Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 2)

mittelbare Folge würde eine Desorganisation 
der Industrie sein, die sich um so stärker 
fühlbar machen würde, je weniger die Arbeiter 
klasse schon über eigene wirthschaftliche Institute 
verfügte. Hier kommt ein psychischer Moment 
mit in Betracht, über dessen Bedeutung sich der 
wesentlich technologische Materialismus niemals 
genauer Rechenschaft abgelegt hat: der Unterschied 
zwischen der Disziplin im kapitalistischen und im 
genossenschaftlichen Unternehmen — ein Unter 
schied, der um so größer sein muß, je jäher der 
Uebergang ist und je mehr er in eine Zeit all 
gemeiner Aufregung fällt. Alle die Ehrentitel, 
mit denen mich die Staatsanwälte des 
Sozialrevolutionarismus bedenken, 
werden mich nicht abhalten, dies offen heraus 
auszusprechen." 
Der Mann hat Recht, wer will es 
leugnen? 
Vierzig Frühstückaustragesrauen und 
zwei Jnngen erschienen vor dem Berliner 
Gewerbegericht als Kläger gegen die in 
Konkurs gerathene „Berliner Frühstücks 
lieferungsgesellschaft", Schützen 
straße, von der sie zum Theil für mehrere 
Monate Lohn zu beanspruchen hatten. 
Sie mußten ohne Geld das Gericht wieder 
verlassen; vie Firma wurde wohl verur- 
theilt, doch den Lohn werden die Kläger 
nicht erhalten, da Aktiva nicht vorhanden 
sind. Die Beklagte war jene Firma, die 
ihren Kunden jede verlangte Zeitung 
umsonst als Zugabe zum Frühstück 
liefer te?! 
Ludwigshafen, 5. In Jmkerkreisen der 
Pfalz ist gegenwärtig eine Petition an 
den deutschen Reichstag in Umlauf, in der 
um Erlassung eines Gesetzes gegen die 
immer mehr überhand nehmende Ver 
fälschung von Honig geben wird 
Die Liste findet eine sehr große Zahl von 
Unterschrifteu 
Eine n a ch t r ä gl i ch eP rämiirun g 
durch den Kaiser ist dem Sängerchor des 
Turnverein zu Offenbach jetzt zu Theil 
geworden. Dieser Verein ist durch ein 
ungünstiges Geschick bei dem ersten deutschen 
Männergesangswettstreit zu 
Kassel um einen ihm sicher in Aussicht 
stehenden Ehrenpreis gekommen. Da die 
Leistungen des Chores aber den vollen 
Beifall des Kaisers fanden, so hat der 
Monarch ihn jetzt durch Verleihung einer 
großen silbernen Medaille mit seinem 
Bildnisse und einer entsprchenden Widmung 
geehrt. 
Aus Freiberg (Sachsen), 4. Aug., wird 
geschrieben: Beim Rübenhacken auf der 
Krummenhennersdorfer Rittergutsflur wur 
de ein alter, aber tadellos erhaltener 
Siegelring mit dem Wappen der Familie 
v. Hartlitzsch und den Initialen M v. H. 
gesunden. Da das Rittergut ehemals in 
den Händen dieser Familie gewesen ist 
und ein Moritz v. Hartlitzsch es von 
1648—1688 besessen hat, so mag der 
Ring nahezu 250 Jahre im Schoße der 
Erde gelegen haben. 
Dresden, 6. Aug. Das zu demCy- 
clus „Die Befreiten" gehörige Schauspiel 
„Abschied vom Regiment" von 
Otto Erich Hartleben ist, wie nachträglich 
bekannt wird, polizeilich verboten worden. 
Auffällig ist, daß das Stück in Berlin und 
anderen Städten anstandslos gegeben wer 
den durfte, hier aber das Verbot erfolgte, 
weil man in dem Schauspiel eine „Herab 
würdigung des militärischen Standes" zu 
sehen glaubte. 
Löbtau, 6. Aug. Die Typhus- 
epidemie ist nach dem Gutachten des 
Königlichen Medizinalrathes Dr. Hesse im 
langsamen Zurückgehen begriffen. Amtlich 
wurde gestern nur noch drei neue typhus 
ähnliche Erkrankungeir angemeldet. Dage 
gen tritt jetzt die Epidemie in dem nahe 
liegenden Wölfnitz auf. Auch hier bezeich 
net mag als Ursache die verseuchte Wasser 
leitung. Die Absperrung derselben ist be 
reits angeordnet worden. 
Hannover, 6. Aug. Ein neuer Spieler 
prozeß steht hier in Aussicht. Gegen den 
Inhaber eines der größten Weinrestaurants 
daselbst ist eine Untersuchung wegen ge- 
werbsmäßigen Glückspiels und Kuppelei 
eingeleitet. Die Anzeige wurde von einem 
entlassenen Bediensteten des Wirthes er 
stattet. Dreizehn Zeugen sind bereits ge 
nannt. In dem Lokale verkehrten zahl 
reiche Offiziere und Angehörige der Geld 
aristokratie. 
le. Bremen, 4. August. Von einem 
traurigen Mißgeschick heimgesucht ist 
hier eine am Doverthor wohnhafte Familie. 
Der zwanzigjährige Sohn dieser Familie 
war früher in einer Nervenheilanstalt 
untergebracht, weil er von dem Wahn be 
fallen war, einen Vogel hinten im 
Nacken sitzen zu haben. Da der 
junge Mann auch größeren Lärm ver 
ursachte, so kamen die Aerzte schließlich 
auf einen genialen Einsall. Sie brachten 
dem eingebildeten Kranken eine Schnitt 
wunde im Nacken bei und badeten in dem 
Blute einen eingefangenen Vogel, den sie 
dann dem Kranken zeigten. ' Zusehends 
besserte sich nun der Zustand des jungen 
Mannes, der nach einiger Zeit als ge 
heilt entlassen werden konnte. Volle zwei 
Jahre lebte er nun als ruhiger, nüchterner 
Mensch bei seinen Angehörigen Als 
aber am letzten Mittwoch - Abend in 
fröhlicher Gesellschaft dem jungen Mann 
der wahre Sachverhalt der Operation 
mitgetheilt wurde, verfiel er wieder in 
seinen früheren Wahn und am Donners 
tag. Vormittag mußte der Jüngling 
wiederum einer Nervenheilanstal t 
übergeben werden. 
Io. Eine Schreckensscene ereignete sich 
gestern Nachmittag in der Elbmündung 
an Bord der in Westrhauderfehn behei- 
matheten ostfriesischen Tjalk „Margretha", 
Schiffer Park, die Mittags Cuxhaven ver- 
lassen halte, um nach Norden zu segeln. 
Der Schiffer jagte nämlich mit einem 
großen Messer hinter seinem Bestmann 
her, fluchte, drohte und schimpfte unauf 
hörlich. Auf die verzweifelten Hülferufe 
des arg bedrängten Mannes eilte der 
Schleppdampfer „Auguste", der sich gerade 
in der Nähe befand, längsseit der Tjalk, 
woraus der bedrängte Knecht sich schleunigst 
an Bord der „Auguste" rettete. Der 
Schiffer Park wollte ihm nacheilen, wurde 
aber durch die Mannschaft des Schlepp- 
dampsers auf seine Tjalk zurückgebracht. 
Er soll vollständig betrunken gewesen sein 
und noch fortwährend gedroht haben, daß 
er den Knecht über Bord werfen und er- 
tränken wolle. Der Knecht wurde in 
Cuxhaven gelandet, während die Tjalk in 
See trieb. Der Schiffer Park hatte sich, 
wie die Mannschaft der „Auguste" noch 
sehen konnte, auf die Kajüte seiner Tjalk 
hingestreckt, indem er das Fahrzeug sich 
elbst überließ. Was aus der „Margretha" 
geworden ist, konnte bisher nicht festgestellt 
werden. Zweifellos wird der Schiffer bei 
Anbruch der Dunkelheit seinen Rausch 
wohl ausgeschlafen haben. 
Provinzielles. 
Aus der Provinz, 6. Aug. Bon 
einem Lehrer wird den „Flensb. Nachr." 
geschrieben: Der zweite sog. Prügelerlaß 
— schön ist das Wort gerade nicht, aber es 
ist üblich geworden —' hat die Presse der 
linksstehenden Parteien, wie es scheint, hef 
tig erregt. Am liebsten hätte man wohl ge 
sehen, wenn die Erläuterung zu. einem Ver 
bot der körperlichen Züchtigung geworden 
wäre. Nun ärgert man sich, daß der Mi 
nister tit wesentlichen Stücken die Maiver 
fügung abgeschwächt und „gerathen hat, wo 
er hätte befehlen können". Der Lehrerstand 
wird von derselben Seite einer mittelal 
terlichen Barbarei geziehen, weil er den 
Stock in der Schule nicht glaubt entbehren 
zu können. Es wird hingewiesen darauf, 
daß gerade tüchtige Lehrer den Stock selten 
gebrauchen. Nun ja, es mag das so richtig 
sein, wenngleich wie auch tüchtige Lehrer 
fleißig, und untüchtige gar nicht den Stock 
gebrauchen. Aber es gehört doch wohl ein 
Maß von Tüchtigkeit dazu, welches man 
von jedem Lehrer nicht verlangen kann, al 
lein durch die Macht seiner Persönlichkeit 
und durch seinen Unterricht 40 bis 80 ver 
schieden geartete und verschieden beanlagte 
Kinder so zu leiten, daß sie nie körperlich 
gezüchtigt werden müssen. Es giebt auch 
Beamte, die sich niemals auch nur einen 
Pfennig bei der Verwaltung der ihnen an 
vertrauten Kasse verrechnen, Beamte, die 
niemals bei einer Revision irgend eine Aus 
stellung bekommen, aber sie sind die leuch 
tenden Vorbilder und werden als solche be 
nutzt, alle erreichen das Ziel nicht. Wenn 
nun aber weiter behauptet wird, daß die 
Lehrer sich dagegen meïjren, nur bei ern 
sten Vergehen strafen dürfen, so ist das un 
wahr. Der Lehrer tvill -aber selber das 
Strafrecht haben, es ist nicht erst von Fall 
zu Fall bei seinem nächsten Vorgesetzten, zu 
erbitten. Er fürchtet, daß sonst sein 
Ansehen bei den Schülern leiden könnte und 
ohne dieses kommt nach seiner ganzen amt 
lichen Thätigkeit nichts. Ob Strafe am 
Platze ist, entscheidet der nächstbetheiligte 
Lehrer doch besser als der Rektor 
oder Inspektor, der das Kind und sein Ver 
gehen gar nicht so genau kennt, als der 
Klassenlehrer. Auch sind die meisten Pä 
dagogen der Meinung, daß eine Strafe auf 
frischer That ganz anders wirkt, als eine 
nach Schluß der Stunde ausgetheilte. Man 
weist nun gern auf die Soldaten und die 
Hochschulen hin, bei denen es keine oder 
nur wenig körperliche Züchtigungen giebt 
und meint) was bei ihnen ginge, müßte 
doch auch in der Volksschule gehen. Die 
militärischen Vorgesetzten verfügen aber 
über ein ganzes Strafregister, welches den 
Volksschullehrern nicht zur Verfügung steht, 
und der Soldat hat in der Schule und im 
Leben doch schon mehr gelernt, was gehor 
chen ist, wie des Volksschnllehrers Zöglinge. 
Der Hochschüler aber kann von der Schule 
entlassen werden, wenn er nicht Ordre pa- 
riren will, während in der Volksschule auch 
die bockbeinigsten Schüler geduldet werden 
müssen. Im übrigen wollen wir Lehrer 
gern auf den Stock verzichten, können es 
aber nicht, so lange die Herren Eltern uns 
nicht lauter wohlerzogene Kinder zuführen. 
Aber unsere häusliche Erziehung krankt im 
Allgemeinen daran, daß die Kinder nicht 
das Gehorchen lernen. Und das ist, leider 
Gottes, nicht nur bei den Proletarierkindern 
so, deren Eltern des Broterwerbs halber 
den ganzen Tag außer dem Hause sind und 
'ich um ihre Kinder und deren Erziehung 
nicht genug kümmern können, auch die Kin 
der besser gestellter Eltern bekommen zu 
viel ihren Willen. Die Eltern wollen „gut 
bei ihren Kindern sein" und vergessen, daß 
tie das am besten können, wenn sie sie 
an G e h o r s a m gewöhnen. Soll der 
Stock aus der Schule hinaus, so kann das 
der Lehrer nicht und so können das seine 
Behörden nicht machen, es sei denn, daß 
man alles gehen läßt, wie es eben gehen 
will, aber die Eltern können durch eine bes 
sere Kindererziehung den Stock entbehrlich 
machen. Nun giebt es natürlich unter uns 
Lehrern — wir sind auch keine Engel und 
leugnen gar nicht, daß räudige Schafe un 
ter uns sind — Leute, die den Stock im 
Uebermaß anwenden, auch w-o -es nicht nö 
thig ist. Wenn diesen das Züchtigungs 
recht beschnitten und unter Umständen ganz 
genommen wird, so haben wir nichts da 
gegen. ^ Aber im Allgemeinen sind wir 
noch nicht so weit, daß wir den Stock aus 
der Schule verbannen können. 
JMş Jahre 1897 wurden in Schleswig 
Holstein 187 Konkursverfahren' eröffnet 
und 22 Anträge aus Konkurseröffnung 
wegen Nichtvorhandenseins einer den Kosten 
des Verfahrens entsprechenden Konkurs 
masse abgewiesen. Beendet wurden im 
genannten Jahre 210 Konkursverfahren. 
Die Summe der bei diesen betheiligten 
bevorrechtigten Konkursforderungen betrug 
75,800 Mk., die der nicht bevorrechtigten 
4,962,400 Mk. Bon diesen letzteren fielen 
4,161,100 Mk aus. 
Eine unsinnige Wette ging in Altona 
ein Arbeiter in einer Gastwirthschaft der 
Kleinen Freiheit ein. Derselbe machte 
sich anheischig, 6 Pferdebeefsteacks, jedes 
ein Viertelpfund schwer, dazu 12 Eier, 
6 Glas Bier und 6 Schnäpse zu vertilgen. 
Bis zum vierten Beefsteak mit den nöthigen 
Beigaben kam der Mann, dann brach er 
bewußtlos zusammen und mußte in's 
Krankenhaus gebracht werden, wo er 
gegenwärtig mit dem Tode kämpft. 
Segeberg, 5. Aug. Es ist schon des 
Oesteren berichtet, welche Wirkung die 
zwangsweise Umpfarrung der 
benachbarten Gemeinde Sieve rshüt- 
t e n vom Sülfelder Kirchspiel in das neu 
gebildete Kirchspiel Todesselde aus die 
Gemeindeangehörigen gezeitigt Hai Unsere 
Leser werden sich erinnern, daß als vor 
ernem halben Jahre die Kirchensteuer zu 
entrichten war, die ganze Gemeinde wie 
Ein Mann sich pfänden ließ! 
Ja, ein nicht unbedeutender Theil trat 
sogar aus der Landeskirche aus! Nun 
stehen aufs Neue die Eingesessenen von 
Sievershütten vor der Entrichtung der 
Kirchensteuer. Schon wollte man es, wie 
die Stimmung in einer all hoc Berufenen 
Versammlung deutlich erkennen ließ, aufs 
Neue zur Pfändung kommen lassen, doch 
gelang es dem Einfluß einzelner angese- 
Heuer Gemeindemitglieder, ihre „Kollegen" 
zu bestimmen, zwar zu zahlen, aber hier- 
bei ausdrücklich den Protest zu erheben, 
daß aus dieser Zahlung unter keinen Um- 
ständen auf einen Umschwung der bis 
herigen Stimmung bezüglich der Neuord- 
uung der kirchlichen Zustände geschlossen 
werden dürfe. Die kirchliche Behörde 
habe vor der Zahîungêleistung den Ein- 
gang des Protestes ausdrücklich schriftlich 
bestätigen müssen. Es scheint jetzt doch, 
als ob die vom Kultusministerium einge 
leiteten Unterhandlungen in ruhigere Bah- 
nen eingelenkt seien und damit einen 
beide Parteien befriedigenden, aus nahe- 
liegenden Gründen dringend zu wünschen- 
den Abschluß gewährleisten. (S. N) 
£ Nordschleswig, 6 Aug. Einen 
Haupterwerbszweig mit bildet für den 
Landmann in hiesiger Gegend z. Z. die 
Ferkelzucht und das Mästen von Schweinen. 
Während für vierwöchentliche Ferkel fast 
das ganze Jahr hindurch ein Durchschnitts 
preis von 12—15 Mk. gezahlt wurde, 
gingen die Preise für Mastschweine zu 
Ansang des Sommers von ca. 40 Mk. 
auf reichlich 30 Mk. pro 100 Pfund 
Lebendgewicht herunter. Erfreulich für 
den Landmann ist es, daß die Preise für 
entdeckt zu werden. Sich rasch aus dem 
Sattel schwingend, zog er sein Pferd seit 
wärts eine Strecke in den Wald zurück, be 
festigte den Zügel um einen jungen Baum 
und schlich dann geräuschlos auf dem moos 
bedeckten Boden wieder vorsichtig bis an 
den Weg heran, wo er sich hinter einen 
dicken Baumstamm verbarg. — Der Wagen 
war mittlerweile langsam näher gekommen. 
John Alting erkannte den Förster, welcher 
utschirte, den Herrensitz nahmen zwei männ 
liche Gestalten ein, die er nicht zu erkennen 
vermochte. 
„Wollen wir uns nicht lieber zu Fuß 
nach Ihrem Hause begeben?" fragte eine 
Stimme, die ihm bekannt vorkam. 
„Weshalb, Herr Notar?" crwidertcErichşen, 
„Sic würden dann ja im Dunklen tappen 
müssen und könnten sich leicht die Köpfe an 
den Bäumen einrennen. Meinen Sie nicht 
auch, Herr Romberg?" 
„Darin muß ich dem Förster Recht geben", 
bemerkte eine Stimme, deren Klang dem 
Lauscher durch Mark und Bein fuhr. War's 
ihm doch, als höre er die Stimme seines 
verstorbenen Vaters. 
Das war der Mann, der ihm die reiche 
Zukunft rauben und ihn — John Alting 
— zum Betrüger stempeln wollte. Hüll' 
und Tod! — Er wühlte in den Taschen, 
warum mußte er nur heute ohne Waffe sein, 
da er sonst doch nie ohne seinen geladenen 
Revolver das Haus verließ. 
Der Stiefbruder mochte sich bei dem Zu 
fall bedanken, der ihm das Leben gerettet 
hatte! 
Fast eine Viertelstunde lang stand der 
unselige Mann regungslos an den Eichbaum 
gelehnt, den stieren Blick in's Dunkel ge- 
Mastschweine in letzterer Zeit wiederum 
um 5 Mk. reichlich 100 Pfund Lebend- 
gewicht gestiegen sind. Wenn ein Vergleich 
gezogen wird zwischen den hiesigen Preisen 
und den jenseits der Grenze gezahlten, 
in Dänemark kosten nämlich Mastschweine 
22 27 Mk. pro 100 Pfund Lebendgewicht, 
auf Hornvieh beträgt der Preisunterschied 
zwischen hier und dort 30—40 Thaler 
pro Stück, dann kann man es kaum be 
greifen, weshalb so mancher nordschles- 
wigsche Landmann ein Verlangen darnach 
hat, wieder unter dänisches Regiment zu 
kommen. Für den Landmann handelt es 
sich zweifelsohne doch nur darum, zunächst 
sein gutes Auskommen zu haben und das 
hat er jedenfalls hier leichter, denn in 
Dänemark. 
Auf Fehmarn kommen jetzt täglich die 
fremden Erntearbeiter in großen Scharen 
an, Leute aus allen Theilen unseres 
deutschen Vaterlandes; und zwar nicht 
blos Arbeiter von Beruf, sondern auch 
viele verfehlte Existenzen aus allen andern 
Kreisen der Bevölkerung, theilweise vaga- 
bondirendes Gesindel, das man lieber gehen 
als kommen sieht. Die Fehmarnschen 
Bauern sind aber auf diese Leute ange 
wiesen, denn ansässige Ardeiter giebt es 
dort nur wenige. Doch bevor diese Ar 
beiter nach der Insel kommen, und dieses 
geschieht kurz vor der Ernte, klopfen sie 
die an der Landstraße nach Fehmarn lie 
genden Dörfer durch Betteln ab und 
werden dadurch oftmals recht lästig. Die 
meisten verlassen die Insel ebenso mittel, 
los, wie sie gekommen sind, da der sauer 
verdiente, aber reichliche Erntelohn vor 
der Abreise in Schnaps und Bier umge 
setzt wird. 
© Westerland a. Sylt, 5. Aug. Die 
hiesige Rettungsmannschaft des Vereins 
zur Rettung Schiffbrüchiger hatte heute 
Nachmittag ein Raketen-Uebungsschießen, 
wobei dem zahlreich erschienenen Publikum 
auch das Aufziehen ver Rettungsboje, 
wwie das Uebersühren eines dargestellten 
schiffbrüchigen in derselbe vom Maste zum 
Lande vorgeführt wurde. Obgleich diese 
Uebungen nicht über Wasser, sondern auf 
dem Terrain innenseits der Dünen statt- 
tnden, so geben sie doch ein gutes Bild 
von den Rettungsarbeiten und werden von 
den Badegästen mit vielem Interesse ver 
folgt. Freilich ist die ganze Situation 
im wirklichen Schtffbruchsalle eine andere, 
als sie es bei einer solchen Uebung sein 
kann; da prägt sich in den Gesichtern und 
den Unterredungen der Betheiligten nur 
ein Gefühl aus, die Liebe zum Nächsten, 
um so unverkennbarer. je ernster die Laoe 
der aittt-’n Schiffbrüchigen ist. Der Ernst 
eines solchen Augendlick's verleiht aber 
demselben eine Wethe deren Eindruck nicht 
zu vergessen ist. 
In Neumünster gerietst ein junger 
Mann dadurch in große Gefahr, daß er 
sich eine Blutvergiftung zuzog, als 
er mit einer nich-t ganz sauberen Nadel an 
einer kleinen Handverletzung herumstocherte. 
Er begab sich nach Kiel, um dort in der 
Klinik Hülfe zu suchen. 
Durch die Erwählung des Herrn Pastor 
Mordhorst in S ü d e r h a st e d t zum Pre 
diger in Schleswig ist eine der größten Pre 
digerstellen in unserer Propstei vakant. 
Ein Eckernförder Maurer, welcher 
in der Falle eine Ratte gefangen, hatte sie, 
in dein Glauben, daß sie, todt sei, am 
Strande hingeworfen. Ein in der Nähe 
spielendes dreijähriges Kind hielt sie für 
eine junge Katze und streichelte dieselbe, 
schrie aber plötzlich laut auf, denn die 
Ratte hatte sich zwischen deut,,Daumen und 
richtet. Es war, als zwinge ihn eine un 
sichtbare Macht, hier Stand zu halten, um 
die nächste Zukunft an sich vorüber gleiten 
zu lassen. Joe Catton hatte Recht gehabt, 
mit diesem Advokaten zur Seite hatte sein 
Feind gewonnen, zumal Alle zu ihm stehen 
würden, die ihn, John Alting, jetzt haßten 
und verachteten um Melwig's willen. 
„Das Spiel ist verloren", murmelte er 
dumpf, „und diese fürchterliche Niederlage 
habe ich Dir zu danken, Vater! — Warum 
hast Du mir das in Deiner Sterbestunde 
angethan? —" 
Er stöhnte, wie -in auf den Tod ver 
wundetes Thier, weil er an die volle Liebe 
des Vaters geglaubt und schließlich den 
letzten Brief, der bei Paulsen nicht gefun 
den worden war, für ein Product seiner 
eigenen Einbildung gehalten hatte. 
John Alting war ein so großer Egoist, 
daß er den Stiefbruder bei feinem be 
trügerischen Spiel niemals in Betracht ge 
zogen, nie mit ihm gerechnet hatte. In seiner 
souverainen Selbstsucht hatte er den Vater 
für sich allein beansprucht und es gar nicht 
für möglich gehalten, daß dieser zuletzt so 
schwach noch werden konnte, jenes Sohnes 
zu gedenken, dessen Mutter das Unglück 
seines Lebens geworden war, wie er seinem 
Liebling Hans Joachim so oft versichert hatte. 
Und nun konnte dieser von seiner Geburt 
an verstoßene Sohn ihn aus einem reichen 
Besitz vertreiben, ihn als Betrüger brand 
marken. 
Wie er den Stiefbruder haßte, der ihm 
selbst die letzte Erinnerung an den Vater 
vergiftet hatte und nun gekommen war, ihm 
jede Aussicht zu rauben, vielleicht auch die 
aus Ebba Reginas Besitz. Weshalb hatte 
er gerade heute die Waffe daheim gelassen? 
Langsam tastete er sich zu dem Pferde 
zurück, das sich bereits durch ungeduldiges 
Scharren bemerkbar machte, löste den Zügel 
und führte cs auf den Fahrweg zurück 
Dann schwang er sich in den Sattel und 
überließ cs dem klugen Thier, das diesen 
Weg schon oft im Dunkel zurückgelegt hatte, 
sich zurecht zu finden. Diese Vorsicht ent 
sprach jedoch nicht seiner Ueberlegung, sondern 
einzig einer lähmenden Zerstreutheit, die sich 
seiner plötzlich bemächtigt hatte und ihn 
augenblicklich in eine Art hypnotischer Be 
täubung versetzte. 
Langsam, ohne auf das Pferd zu achten, 
hatte er die Landstraße erreicht, und dachte 
auch jetzt noch nicht daran, cs in eine sämellere 
Gangart zu bringen. Mit sicherem Instinct, 
bald in den heimischen -Stall zu kommen, 
und der sonderbaren Ruhe seines Reiters 
nicht trauend, setzte das kluge Thier sich 
endlich aus freier Entschließung in einen 
kurzen Trab und wieherte freudig auf, als 
der Schloßhof erreicht war und sein Reiter 
es ohne irgend welche Mißhandlung ver 
lassen hatte. 
John Alting ging, den Diener gebieterisch 
abwinkend, auf sein Thurmzimmer. Er be 
merkte es in seiner sonderbaren Gemüths 
verfassung nicht, daß dieser ihm eine sonder 
bare Meldung machen wollte, mit der er 
nun, aus Furcht, unversehens einen Peitschen 
hieb zu empfangen, sich scheu zurückzog. Auf 
der Schwelle des Thurmzimmers stehend, 
stutzte der Heimgekehrte, daß die Lampe auf 
den, vor dem Sopha befindlichen Tische 
bereits brannte, noch mehr aber darüber, 
daß der Tisch wie zu einem Empfange ge 
deckt worden war, und daß mehrere Wein 
flaschen bereits angebrochen zu sein schienen. 
«Zum Henker, was hat denn dieser Spuk 
zu bedeuten?" stieß er zornig hervor, rasch 
eintretend und die Thür hinter sich zuziehend. 
„Nichts für ungut, olck boy“, tönte eine 
Stimme von der Kammer her, aus welcher 
Joe Catton hervortrat. „Ich mußte mit 
Euch sprechen, und suchte Euch natürlich hier 
auf. — War's nicht hübsch von mir, Euch 
mit einem gedeckten Tisch zu empfangen?" 
„Weder hübsch noch klug, sollte ich meinen", 
erwiderte Alting, Hut und Reitpeitsche in 
einen Winkel schleudernd und sich dann wie 
erschlafft auf's Sopha niederlassend. „Wes 
halb seid Ihr nicht nach Lindenhagen ge 
kommen, wo ich bis Dunkelwerden auf Euch 
gewartet habe?" 
Joe Catton näherte sich dem Tisch und 
zog sich einen Sessel heran. Dann be- 
trachtete er aufmerksam den vor ihm Sitzen 
den. 
„Bei meiner Ehre, — John Alting, — 
und ich denke, der Schwur gilt was 
Ihr seht ja aus, als hättet Ihr irgend ein 
Gespenst gesehen!" 
„Wird wohl so etwas gewesen sein", er 
widerte Alting halblaut, „thut mir denGc- 
fallen, und sprecht leise, olck boy, cs braucht 
das Gesindel hier nicht zu wiffen, daß es 
mit meiner Herrschaft zu Ende geht." 
„Aha, das wißt Ihr also schon genau?" 
Joe Catton machte sich bei dieser Frage 
über das Rührei und den delikaten Sckinken 
her, öffnete eine Weinflasche und füllte die 
Gläser. 
„Eurer Lady!" sagte er, sein Glas er 
hebend und mit einem Zuge leerend. 
Alting erhob hastig das seine und stürzte 
den Wein schweigend hinunter. 
Was habt Ihr denn eigentlich so Wichtiges 
mitzutheilen?" begann er dann, nervös mit 
seinem Messer spielend. „Ihr mußtet Euch 
doch sagen, daß Ihr mich durch Euer unver 
schämtes Auftreten hier im Schlöffe bei der 
ganzen Dienerschaft herabsetzt, mir den Re 
spekt raubtet —" 
„Well, Sir, hätt' ich auch sonst nicht 
gewagt", fiel Joe, mit beiden Backen kauend, 
kaltblütig ein, „kalkulirte aber, daß ich Euch 
hier am sichersten treffen konnte, und daß 
ich mich wenigstens poch» einmal bei Euch 
zu Gaste laden durfte,?» weit die Herrlichkeit 
morgen schon aus seinï-wird. Was scheert 
uns denn da noch das Bedicntenpack?" 
„Erzählt vernünftig!" befahl Alting kurz. 
„Well, Sir! — Hab' mich den ganzen 
Tag beim Forsthausc Herumgetrieben und 
mich sogar mit meinem Feinde, dem bissigen 
Köter, angefreundet. Nebenbei gesagt, der 
einzige unter den vierbeinigen Wächtern, der 
in mir den Fuchs witterte. Na, Ihr wißt, 
ich versteh' mich auf die Hundedressur, diese 
Feinde sind mir nicht gefährlich. — H^tz' 
den Barbier abgefangen, der ganz aufgebläht 
war von seiner Kunst und frech behauptete 
er allein habe den alten Herrn gerettet." ' 
„Mein Onkel bleibt also am Leben?" 
fragte Alting mit heişerer Stimme. 
'şŗ b ' e Krisis glücklich überstanden 
Ģ bei vollem Bewußtsein. Na, freut 
Jhr Euch nicht, edler John?" . 
Dieser höh die geballte Faust zähne 
knirschend empor, ließ sie dann aber kraftlos 
sinken und stieß nur die Worte hervor: 
«Ihr seid ein erbärmlicher Schütze, Joe 
Catton!" 
„Freilich, Ihr hattet es daheim bequem", 
erwiderte Catton spöttisch lackend, „der Riß,
	        
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