Verlesung. (Bewegung und Unruhe.) Re
gierungskommissar Carriere erhebt sich und
bemerkt, er sei der Ansicht, daß der Zeuge
vielleicht nicht Alles gesagt habe, was er
zu sagen Hütte. Da die Sache sehr deli
kat sei und internationale Fragen betreffe,
so würde es vielleicht rathsam sein, die Ver
nehmung des Zeugen unter Ausschluß der
Oeffentlichkeit fortzusetzen. (Bewegung.)
Vertheidiger Demange fragt den Regie
rungskommissar, ob er über den Zeugen
Cernuschi Erkundigungen eingezogen habe.
Carriere verneint dies. Der Zeuge sei ein
fremder politischer Flüchtling. Er, Car
riere, habe sich gesagt, die Sache sei viel
leicht nicht recht solide (Heiterkeit). Ver
theidiger Labori erklärt: „Man hat hier
zum ersten Male das Zeugniß eines Frem
den herangezogen. Angesichts dieses Vor
ganges werde ich Konklusionen niederlegen
und verlangen, daß im diplomatischen Wege
alle Schritte gethan werden, damit die in
dem Bordereau genannten Noten verschafft
und für die Debatte zur Verfügung gestellt
werden (Große Bewegung). Ich bin mo
mentan zu bewegt, um die Konklusionen
gleich zu fassen. Ich frage den Zeugen,
welcher Nationalität gehörten die Persön
lichkeiten an, von denen er sprach?" Zeuge:
„Ich antworte hier jetzt nicht, ich thue
es nur unter Ausschluß der Oeffentlichkeit."
(Gelächter.) Labori ist mit dem Ausschluß
der Oeffentlichkeit einverstanden; er bittet,
sie morgen früh anzuordnen. Zuerst möge
aber der Zeuge vereidigt werden. Als Cer
nuschi die Estrade verläßt und sich auf einen
Zeugenstuhl setzt, wird er von einigen Per
sonen ironisch fixirt. Er verläßt den Saal,
verbeugt sich aber vorher tief vor dem Ge
neräl Merrier. Es folgt die Vernehmung
des Gerichtsschreibers des Untersuchungs
richters Bertulus, Andree. Derselbe sagt
über Esterhazys und Henrys Vernehmung
durch Bertulus aus, dessen Angaben er be
stätigt. Dr. Weil, der sich geäußert haben
soll, daß die Familie Dreyfus'' selbst von
dessen Schuld überzeugt sei, erklärt empört,
das sei unbedingte Unwahrheit. Er habe im
mer von der Familie gehört, sie sei von
Dreyfus' Unschuld überzeugt. Er theile
diese Ueberzeugung vollkommen und hege
die höchste Achtung vor Dreyfus. Professor
Painlene erklärt, nachdem er Bertillons
vergebliche mathematische Ausführungen
einer vernichtenden Kritik unterzogen, daß
Hadamard, ein Vetter der Madame Drey
fus, ihm immer nur die Unschuld Dreyfus!
versichert habe. Eines Tages habe er,
Zeuge, mit Prof. Docagne über den Fall
Dreyfus'' gesprochen, der ihm erzählte, er
kenne Hadamard, der ihm gesagt habe, er
habe für Dreyfus keine Parteilichkeit. Von
diesem Gespräch hätten andere Personen
Kenntniß erhalten und es verdreht. 1897
sei er in das Kriegsministerium beschieden
worden, too er über das Gespräch gefragt
worden sei; n. A. darüber, ob es wahr sei,
daß Zeuge mit Hadamard gesprochen und
von ihm erfahren habe, daß die Familie
Dreyfus an Dreyfus'' Unschuld zweifle.
Zeuge sagte sofort, das genaue Gegentheil
sei wahr. Mit Hadamard habe er nie ge.
gesprochen; die von Docagne wiederholte
Aeußerung Hadamards laute entgegenge
setzt. Zu seiner grenzenlosen Ueberraschung
habe er trotzdem später in der Untersuchung
des höchsten Gerichts einen Bericht des Ge
nerals Gonse vorgefunden, der ihm die von
ihm ausdrücklich für unwahr erklärte
Aeußerung in den Mund legte. Auf Ver
langen Laboris wird der Rapport über die
Aussage Painleves; von. Gonse verlesen. !Jn
demselben sind die Worte Painleves abso
lut entstellt. Painleve ist sehr erregt. Ge
neral Gonse wird gerufen. Er meint, Zeuge
Painleve messe der Sache viel größere Wich
tigkeit bei, als er, Gonse, ihr beigemessen
habe (Gelächter). Painleve protestirt wie
derum sehr energisch. Er schlägt mit der
Faust auf die Barre und erklärt, daß er
nur gesagt habe, was der Rapport ihn
sagen lasse. General Gonse sucht sich her
auszureden. Er habe nur auf das Moral
zeugniß Gewicht gelegt und nicht auf den
rsten Theil der Aussage Painleves (daß
Hadamard von der Unschuld Dreyfus' ge
sprochen hat). Painleve schreit: „Ich habe
aber niemals die Worte gesagt, die im Rap
port stehen! Niemals! Niemals! Niemals!"
Labori fragt den General Gonse, wer das
geheime Dossier gebildet habe. In demselben
befinde sich doch die Aussage Painleves.
General Gonse antwortet, die Aussage be
finde sich nicht im Dossier, sondern in einem
Annex. Labori fragt nochmals, wer das
geheime Dossier zusammengestellt habe.
H-auptmann Cuignet ruft: „Ich." General
Gonse fügt hinzu: „Und ich habe ihn dann
verbessert." (Gelächter.) Als Vertheidiger
Labori den General Gonse in erregtem Ton
wagt, ob, selbst wenn jene Auskunft so ne
bensächlich war, wie General Gonse sagt,
das ein Grund gewesen sei, sie falsch wie
derzugeben, fordert Präsident Jonaust den
Vertheidiger auf, sich gemäßigter auszu
drücken, sonst würde er ihm das Wort ent
ziehen. Labori fragt den General, ob' er
die Verantwortung für das geheime Dossier
bis Juli 1898 übernehme. Gonse antwortet
mit Ja. Labori fragt, ob man nicht alle
Dreyfus belastenden Dokumente immer für
gut gehalten habe, alle Esterhazy belasten
den Dokumente für schlecht? Präsident Jo
naust weigert sich, diese Frage zu stellen.
Hauptmann Cuignet verlangt das Wort. Er
bemerkt, die Depesche über das Gespräch,
das ein italienischer Staatsmann mit dem
ranzösischen Botschafter in Rom gehabt und
in welchem es nach der Behauptung Labo
ris geheißen habe, Esterhazy sei der wahre
Verräther, kömre als kein Beweis gelten.
Man wisse ja, daß die auswärügen Mächte
ein Interesse hätten, Frankreich zu täu
schen (Bewegung). Im Kriegsministerium
befänden sich viele solcher Dokumente, auch
olche, die für Dreyfus belastend seien. La-
iori fragt, wo die noch nicht gezeigten Do-
'ümente seien, von denen Cuignet soeben
gesprochen. Cuignet erklärt sich bereit, die
ülben unter Ausschluß der Oeffentlichkeit
zu zeigen. Labori ist damit einverstanden,
verlangt aber, daß endlich, ein für allemal
alle Dokumente, welche existiren, vorgelegt
werden. Es tritt eine kleine Pause eim
Nach derselben wird über einen Rapport
verhandelt, den ein gewisser Paulmier ge
macht haben soll, der behauptet, Ordonnanz
bei einem fremden Militärattachee gewesen
zu sein und dort Dokumente mit der Un
terschrift Dreyfus gesehen zu haben. Paul
mier ist verschwunden, der Rapport gleich
falls. Nach kurzer Diskussion über die An
gelegenheit Paulmier wird beschlossen, den
Anfang der morgigen Sitzung unter Aus
schluß der Oeffentlichkeit stattfinden zu las
sen. —
Inland.
— Einige sich liberal nennende
Blätter fahren fort, von der Regierung
zu fordern, daß sie mit den bisherigen
Maßregelungen sich nicht begnüge
sondern weiter unter den kanalgegnerischen
agrarisch angehauchten Beamten Musterung
halte. So heißt es im „Hann. Cour.",
die Regierung habe allen Anlaß, die
politischen Beamten darauf hin zu prüfen
uwieweit sie bereit feien, ihren Kreis-
insassen gegenüber in Vorbereitung der
nächsten Landtagstagung die Kanalvorlage
zu vertreten; und sie werde mit Recht
daraus hingewiesen, in die frei werdenden
Stellen Männer hineinzusetzen, die der
Agraragitation und dem mißleiteten
Konservatismus gegenüber die nöthige
Widerstandskraft besitzen. Man muthet
also der Regierung nichts anderes zu, als
Entlassung und Anstellung von Beamten
abhängig zu machen von ihrer Stellung
zum Kanal und zur Agrarfrage. Es
liegt aus der Hand, daß in einer solchen
Zumuthung eine häßliche Beleidigung
liegt, deren widerlicher Eindruck noch
dadurch gesteigert wird, daß sie unter der
Flagge des Liberalismus erhoben wird.
Ob die Regierung der Zumuthung ent-
prechen werde, bezweifeln wir noch. Sie
wird sich wohl selbst sagen, daß sie damit
nicht eine Stimme für den Kanal ge
winnen, wohl aber viele Unparteiische in
das gegnerische Lager treiben würde.
Die neuen Landräthe mit der „nöthigen
Widerstandskraft" haben lediglich eine
Wahlstimme. Wahlen machen dürfen sie
nicht; das ist nicht ihres Amtes. Eine
Massen-Maßregelung würde die Mehrheit
gegen den Kanal nur verstärken und das
Vertrauen des Volkes noch mehr erschüttern,
als es schon geschehen ist.
— Die Namen der zur Disposition
gestellten politischen Beamten find
auch heute noch nicht vollständig bekannt.
Zu den acht erwähnten disziplinirten poli
tischen Beamten kommt noch die Maß
regelung von drei weiteren Landräthen
hinzu: der Abg. von Wrochem (Woh
lan), von Dallwitz (Lüben) und von
Bodenhausen'Burgkamnitz in Bit
terfeld. Auch diese drei haben in allen
vier Abstimmungen gegen die Kanalvor
lage gestimmt. Sie gehören der konser
vativen Fraktion an. Ueber die Maß
regelung eines Landraths aus der frei-
konservativen Partei ist bisher nichts be
kannt geworden. Das vollständige Ver
zeichnis der gemaßregelten Beamten
dürfte erst bekannt werden, wenn der
„Reichsanzeiger" oder die amtliche „Ber
liner Korrespondenz" die Namen der Re
gierung s - Assessoren veröffentlicht,
welche an Stelle der gemaßregelten Land
räthe mit der kommissarischen Leitung von
Landrathsämtern betraut worden sind.
— Ueber den Regierungpräs i>
d enten von Lüneburg, v. Colmar,
über deffen Zurdispositionsstellung bisher
nichts Bestimmtes verlautet, den aber als
Kanalgegner sicher das Schicksal des ge
maßregelten Regierungspräsidenten Jagow
in Posen ereilen wird, schreibt die „Köln.
Bolksztg.": „v. Colmar ist ein älterer
Parlamentarier, der aber als Redner sehr
selten ausgetreten ist. Er ist der Schwieger
sohn des ehemaligen Leibarztes des alten
Kaisers Wilhelm, des Generalarztes von
Lauer, deffen Empfehlung Herr v. Colmar
seine Beförderung vom Posener Polizei
Präsidium ins Lüneburger Regierungsprä
sidium wohl hauptsächlich zu verdanken
hatte. Etwa 15 Jahre hatte er aus diesem
stillen Posten geseffen und es nicht weiter
gebracht, obwohl inzwischen manche Ober
Präsidien neu besetzt worden sind, auf die
er sich Hoffnung gemacht hatte. Herr
Colmar war eng befreundet mit dem
früheren Chefredakteur der „Kreuzzeitung"
v. Hammerstein, er galt schon lange als
mißvergnügt, und diese Stimmung mag ihn
auch in seinem Widerstände gegen die
Kanalvorlage bestärkt haben. Er war
'ebenso wie der Regierungspräsident von
Posen, v. Jagow, schon vor der zweiten
Lesung gewarnt worden, nicht gegen die
Kanalvorlage zu stimmen.
Berlin, 4. Sept. Der „Hamb. Corr."
meldete bereits vor einigen Tagen, daß
m Hinterlande von Kiautschou hier keiner-
ei Nachrichten vorliegen. Es läßt sich
heute hinzufügen, daß sich jene Meldungen
nicht bestätigen.
— Die Meldungen junger Mädchen
nach Südwestafrika find in so großer
Zahl bei der deutschen Kolonialgesellschaft
eingelaufen, daß der vorläufige Bedarf
gedeckt ist. Weitere Bewerbungen sind
daher zur Zeit zwecklos.
Von einem Dorf der Millionäre
schreibt die „Voff. Ztg".: Der Hauptsitz
der bäuerlichen Millionäre war bisher
Schöneberg bei Berlin, seitdem dieses
zur. Stadt' avancirt ist, scheint dieses
Temprlhof sich zur Residenz der Millionen-
bauern aufzuschwingen. Die Zahl der
Einwohner Tempelhofs, die ein Einkommen
von 40-—50 000’ Mk. jährlich zn ver-
zehren haben, beläuft sich nach kundiger
Schätzung jetzt schon auf 40. Es sind
dies fast allesammt ehemalige Bauern,
die ihre Ländereien zu hohen Preisen zu
Spekulationszwecken veräußert haben und
nun in Ruhe und Wohlhabenheit ihre
Tage verleben können..
Croffe« m O-, 4. Sept. Nach einem
Tanzvergnügen bei dev Sedanfeier in dem
benachbarten Rüdnitz ac O. wurde, wie
das „Crossener Wochenblatt" meldet, der
Fleischer Klugert aus Hundsbelle aus
Eifersucht von dem Schiffer Purps aus
Schlaubehammer. deffen Schiff dort ver-
ankert ist, heute Nacht auf der Dvrsstraße
durch mehrere Stiche schwer verletzt. Der
Attentäter wurde heute auf der dortigen
Ablage todt aufgefunden.
Geestemünde, 2. Sept. Eine wirkliche
amerèļanische Millionenerbschaft
wird einem Einwohner des Ortes Beder
kesa, dem pensionirten Locomotivsührer
Flohr, zufallen. Vor einem Menschen
alter ist der Bruder seiner Mutter aus
der Gegend von Würzburg nach Amerika
ausgewandert, zwei Schwestern zurück
lassend. Er hat nur einmal von sich
hören lassen und galt dann als verschollen.
Jetzt ist an dem Bürgermeister des Heimaths-
ortes ein Schreiben des deutschen Consuls
in Philadelphia gelangt, worin er mit-
theilt, daß jener Auswanderer dort ge
worben ist und ein Vermögen von nicht
veniger als 2Ş Millionen Dollars
hinterlassen hat.. Zwei Millionen sind
der Dienerschaft vermacht, die übrigen
27 Millionen Dollars sollen an die beiden
Schwestern oder, falls diese gestorben sein
sollten, an deren Kinder fallen. Beide
Schwestern sind gestorben, die eine unver-
heirathet. Aus der Ehe der anderen
Schwester leben zwei Kinder, der genannte
Lokomotivführer Flohr, der verheirathet
ist, aber keine Kinder hat, und seine ver-
hei rathete Schwester in Würzburg. Die
Sache klingt etwas märchenhaft, soll aber
thatsächlich auf Wahrheit beruhen.
Io. Bavdowieķ(Prov.Hannover), 4. Sept.
(Vom Blitz erschlagen.) Der Rentier
Klockmann aus Bleckede, der sich besuchs
weise bei seinem Schwager Hierselbst auf
hielt, und der Kantor Meyer von hier
wurden auf einem Spaziergange im Ge-
hölz. von einem Gewitter überrascht und
Beide durch einen Blitzschlag zu Boden
geworfen. Der Kantor erholte sich sofort
wieder, und als er nun versuchen wollte,
den wie todt daliegenden Rentier Kl. auf
zurichten, sprach dieser noch einige Wvv^
und starb dann. Der herbeigerufene Arzt
konnte nur den bereits eingetretenen Tod'
konstatiren. -
!!! Hamburg, 4. Sevt. .Zu dem
mächtigen Sp e uch erb r a n tus an 8dèr
Neueuburg, worüber wir' bereits berichtet,
haben, sind noch folgende Einzelheiten nach
zutragen: In Folge des dichten Rauches
und Qualms sind. mehrere Feuerwehrleute
nicht unbedenklich erkrankt, und in Drosch
ken zunächst nach ihren. Wachen gebracht,
worden. Hauptsächlich - haben die Augen ge
litten; als ein gutes. Miwl hat sich das-
Auswaschen der Augen mit lauwarmer
Milch bewährt. Die allgemeine Verwir
rung bei dem Brande haben sich auch ver
miedene Langfinger, zu Nutzen zu machen
verstanden. Der Bote eines Konfektions
geschäftes sammelte in der.Nähe der Brand-
telle angeblich für. die „unglücklichen Ab
gebrannten", sowie für die braven Feuer
wehrleute, die er bei der Ausübung ihrer
schwierigen Arbeiten mit Speise und Trank
erquicken wolle. Gaben flössen ihm auch
reichlich zu, aber der Schlauàger betrank
sich derartig aus Kosten der mildthätigen
Geber, daß er in seiner Trunkenheit meh
rere Schläuche zerschnitt und bann verhaftet,
wurde. Die Annahme, daß das Feuer
durch Knaben in Folge Abbrennens von
Feuerwerkskörpern verursacht sei, scheint
ach zu bestätigen, denn es sind Theile von
Feuerwerkskörpern, die durch ein offenste
hendes Fenster geflogen zu sein. scheinen,
auf einem der Böden gefunden worden.
!!! Hamburg, 4. Sevt. Ter Be
sitzer einer hiesigen Schiffswerft hatte eine
Strafverfügung wegen Uebertretung. der §§
105 b und 146 a der Gewerbe-Ordnung er
halten, weil er eines Sonntags au. einem
Schiffe hätte arbeiten lassen. Ter Wersche-
sitzer hat nun Einspruch erhoben und mächte
geltend, daß es sich um eine nach ß 105 c
der Gewerbe-Ordnung gestatteten- Nothar
beit handelte. Er habe das Schiff zu einem
bestimmten Termin liefern müssen;.die Fer
tigstellung des Fahrzeuges habe sich aber
durch verspätete Lieferung der.Walzbleche
vom Eisenwerk verzögert. Bei verspäteter
Lieferung des Schiffes hätte er. eine Con-
ventionalstrafe von 80 Mark pro: Tag zah
len müssen. Die Verhandlung , fand heute
vor dem Schöffengerichte statt. Der Ange
klagte wurde zu 20 Mark Geldstrafe verur-
theilt. Das Gericht, führte aus,, daß eine
Arbeit nicht dadurch zu einer Notharbeik
im Sinne des Gesetzes werde,.daß.bei. Un
terbleiben der Arbeit dem Unternehmer ein
materieller Schaden crivachse, da sonst. ja.
jede Arbeit als Notharbeit , bezeichnet, wer-,
den könne.
Provinzielles.
blickte ihr nach und schüttelte den Kopf.
„Ein sonderbares Geschöpf!" murmelte
er, „unberechenbar wie ein Apriltag! —
Aber daß sie die kleine Tändelei auch so
ernst nehmen mußte! Ich hätte mich wahr
haftig gar nicht erst darauf eingelaffen, wenn
ich das hätte ahnen können."
Er kehrte zu seinem Tische zurück und be
zauberte auf's Neue seine Gesellschafter durch
die liebenswürdige Heiterkeit seines Wesens.
Auf seinen Vorschlag rüstete man sich dann
zu einer lustigen Spazierfahrt an den Rhein,
und der Tag neigte sich schon seinem Ende
zu, als man nach Wiesbaden zurückkam
Die Equipage hielt an dem Hotel „Zu den
vier Jahreszeiten" und diensteifrig wie
immer sprang der Pförtner herzu, um den
Kutschenschlag zu öffnen. Ludolf war den
beiden Damen ritterlich beim Aussteigen be
hülflich, und er schickte sich an, ihnen in das
Innere des Hauses zu folgen, nachdem er
dem Kutscher ein Trinkgeld gereicht hatte
Im Vestibule aber trat ihm mit höflichem
Gruße ein ernst blickender Herr entgegen.
„Auf ein Wort unter vier Augen. Herr
Harmening!"
Ludolf stutzte, aber er wußte sich doch gut
zu beherrschen.
„Sie irren sich in der Person", sagte er
artig. „Mein Name ist Settendorf."
„Wenn es so ist, muß ich mich allerdings
im Irrthum befinden. Aber Sie haben viel
leicht die Gefälligkeit, mich zu begleiten, da
mit derselbe auf der Stelle aufgeklärt wer
den kann."
„Sie setzen mich in Erstaunen, mein
Herr! Mit welchem Rechte machen Sie mir
eine solche Zumuthung?"
„Ich bin Beamter der Kriminalpolizei.
Hier ist meine Legitimation."
„Aber Sie werden mir doch wohl gütigst
gestatten, mich zuvor noch für einen Augen
blick auf mein Zimmer zu begeben?"
„Ich muß Sie leider ersuchen, darauf zu
verzichten."
„Parbleu, man behandelt mich ja wie
einen Staatsverbrecher. Aber die Sache
ängt an, mir Spaß zu machen. Gehen
vir also, mein Herr!"
Obwohl er die Sache seiner eigenen Ver
sicherung nach so spaßig fand, zuckte cs doch
;anz seltsam in seinem Gesicht, und als er
ich von dem Beamten unbeobachtet glaubte,
fuhr seine Rechte mit blitzschnellem Griff
nach der inneren Brusttasche seines Ueber-
rockes. In demselben Moment aber legte
sich von hinten her die Hand eines zweiten
Mannes, der bis dahin unbemerkt hinter
der geöffneten Thür der Portierloge ge
standen hatte, schwer auf seinen Arm.
„Geben Sie mir das Ding einstweilen
zur" Aufbewahrung, Herr Harmening! —
Sie werden zunächst ja doch keinen Gebrauch
davon machen können."
Der Revolver war seinen Fingern ent
wunden, noch ehe er an einen Widerstand
hätte denken können, und mit fest zusammen
gepreßten, blutlosen Lippen ergab sich Ludol'
Harmening jetzt in sein unabwendbares
Geschick.
Schluß.
Es war für den scharfsinnigen Landrichter
Martins, der sich zu rühmen pflegte, daß
ihm in seiner vieljährigen Praxis als Unter
suchungsrichter noch niemals ein ernstliches
Malheur passirt sei, sicherlich nicht die ange
nehmste Stunde seines Lebens, als er ge
nöthigt war, Erna unter angemeffenen Ent
schuldigungen für den begangenen Mißgriff
ihre Freilaffung anzukündigen. Aber die
überraschende Wendung, welche die Affaire
Harmening genommen, zwang ihn, wohl oder
übel in den sauren Apfel zw beißen. Der
auf die Denunciation der Schauspielerin
Leonore Berger in Wiesbaden verhaftete Ludolf
Harmening hatte nach einigem Sträuben, ein
unumwundenes Geständniß abgelegt, als ihm
der kompromittirende Brief seines Vaters vor
gelegt worden war, und als er erkannte, daßder
alte Mann in seiner unbegreiflichen Schwäche
bereits alles verrathen habe. Der junge
Geheimsekretär war von dem schweren Ver
dacht des Vaterlandsverraths vollständig ent
lastet und als sein Vergehen blieb nur noch die
Uebertretung übrig, deren er sich durch die
unbefugte Mitnahme des Aktenstückes schuldig
gemacht hatte. Aber wenn er dafür über
haupt eine Bestrafung zu erwarten hatte,
so mußte dieselbe jedenfalls viel zu gering
ausfallen, als daß sich eine Fortdauer der
über ihn verhängten Untersuchungshaft da
durch hätte rechtfertigen laffen. Kaum zehn
Minuten, nachdem er die Erzieherin unter
vielen sauersüßen Artigkeiten in höchsteigener
Person bis zur Thür begleitet hatte, ließ
der Landrichter Martins dann auch Günther
Harmening vorführen und theilte ihm mit,
daß er frei sei, sich aber bis auf Weiteres
noch zur Verfügung des Gerichtes zu halten
habe.
Mit einem tiefen Aufathmen trat der
junge Mann bald danach in den Thorweg
des Justizgebäudes hinaus, in welchem ihm
zum ersten Mal nach namenlos schweren
Wochen wieder der Odem der Freiheit ent
gegen schlug. Da legte sich eine leichte
kleine Hand schüchtern auf seinen Arm, und
eine süße Frauenstimme, deren Klang er nur
zw gut kannte, sagte:
„Laßen Sie mich die Erste sein, die Sie
beglückwünscht, Herr Harmening, und lassen
Sic mich Ihnen recht aus tiefster Seele für
Ihre Großmuth danken!"
Günther hatte sich nach ihr umgewendet,
und die großen strahlenden, in Thränen
schwimmenden Augen des geliebten Mädchens
waren mit leuchtendem Blick dem seinigen
begegnet. Da wußte er mit einem Mal,
daß all' sein kleinmütiges Zweifeln und
stilles Verzichten nichts als eitel Kurzsichtig
keit und Thorheit gewesen sei; da dachte er
nicht mehr daran, daß sie ihn schon einmal
zurückgewiesen habe, und da vergaß er den
Ort, an dem sie sich befanden.
Mit einem halb erstickten: „Erna! —
Meine geliebte Erna!" zog er die holde Ge
stalt in seine Arme, und die widerstands
lose, hingebende Zärtlichkeit, mit der sie sich
seiner Kühneit fügte, gab ihm die Gewiß
heit, daß er sich diesmal nicht getäuscht habe,
daß er nun endlich, endlich nach schweren
Kümmernissen und Prüfungen das Glück
gefunden. —
Draußen auf einer der Bänke vor dem Justiz
gebäude saß ein kleiner verwachsener Mann
mit einer Künstlermähne und einem genia
lischen Schlapphut auf dem Haupte. Schon
seit nahezu anderthalb Stunden war sein
Blick unverwandt auf das hohe Portal ge
richtet, und das Warten verdroß ihn: nicht,
wie lange es auch währte. Er wußte ja
von dem bestochenen Kanzlisten, daß heute
die Freilaffung der beiden Untersuchungs
Gefangenen erfolgen müffc, und er wurde
nicht von seinem Platze gewichen sem, wenn
gestellt
artige
matz
Frage
tunst
einige
recht s
Erkrar
welche
entzieh
schrift.
Waffe'
aber
nur K
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zurück,
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tadeln
Min.
suchun
darauf
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ihre i
„Das
Acht u
weisbl
sprecht
besond
und V
eine i
standst
steht."
Eine Typhusepi d e m i e ist nach'
ver „Berl. Klinischen Wochenschrift" im
Nordseebade Amrum ausgebrocheiu Eine
Reihe von Kindern sind theils am> Orte
selbst, theils aus der Rückreise an einem,
„fieberhaften Magendarmkatarrh" erkrankt,
der euphemistisch als „Nvrdseefieber" be
zeichnet wurde. Von ärztlicher Seite wurde
der typhöse Charakter dieser Fälle festge
stellt und der Ortsbehcrde Anzeige er-
stattet. Ob diese Veranlassung gefunden,
hat, daraufhin irgendwelche sanitären,
Maßregeln und hygienische Anordnungen
zu treffen, weiß das Blatt nicht. That
sache sei, daß zur Zeit in Berlin allein
fünf Kranke an ausgesprochenem, zum
Theil sehr schweren Thypus liegen) die
bereits krank von Amrum abgereist sind.
Durch eine bei den während der Schul-
serien aus Amrum gewesenen Eltern an-
wnbekc
um 5
Raub
rettete
Das ri;
Branì
ist bis
8 Ta
es darüber auch- Mittag und Abend ge
worden wäre. '
' Und seine treue Geduld wurde rechtschaffen
'belohnt. Ein Wiedersehen gleich dem, das
jetzt zwischen den drei glücklichen. Menschen
'gefeiert wurde, konnte wohl größere Opfer
aufwiegen als ein paar Stunden gespannten
Wartens, und als sie beieinander in dem
Wagen saßen, den Fritz Heimerdinger für
sorglich mitgebracht, da durfte der kleine
Musiker şich wohl ein Herz saßen zu der
Frage: ■ -
„Und nun, Harmening — werden Sie
nun de« Vorschlag annehmen, den ich Ihnen
machte, als mir meine große Erbschaft vom
Himmel fiel?" ”,
Der Gefragte drückte . ihm lächelnd die
Hand und erwiderte mit einem zärtlichen
Blick auf Erna:
„Wir wollen später davon reden, mein
Freund! Denn die Entscheidung darüber
liegt jetzt ja nicht mehr bei mir."
Es wurde nicht viel mehr zwischen ihnen
gesprochen auf dieser Fahrt; in den jungen
Herzen der endlich Vereinten aber jauchzte
und jubelte es wie in den letzten Akkorden
von Sigismund's überseligem Sang:
„Vereint sind Liebe und Lenz!"
Ende:
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hier sic
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kratzte,
dermaße
Literatur
— Wie ein Blüthenrege« im Herbst
muthen die herrlichen Bilder an, welche wiederum
in überreicher Fülle die 3. September-Nummer des
Elite-Blattes dervornehmen Damenkreise, „3 roste
Modenwelt" mit bunter Fächer-Dignette
(Verlag John Henry Schwerin, Berlin), schmücken.
Das Blatt will ein praktisches Modenblatt
sein, und nach dieser Seite ist die Lieferung von
Extraschnitten nach Körpermaaß besonders nutz'
bringend. Außerdem dient der große, dovpel-
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