Gägttch evscheinenöes WLcrtt.
Meudsburger
(Außer an Sonn- und Festragen.)
Wochenblatt
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G2 ster Jahrgang.
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irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung
dieses Blattes Vorbehalten.
Dem Rendsburger Wochenblatt wird
„Der Landwirth"
(Zeitschrift für die politischen u. socialen Interessen
der Landwirthschaft) gratis beigegeben.
Wo. 185.
Donnerstag, den 10. August
1899.
Msrgen-Bsxichte.
Berlin, 8. Aug. Aus London wird
der „Voss. Ztg." ielegraphirt: Obwohl der
Kaiser der Einladung, die Königin von
England zu besuchen, folgen wird, ist der
Abreisetag noch nicht festgesetzt worden. Die
Ankunft des Kaisers m England hängt da
von ab, ob er die Königin vor ihrer Ab
reise nach Balmoral oder von ihrer Rück
kehr von dort besucht. In letzterem Falle
würde der Kaiser erst nach der Mitte des
November in Windsor eintreffen.
Berlin, 8. Aug. Nach einer der
„Boss. Ztg." aus London übermittelten
„Times"-Meldung aus Apia vom 18. Juli
richteten die Kommissare Drahtungen an
die Mächte, worin'sie die baldige Ernen
nung eines ständigen Oberrichters dringend
befürworten.
Berlin, 8. Aug. Der deutsche Bot
schafter in Paris, Graf Münster, ist in den
Fürstenstand erhoben worden.
Berlin, 8. Aug. Die Feier der Er
öffnung des Dortmund-Ems-Kanals be
ginnt am Freitag-Morgen neun Uhr. Auch
die Minister v. Miguel und Thielen sind
zu der Feier geladen, dieselben kehren von
Dortmund alsbald nach Berlin zurück.
D a r m st a d t, 8. Aug. Die „Frkf.
Ztg." meldet: Die Voruntersuchung gegen
den Landgerichtsdirektor Küchler sei ge
schlossen worden. Die Entscheidung liege
nunmehr beim Landgericht, ob das Haupt
verfahren eröffnet wird.
Greiz, 8. Aug. Durch eine Feuers
brunst wurden in Alt-GernSdorf
fünf große Bauernhöfe mit allen Neben
gebäuden eingeäschert. Das gesammte Vieh
ist in den Flammen umgekommen.
Thorn, 8. Aug. Ein Waldbrand ver
nichtete 200 Morgen Wald der Gemeinde
Swierczyn und Pfarrei Swierczynko. Der
Schaden beträgt circa 80 000 Mk.
H a m b u r g, 8. Aug. Aus Washing
ton wird der Korrespondenz Meyne-Ham-
bnrg Folgendes berichtet: Die Regierung
der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika
hat ihre Vertreter in Deutschland beauf
tragt, in den dortigen Hafenstädten, Ham
burg, Bremen usw. Erkundigungen darüber
einzuziehen, ob daselbst Panzerkriegsschiffe
und in welcher Anzahl erbaut werden; auch
will sie wissen, ob die Panzerplatten usw.
dazu ans in- oder ausländischen Fabriken
bezogen werden, auch ob der Bau dieser
Panzerschiffe Einfluß auf den Bau von
Kauffahrtei-Schiffen ausübt, ebenso ob und
wie viele Kauffahrtei-Dampfschiffe als
»Hilfskreuzer bezw. Kaperschiffe disponibel
sind. Wissenswerth ist der Regierung anch
zu erfahren, lote hoch sich die Löhne der
Schiffsingenieure, Maschinisten, Schiffs-
eisenarbeiter usw. stellen und ob Mangel
oder Ueberfluß an diesen Leuten vorhanden
ist. — Auf unsere Erkundigungen erfahren
wir noch, daß bereits an eine der ersten
Hamburger Schiffswerften eine diesbezüg
liche Anfrage gerichtet worden ist.
M a d r i d, 8. Aug. Der zwischen den
Katholiken und Freidenkern in Castillo aus
gebrochene Streit hat große Dimensionen
angenommen. Zwischen beiden Parteien
kam es zu Thätlichkeiten. Unter den Ver
wundeten befindet sich der Bürgermeister
von Selamonka. Die Aufregung unter der
Bevölkerung ist eine sehr große.
Budapest, 8. Aug. Baron Bausfy,
der ehemalige Ministerpräsident, forderte
den Forschungsreisenden Grafen Eugen
Zichy zum Duell. Letzterer soll ehrenrüh
rigc Behauptungen über Banffy verbreitet
haben.
B u k a r e st, 8. Aug. Der Dolmetscher
und Attachee der serbischen Gesandtschaft,
Swilkocsic, wurde wegen des Verdachtes,
mit dein Attentäter Knesevic in Verbindung
gestanden zu haben, seines Postens entho
ben. Swilkocsic leugnet jede Schuld.
B u k a r e st, 8. Äug. Wegen des großen
Nothstandes nehmen die Bauernunruhen
bedenkliche Dimensionen an. In der Nähe
von Belgrad wurden bei einem Rekontre
zwischen Bauern und Militär 20 Bauern
gctödtct, 16 schwer verwundet.
K o n st a n t i n o p e l, 8. Aug. Eine
Korespondenz meldet: In hiesigen türkischen
und diplomatischen Kreisen erhält sich mit
Hartnäckigkeit die Meldung von einer-
schweren Erkrankung des Schahs von Per
sien, nur lauten die Angaben über den Cha
rakter der Krankheit sehr verschieden. Wäh
rend Reisende, die aus Teheran eingetrof
fen sind, behaupten, der Schah habe ein
unheilbares Brustleiden, erklären nnberc
den Schah für geisteskrank.
Kopenhagen, 8. Aug. Heute Mor-
gen hat die große A r b e i t s s p e r r e
endlich ihren Abschluß gefunden, nachdem
beide Parteien die Nacht hindurch über eine
Uebereinkunft berathen hatten. Dein B. L.
A. ivird darüber Folgendes gemeldet: Die
Versammlung der Fachvereine, von 400 De-
legirten besucht, dauerte von 8 Uhr gestern
Abend bis 5 Uhr heute Morgen. Die Ver
handlungen ivaren sehr stürmisch. Schließ
lich ivnrdc ein. Vergleich mit 129 gegen
98 Stimmen angenommen, doch mit der
Hinzufügung, daß keine Regeln, die gegen
den Inhalt des Vergleiches streiten, an-
genommen werden dürfen. Ob der Streik
hiermit abgeschlossen ist, bleibt abzuwarten.
Der Dreyfuß-Prozetz.
Rennes, 8. Aug. Die Prüfung des
geheiinen Dossiers hat heute früh 61/2 Uhr
unter Ausschluß der Oesfentlichkeit ihren
Anfang genommen. Anwesend im
Sitzimgssaale waren die Richter, Dreyfus,
die Vertheidiger und der Regierungskom
missar. Als Dreyfus etwas nach 6 Uhr
zum Kriegsgericht geführt wurde, war wie
derum eine zahlreiche Menschenmenge vor
dem Lyceum versammelt, welche jedoch den
Angeklagten kaum zu sehen bekam, weil
Militär Spalier bildete. Mittags wurde
eine Pause gemacht. Dreyfus verließ hoch
aufgerichtet das Lyceum; Truppen hatten
wiederum Ausstellung genommen, um das
Publikum fern zu halten. Auch die Offi
ziere des Kriegsgerichtes verließen Mittags
12 Uhr das Gebäude. Es verlautet, bis
her habe die Durchsicht des geheimen Dos
siers nichts Nennenswerthes ergeben.
R e n n e s, 8. Aug. Zum gestrigen er
sten Verhandlungstage wird noch gemeldet,
daß Dreyfus nach Schluß der gestrigen
Sitzung eine Stunde der Ruhe pflegte, dann
arbeitete er, und später empfing er den Be
such seiner Frau. Ein großer Theil der
Zeugen hat sich in die nahen Seebäder
Saint Malo und Dinard begeben.
R e n n e s, 8. Aug. Die Thatsache, daß
der gestrige Beschluß des Kriegsge
richts über den Ausschluß der Oesfentlichkeit
nicht einstimiuig, sondern mit fünf gegen
zwei Stimmen gefaßt wurde, wird lebhaft
cvminentirt. Man will daraus schließen,
daß zwei Richter bereits für Dreyfus sind.
Heute ivurden in mehreren Hotels Con-
ventikel gehalten, au denen sich u. A. Mer-
cier, Boisdcffre, Cavaiguac und Gonse bc-
theiligten. Die Revisionisten beriethen mit
L.rarieuy. Es scheint, daß man versuchen
will, durch Ueberraschungen zu wirken.
R e u n e s, 8. Aug. Die Vertheidiger
Temange und Labori, desgleichen der An
geklagte Dreyfus sind von den Ergebnissen
der gestrigen Verhandlung sehr befriedigt.
Paris, 8. Aug. Hier sieht man in
dein Ergebniß des gestrigen Vcrhaudlungs-
tages den Beweis, daß der Prozeß Dreyfus
ehrlich und gründlich geführt wird. Eine
große Erregung ist hier nicht zu bemerken';
aber sie ist fraglos vorhanden und kann
bei jedem Anlaß losbrechen.
Paris, 8. Aug. Aus bester Quelle
verlautet, daß die Enthüllungen, welche
durch das Bekanntwerden des geheimen
Dossiers in Aussicht stehen, einen allgemei
nen Ausbruch des Abscheues und der
Schande Hervorrufen werden. Denn, an
statt daß man glauben könnte, das Dossier
bestünde aus wichtigen Staatsgeheimnissen,
wird man nur den Inhalt schmutziger
Briefe, welche von der Polizei dem ge
täuschten französischen Generalstab über
mittelt worden sind, zil erwarten haben.
Die Tochter des Grafen Münster soll be
sonders in diesen Briefen erwähnt sein, und
zwar in einer Weise, die einen allgemeinen
Abscheu Hervorrufen wird.
Ausland.
Serbien.
Belgrad, 8. August. Die Verhandlung
gegen die des Attentats Angeklagten wird
im großen Belgrader Gemeindesaale statt
finden. Wie verlautet, wird für den 19.
August eine außerordentliche Skupschtina-
Session nach Risch einberufen.
Rußland.
In Petersburg haben bei einem Diner
die Minister Graf Murawiew und
D e l c a f s ê Trinksprüche gewechselt, worin
sie das herzliche Verhältniß zwischen
Rußland und Frankreich in warmen
Worten priesen. Ueber die spezielle Be
deutung der jetzigen Mission Delcassês
läßt sich aber nichts Greifbares aus
diesem Austausch von Höflichkeiten heraus
lesen; die Aeußerungen der Minister
tragen vielmehr durchweg den Charakter
diplomatischer Zurückhaltung. Wie man
aus jPetersburg Ielegraphirt, brachte
Graf Murawiew folgenden Trinkspr uch
aus: „Meine Herren! Indem ich meinen
theuren französischen Collegen willkommen
heiße, erhebe ich mein Glas, trinke auf
ein Wohl und spreche unserem liebens
würdigen Gaste meinen Dank dafür
aus, daß er durch die Schnelligkeit
seiner Reise abermals bewiesen hat, in
welchem Maße die Bande, welche Frank
reich so eng mit Rußland verknüpfen,
Paris und Petersburg einander näher
gebracht haben!" Delcasss erwiderte:
„Meine Herren! Ich bin lief bewegt von
dem Empfange, welchen man dem fran
zösischen 'Minister des Acußeren hier be
reitet hat und indem ich mich glücklich
schätze, nach Jhneu, Herr Graf, zu kon-
statiren, daß die zum gemeinsamen Wohl
unserer beiden Länder geknüpften Bande
noch innigere geworden sind und sich auch
in Zukunft nur noch vielseitiger gestalten
können, bitte ich um die Erlaubniß, Ihr
Wohl trinken und die Ueberzeugung aus
sprechen zu dürfen, daß durch den häufigen
Austausch freundschaftlicher Besuche die
Entfernung zwischen Petersburg und
Paris eine immer geringere werden möge."
Dem Minister Delcasss wurden vom Kaiser
von Rußland die Insignien des Alexander.
Newsky-Ordens in Diamanten verliehen.
Ein gewisser L oput reiste von Warschau
nach Buenos-Aires, häufig drei bis vier
mal im Jahre, und jedesmal war es ihm
gelungen, eine Blüthe der Unschuld, eine
kaum halbreife Jungfrau, der Schande
und dem Laster zu überantworten. In
Warschau lebte ein Cigaretten - Arbeiter
mit seiner Frau und seiner bildhübschen
16-jährigen Tochter Pauline. Das Un
glück verfolgte den Mann und eines
Tages ließ er sich von Loput, der ihm
freundschaftlich 150 Rubel vorstreckte,
überreden, den vaterländischen Staub von
den Füßen zu schütteln und nach London
überzusiedeln. Loput verkehrte im Hause
des Arbeiters weiter. Eines Tages
zeigte er der Familie einen Brief, worin
sie der Vater aufforderte, nachzukommen,
da es ihm gut gehe. Großmüthig erbot
sich der Mann, alle Reisekosten auf sich
zu nehmen und die Frauen zu begleiten.
Statt über Hamburg wählte er aber den
Weg über Genua, wo er sich, im Ein-
Verständniß mit dem Kapitän, mit den
Frauen nach Buenos-Aires einschiffte.
In Rio de Janeiro bewog Loput die
Frau des Arbeiters, an Land zu gehen,
da sie dort eine Bekannte aus Warschau
treffen würde. Inzwischen entfernte er
sich unter einem Vorwände und mit dem
Versprechen, sofort zurückzukehren. Er
begab sich wieder an Bord zu der zurück
gebliebenen Tochter, die er nach Buenos-
Aires entführte, wo er sie für 230 Lstrl. (I)
an ein öffentliches Haus ver
schacherte. Die Mutter wandte sich
inzwischen an den russischen Konsul in
Rio de Janeiro und dieser gewährte ihr
seinen Beistand und lieh ihr das Geld,
damit sie ihrem Kinde nachreisen konnte.
Da die Frau sich energisch und geschickt
benahm, gelang es ihr, die organisirte
Bande von Händlern und Händlerinnen,
die sie in Buenos-Aires fand, zu ver-
Roman von E. v. Linden.
8-Nc,chdruik verboten.— Uebcrseşnngêrecht vorbehalten.)
16. Kapitel.
Die beste Lösung.
John Alling haue feines Onkels Pferd
in der That nicht geschont, da es ihm daran
liegen mußte, Ebba Regina noch vor dem
Schlafengehen zu sprechen. Er wußte, daß
Melwig noch nicht daheim sein konnte, und
dieser Gedanke beruhigte ihn, weil er den
Wucherer zu gut kannte, um nicht überzeugt
zu se:n, daß er, angesichts seiner vernichteten
Aussichten, keinen Werth mehr für ihn hatte.
Nur als anerkannter. Neffe des in Adcls-
kreisen hoch angesehenen reichen BaronS und
Erbe von Altinghof konnte er für Melwig
als Gemahl seiner Nichte in Frage komnien.
Was sollte diesem der jüngere Sohn des
amerikanischen Abenteurers, der in jenen
exclusiven Kreisen jetzt trotz seines Namens
als unberechtigter Eindringling, als Be
trüger gebrandmarkt wurde. Konnte er es
leugnen, sich unter seines Bruders Namen,
entgegen der ausdrücklichen Bestimmung seines
Vaters, bei dem Oheim eingeschlichen zu
haben? — Was hatte er also jetzt der
stolzen Ebba Regina zu bieten? — Nicht
einmal ein Vermögen, sondern nur einen
entehrten Namen.
Bon Wuth und Angst bis zur Raserei
getrieben, spornte und peitschte er sein Pferd,
bis dieses, die Stimmung feines Reiters
theilend, mit ihm durchging und blindlings
m den Lindenhagener Grenzleich hineinsetzte.
Diese Abkühlung schien nur den Reiter zur
Vernunft zu bringen, denn als das Pferd
das Ufer schwimmend erreicht harte, bäumte
«
cs sich wild empor und schleuderte seinen
Peiniger aus dem Sattel.
Der Mond warf sein fahles Licht auf
John Alting, der lang hingestreckt im Grase
lag, das gespenstisch blasse Gesicht mit den
geschlossenen Augen zum Himmel gerichtet.
Wie lange er hier gelegen halte, konnte
vielleicht nur Joe Catton ungefähr beurtheilen,
der raschen Schrittes daher kam und von
jähem Schreck erfaßt wurde, als sein ge
wohnheitsmäßig umherschweifender Blick auf
die Gestalt im Grase fiel.
Als er John Alting erkannte, stand er
erjt starr und wie von Entsetzen gelähmt.
Bei ihm niederknieend, wußte er sofort, wie
dies hatte geschehen können.
„Ist ihm mal wieder die Wuth mit der
Vernunft durchgegangen", murmelte er, „hat
natürlich den Gaul gemißhandelt, bis er ihn
auf den Boden gelegt hat. Ist Dir ganz
recht geschehen, old boy, gönn' Dir den
Denkzettel. Verdammt, er ist ja ganz durch
weicht, wird also blindlings in den Teich
gejagt sein. Ja, John Alting, dies Wasser
ist etwas breit, um hinüber zu setzen, aber
dumm ist dce Geschichte auch für mick, mein
Sir!"
Er erhob sich, wuchte sein Taschentuch
in'ö Wasser, um ihn durch die kalic Waschung
zu beleben, und suchte ihm dann, als dies
wirkungslos blieb, etwas Cognac, den Joe
Cation stets zur Stärkung mit sich führte,
einzuflößen. Es war vergebliche Mühe, hier
konnte wohl nur ärztlicher Beistand nützen.
Ohne weitere Zeitvcrschwendung machte er
sich auf den Weg nach dem Lindenhagener
Herrenhause, das er durch den Wald, der
zum Gute gehörte, in einer halben Stunde
erreichte.
Wider Erwartung brannte in einigen
Zimmern noch Licht, wenn auch das Hans
bereits vcrschloffen und die Mehrzahl des
Gesindes längst zur Ruhe gegangen war.
Ob die Lady Ihren Geliebten wohl noch
erwartet hatte?" fragte sich Joe Catton.
nun, dann mußte sic jetzt mir ihm fürlieb
nehnien. Joe grinste bei diesem absonder
lichen Gedanken.
Ohne Weiteres klopfte er mit kräftigen
Schlägen an die Thür, was er zweimal
wiederholen mußte, bis eins der erleuchteten
Fenster im ersten Stock geöffnet wurde.
„Wer ist da, rief eine weibliche Stimme,
„Du bist es doch nicht schon, Onkel?"
„Nein, meine gnädige Lady, ich bin cS
nur, Joe Catton —"
„Wie könnt Ihr Euch unterstehen, hier
solchen Lärm zu machen, unverschämter
Mensch?"
„Mein Herr liegt draußen am Grenzteich,
das Pferd wird ih» abgeworfen haben, er
ist bewußtlos —
„Bon wem sprecht Ihr?"
„Vom jungen Herrn von Alting, er wollte
noch hierher, meine Lady!"
Das Fenster wurde zugeschlagen. Joe
hörte, wie drinnen heftig die Glocke ge
zogen wurde. Nach kaum zwei Minuten
stand er vor Ebba Regina, der er einen
kurzen Bericht abstattete, während sie kalt
und ruhig dem Diener und einer Dienst-
magd ihre Befehle ertheilte.
In kurzer Zeit standen mehrere Knechte be
reit, den Verunglückten aus einer mit Decken
und Kissen belegten Bahre herzubringen. Joe
Catton mußte den Zug begleiten und der
Diener mit einem Telegramm nach der
Station fahren, um den Arzi aus dem
nahen Flecken herzubeordern und ihn dort
mit dem Wagen zu erwarten.
Wo Ebba Regina befahl, da ging Alles
wie am Schnürchen. Als man John Alting,
der noch immer kein Lebenszeichen von sich
gab, in's Herrenhaus trug, hatte die junge
Dame ihn an der Schwelle empfangen, ohne
ber seinem Anblick mit den Wimpern zu
zucken.
„Eine ganze Lady!" dachte Joe Catton,
von aufrichtiger Bewunderung erfüllt, „die
paßt für John Alting, als wäre sie eigens
für ihn geschaffen worden. Na, die wird
Dich schon herauskuriren und Dir die
fehlende Vernunft beibringen, olä boy!"
Ebba Regina stand vor dem Bett, auf
das der Verunglückte hingestreckt worden
war, und betrachtete ihn aufmerksam, wobei
ihre Gedanken kein Haar breit von ihrer
logischen Bahn abwichen. Eine hell brennende
Lampe warf ihr Licht auf das weiße, unbe
wegliche Gesicht des jungen Mannes, das
jetzt eine klassische Schönheit befaß, welche
durch die wild flackernden Augen nicht mehr
beeinträchtigt wurde.
„Du mußt noch ganz anders werden,
Hans Joachim", sprach fie halblaut, „die
Wildheit hat Dich in den Sand gestreckt,
Dich, den Unbesiegbaren!"
Plötzlich schien fie von einem Gedanken
erschreckt zu werden. Das Duell! — Wie
würde sich der adelige Gegner freuen, so
leichten Kaufs davon zu kommen und ihn
vielleicht gar hinterrücks der Feigheit be
zichtigen. — Nein, das ging nicht an, er
war ficherlich nur zu hart aufgeschlagen und
davon bewußtlos geworden. Brauchte sie
unthätig zu bleiben? — Sic besaß ja genug
belebende Effenzcn, um die Ohnmacht zu
bannen.
Ebba Regina machte sich energisch an's
Werk, aber auch ihre Effenzcn halfen so
wenig, wie Joe Catton's Cognac.
War er verwundet? — Sie hob sein
Haupt und konnte einen leisen Schmerzens
schrei nicht unterdrücken. Ja, dieses Willens
stärke Weib, das dem Gefühle niemals eine
Macht über sich eingeräumt, bebte wie im
Fieber und mußte sich Gewalt anthun, um
das Haupt des Mannes wieder sanft nieder
sinken zu kaffen. Sie hatte eine Wunde
gesehen, so schrecklich, so grauenhaft, daß
Thränen ihren Blick verdunkelten, Thränen,
die ungehindert ihre Wangen netzten, und die
fie bei Andern stets verspottet und verlacht
hatte.
Liebte fie ihn jetzt erst, den schönen Alting,
nun er so bleich und still vor ihr lag? —
Es schien so; wer kann ein Frauenherz er
gründen? — Der furchtbare Gedanke, daß
er ihr durch den Tod entriffen werde könnte,
durchzuckte ihr Herz wie ein elektrischer Schlag,
wie die Empfindung körperlicher Schmerzen.
Die stolze Ebba Regina sank auf die
Kniee und bedeckte seine schlaff herabhängende
Hand mit Küffcn.
„Du darfst nicht sterben, mein Geliebter",
schluchzte fie faffungslos, als hätte plötzlich
eine fremde Macht über sie Gewalt erhalten.
„Ich liebe Dich, Hans Joachim, und wärest
Du kein Alting, sondern ein namenloser
abenteuerlicher Betrüger, ich würde Dich auch
dann noch lieben."
Der wilde John hörte diese Worte nicht,
die^ ihn sonst wohl in einen Glücksrausch
versetzt hätten. Ebba Regina erhob sich aber
müde, als ob eine Last auf ihr läge, und