:
tellandkanals weit zurückstehen würden. Da
demnach eine Erbauung dieses Kanals sei
tens des Staates nicht beabsichtigt werde,
müsse er mit Bestimmtheit ablehnen, den
gewünschten Kostenanschlag anfertigen zu
lassen. Dieser Ausführung schlossen sich
kanalsreundliche Mitglieder der Kommis
sion an. Diese erkannten jedoch die Wich
tigkeit der Verbindung der unteren Elbe mit
der Weser ausdrücklich an. Sie wünschten
aber den Bau dieser Linie nicht anstatt des
Mittellandkanals, sondern neben diesem.
Ueber die Höhe der Belastung
der deutschen Industrie durch die
Arbeiterversicherungs- und Schutzgesetz
gebung hat in Schmollers Jahrbuch der
Fabrikdirektor Greißel eine Berechnung
veröffentlicht. Darnach beträgt die höchste
Belastungsziffer der Arbeitgeber bei der
Unfallversicherung 3 Procent des Lohnes,
bei der Krankenversicherung 1V 2 und bei
der Jnvaliditätsversicherung 1 Proceut des
Lohnes, zusammen 5'/2 Procent. Die
Belastung aus der Einführung der Sonn
tagsruhe wird mit 3 Procent des Lohnes
berechnet, die Gesammtbelastung durch die
soziale Gesetzgebung sonach aus 8 >/2 Pro
cent des gezahlten Arbeitslohnes.
Der leitende Arzt am städtischen Ob
dach zu Berlin, Professor Dr. Behrend,
hatte sich infolge einer Eiterinfection bei
Ausübung seines Berufes auf der
Krankenstation des Obdachs eine lebens
gefährliche Erkrankung zugezogen, sodaß
er sich in die kgl. Klinik nach der Ziegel
straße begeben mußte, wo er vom Ge
heimrath v. Bergmann einer lange
dauernden Operation unterzogen werden
mußte. Er befindet sich jetzt auf dem
Wege der Besserung, die aber nur lang
sam fortschreitet.
— Eine Vereinigung der fünf Städte
Solingen, Wald, Ohligs, Gräsrath und
Höhscheid zu einer einzigen Stadt wird,
wie es heißt, gegenwärtig von einer Ver
einigung Industrieller angestrebt.
Berlin, 2. August. Der Raubmörder
Gönczy, der vor länger als einem Jahre
die Wittwe Schultze und ihre Tochter in
der Königgrätzerstraße in Berlin ermordet
hat und vergeblich gesucht wird, soll in
Dänemark und Schweden gesehen worden
sein. Das sydschwedische Tageblatt in
Malmoe berichtet, daß am 14. Juli in
Skodsborg im Hotel Oeresund ein Mann
vorsprach, auf den das Signalement des
Gönczy paßte. Er wurde abgewiesen, er
kundigte sich, wie man nach Malmoe käme
und dort in einer Schuhfabrik ein Mann
gesucht, auf den wieder das Signalement
paßt. Seine Spur ist verloren, wird aber
von der Polizei eifrig gesucht. Man ver
muthet ihn in Malmoe oder Helsingborg.
Zu dem Befinden der bei der Blitz-
katastrophe in Charlottcnburg ver
letzten Personen ist eine unerwartete Ver
schlimmerung eingetreten. Der
Schneider Raciniewski, der sich bereits so
weit erholt hatte, daß er ausgehen und
arbeiten konnte, erlitt plötzlich einen solchen
Rückfall, daß er gezwungen war, ein
Krankenhaus aufzusuchen. Am bedenk
lichsten ist der Zustand des bei der Kata
strophe besonders arg mitgenommenen
Fräulein Klosowski. Die junge Dame
hat, außer leichteren Verletzungen an der
Brust, tiefe Wunden am Halse, an den
Armen und Füßen erlitten. In den letzten
Tagen ist bei ihr ein erheblicher Kräfte
verfall zu Tage getreten. Auch bei einigen
anderen von den Verletzten haben sich erst
nachträglich starke Schmerzen in den
Gliedern eingestellte vielfach sind ferner
schwere Nervenerschütterungen zu kon-
statiren.
Der Höhlenmensch Gustav Nagel
in Ratheuow, von dem vor einigen Tagen
berichtet wurde, bewohnt ein Zimmer im
Wirthshaus zum Steueramt, das ganz
anders aussieht, als ein Zimmer anderer
Menschen. Nagel arbeitet mit Fleiß daran
es zu einem „Himmel auf Erden" wie
er sagt zu machen. Den Himmel hat er
sich bereits geschaffen, indem er die ganze
Zimmerdecke mit bunten Papierstücken und
allerhand Flitterwerk bedeckt hat, wodurch
die verschiedenen Himmelskörper, Sonne,
Mond und Sterne, veranschaulicht werden
sollen. In der Mitte des Zimmers hängt
von der Decke herab ein blauer Glaubens
anker. Für die Zimmerwände sind von
dem sonderbaren Heiligen Himmelser
scheinungen und Heiligenbilder vorgesehen.
Nagel fertigt zur Zeit „die Erde" an, die
durch eine eigenartige Vorrichtung mit der
Sonne an der Zimmerdecke in Verbindung
gebracht werden soll. Das Dorado des
modernen Heiligen weist auch sonst alle
möglichen Raritäten auf, deren Symbolik
er auf Befragen gern erklärt. Nagel hat
nur einen Anzug, einen weißen, er trägt
keine andere Farbe. Tritt man in sein
Zimmer, so erblickt man eine hohe, in ein
weißes Laken gehüllte Gestalt; schon in
Arendsee (Altmark) schritt er, nur in dieses
Gewand gehüllt, sonst ohne Kleidung, im
Hause umher.
Leipzig, 3. Aug. Der Schriftsteller
Wedekind ist wegen Majestätsbeleidigung,
begangen durch Gedichte im Simplicissimus,
zu sieben Monaten Gefängniß unter An
rechnung eines Monats Untersuchungshaft
vom Landgericht zu Leipzig verurtheilt
worden.
Ein Todesfall durch Wurst-
g i f t ereignete sich dieser Tage in
Dresden. Der zwölfjährige Sohn des
Kaufmanns D. in Sebnitz hatte in seiner
Heimath ein Scheibchen Wurst, das schon
Tags zuvor abgeschnitten worden war,
genossen, worauf demselben so unwohl
wurde, daß er in ärztliche Behandlung
genommen werden mußte. Da sein Zu
stand immer bedenklicher wurde, brachte
ihn der Sebnitzer Arzt zur Operation
nach Dresden, und bald nach der Operation
starb er.
Der sozialdemokratische Reichstags
abgeordnete Agster in Stuttgart,
der sich bekanntlich seit mehreren Monaten
in einem geistig anormalen Zustande be
findet, wurde von der Polizei in einer
Droschke in das Spital gebracht, da er
durch sein auffallendes Gebühren auf der
Straße einen Auflauf verursacht hatte.
Die Erfurter Handelskammer, der her-
vorragende Vertreter des Gartenbaues
angehören, schreibt in ihrem soeben ans
gegebenen Jahresberichte sür 1898 : „In
den Kreisen der Handelsgärtner Deutsch
lands macht sich eine Bewegung geltend,
die dahin zielt, daß bei Erneuerung der
Handelsverträge ein Schutzzoll auf
alle gärtnerischen Produkte eingeführt
werden solle. Soweit hierbei Samen in
Betracht kommen, können sich die bethei
ligten Kreise des Handelskammerbezirks
diesen Bestrebungen durchaus nicht
anschließen. Für viele Artikel, die
in unserem rauheren Klima nicht zur
Reife gelangen, sind die hiesigen Gärtner
unbedingt aus das Ausland angewiesen,
und andererseits geht ein sehr erheblicher
Theil der Hier erzeugten Sä
mereien fast ausschließlich ins Ausland.
Ein Schutzzoll auf Gemüse- und Blumen-
sämereien würde daher ohne Zweifel ge
eignet sein, den hiesigen Samengeschäften
bedeutenden Schaden zuzufügen." Auch
von einem Zoll auf getrocknete und ge
färbte Gräser erwartet die Handelskammer
nur Schaden für die Erfurter Industrie.
München, 2. Aug. Nach bayerischen
Blättern suchten bereits 7 7 Richter wegen
der bevorstehenden Einführung des bürger
lichen Gesetzbuches um ihre P e n s i 0 n i r u n g
nach.
Eine Spukgeschichte nach Resauer
Muster wird aus RengerSdorf bei
Markliffa gemeldet. Täglich versammeln
sich dort vor dem Hause des Webers und
Nachtwächters Günther große Menschen
mengen, um den „Spuk" zu bewundern,
der darin besteht, daß Steine, Holzstücke,
kleine Geräthschaften rc. in dem Hause
von bisher noch „unsichtbaren Kräften"
herumgeworfen werden und Fenster und
Möbel beschädigen. Auch der O r t s >
g e i st l i ch e weilte einige Zeit in dem
Spukyause, um sich von der Wahrheit der
umlaufenden Gerüchte zu überzeugen.
Zwei Mitarbeiter des „Marklissaer An
zeigers" haben die Sache in Rengers
dorf selbst näher untersucht und sind zu
der Ansicht gekommen, daß, ähnlich wie
seinerzeit in Resau, der ganze Spuk von
dem fünfzehnjährigen Sohne Günther's
in Szene gesetzt wird; sie empfehlen die
Anwendung eines tüchtigen „Zauber-
stockes" an der richtigen Stelle.
Oldenburg (Großherzogthum), 1. Aug.
Die Strafkammer oerurtheilte die 25 jährige
unverehelichte Antonie Kuper aus Löningen
wegen unmenschlicher Mißhandlung
ihres 3'/2 jährigen Sohnes Bernhard, dem
sie die Nägel an den Fingern und
Zehenspitzen theilweise vollständig
abgeschnitten hatte, sodaß der Kleine
nichts anfassen und nicht gehen konnte,
dem Antrage des Staatsanwalts gemäß
zu der höchsten zulässigen Strafe von drei
Jahren Gefängniß.
Neuhaus a. d. Oste, 3. Aug. Ein
Fund aus uralter Zeit. Die
„N. O. Z." berichtet: Vor einigen
Tagen entdeckten Torfgräber im Dorn-
foder Moor bei Alfstedt im Kreise
Bremervörde auf dem Grundstücke des
Hofbesitzers Matthias Kamp aus Dorn
sode in einer Tiefe von 2'/ 2 Fuß eine
noch sehr gut erhaltene sog. Römer-
brücke; die Länge derselben konnte nicht
festgestellt werden, weil die Brücke noch
nicht vollständig bloßgelegt ist, sie läuft
auch in andere Grundstücke hinein. Die
Brücke ist noch sehr gut erhalten. Die
Unterlage bilden mächtige Birkenstämme,
die aus die entsprechende Breite abgelängt
sind. Die neuentdeckte Brücke nimmt ge
nau diejenige Richtung ein, die die de
kannte sogenannte Römerbrücke im
Langenmoor, die vor etwa 20 Jahren
entdeckt wurde, hat.
Stendal, 3. Aug. In dem hannöver-
schen Dorfe Lübbow, das hart an der
Salzwedeler Kreisgrenze liegt, steht eine
Dorskirche, die nicht ihres
gleichen findet, und die in ihrer
unangetasteten Ursprünglichkeit ein bau
liches Zeitzeichen eines vergangenen Jahr-
tausends bildet. Die Kirche ist uralt,
war ehemals unter katholischem Kirchen
regiment und ist nach der Resormations-
zeit an eine Protestantengemeinde gefallen
So wie das Gotteshaus früher war, ist
es geblieben, denn abgesehen von geringen
Ergänzungen, die dem Verfall des Daches
Einhalt thun sollten, braucht man von
den felsenfesten Feldsteinmauern der Kirche
keinen Verfall zu befürchten. Sie bildet
ein Hobes Steinquadrat mit einem Dach,
war Jahrhunderte lang ohne Fenster und
hatte nur eine kleine Eingangsthür; erst
neuerdings sind an der Hinteren Seite des
Kirchengebäudes zwei kleine Fenster an
gebracht worden. Die Kirche war stets
ohne Thurm, wie überhaupt ohne jeden
thurmartigen Aufbau, hatte keine Uhr,
keine Glocken. Ist nun schon der Außen
bau, der einer massiven Feldstein-Scheune
auf ein Haar ähnelt, befremdend und
bemerkenswert, so zwingt einem der
Jnnenraum die größte Verwunderung ab.
Das Gotteshaus hat weiter nichts als
kahle, rohgetünchte vier Wände, es hat
keine Bänke, keine Sitzgelegenheit für die
Andächtigen, keine Heizung, keine Beleuch
tung ; es fehlt der Bilderschmuck, es fehlt
der Altar mit dem Kruzifix und anderen
Kirchengeräthschaften; es ist keine Kanzel
vorhanden, keine Sakristei: blickt man in
die Höhe, sieht man in das Balkenwerk
des Daches hinein. An der Längsseite
des Kirchenraumes liegt ein langer alter
Holzstamm, auf welchem sich die Kirchen
besucher niederlassen; er soll noch aus
grauer Vorzeit dort liegen. Am Ende
der Kirche ist ein mächtiger Steinaliar
aufgerichtet, wenigstens hat das hohe,
eckige Mauerwerk seit Jahrhunderten da
für gegolten. Links und rechts von ihm
sind zwei in Stein gehauene Ruheplatze
in den Ecken angebracht. Einmal im
Jahre, und zwar stets am Jacobitage,
wird in dieser Kirche Gottesdienst abge
halten; der letzte Gottesdienst war am
Dienstag vergangener Woche. An solchen
Tagen wird der sandige Steinaltar mit
einer Decke belegt und ein Kruzifix darauf-
gestellt; ein Theil der Dorfbewohner
nimmt auf dem erwähnten alten Baum-
staum Platz; die anderen bringen jeder
einen Stuhl und ein Gebetbuch mit. Eine
feierliche Weihestimmung zieht in den alten
Gottestempel ein, in welchem längst ver
gangenen Geschlechtern Gottes Wort ge
predigt wurde. Neigt sich die Nacht über
Dorf und Kirche, dann finden Nachtvögel
durch die Dachössnungen Eingang in das
alte Kirchengemäuer.
Braunschweig, 2. Aug. In dem be
nachbarten Hordors entstand im Pfarr-
hause vor einigen Wochen uud vor einigen
Tagen Schadenfeuer. Während das
erste Mal die Psarrscheune zum Opfer fiel,
konnte das zweite Feuer noch rechtzeitig
unterdrückt werden. Die 1 5 j ä h r i g e
Dienstmagd des Pastors hat sich jetzt als
Branvstisterin bekannt und als Motiv
angegeben, sie möchte auch einmal
einso großes Feuer sehen,
wie das kürzlich hier im Karstadt'schen
Geschäft stattgesundene.
Io. Auö Vierlanden, 3. August. Zum
Aaltödten. In unserer Elbgegend werden
viele Aale gefangen und gegessen, deshalb
dürfte die Kenntniß folgender Methode
des Aaltödtens für viele Personen
von Interesse sein. Man thut die Aale
in einen Eimer mit Wasser und gießt
dann etwas Essig und Kochsalz hinein,
worauf man den Eimer schnell zudeckt.
Die Aale schießen noch ein paar Mal
blitzschnell durch das Wasser und sind in
weniger als einer halben Minute sämmt
lich todt. Läßt man sie dann noch ein
Weilchen in einer Lösung von Kochsalz
und Essig liegen, dann wird die Haut
geleeartig, und nach der Zubereitung wird
man die Aale viel wohlschmeckender finden,
als beim Verfahren der alten Methode.
Beim Verbrauch kann ■ man die Haut ja
entfernen, wenn man sie nicht liebt. Jeden
falls ist es nicht nöthig, die Aale auf die
bisherige grausame Weise bei lebendigem.
Leibe abzuhäuten.
Io. Hamburg, 3. August. Ein merk
würdiges Pech mit seinen Kassirern bat
der Verband der Hafenarbeiter Deutsch
lands. Nachdem erst vor einiger Zeit der
Kassirer H. Stehn dem Verbände mir
etwa 3000 Mark nach Rotterdam durch-
brannte, wo er dann aber ermittelt, ver
haftet und nach Hamburg ausgeliefert
wurde, ist jetzt der Kassirer des Berban-
des, Namens F. Möhrke, mit einer be
trächtlichen Summe flüchtig geworden. Der
Defraudant wurde aber bereits heute
Vormittag von der Polizei in Hamburg
ermittelt und festgenommen. Die Höhe
der veruntreuten Gelder ist noch nicht
festgestellt. — Dem Vernehmen nach hat
der Hamburgische Staat den mit großen,
gut unterhaltenen Gebäuden und Anlagen
versehenen, romantisch gelegenen Hof des
Hofbesitzers Bull in Farmsen (Kreis
Stormarn), ungefähr 300 Tonnen groß,
zum Preise von 480,000 Mk. angekauft.
PküvMziMes.
.Ş. Bom Norden, 3. Aug. Wie sehr
die Regierung auf alle Vorkommnisse im
Norden unserer Provinz achtet, zeigt ein
neuer Fall. Zur Hochzeitsfeierlichkeit des
Simon Juhl in Strandelhjören war auch
ein seiner Zritnach Dänemark ausgewandeter
Verwandter der Braut, Namens Denis
Petersen, eingeladen. Als derselbe sich
am Tage nach der Hochzeit wieder nach
Dänemark zurück begeben wollte, wurde
er in Oberjersdal vom Gendarmen Reich
aus Bestoft angehalten und arretirt. Auf
dem Landrathsamt in Hadersleben, wohin
er gebracht wurde, erhielt Petersen die
Aufforderung, sofort das Land zu verlassen.
Außerdem wurde er zur Zahlung der Un
kosten von 11.80 JL aufgefordert. Erst
nachdem er diesen Betrag erlegt hatte,
konnte er an die Weiterreise denken.
■Ş. Apenrade, 3. Aug. Bei seiner
Arbeit zog sich derZimmermeister Christensen
einen kleinen Riß an der einen Hand zu.
Die kleine Wunde, der er anfangs keine
Beachtung schenkte, die er vor dem Schlafen
gehen aber dennoch mittelst einer mit
Wasser verdünnten Mischung von Carbol
säure reinigte, nahm in der Nacht einen
höchst gefährlichen Charakter an. Durch
die am anderen Morgen schleunigst her
beigerufene ärztliche Hülfe wurde auf
Grund vorgenommener Untersuchung höchst
gefährliche Blutvergiftung festgestellt, welche
mit Rücksicht auf die vorhandene Gefahr
für das Leben des Patienten eine sofortige
Operation bedingte.
Von einem Stiere angefallen und zu
Boden geschleudert wurde der bei Sem
Hofbesitzer Fausball in Maudbjerg be-
dienstete 73jährige Futterknecht Thomsen.
Der Unglückliche wurde von dem wüthen
den Thiere derart zugerichtet, daß er nach
kurzer Zeit verstarb.
Ic. Flensburg, 3. August. Der Par-
zellist Nissen aus Grundhof, der kürzlich
wegen des Verdachts verhaftet worden war,
sein y 3 Jahr altes Kind ermordest szu
haben, hat sich heute früh im hiesigen
Gerichtsgesängniß erhängt. Seine Ehefrau
ist wegen Verdachts der Beihülfe zu jenem
Berbrechen ebenfalls kürzlich verhaftet
worden.
Sogar in Satrup ist jetzt ein Waaren-
haus entstanden, das mit allen möglichen
Artikeln handelt. Es liegt nahe, anzu
nehmen, daß cs sich bei diesem jedoch nicht
ist. Na, mir ist der alte Halunke hier auch
verdammt unbequem von wegen der zärt
lichen Umarmung, die ich ihm um einen ge-
wiffen Brief zu Theil werden ließ. Ich
hörte dann auch, wie der Förster ihm zu
rief, daß Alles glatt abgegangen und er
glücklich mitgekommen wäre. Möchte wohl
wiffen, wer damit gemeint war."
„Ich traf den Förster auf der Station",
erwiderte Hans Justus erregt, „fragte ihn,
was er dort zu schaffen habe, und erhielt
zur Antwort, daß er einen Freund des
Notars in F., der sich nach dem Befinden
meines Onkels erkundigen sollte, nach der
Station gebracht habe. Ich fürchte, der
Schuft hat mich belogen."
„Natürlich hat er das. edler Sir!" höhnte
Joe Catton, den es freute, seinen früheren
Kameraden, der sich jetzt so erhaben fühlie,
in solcher Unruhe zu sehen. „Ich kalkulire,
daß es der ehrenwerthe Mr. Romberg ge
wesen ist, der sich jedenfalls einen Rath bei
dem Rechtsverdreher in F. holen soll. Paßt
auf, John Alting. ob nicht, ehe Ihr Euch
verseht, Eure ganze Herrschaft über'n Haufen
fällt. Denn wenn der älteste Sohn Eures
Vaters hier erscheint, dann gute Nacht, all'
ihr schönen Aussichten als Herr und Ge
bieter von Altinghof."
„Schweigt!" zischte Hans Justus, den
diese spöttischen Schilderungen uni alle Be
sinnung zu bringen drohten. Eine solche
erschreckende Wuth malte sich auf seinem
Antlitz, daß Cotton sich vorsichtig nach der
Thür zurückzog.
„Ihr thätet besser, mit mir zu überlegen,
wie wir dieser drohenden Gefahr begegnen
sollen", sprach Hans Justus, der seine Auf
regung mühsam bezwungen batte, mit unsicherer
Stimme. „Ich meine, daß wir die Gefahr
nicht erst abwarten, sondern uns sobald als
möglich nach drüben zurückziehen. Ich sollte
denken, daß Ihr die fette Krippe in Altinghof
nicht umsonst so ganz allein benutzt haben
werdet."
„Ach was, der Geldschrank steht mir dort
nicht offen", murrte Hans Justus, „und das
Geld ist rar bei meinem Onkel, der sein
Vermögen von dem Advokaten verwalten
läßt. Mit Dokumenten ist nichts anzufangen."
All right, old boy“, meinte Catton,
„aber Ihr seid doch hier beim reichen Mel-
wig Hahn im Korbe, — solltet Ihr bei
ihm nicht eine namhafte Anleihe machen
können? Er ahnt doch nichts von jenem
Stiefbruder, hält den Onkel für einen todten
Mann und sieht in Euch nickt bloß den
künftigen Gemahl der schönen Lady, sondern
auch den baldigen Gebieter auf Altinghof."
Hans Justus schritt einige Male auf und
nieder und blieb dann wieder vor Joe
Catton stehen.
„Euer Rath ist gut, ich werde ihn noch
heute befolgen, um mir den Rücken zu decken.
Ihr aber, Freund Joe, macht Euch auf und
nehmt alle Jägerlist zu Hülfe, um das feind
liche Revier zu erforschen. Wenn Ihr den
Brief, den mein Alter in unverzeihicher
Schwachfinnigkeit dem deutschen Spion mit
gab, nur erwischt hättet, so würde ich nichts
fürchten, weil der Sohn des Hauptmanns
Romberg es nicht beweisen kann, daß er ein
Alting ist, und dann sollte der Bursche ein
Romberg bleiben bis an sein Ende. Aber
den Brief von meines Vaters Hand, den
mutzte ich haben, Joe Catton!"
„Wo sollte ich ihn suchen, wenn er ihn
nickt bei sick hatte! Sckwatzt keinen Unsinn,
John Alting, ich that, was Ihr mir ge
boten, und wundere mich, d«ß der grau
bärtige Spion überhaupt noch lebt. Seid
kein Narr, vielleicht steht gar nichts Schlimmes
für Euch in dem Brief, den Euer Alter ja
erst geschrieben haben muß, als er schon
halb todt gewesen ist, — wenn mir recht
ist, starb er schon am andern Morgen oder
in der Nacht. Thut. was ich Euch gerathen
habe, Geld in der Tasche ist die Haupt
sache. Ich will nach Tisch sofort wieder auf
den Anstand gehen, um das Wild zu be
lauern."
Er nickte ihn, vertraulich zu und verließ
das Zimmer, Hans Justus in einer sehr
zerfahrenen Stimmung zurücklassend.
14. Kapitel.
Schlimme Berathung.
Es war eine kleine auserlesene Tafel, an
welche sich Herr Melwig und seine schöne
Nichte mit ihrem Gaste niederließen. Der
Lindenhagener konnte es sich leisten, seine
Delikatessen und feinsten Weine aus Ham
burg und vom Rheine schicken zu lasten und
die feinsten und theuersten Cigarren zu
rauchen. Herr Melwig war heute womög
lich noch liebenswürdiger als sonst gegen
seinen Gast, nöthigte unaufhörlich, da der
Diener hinausgeschickt worden war, und
füllte immer und immer wieder das Glas
des geschätzten Gastes.
„Jetzt keinen Tropfen mehr", protestirte
dieser, der sich gewaltsam zur Lustigkeit zwang,
„ich muß noch heute nach dem Forsthause,
um nach nieinem Onkel zu sehen, und da
heißt es, ganz nüchtern, um der Sipp
schaft mein Recht klar zu machen."
„Das hätten Sie schon längst thun sollen",
bemerkte Ebba Regina, einen Apfel schälend,
„ich begreife nicht, wie Sie, der im Grunde
kein anderes Gesetz als den eigenen Willen
kennt, sich von einem Untergebenen oder
meinetwegen auch von dem Arzte die Thür
haben zeigen lassen. Das hätte man mir
nicht bieten sollen."
„Verzeihung, daß ich Ihnen widerspreche",
rief Hans Justus, sich mühsam beherrschend,
„am Krankenbette ist der Arzt unumschränkter
Gebieter, dies Gesetz wird selbst in Amerika
respektirt."
„Na, Kinder, streitet Euch nicht um solche
Dinge, die mit Gewalt nicht anzufassen
find", mischte sich jetzt Melwig ein, „Alting
hat Recht, basta. — Ich muß übrigens an
spannen lassen, sonst verpaffe ich wieder den
Zug, will deshalb auch lieber allein fahren."
Er warf einen Blick auf die kostbare Uhr
und erhob sich hastig.
„Adieu, zankt Euch nicht, iui eigenen
Lager muß man Frieden halten."
Mit diesen Worten verließ er das Zinuner
und schon nach wenigen Minuten fuhr sein
Jagdwagen mit ihm davon.
„Du scheinst bei sehr schlechter Laune zu
sein, mein Freund", begann Ebba Regina
nach einer Weile, in der sie Hans Justus
verstohlen beachtet hatte. „Geht's viel
leicht bester mit dem Onkel, oder hat stch
ein Testament vorgefunden?"
Er schob sein Glas, mit dem er gesptelt
hatte, heftig von sich und blickte sie vcrftört an.
„Nun", setzte sie erstaunt hinzu, „was
hat's denn sonst gegeben? erkläre
Dich doch."
„Ja", erwiderte Hans Justus, sich müde
zurücklebnend, „ich habe Nachrichten erhalten,
die ich Dir, wärest Du ein gewöhnliches
Weib, vorenthalten müßte, und zwar aus
Furcht, Dich zu verlieren, Ebba Regina!"
„Weiter", sagte sie ruhig, als er schwieg.
„Ich will und kann Dich aber nicht ver
lieren", fuhr er halblaut fort, sie mit bren
nenden Blicken betrachtend. „Und darum
sollst Du mit über's Meer gehen."
Sie lächelte, nahm eine Cigarette aus
dem silbernen Behälter und zündete sie
langsam an. Dann lehnte sie sich auch
zurück, blies kunstvolle Ringe in die Lust
und sagte gleichmüthig, ohne seine steigende
Erregung zu beachten:
„Erzähle nur, m-in Lceber, ich höre zu."
Er stutzte, ihre Ruhe gefiel ihm nicht,
war's nicht klüger, ihr seine Geschichte zu
verschweigen, bis sich Alles entschieden hatte?
Dazu aber war «s jetzt schon zu spät, ec
mußte vorwärts, und am Ende war sie die
Klügere, die nicht so leicht ihre hochstreben
den Pläne aufgeben würde. So erzählte
er die Geschichte seines Stiefbruders und
ihre Folgen, wobei er sich die größte Müh-
gab, sich selber in das Licht des Enterbte«
zu stellen, was Ebba Regina ein flüchtiges
Lächeln entlockte.
Als er zu Ende war, warf sie den R-st
der Cigarette auf den silbernen Aschentell-r
und richtete sich auf. r. v :
»Du bist also nicht der berechtigte Erbe
von Altinghof?" fragte sie kurz.
„Wenn der jüngere Sohn keine Rechte
hat, nein, dann bin ich es nicht."
„Das wollte ich nicht wiffen, sondern nur
darin klar sehen, was ich aus Deiner Er
zählung nicht recht verstanden habe, ob Del"
Vater Dich oder seinen Erstgeborenen şiu
diese Reise bestimmt hatte."
(Fortsetzung folgt.)