung geschah, nach
dem die Richter den Saal verlassen hatten,
im Saale selbst. Von Degradation spricht
zwar einer der citirten Gesetzesparagraphen,
die ausdrückliche Erwähnung der Degrada
tion unterblieb jedoch. Frau Dreyfus wird
an jenem Orte Frankreichs, wohin ihr
Gatte gebracht wird, mit ihren Kindern
Aufenthalt nehmen.
Dreyfus soll gesagt haben: „Wenn ich
allein auf der Welt stände, so würde ich
vorziehen zu sterben." — In Rennes selbst
sind die größten Vorsichtsmaßregeln getrof
fen. Das 7. Dragonerregiment ist um 7
Uhr früh hier angekommen; das 13. Hu
sarenregiment hält die Thore der Stadt be
setzt. leitende Artillerie ist ebenfalls zur
Aufrechterhaltung der Ordnung herangezo
gen worden; berittene Gendarmen patrouil
lieren fortgesetzt in allen Stadtvierteln; fer
ner sind drei Infanterie-Regimenter ange
kommen, die in der Umgegend von Rennes
Aufstellung genommen haben. Im Saale,
Hände zusammen. „Obe auf'm Speicher
isch no 'n ganzer Schrank voll vun dem
Zeug's, do puppelt die Kläre no jeden
Sunntig Nachmittag!"
Das wie mit Blut übergoffene Mädchen
flüchtete eilends in die Küche und schlug
hastig die Thür hinter sich in's Schloß.
„Aber da stehen wir und plaudern!"
unterbrach ihn die Müllerin. „Adam ist
durch und durch naß. Weis' ihm die Gast-
stub' an, Vater, und gieb ihm einstweilen
von der eigenen Kleidung etwas ab!"
- „Jaso, er sollt' ein überzwerg' Figürle
spiele in meiner Montur!" lachte der Un-
verbesierliche von neuem. „Da muß er sich
erscht ein gut Stückle von mei'm Bäuchle
ausborge, bevor ihm die Buckse fitze!"
„So sag's unserm Obersäger, der hat
eine Gestalt mit Adam und kann ihm mit
den Sonntagskleidern aushelfen, bis der
Koffer mit den Sachen da ist!" entschied
Frau Stichling. „Mach' jetzt voran — ich
geh' inzwischen und koche einen warmen
Kaffee — am nöthigen Kuchen soil's auch
nicht fehlen!"
„Und ei Kirschwäfferle, so'n schmalzig'
Töpfle hol' ich noch extra aus 'm Keller!"
schmunzelte der Sägemüller, die Lippen wie
zum Pfeifen spitzend. „Bi Gott, sell hot
'n fei G'schmäckle ... do wolle wir eins
Mose, wann die Alti au mault!"
Er lachte; dann wurde er aber plötzlich
ernst und ergriff mit besonderer Feierlichkeit
wieder beide Hände des jungen Mannes.
„Nochmals willkommen im alten Heim!"
sagte er voll innerer Rührung. „Mir ist's,
als ob mein eigen' Fleisch und Blut nach
Haus gekommen wär' — bist meinem Herzen
immer nah' gestanden, Adam — — und
meine gute Alte hat Dich auch immer lieb
gehabt!"
Das bedurfte keiner besonderen Versicherung,
denn FrauWalpurga hatte längst denSchürzen-
zipfel an die feucht gewordenen Augen ge
führt und nickte nun gerührt mit dem Kopfe.
„Jetzt geht nur — geht!" mahnte sie.
„Es ist die höchste Zeit, wenn sich Adam
einen Schnupfen holen soll!" (Forts, f.)
wo das Urtheil gesprochen wird, sind wei
tere verschärfte Maßregeln getroffen, um
jede Kundgebung sofort zu verhindern. Wie
es heißt hat der Vorsitzende ein Telegramm
des Kriegsministers, betr. Vertagung des
Urtheilspruches auf Montag, unbeachtet ge
lassen und erklärt, er weigere sich, dieser
Aufforderung Folge zu leisten, da er al
lein in dieser Angelegenheit zu befehlen
habe.
Rennes, 10. Sept. Eine Stunde nach
dem Urtheilsspruche hatte Demange eine
Zusammenkunft mit Dreyfus. Bei seiner
Rückkehr erklärte er mehreren Journalisten
„Ich habe nur einen Händedruck mit Drey
fus gewechselt. Er hat sich vollständig in
sein Schicksal ergeben, aber er ist bereit,
weiter zu kämpfen und wird sein Revisions
gesuch unterzeichnen." — Dreyfus erhielt
noch im Laufe des gestrigen Abends eine
ganze Anzahl Beileidstelegramme, worin
er aufgefordert wird, nicht den Muth zu
verlieren, man werde im Kampfe für die
Gerechtigkeit nicht nachlassen.
Rennes, 10. Sept. Als die beiden
Richter, welche gegen die Verurtheilung
stimmten, das Lyceum verließen, weigerten
sie sich, mit den übrigen 5 Richtern zusam
men in einem Wagen zu fahren. — In
einem Caffee wurde gestern Wend beim
Erscheinen eines Offiziers das Singen der
Marseillaise verlangt; man stieß Hochrufe
auf die Armee aus. Einige revisionistische
Journalisten, die nicht in den Ruf ein
stimmten, mußten flüchten, um Thätlichkei
ten zu entgehen.
Man behauptet hier allgemein, die Ge
währung mildernder Umstände bei der Ver
urtheilung Dreyfus' sei auf die bekannte!
Note im deutschen Reichsanzeiger zurückzu
führen. Mehrere Blätter glauben, Drey
fus habe nunmehr noch fünf Jahre abzu
sitzen, da er aber bereits vier Jahre Zellen-
gefängniß -abgebüßt habe, habe er Anspruch
auf eine Vermvinderung von einem Viertel
seiner Haststrafe. Weiter gebe ihm seine ta
dellose Führung das Recht auf eine gleiche
Vergünstigung, sodaß er Ende September,
nachdem fünf Jahre seit seiner ersten Ver
urtheilung verflossen seien, das Anrecht auf
bedingungsweise Freilassung habe. Man
spricht übrigens schon von einer sofortigen
Begnadigung seitens der Regierung.
Paris, 10. Sept. Das Urtheil hat
hier mehr verblüfft als bestürzt; auch wird
vielfach- die Ansicht geäußert, das Urtheil
ei nur gefällt worden, um die Annullirung
durch den Kassationshof herbeizuführen
Die Nationalisten beschimpfen die Mitglie
der des Kriegsgerichts Beauvais und
Brogniaux, die gegen die Verurtheilung ge-
timmt haben. Auf den Boulevards ver
fall sich die Menge ruhig. Allenthalben
ind starke Abtheilungen von mit Revol
vern versehenen Schutzleuten aufgestellt, so
insbesondere bei der „Libre Parole" und
den Redaktionen der übrigen antisemitischen
Blättern.
Rennes, 9. Sept. Während der
Sitzungspause besuchte Frau Dreyfus ihren
Gatten und verweilte unter vier Augen
eine Stunde bei ihm. Ihr Wagen wurde
von vier Gendarmen zu Pferde geleitet. —
Nach der dreistündigen Pause wurde die
Sitzung wieder aufgenommen. Der
Sitzungssaal ist dicht besetzt. Sofort nach
der Ankunft des Dreyfus ergreift Carriere
unter gespannter Aufmerksamkeit das Wort
und erklärt, er wolle dem Kriegsgericht nur
eine Bemerkung machen: „Erwägen Sie die
Wichtigkeit der beiden Kategorien der Zeu
genaussagen für und wider Dreyfus, wägen
Sie ihre Wichtigkeit ab und urtheilen Sie
in voller Unabhängigkeit Ihres Charakters
und als entschlossene Soldaten. Die Stunde
der schwerwiegendsten Entschlüsse ist für Sie
gekommen. Frankreich erwartet in äußer
ten Spannung Ihr Urtheil. Ich erwarte
es mit Vertrauen. Ich halte meine An
träge aufrecht und verlange die Anwendung
des Artikels 76 des Strafgesetzbuches und
des Artikels 267 des Militär-Strafgesetz
buches." (Große Bewegung.)
Demange, der sichtlich erschöpft und dessen
Stimme heiser ist, erwiderte: „Meine
Herren Kriegsrichter! Sie sind für Ihr Ur
theil nur Ihrem Gewissen und Ihrem Gott
Rechenschaft schuldig, und mein letztes Wort
ist: Ich weiß, daß Sie Männer von Loyali
tät uiü> Gerechtigkeit sind und sich niemals
einem Beweis anschließen werden, der sich
nur auf die Möglichkeiten und Vermuthun
gen aufbaut. Deshalb- schließe ich mit den-
elben Worten, welche ich Vormittags
prach: „Ich habe zu Ihnen Vertrauen,,
weil Sie Soldaten sind!" (Sensation.) Auf
Auffordern des Präsidenten ergreift Drey-
us das Wort, welcher sich bemüht, seine
Bewegung zu bemeistern.
Rennes, 9. Sept. Dreyfus sagt:
Ich will nur wenige Worte sprechen. Vor
dem Vaterlande und vor der Armee gebe
ich die Versicherung -ab, daß ich unschuldig
bin. Das einzige Ziel, welches ich erstrebe,
ist, die Ehre meines Namens zu retten, den
Namen, welchen meine Kinder tragen. Ich
ertrug fünf Jahre der fürchterlichsten Lei
den, habe o6ec die Ueberzeugung, daß ich
das Ziel erreichen werde, dank Ihrer Loya
lität und ihres Gerechtigkeitssinnes. (Lang
anhaltende Bewegung.) .— Der Präsident
fragt: „Sind Sie zu Ende?" — Dreyfus
bejaht. — Der Präsident erklärt nunmehr
die Verhandlungen für geschlossen. Der Ge
richtshof zieht sich zur Berathung zurück.
Dreyfus ist fortdauernd ruhig und steigt
kaltblütig bte Stufen von einem Gendar
meriewachtmeister begleitet hinunter.
Die Berathung des Kriegsgerichts dauert
ein und eine halbe Stunde. Als der Ge
richtshof den Saal wieder betritt, herrscht
lautlose Stille, in den Mienen Aller zeigt
sich angstvolle Erwartung und athemlos
Spannung. Als der Präsident das Urtheil
ausspricht, werden unterdrückte Ausrufe im
Saale laut.
Rennes, 10. Sept. Die erste Nachricht
von seiner Verurtheilung erhielt Dreyfus
von Labori, der ihn in die Arme schloß
und leise sagte: „Sie find verurtheilt
zur Detention, werden aber nicht nach
der Teuselsinsel zurückkehren." Dreyfus
schüttelte seinem Vertheidiger die Hand
und sagte nur: „Trösten Sie meine Frau!
— Frau Dreyfus sagte zu ihrem Bruder
Hadamard, der ihr die Nachricht von dem
Urtheil brachte: „Ich verzweifle nicht
der ehrliche Name unserer Kinder wird
und muß gerettet werden.
Paris, 9. Sept. Die Pariser Presse
bespricht die gestrige Auslassung im deut
schen Reichsanzeiger; die Dreysusfreund-
lichen Blätter sehen dieselbe als einen
durchschlagenden Beweis für die Unschuld
des Dreyfus an, während die Dreyfus-
feindlichen Blätter die Kundgebung als
eine weitere Lüge bezeichnen.
ReuneS, 9. Sept. Gerüchtweise verlautet
Dreyfus werde nach C o r s i k a in den
festen Platz Corte überführt werden.
Wien, 10. Sept. Die gestrige Verur
theilung Dreyfus' wird von den hiesigen
Blättern, mit Ausnahme der antisemiti
schen, als g e m e i n e r I u st i z m o r
bezeichnet, doch hätten nicht die Kriegs
richter Dreyfus verurtheilt, sondern die
Generäle hätten ihn verurtheilen lassen
Die „Arbeiter < Zeitung" schreibt: „War
das Urtheil vom Jahre 1894 ein Justiz
irrthum, begangen aus menschlicher
Schwäche, so ist das gestrige Urtheil ein
Justizmord, begangen aus menschlicher
Niedertracht."
Budapest, 9. Sept. Die Aufregung
über das Urtheil des Kriegsgerichts in
Rennes war hier in den Abendstunden
unbeschreiblich. Tausende von Menschen
belagerten die Redaktionen, man sah viele
Leute weinen. Abends zogen mehrere
Hundert Personen vor das sfran
zösische Konsulat, wo auf Frankreich
und das Kriegsgericht Abzugrufe aus
gebracht wurden. Die Polizei mußte
einschreiten und die Ansammlung zer-
treuen.
Paris, 9. Sept. Wie verlautet, wurde
der Botschastsrath Palêologue beaus
tragt, die gestrige Note des deutschen
„Reichsanzeigers" dem Kriegsgericht
in Rennes amtlich zur Kenntniß zu bringen
Paris, 9. Sept. Die nationalistischen
Blätter melden aus Rennes, Jouaust habe
von dem Kriegsminister telegraphisch den
Auftrag erhalten, das Prozeßende bis
Montag hinauszuschieben. Jouaust habe
geantwortet, er habe keine Befehle ent
gegenzunehmen. Das Urtheil werde Sonn
abend gefällt. — Gestern Abend verbreitete
ich das Gerücht von dem Rücktritt
Galliffet's, das jedoch alsbald dementirt
wurde.
Der „Gaulois" behauptet, der Rückritt
Galliffet's werde verursacht durch die
Weigerung Jouaust's, den Urtheilsspruch
hinauszuschieben.
Ausland.
Rußland.
Petersburg, 9. Sept. Die hier alljähr
lich wiederkehrende Brandsaison steht
auf ihrem Höhepunkt. Es vergeht keine
Stunde, ohne daß mehrere Brände zu
gleicher Zeit gemeldet werden. Das Ret
tungswerk ist in vollem Gange, was jedoch
nicht verhindert, daß eine beträchtliche
Zahl von Erwachsenen, Kindern und Haus
thieren täglich ein Raub der Flammen
wird. In Moskau herrscht dieselbe Kala
mität, nur erweisen sich dort die dressir
ten Hunde als sehr nützlich für das Ret
tungswerk der Feuerwehr.
Schweiz.
Bern, 8. Sept. Eine aus zwei Touristen
und zwei Führern bestehende Karawane
— die Namen der Theilnehmer sind noch
icht bekannt — ist auf dem Gletscher
von Arolla (Kanton Wallis) in eine
Gletscherspalte abgestürzt. Ein Führer
wurde todt aus ider Gletscherspalte ge
zogen. Durch das ihm zugeworfene Seil
war er beim Hinaufziehen erwürgt worden.
Der andere Führer kam mit dem Schrecken
davon. Von den Touristen brach der eine
den Arm, der andere wurde am Kopfe
verwundet.
Inland.
Karlsruhe, 8. Sept. Heute Vormittag
and die Kaiserparade auf dem Parade-
elde bei Forchheim statt. Der Kaiser,
der Großherzog, sowie die übrigen Fürst,
lichkeiten führten ihre Regimenter, deren
Chefs sie sind, vor. Nach der Parade ritt der
Kaiser an die Kriegervereine heran und
sprach einzelne Mitglieder an: sodann ritt
er an der Spitze der Fahnen» und
Standartenkompagnie mit dem Großherzog
und dem Erbgroßherzog in die Stadt ein,
wo er um 12 >/2 Uhr unter Glockengeläute
eintraf. Auf dem Marktplatze hielt Ober
bürgermeister Schnetzler an der Spitze des
Bürgerausschusses eine Ansprache. Der
Kaiser erwiderte etwa Folgendes:
Es freue ihn, wieder Gelegenheit zu haben,
den Oberbürgermeister begrüßen zu können. Er
komme von einem schönen militärischen Bilde
zurück. Was er von den Truppen dieses Landes
gesehen, habe ihn mit großer Befriedigung erfüllt.
Er könne den Großherzog und das Land nur
herzlich dazu beglückwünschen. Er sei felsenfest
davon überzeugt, daß der Theil des gesammten
deutschen Heeres, der diesem Lande angehöre, an
seinem Theile dazu beitragen werde, für den
Frieden zu sorgen. Ehe die Theorien des ewigen
Friedens zur allgemeinen Anwendung gelangten,
würde noch manches Jahrhundert vergehen. Vor
läufig sei der sicherste Schutz des Friedens das
Deutsche Reich, seine Fürsten und das von diesen
geführte Heer. Der Kaiser dankte sodann dem
Oberbürgermeister und den Bürgern der Stadt
herzlich für den schönen Empfang. „Ich bin ja
kein Fremdling hier und bei dem nahen Ver
hältniß zwischen dem Großherzog und Meinem
Hause rechne Ich Mich auch zu den Ihrigen"'
Berlin, 10. Sept. Fast sämmtliche
Morgenblätter besprechen in längeren
Artikeln die Verurtheilung des Dreyfus'
Nur die „Nordd. Allg. Ztg.", die „Kreuz
ztg." und die „Deutsche Tagesztg." drucken
die Telegramme aus Rennes ohne jeden
Kommentar ab. Die „Staatsb.-Ztg." ist
das einzigste Blatt, welches die Verur
theilung billigt. Dreyfus habe nicht für
Deutschland, sondern für Rußland spionirt.
und deshalb seien ihm auch mildernde
Umstände zugebilligt worden. Das Blatt
vertritt die Meinung, daß die 5 Richter,
welche für Dreyfus' Verurtheilung stimmten
die Ehre Frankreichs gerettet haben und
ich als unbestechliche Richter gezeigt
haben. Alle übrigen Blätter halten die
Dreyfus zugebilligten mildernden Umstände
ür unverständlich und weisen auf die un
berechenbaren Folgen der abermaligen
Verurtheilung hin. Die „Post" schreibt
Sollte es nicht gelingen, das Dunkel, das
noch immer über diesem Spionageprozeß
liegt, so kann Deutschland das Urtheil
über sein Verhalten in dieser Affäre ge
trost der Nachwelt überlassen. Die
Berl. Neuest. Nachr." sagen: Kein
Glied der europäischen Völkerfamilie kann
einer so tiefen pathologischen Erschütterung
verfallen, ohne daß sich früher oder später
die Wirkungen auch im Verkehr von Volk
zu Volk bemerklich machen. Die „Nat.
Ztg." führt aus: Das größte Verbrechen,
welches seit den Tagen der Inquisition
und der Hexenverbrennungen gegen die
Würde der Menschheit unternommen
worden, ist also vollbracht. Dem Ver
urtheilten ist die traurige Genugthuung
scher, daß an dem gegen ihn begangenen
Verbrechen Manches zerschellen wird,
was die Bedeutung eines Volkes in der
Zeitgeschichte ausmacht. Die „Börs.-Ztg."
chließt ihren Artikel mit folgenven Worten:
Die französische Republik hält sich nur
noch durch die erbärmliche Schwäche der
Parteiungen, durch die sie gespalten wird.
Und was wir in der letzten Zeit erlebt
haben, beweist, daß der letzte Pfeiler,
der ihr noch Halt zu geben schien, dem
Zusammenbruch nahe ist. Die „Voss.
Ztg." meint, Deutschland könne der Ent
Wickelung der Dinge ruhig entgegensehen,
Frankreich aber sei zu bedauern. Ein
chlimmeres Unheil, als der Richterspruch
von Rennes konnte ihm nicht widerfahren.
Der Kampf ums Recht beginne mit neuer
Gewalt, in der Zuversicht, daß schließlich
doch die Gerechtigkeit siegen muß. Der
Börs. Cour." sagt: Das ist eine
moralische Capitulation der französischen
Armee unter Nebenumständcn, welche den
, msammenbruch von Sedan keineswegs
begleitet haben. Die Komödie ist beendet.
Mag die französische Regierung Sorge
tragen, daß aus der Komödie keine
Tragödie sich entwickelt. Das „Berl.
Tagebl." schreibt: Für die Republik
werden sich aus dem gestrigen Verdikt
owohl für die innere wie für die äußere
Politik betrübsame Konsequenzen ergeben.
Der Bürgerkrieg steht in Frankreich vor
der Thür. Den ersten Gegenschlag dürfte
Frankreich bei Gelegenheit der großen
Weltausstellung des nächsten Jahres er-
ahren. Der Generalstab hat gesiegt, die
Wahrheit ist unterlegen. Die „Volksztg."
ührt aus: Durch dieses Urtheil ist be
wiesen, daß in Frankreich eine unparteiische
Rechtsprechung nicht mehr möglich ist.
Die Parteileidenschaft hat die Gerechtig
keit überwunden. Die Regierung muß
jetzt weiter in der Defensive bleiben, seit
dem deutsch-französischen Kriege die größte
Niederlage, die über das unglückliche
Land gekommen. „Halbschuldig" über-
chreibt der „Vorwärts" seinen Artikel.
Dreyfus sei als schuldig und als schuld
los erklärt worden. Der Fanatismus des
jesuitischen Militarismus habe den Kriegs
richtern gegen ihre eigene Ueberzeugung
den Schuldspruch entrissen. Der Unglück-
elige von der Teufelsinsel wird persönlich
rei werden, seine leiblichen Qualen
verden beendet sein, aber das gefesselte
Recht ruft nach Befreiung.
Ueber die Haltung Deutsch-
ands gegeüber der Transvaalkri-
s i s weiß ein Berliner Blatt Folgendes
zu berichten. Am Freitag-Wend nach dein
Kabinetsrath hatte der deutsche Botschafter
Für st Hatzfeld t eine wichtige Kon
ferenz mit Salisbury über die Lage in Süd'
afrika Und verschiedene die anglo-deutsche
Konvention berührenden Eventualitäten
im Kriegsfalle. Obwohl die deutsche Re-
gierung hofft, daß der Frieden dauern wird,
herrscht vollkommene Einigkeit über die von
Deutschland zu beobachtende Neutralität.
— Eine Neuerung an der russisch
deutschen Grenze ist kürzlich von
russischer Seite eingeführt worden. Zwischen
Eydtkuhnen und Kinderweitschen, sowie
zwischen Partzkehmen und den Grenzort'
schäften Szapten und Störcken wurden
nämlich Holzthürme von etwa zwölf Metel
Höhe errichtet, die den Grenzposten
als Ausguckthürme dienen solle».
Die Thürme haben telephonische Verbin
dung mit den benachbarten Grenzkordons,
so daß von den Posten alle Wahrnehmungen
im Vorgelände sofort den Grenzwachen
mitgetheilt werden können. Zur besieren
Beobachtung sind die Posten mit Fern«
gläsern ausgerüstet worden. Dieses Thurm-
system soll nach und nach an der ganze»
russisch - deutschen Grenze durchgeführt
werden.
8— Als den größten Fehler
bezeichnen die „Hamb. Nachr." das Vor
gehen gegen den Bund der Landwirthe,
indem sie schreiben:
„Der Bund der Landwirthe gehört trotz einzelner
Extravaganzen jedenfalls in erster Linie zu de»
staatserhaltenden Elementen, und
diese ohne Noth zu bekämpfen oder zu verun
einigen, ist der g r ö ß t e F e h l e r, der in der
inneren Politik gerade jetzt gemacht werden kann."
ķ — Die „Deutsche Z t g." sagt, daß
ein Feldzug gegen den Bund der Land
wirthe in seinen Folgen einen Konflikt
der schwersten Art bedeute. Die
freisinnige „Posener Ztg." fürchtet
üble Folgen für den Zusammenhalt des
Deutschthums und schreibt:
„Trotzdem müßten es die national empfinden
den Deutschen der Ostmark auf das tiefste be
dauern, wenn die Regierung ihren Plan aus
führte; die Thatsache allein, daß sie die ein
leitenden Schritte that, beweist, daß sie über dir
Stimmung und die Bedürfnisse der Provinz
schlecht unterrichtet ist. Die Regierung fordert
entweder gar keine Informationen, oder sie erhält
alsche Informationen. Nur so'sind unge
heuerliche Fehler, wie, die Kampagne
gegen den Bund der Landwirthe, möglich."
Die gleichfalls freisinnige „Königs
berger Hartungsche Zeitung"
urtheilt ähnlich. I -Şgl
Berlin, 9. Sept. Der Töpfer Ru-'
dolf Schlodder besuchte am Sonntag-Mor
gen mit Fran und Kind seine Schwieger
mutter, die Produktenhändlerin Frau Prie
mann. Da er Appetit ans Fische hatte, so
veranlaßte er seine Frau, aus der Markt
halle in der Andreasstraße frische Flundern
zu holen. Frau Priemann, die aus Pom-
mern stammt und von dorther schon aus
ihrer Jugend Fische zuzubereiten versteht,
reinigte die Flundern, salzte sie gehörig und
kochte sie zu Mittag in frischer Butter. Bald
nach dem Essen erkrankten zunächst Frau
Priemann und ihre Tochter, während
Schlodder erst später Beschwerden fühlte,
aber auch dann nicht besonders große, ob-
wohl er viel mehr gegessen hatte als die
beiden Frauen. Das Kind, das von de»
nichts genossen hatte, blieb- ganz gesund.
Die Frauen bekamen Erbrechen und
Krämpfe, -und mit Frau Schlodder wurde
es so schlimm, daß sie nicht mehr nach
Hause kommen konnte. Obwohl er das al
les vor Augen sah und ihm unwohl ge
worden war, verzehrte Schlodder am näch
ten Tage, am Montag-Abend, auch noch
den Rest der Flundern, der vom Sonntag
noch stehen geblieben war. Bald darauf
kellten sich auch bei ihm Erbrechen und
Krämpfe ein und zwar noch viel heftiger
als am Sonntag bei den Frauen, weil un
terdessen das Fischgift noch stärker gewor
den war. Der Mann wälzte sich unter
mrchtbaren Schmerzen auf dem Fußboden
der Kellerwohnung. Erst jetzt sprach Frau
Priemann über die Erkrankungen zu den
Nachbarn und sorgte für ärztliche Hülfe.
Der Arzt Dr. Zilenziger wandte, als er um
7 Uhr Wends gerufen wurde, sofort alle
Mittel an. Nur noch bei den beiden Frauen
schlugen sie an, da er ihnen den Magen
auspumpen konnte. ^ Bei Schlodder war
dieses nicht mehr möglich, da. es nicht ge
lang, ihm den Magenschlauch einzuführen,
weil er sich ununterbrochen in Schmerzest
wand. Der Mann starb noch am selben
Abend um 11 Vs Uhr. Die Leiche hat der
Staatsanwalt , beschlagnahmt. Mehrere
Eimer Fische sind in der Halle konfiszirt
worden. OM
Berlin, 7. Sept. In Aufregung und
Angst wurden seit geraumer Zeit die
Bewohner des Hauses Neue-Königstraße
61 durch einen „Spukgeist" gesetzt. Bald
pukte es bei Tage, bald bei der Nacht.
Nun wurde vor einigen Tagen auf dem
Treppenpotest der vierten Etage ein
■ -eitel aufgefunden, der von demselben
Individuum geschrieben war, welches
chon früher durch schriftliche Ergüsse die
Hausbewohner beschimpft resp. bedroht
jatte. Auf dem Zettel war in große»
Schrift zu lesen: „Heute spuke ich zum
letzten Mal und komme niemals wieder."
Dann folgten Worte unfläthigsten Inhalts.
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