Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 2)

gewesen; denn Erna Wellhof's jugendliche 
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Dem Rendsburger Wochenblatt lvird 
„Der Landwirth" 
(Zeitschrift sür die politischen u. socialen Interessen 
der Landwirthschaft) gratis beigegeben. 
Wo. 194. 
Sonntag, den 20. August 
1899. 
Morgen-Berichte. 
Desiau, 18. Bug. Vier Etagen des 
älteren herzoglichen Salzbergwerkes sind 
ersoffen. Die Carnallitförderung ist ein 
gestellt. Menschen sind nicht verunglückt. 
St. Petersburg, 18. Aug. In der 
vergangenen Nacht brach in einer Krön 
fabrik zur Herstellung medizinischer Prä 
parate für das Militär Feuer aus, das 
in den Chemikalien reiche Nahrung fand. 
Die Hitze war so groß, daß die Feuerwehr 
nur mit vieler Mühe arbeiten konnte 
Der Schaden wird aus viele Millionen 
geschätzt. 
London, 18. Aug. Heute früh sand in 
der Llestkohlengrube bei Neath in 
Glamorganshire eine Expsion statt. 18 
Bergleute wurden getödtet, 60 Personen 
befinden sich noch in der Grube in Gefahr. 
Tromsö, 18. August. Das Fangschiff 
„Capella" traf gestern Abend hier von 
Franz Josephsland ein. Das Schiff 
brachte die Expedition Wellmann mit, die 
es aus Kap Tegethoff antraf. Es Oer 
lautet, Wellmann sei b is zum 82. Grad 
vorgedrungen. Der Theilnehmer an der 
Expedition Berdzew, der mit einem 
anderen Genossen auf der Insel Wilczeck- 
land in einer Steinhütte überwinterte, ist 
gestorben. Im Februar zog sich Well- 
mann in einer Eisspalte eine Verdrehung 
des einen Fußgelenks zu, infolge deren er 
noch an Krücken gehen muß. Die Ex 
pedition sing 103 Wolroffe, 8 Bären 
Eine Spur von Andree wurde nicht ge- 
an- 
sunden. Die „Capella" nahm dieExpedition 
am 27. Juli aus und segelte am 10. August 
ab. Am 6. August wurde die „Stella 
Polare"' mit der Expedition des Herzogs 
der Abruzzen in Broejensund aus dem 80. 
Grad 20 Minuten nördl. Breite 
getroffen. An Bord war alles wohl 
Brünn, 18. August. Am 24. Sept 
findet hier der Gesammtparteitag der 
österreichischen Sozialdemokraten statt, aus 
welchem die Stellung der Soziaidemo- 
îratie zum Nationalitätenstreit in Oester 
reichs besprochen werden, die Forderung 
Ņ Staatssprache bekämpft und das Fest 
halten an der deutschen Sprache als 
Verkehrssprache gefordert werden soll. 
Madrid, 18. August. In Badajoa 
^urde gestern ein aus Portugal kommender 
Äug, worin sich 800 Portugiesen be 
enden, angehalten und nach Portugal 
Zurückgewiesen. 
Newyork, 18. August. Der „Frks. 
8*9 " wird gemeldet: Der Präsident 
ordnete die Rekrutirung von 
Freiwilligen-Regimentern an. 
10 neuen 
Der Dreyfus-Prozetz. 
Rennes, 18. Aug. Auf den Gerichls- 
tisch wurde heute vor Beginn der Sitzung 
eine Karaffe Wasser gestellt für ben Zeu 
gen Picquart, der mindestens drei Stunden 
zu sprechen gedachte. Um Va7 Uhr wurde 
die Sitzung eröffnet. Picquart lvurde her 
eingerufen. Er beginnt seine Aussagen da 
mit, in Abrede zu stellen, daß er den Rich 
tern Quenellys geheime Schriftstücke mit 
getheilt habe. Sollte dies geschehen sein, 
so erkläre er, daß es ohne sein Wissen ge 
schehen sei. General Roget bittet hierauf 
ums Wort. Er ist bleich und wuthverzerrt. 
Oberst Jonaust: „Sie werden es bekommen, 
wenn der Zeuge geendet hat." Auf die Ge 
Heimakten übergehend, wünscht Picquart, 
weil dabei jedes Wort von Wichtigkeit ist, 
seine Erläuterungen an der Hand der Ort 
ginale geben zu dürfen. Präsident Jonaust 
meint, dies sei vollkominen unstatthaft. Pic 
quart fährt fort, das geheime Dossier habe 
aus zwei Theilen bestanden. Der erste Theil 
habe eine Art Kommentar enthalten, ver 
faßt von du Path, dann eine Anzahl Briefe. 
Erstens has aus Avignon datirte und fol 
gendermaßen lautende Schriftstück: „Gehen 
Sie auf die zweite Abtheilung, verlangen 
Sie die Auskunft über die Reservetruppen 
von unserem dortigen Freunde, ohne daß 
Divignon es erfährt." (Es ist dies der Brief 
Schwartzkoppens an Panizzardi.) Zweitens 
eine wenig reichhaltige Mittheilung von B. 
an! A„ worin gesagt wird, er solle sich von 
seinem Freunde gewisse Auskünfte verschaf 
fen. Picquart weist nach, daß durch das 
Schriftstück eine ganz unerhebliche Auskunft 
verlangt wurde. Drittens den Brief mit 
den Worten „ce canaille de D." Viertens 
die Note über die Reise nach der Schweiz, 
die im Austrage einer fremden Macht statt 
gefunden habe. Der zweite Theil des ge 
heimen Dossiers bestehe aus einer Art 
Uebersicht, sodann aus zwei oder drei Pho 
tographien des Stückes „ce canaille de D." 
und einer gewissen Zahl von Briefen, die 
theils voir Ä. (Schwartzkoppen), theils B. 
(Panizzardi) zugeschrieben werden und als 
Vcrgleichsstücke dienten. Picquart bittet 
nochmals, ihm die Dokumente zu geben, da 
mit Irrthümer bei seinen Erklärungen ver 
mieden würden. Präsident Jonaust beräth 
sich diesbezüglich mit dem General Cha- 
moin und erklärt dann, daß er den Wunsch 
entschieden abschlagen müsse; das Kriegsmi 
nisterium könne die Dokumente nur dein 
Kommissar der Regierung und den Verthei 
digern geben. Auch Einiges aus dem Dos 
sier in deutscher Sprache zu citiren, lvird 
Picquart nicht gestattet. (Bekanntlich durfte 
Cavaignac ungenirt deutsche Texte citiren.) 
Vertheidiger Demange, dessen Eingreifen 
man bei diesem Gegenstände der Verhand 
lung erwartet, hält sich im Schweigen. Pic 
quart zergliedert imn die einzelnen 
Schriftstücke. Das Dokument „ce canarlle 
de D." beziehe sich nicht auf Dreyfus. 
Das erste Schriftstück könne sich auch nicht 
auf denselben beziehen, und das zweite 
handle wahrscheinlich überhaupt nicht von 
Spionage. Picquart stellt alsdann das 
Systeni dar, das du Paty de Clam sich zu 
recht genracht hat, uni alle diese Schriftstücke 
mit einander in Verbindilng zu bringen lind 
auf Dreyfus zu deuten. Zuerst habe er be 
hauptet, A. habe direkt lnit Dreyfus in Ver 
bindung gestanden, dann erklärte er, A. 
habe mit Dreyfus durch eine Mittelperson 
verkehrt. Picquart zerpflückt nun der Reihe 
ilach niehrere Papiere, die Schuldbeweise 
sein sollen, und gelangt zum Schlüsse, daß 
sie theils offensichtliche Fälschungen, theils 
Arbeiten von Spitzeln seien, die dem Ge 
neralstabe Geld abschwindelten. Jahrelang 
sei jeder Strolch sicher gewesen, vom Ge 
neralstab Geld zu bekommen, wenn er den 
Namen Dreyfus aussprach. Alles sei da- 
mals Dreyfus in die Schuhe geschoben 
worden. Bevor er, Zeuge, auf den zweiten 
Theil des Dossiers übergehe, Ivolle -er sein 
Bedauern darüber aussprechen, daß du Paty 
nicht anwesend sei. Es sei absolut nöthig, 
daß er komme und erzähle, lute er den 
Kommentar zu dem Dossier verfaßt habe, 
den Kommentar, der den Richtern 1894 
ini geheimen Berathungszimmer mit vorge 
legt worden und ihnen die Dokumente ten 
denziös erläuterte. Seither sei der Kom 
mentar verschwunden. Du Paty könne viel 
leicht denselben aus dem Gedächtniß rekon- 
struircn. Er, Zeuge, würde ihm dabei hel 
fen. Man habe von Dokumenten gespro 
chen, die beseitigt worden seien. Der Kom 
mentar sei ein solches. Zeuge fährt fort, 
Alles, was im Jahre 1894 gegen Dreyfus 
bestanden habe, sei das Bordereau und das 
Dossier gewesen, sonst nichts. Eine Ueber- 
wachung sei vorher nicht ausgeübt worden. 
Die Affäre Dreyfus sei von Betrügern, al 
ler Sorten ausgebeutet worden. Zeuge 
Picquart geht jetzt auf Esterhazy über. Das 
erste Mal, daß er den Namen Esterhazy 
gesehen, sei auf dem Petit Bleu gewesen. 
Im Gegensatz zu der von Zeugen vorge 
brachten Behauptung, wolle er ausdrücklich 
erklären^ daß er ihn vorher nicht gekannt 
habe und ihn nicht überwachen habe las 
sen. Ausführlich erzählt dann Picquart die 
Affäre des Rohrpostbriefes und dessen Folge 
und bemerkte, daß der Rohrpostbrief auch 
eine der zahlreichen Fälschungen war, zum 
Zwecke, Unschuldige zu verderben. Er ent 
wirft feine Charakterbilder von Boisdeffre, 
Gonse und Anderen. Das Publikum bricht 
vielfach in Weiterleit aus. Zeuge giebt wei 
ter eine erschöpfende Geschichte des bekann 
ten Baseler Zwischenfalls. Er erzählt, wie 
der ausländische Agent Cuers in Basel sich 
erboten habe, dem französischen General 
stab den Namen der Person zu nennen, 
welche das Ausland bediente, und wie er, 
Picquart, .Henry und Lauth nach Basel 
schickte, um mit Cuers zu verhandeln. Henry 
habe bei seiner Rückkehr die Sache so darge 
stellt, als ob Cuers trotz allen Drängens 
nicht eingewilligt habe, mehr zu sagen. Der 
dem Henry nach Basel mitgegebene deutsch 
sprechende Kommissar habe jedoch erklärt, er 
habe Cuers keinen Augenblick allein sprechen 
können, die Offiziere Henry und Lauth Hüt 
ten ihn daran gehindert. Cuers, mit dem 
Zeuge Picquart später einmal gesprochen, 
habe sich bei dieser Gelegenheit beklagt, daß 
Henry ihn bedroht und eingeschüchtert habe. 
Dennoch habe Henry Cuers nicht ausge 
fragt, sondern an: Sprechen verhindert. 
Zeuge erzählt weiter, wie er allmählich die 
volle Ueberzeugung von Esterhazys Schuld 
bekam, wie er Boisdeffre und Gonse dies 
mitgetheilt und wie diese ihn ermahnt, an 
der Dreyfussache nicht zu rühren. Von die 
sem Augenblicke an habe der Zeitungsfeld 
zug gegen ihn begonnen, und allerlei Ma 
növer seien angestellt worden, die Ueber 
zeugung von der Schuld Dreyfus' zu ver 
stärken. Das erste Manöver sei die Uebcr- 
sendnng des gefälschten, „Weyler" unter 
zeichneten kompromittirenden Briefes an 
Dreyfus nach der Teufelsinsel. Dann seien 
die Artikel des „Eclair" gefolgt, worin die 
Phrase „Ce canaille de D." zu „Cet animal 
de Dreyfus" geworden sei. Er, Zeuge, 
habe in diesem Artikel genau die Mitthei 
lungen wiedergefunden, die du Paty ihm 
gemacht habe. Als Zeuge sich an General 
Gonse gewendet und denselben auf die Ver 
wirrung aufmerksam gemacht habe, die ent 
stehen werde, wenn die Familie Dreyfus 
selbst in der Dreyfussache vorgehen ivürde, 
habe General Gonse geantwortet: „Wenn 
Sie nichts sagen, wird niemand es wissen." 
Wenn auch General Gonse diese Worte ab 
leugne, so halte er, Picquart, dieselben doch 
mit absolutester Bestimmtheit aufrecht. Auf 
du Paty wieder zurückkommend, betont 
Zeuge, derselbe habe schwer gefehlt, aber er 
müsse zu seinen Gunsten sagen, daß ihm 
nicht bewiesen sei, daß man ihn nicht er- 
muthigt und aus seinen Handlungen Nutzen 
gezogen habe. Er, Zeuge, wisse genau, daß 
bei der Truppe bestimmte Befehle gegeben 
werden, in gewissen Bureaus fei dies aber 
anders. Es falle da nur ein Wort, ein 
Wink, und man verlange, daß der Offizier 
dies verstehe. Picquart ersucht nunmehr 
den Gerichtshof, ein mitgebrachtes Memo- 
randunl überreichen zu dürfen, das seine 
Rolle in der Affäre darstellt. Der Präsident 
gestattet dies. Alsdann tritt eine kurze 
Pause ein. Nach Wiederbeginn der Sitzung 
bespricht Picquart die Fälschung Henrys, 
die! zu der Zeit kam, als in der Kammer 
der Nationalist Castelin die Interpellation 
über die Dreyfusaffäre einbrachte. Weiter 
wird vom Zeugen die Publikation des Bor 
dereaus und seine Entsendung nach Tunis 
eingehend erörtert. Die Mission, die ihm 
dort übertragen gewesen sei, hätte ein ein 
facher Polizist auch ausführen können. 
Nachdem Picquart seine Aussagen beendet, 
verlangen Roget und Mercier, antworten 
zu dürfen. Ersterer erklärt eine Anzahl von 
Ergänzungen Picquarts sür unwahr, 
worauf Picquart ihn in bestimmtester Form 
widerlegt. Roget fährt heftig aus, während 
Picquart ruhig auf seinem Platze bleibt. 
Es findet noch eine kurze Konfrontation 
Mercier mit Picquart statt, woraus die 
Verhandlung auf morgen vertagt wird. 
Rennes, 18. Aug. Der ärztliche Be 
richt über das Befinden Laboris lautet: 
„Das Fieber hat abgenommen, doch dauern 
die Schmerzen fort. Im allgemeinen ist 
das Befinden befriedigend." Die Umgebung 
Laboris versichert, derselbe werde im Stande 
sein, am Dienstag den Verhandlungen wie 
der beizuwohnen. . v 
Aus Rennes melden die Morgenblät 
ter c Labori machte heute eine Promenade 
im Garten seines Gastfreundes Basch. 
Rennes, 18. Aug. Im Wirthshause 
von Dol in St. Malo erklärte ein Land 
streicher, der Attentäter zu sein und beharrte 
dabei in allen Vernehmungen. Das Sig 
nalement stimmt aber nicht. 
Rennes, 18. Aug. Die Besserung ini 
Befinden Laboris schreitet fort. — Der hier 
eingetroffene Advokat Mornard wohnte der 
t 
Pateràdsmrmth. 
Novelle von Lothar Brenkendorf. 
(Nachdruck verboten. 
Der schöne liebenswürdige Stiefbruder 
hatte ihm im eigentlichsten Sinne sein Leben 
verdorben, und Günther hiftie nicht ein 
Mensch mit menschlichem Empfinden sein 
müffen, wenn ihn nicht in dieser Nacht'ein 
lìcfer und unversöhnlicher Groll gegen den 
Abwesenden erfüllt hätte. Er hatte die 
Wahrheit gesprochen, als er sagte, paß der 
Verlust des Geldes an und şur sich wenig 
schmerzliches für ihn habe; aber die Gewiß 
heit, daß sein Vater um dieses verhätschelten 
^isblingssöhnchens willen nun ebenfalls zum 
Diebe geworden war, schnitt ihm wie mit 
scharfen Western in die Seele. 
Noch immer stand er auf seinem Platz am 
Fenster, als der junge Tag mit fahlem Grau 
über den Dächern heraufzudämmern begann. 
Mil einem schwerem Seufzer trat er endlich 
m das Zimmer zurück und kleidete sich 
langsam an, ben n er h^te au f feinem Lager 
ben erquickenden Schlummer doch nicht mehr 
gefunden, wrc schwer auch die Lider auf 
seine hemmenden Augen drückten, Noch lag 
die Riesenstadt in tiefem nächtigen Schweigen, 
als er, f er ^ l 9 3** w , Ausgehen gekleidet, einen 
vorsichtigen Blick in das Zimmer des Vaters 
warf. 
Gottfried Harmening schlief fest und ruhig. 
Unter dem grauen Schnurrbart war sogar 
^as wie ein heiteres Lächeln. Um Günthers 
Mundwinkel aber zuckte es bitter, als er sich 
beyutsam wieder zurückzog, um den Schlummer 
des alten Mannes nicht zu stören. 
Aus den Fußspitzen verließ er die Woh 
nung und begann wie am verflossenen Abend 
planlos in den Straßen umher zu wandern. 
Das Herz war ihm zum Sterben schwer und 
das Dasein dünkte ihn so öde und trübe, 
daß er cs bereitwillig hingegeben haben würve, 
wenn sich ihm die Möglichkeit geboten hätte, 
es für eine große Sache zu opfern. Er 
hatte das Weib, das er mit der ganzen 
Kraft eines starken Herzens geliebt, und den 
Vater, den er noch immer mit inniger Sohnes 
zärtlichkeit verehrt hatte, fast in der näm 
lichen Stunde verloren. Er kam sich selber 
tausendmal ärmer vor als der ärmste Bettler, 
und was ihm trotz dieser trostlosen Stim 
mung die Kraft gab, in das melancholische 
Einerlei seines Dienstes zurückzukehren, war 
einzig das Bewußtsein der Pflicht, sür den 
jenigen weiter zu leben, der ihn verrathen 
hatte. 
Mit schwerem Kopf und zerschlagenen 
Gliedern kam er am Nachmittag, als die 
Bureaustunden zu Ende waren, nach Hause. 
Auf der Treppe begegnete er dem kleinen 
Musiker in seinem mächtigen Filzhut und 
seinem genialischen Künstlermantel. Schon 
auf den ersten Blick verrieth sich ihm Fritz 
Heimerdiugcrs außergewöhnliche Erregung. 
„Wissen Sie es denn bereits, Harmening? 
— Haben Sie das Unmögliche vernommen? 
— Sie ist fort — auf immer — auf Nimmer 
wiederkehr ! Und oben bei uns sieht es aus, 
als ob sie die Sonne mit sich genommen 
hätte." 
Zwar hatte Günther gehofft, Erna noch 
einmal zu sehen; aber er wurde durch die 
Mittheilung des kleinen Verwachsenen nichts 
desto weniger kaum überrascht. 
„So ist Fräulein Wellhof schon abgereist?" 
fragte er nur, und seine Stimme klang ganz 
ruhig. „Ich war allerdings darauf gefaßt, 
denn sie hat mir gestern davon gesprochen." 
Fritz Heimerdinger sah ihn mit fast be 
leidigter Miene an. 
„Und das sagen Sie so gelassen, als 
handelte sich's um die gleichgültigste Sache 
von der Welt? — Ja, sind Sic ihr denn 
nicht ebenso gut gewesen wie wir?" 
„Ich glaube wohl, aber ich mache ihr 
trotzdem keinen Vorwurf daraus, daß sie 
gegangen ist. Sie ist ausgezogen, um das 
Glück zu suchen, und ich denke, sic hatte ein 
Recht dazu. Denn von uns Dreien wäre 
ja doch keiner im Stande gewesen, es ihr 
zu geben." 
Der Musiker fuhr sich mit der Hand über 
die Stirn und nickte. 
„Sie haben Recht, Harmening", sagte er. 
„Wir hätten es ihr nicht geben können. Sind 
wir doch selber nur die Stiefkinder des 
Glücks, und es bringt sicherlich nicht viel 
Gewinn, sich mit uns einzulassen. Aber — 
nehmen Sie mir's nicht übel, lieber Freund, 
musizieren kann ich heute nicht." 
Günther drückte ihm statt aller Antwort 
warm die Hand, und der kleine Verwachsene 
eilte so rasch davon, als mochte er den 
Anderen nicht gerne noch einmal sein Gesicht 
sehen lassen. 
Drinnen fand der junge Beamte alles 
leer. Sein Vater hatte einen Zettel auf 
dem Tische zurückgelassen, in welchem er bat, 
nicht mit dem Abendeffen auf ihn zu warten. 
Und cs war in der That fast Mitternacht, 
als Gottfried Harmening endlich heimkam. 
Sein Gesicht war stark geröthet, seine Augen 
hatten einen eigenthümlich glasigen, stieren 
Blick und sein Gang war unsicher, obwohl 
er sich mit aller Energie bemühte, die ge 
wohnte Straffheit zu erheucheln. 
Der sonst so nüchterne Mann hatte unver 
kennbar den Abend im Wirthshause zuge 
bracht, um nicht mit seinem Sohne allein zu 
bleiben. Mit schwerer Zunge stammelte er 
ein paar Worte von einem Wiedersehen alter 
Freunde, das bei einem Glase Wein hätte 
gefeiert werden müssen. Günther aber ge 
wann es nicht über sich, um ihm zu ant 
Worten, und zum ersten Male gingen sie 
ohne den gewohnten Gutenachtgruß ausein 
ander. 
HI. 
Seil einer halben Stunde war in dem 
prächtig ausgestatteten Gemache kein Wort 
mehr gesprochen worden. Das leise gleich 
mäßige Ticken der kostbaren Pendule, die 
vor dem hohen Spiegel auf dem Kaminfims 
stand, ließ die tiefe Stille nur noch deutlicher 
empfinden, und der stattliche schwarzbärtige 
Offizier, der lesend im Lichtkreis der roth 
umschleierten Säulenlampe saß, blickte jedes 
Mal sür einen Mckment von seinem Buche 
auf, wenn von dem kleinen Thectisch an der 
anderen Seite des Zimmers her ein schwach 
klirrendes Geräusch vernehmlich wurde. Ver 
stohlen zwar, doch mit unverkennbarem Wohl 
gefallen streiften seine lebhaften glänzenden 
Augen dann immer über das feine Köpfchen 
und die schlanke Gestalt des jungen Mädchens, 
welches dort mit unmuthiger Gewandtheit 
an dem silbernen Samowar hantirte, und 
es hatte zuweilen ganz den Anschein, als ob 
sie nur ungern wieder zu ihrer Lektüre 
zurückkehrten. 
Besonders verwunderlich wäre das kaum 
französischen Obersten Rens d'Harnoncour 
zubrachte, in wahrhaft überraschender Weise 
zu herrlichster Blüthe entwickelt. Obwohl 
sie auch jetzt nur ein einfaches dunkles Kleid 
trug, wie cs ihrer abhängigen Stellung als 
Erzieherin und Gesellschafterin entsprach, war 
doch etwas Stolzes und Gebietendes in ihrer 
Erscheinung, und cs wäre sicherlich Niemand 
in Versuchung gekommen, sie für eine ge 
wöhnliche Dienerin zu halten. 
Als sie eine der zierlichen Schalen gefüllt 
hatte, ging sie mit dem silbernen Servirbrett 
zu dem lesenden Offizier hinüber. Mit einigen 
artigen Dankesworten nahm er die Taffe, in 
welche er zuvor noch eine ansehnliche Menge 
Cognac geschüttet hatte, in Empfang. Aber er 
ließ Erna nicht sogleich zu ihrer Beschäftigung 
am Theetische zurückkehren, sondern hielt sie, 
auf das Titelblatt seines Buches deutend, durch 
eine Frage zurück. 
„Kennen Sie dies Werk, Fräulein Well 
hof? — Es wird in den Zeitungen sehr 
viel Aufhebens davon gemacht, und man 
sagt, daß es das beste Buch sei, welches 
bisher ein Franzose über Ihr Vaterland ge 
schrieben." 
„Ich habe es allerdings gelesen", erwiderte 
Erna in einer zugleich bescheidenen und 
sicheren Weise, „aber ich begreife nicht, wie 
man ihm ein solches Lob zu spenden ver 
mag. Es ist voll von Uebertreibungen und 
Unwahrheiten — mehr eine Schmähschrift 
als eine gerechte Kritik." 
Der Offizier sah der Sprechenden unver 
wandt ins Gesicht. 
„Nun, nun!" lächelte er. „Ihr Urtheil 
ist doch wohl etwas zu hart. Aber ich be 
greife denPatriotismus, der es Ihnen eingiebt. 
Oder waren es vielleicht nur des Verfasser^
	        
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