Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 2)

: 
tellandkanals weit zurückstehen würden. Da 
demnach eine Erbauung dieses Kanals sei 
tens des Staates nicht beabsichtigt werde, 
müsse er mit Bestimmtheit ablehnen, den 
gewünschten Kostenanschlag anfertigen zu 
lassen. Dieser Ausführung schlossen sich 
kanalsreundliche Mitglieder der Kommis 
sion an. Diese erkannten jedoch die Wich 
tigkeit der Verbindung der unteren Elbe mit 
der Weser ausdrücklich an. Sie wünschten 
aber den Bau dieser Linie nicht anstatt des 
Mittellandkanals, sondern neben diesem. 
Ueber die Höhe der Belastung 
der deutschen Industrie durch die 
Arbeiterversicherungs- und Schutzgesetz 
gebung hat in Schmollers Jahrbuch der 
Fabrikdirektor Greißel eine Berechnung 
veröffentlicht. Darnach beträgt die höchste 
Belastungsziffer der Arbeitgeber bei der 
Unfallversicherung 3 Procent des Lohnes, 
bei der Krankenversicherung 1V 2 und bei 
der Jnvaliditätsversicherung 1 Proceut des 
Lohnes, zusammen 5'/2 Procent. Die 
Belastung aus der Einführung der Sonn 
tagsruhe wird mit 3 Procent des Lohnes 
berechnet, die Gesammtbelastung durch die 
soziale Gesetzgebung sonach aus 8 >/2 Pro 
cent des gezahlten Arbeitslohnes. 
Der leitende Arzt am städtischen Ob 
dach zu Berlin, Professor Dr. Behrend, 
hatte sich infolge einer Eiterinfection bei 
Ausübung seines Berufes auf der 
Krankenstation des Obdachs eine lebens 
gefährliche Erkrankung zugezogen, sodaß 
er sich in die kgl. Klinik nach der Ziegel 
straße begeben mußte, wo er vom Ge 
heimrath v. Bergmann einer lange 
dauernden Operation unterzogen werden 
mußte. Er befindet sich jetzt auf dem 
Wege der Besserung, die aber nur lang 
sam fortschreitet. 
— Eine Vereinigung der fünf Städte 
Solingen, Wald, Ohligs, Gräsrath und 
Höhscheid zu einer einzigen Stadt wird, 
wie es heißt, gegenwärtig von einer Ver 
einigung Industrieller angestrebt. 
Berlin, 2. August. Der Raubmörder 
Gönczy, der vor länger als einem Jahre 
die Wittwe Schultze und ihre Tochter in 
der Königgrätzerstraße in Berlin ermordet 
hat und vergeblich gesucht wird, soll in 
Dänemark und Schweden gesehen worden 
sein. Das sydschwedische Tageblatt in 
Malmoe berichtet, daß am 14. Juli in 
Skodsborg im Hotel Oeresund ein Mann 
vorsprach, auf den das Signalement des 
Gönczy paßte. Er wurde abgewiesen, er 
kundigte sich, wie man nach Malmoe käme 
und dort in einer Schuhfabrik ein Mann 
gesucht, auf den wieder das Signalement 
paßt. Seine Spur ist verloren, wird aber 
von der Polizei eifrig gesucht. Man ver 
muthet ihn in Malmoe oder Helsingborg. 
Zu dem Befinden der bei der Blitz- 
katastrophe in Charlottcnburg ver 
letzten Personen ist eine unerwartete Ver 
schlimmerung eingetreten. Der 
Schneider Raciniewski, der sich bereits so 
weit erholt hatte, daß er ausgehen und 
arbeiten konnte, erlitt plötzlich einen solchen 
Rückfall, daß er gezwungen war, ein 
Krankenhaus aufzusuchen. Am bedenk 
lichsten ist der Zustand des bei der Kata 
strophe besonders arg mitgenommenen 
Fräulein Klosowski. Die junge Dame 
hat, außer leichteren Verletzungen an der 
Brust, tiefe Wunden am Halse, an den 
Armen und Füßen erlitten. In den letzten 
Tagen ist bei ihr ein erheblicher Kräfte 
verfall zu Tage getreten. Auch bei einigen 
anderen von den Verletzten haben sich erst 
nachträglich starke Schmerzen in den 
Gliedern eingestellte vielfach sind ferner 
schwere Nervenerschütterungen zu kon- 
statiren. 
Der Höhlenmensch Gustav Nagel 
in Ratheuow, von dem vor einigen Tagen 
berichtet wurde, bewohnt ein Zimmer im 
Wirthshaus zum Steueramt, das ganz 
anders aussieht, als ein Zimmer anderer 
Menschen. Nagel arbeitet mit Fleiß daran 
es zu einem „Himmel auf Erden" wie 
er sagt zu machen. Den Himmel hat er 
sich bereits geschaffen, indem er die ganze 
Zimmerdecke mit bunten Papierstücken und 
allerhand Flitterwerk bedeckt hat, wodurch 
die verschiedenen Himmelskörper, Sonne, 
Mond und Sterne, veranschaulicht werden 
sollen. In der Mitte des Zimmers hängt 
von der Decke herab ein blauer Glaubens 
anker. Für die Zimmerwände sind von 
dem sonderbaren Heiligen Himmelser 
scheinungen und Heiligenbilder vorgesehen. 
Nagel fertigt zur Zeit „die Erde" an, die 
durch eine eigenartige Vorrichtung mit der 
Sonne an der Zimmerdecke in Verbindung 
gebracht werden soll. Das Dorado des 
modernen Heiligen weist auch sonst alle 
möglichen Raritäten auf, deren Symbolik 
er auf Befragen gern erklärt. Nagel hat 
nur einen Anzug, einen weißen, er trägt 
keine andere Farbe. Tritt man in sein 
Zimmer, so erblickt man eine hohe, in ein 
weißes Laken gehüllte Gestalt; schon in 
Arendsee (Altmark) schritt er, nur in dieses 
Gewand gehüllt, sonst ohne Kleidung, im 
Hause umher. 
Leipzig, 3. Aug. Der Schriftsteller 
Wedekind ist wegen Majestätsbeleidigung, 
begangen durch Gedichte im Simplicissimus, 
zu sieben Monaten Gefängniß unter An 
rechnung eines Monats Untersuchungshaft 
vom Landgericht zu Leipzig verurtheilt 
worden. 
Ein Todesfall durch Wurst- 
g i f t ereignete sich dieser Tage in 
Dresden. Der zwölfjährige Sohn des 
Kaufmanns D. in Sebnitz hatte in seiner 
Heimath ein Scheibchen Wurst, das schon 
Tags zuvor abgeschnitten worden war, 
genossen, worauf demselben so unwohl 
wurde, daß er in ärztliche Behandlung 
genommen werden mußte. Da sein Zu 
stand immer bedenklicher wurde, brachte 
ihn der Sebnitzer Arzt zur Operation 
nach Dresden, und bald nach der Operation 
starb er. 
Der sozialdemokratische Reichstags 
abgeordnete Agster in Stuttgart, 
der sich bekanntlich seit mehreren Monaten 
in einem geistig anormalen Zustande be 
findet, wurde von der Polizei in einer 
Droschke in das Spital gebracht, da er 
durch sein auffallendes Gebühren auf der 
Straße einen Auflauf verursacht hatte. 
Die Erfurter Handelskammer, der her- 
vorragende Vertreter des Gartenbaues 
angehören, schreibt in ihrem soeben ans 
gegebenen Jahresberichte sür 1898 : „In 
den Kreisen der Handelsgärtner Deutsch 
lands macht sich eine Bewegung geltend, 
die dahin zielt, daß bei Erneuerung der 
Handelsverträge ein Schutzzoll auf 
alle gärtnerischen Produkte eingeführt 
werden solle. Soweit hierbei Samen in 
Betracht kommen, können sich die bethei 
ligten Kreise des Handelskammerbezirks 
diesen Bestrebungen durchaus nicht 
anschließen. Für viele Artikel, die 
in unserem rauheren Klima nicht zur 
Reife gelangen, sind die hiesigen Gärtner 
unbedingt aus das Ausland angewiesen, 
und andererseits geht ein sehr erheblicher 
Theil der Hier erzeugten Sä 
mereien fast ausschließlich ins Ausland. 
Ein Schutzzoll auf Gemüse- und Blumen- 
sämereien würde daher ohne Zweifel ge 
eignet sein, den hiesigen Samengeschäften 
bedeutenden Schaden zuzufügen." Auch 
von einem Zoll auf getrocknete und ge 
färbte Gräser erwartet die Handelskammer 
nur Schaden für die Erfurter Industrie. 
München, 2. Aug. Nach bayerischen 
Blättern suchten bereits 7 7 Richter wegen 
der bevorstehenden Einführung des bürger 
lichen Gesetzbuches um ihre P e n s i 0 n i r u n g 
nach. 
Eine Spukgeschichte nach Resauer 
Muster wird aus RengerSdorf bei 
Markliffa gemeldet. Täglich versammeln 
sich dort vor dem Hause des Webers und 
Nachtwächters Günther große Menschen 
mengen, um den „Spuk" zu bewundern, 
der darin besteht, daß Steine, Holzstücke, 
kleine Geräthschaften rc. in dem Hause 
von bisher noch „unsichtbaren Kräften" 
herumgeworfen werden und Fenster und 
Möbel beschädigen. Auch der O r t s > 
g e i st l i ch e weilte einige Zeit in dem 
Spukyause, um sich von der Wahrheit der 
umlaufenden Gerüchte zu überzeugen. 
Zwei Mitarbeiter des „Marklissaer An 
zeigers" haben die Sache in Rengers 
dorf selbst näher untersucht und sind zu 
der Ansicht gekommen, daß, ähnlich wie 
seinerzeit in Resau, der ganze Spuk von 
dem fünfzehnjährigen Sohne Günther's 
in Szene gesetzt wird; sie empfehlen die 
Anwendung eines tüchtigen „Zauber- 
stockes" an der richtigen Stelle. 
Oldenburg (Großherzogthum), 1. Aug. 
Die Strafkammer oerurtheilte die 25 jährige 
unverehelichte Antonie Kuper aus Löningen 
wegen unmenschlicher Mißhandlung 
ihres 3'/2 jährigen Sohnes Bernhard, dem 
sie die Nägel an den Fingern und 
Zehenspitzen theilweise vollständig 
abgeschnitten hatte, sodaß der Kleine 
nichts anfassen und nicht gehen konnte, 
dem Antrage des Staatsanwalts gemäß 
zu der höchsten zulässigen Strafe von drei 
Jahren Gefängniß. 
Neuhaus a. d. Oste, 3. Aug. Ein 
Fund aus uralter Zeit. Die 
„N. O. Z." berichtet: Vor einigen 
Tagen entdeckten Torfgräber im Dorn- 
foder Moor bei Alfstedt im Kreise 
Bremervörde auf dem Grundstücke des 
Hofbesitzers Matthias Kamp aus Dorn 
sode in einer Tiefe von 2'/ 2 Fuß eine 
noch sehr gut erhaltene sog. Römer- 
brücke; die Länge derselben konnte nicht 
festgestellt werden, weil die Brücke noch 
nicht vollständig bloßgelegt ist, sie läuft 
auch in andere Grundstücke hinein. Die 
Brücke ist noch sehr gut erhalten. Die 
Unterlage bilden mächtige Birkenstämme, 
die aus die entsprechende Breite abgelängt 
sind. Die neuentdeckte Brücke nimmt ge 
nau diejenige Richtung ein, die die de 
kannte sogenannte Römerbrücke im 
Langenmoor, die vor etwa 20 Jahren 
entdeckt wurde, hat. 
Stendal, 3. Aug. In dem hannöver- 
schen Dorfe Lübbow, das hart an der 
Salzwedeler Kreisgrenze liegt, steht eine 
Dorskirche, die nicht ihres 
gleichen findet, und die in ihrer 
unangetasteten Ursprünglichkeit ein bau 
liches Zeitzeichen eines vergangenen Jahr- 
tausends bildet. Die Kirche ist uralt, 
war ehemals unter katholischem Kirchen 
regiment und ist nach der Resormations- 
zeit an eine Protestantengemeinde gefallen 
So wie das Gotteshaus früher war, ist 
es geblieben, denn abgesehen von geringen 
Ergänzungen, die dem Verfall des Daches 
Einhalt thun sollten, braucht man von 
den felsenfesten Feldsteinmauern der Kirche 
keinen Verfall zu befürchten. Sie bildet 
ein Hobes Steinquadrat mit einem Dach, 
war Jahrhunderte lang ohne Fenster und 
hatte nur eine kleine Eingangsthür; erst 
neuerdings sind an der Hinteren Seite des 
Kirchengebäudes zwei kleine Fenster an 
gebracht worden. Die Kirche war stets 
ohne Thurm, wie überhaupt ohne jeden 
thurmartigen Aufbau, hatte keine Uhr, 
keine Glocken. Ist nun schon der Außen 
bau, der einer massiven Feldstein-Scheune 
auf ein Haar ähnelt, befremdend und 
bemerkenswert, so zwingt einem der 
Jnnenraum die größte Verwunderung ab. 
Das Gotteshaus hat weiter nichts als 
kahle, rohgetünchte vier Wände, es hat 
keine Bänke, keine Sitzgelegenheit für die 
Andächtigen, keine Heizung, keine Beleuch 
tung ; es fehlt der Bilderschmuck, es fehlt 
der Altar mit dem Kruzifix und anderen 
Kirchengeräthschaften; es ist keine Kanzel 
vorhanden, keine Sakristei: blickt man in 
die Höhe, sieht man in das Balkenwerk 
des Daches hinein. An der Längsseite 
des Kirchenraumes liegt ein langer alter 
Holzstamm, auf welchem sich die Kirchen 
besucher niederlassen; er soll noch aus 
grauer Vorzeit dort liegen. Am Ende 
der Kirche ist ein mächtiger Steinaliar 
aufgerichtet, wenigstens hat das hohe, 
eckige Mauerwerk seit Jahrhunderten da 
für gegolten. Links und rechts von ihm 
sind zwei in Stein gehauene Ruheplatze 
in den Ecken angebracht. Einmal im 
Jahre, und zwar stets am Jacobitage, 
wird in dieser Kirche Gottesdienst abge 
halten; der letzte Gottesdienst war am 
Dienstag vergangener Woche. An solchen 
Tagen wird der sandige Steinaltar mit 
einer Decke belegt und ein Kruzifix darauf- 
gestellt; ein Theil der Dorfbewohner 
nimmt auf dem erwähnten alten Baum- 
staum Platz; die anderen bringen jeder 
einen Stuhl und ein Gebetbuch mit. Eine 
feierliche Weihestimmung zieht in den alten 
Gottestempel ein, in welchem längst ver 
gangenen Geschlechtern Gottes Wort ge 
predigt wurde. Neigt sich die Nacht über 
Dorf und Kirche, dann finden Nachtvögel 
durch die Dachössnungen Eingang in das 
alte Kirchengemäuer. 
Braunschweig, 2. Aug. In dem be 
nachbarten Hordors entstand im Pfarr- 
hause vor einigen Wochen uud vor einigen 
Tagen Schadenfeuer. Während das 
erste Mal die Psarrscheune zum Opfer fiel, 
konnte das zweite Feuer noch rechtzeitig 
unterdrückt werden. Die 1 5 j ä h r i g e 
Dienstmagd des Pastors hat sich jetzt als 
Branvstisterin bekannt und als Motiv 
angegeben, sie möchte auch einmal 
einso großes Feuer sehen, 
wie das kürzlich hier im Karstadt'schen 
Geschäft stattgesundene. 
Io. Auö Vierlanden, 3. August. Zum 
Aaltödten. In unserer Elbgegend werden 
viele Aale gefangen und gegessen, deshalb 
dürfte die Kenntniß folgender Methode 
des Aaltödtens für viele Personen 
von Interesse sein. Man thut die Aale 
in einen Eimer mit Wasser und gießt 
dann etwas Essig und Kochsalz hinein, 
worauf man den Eimer schnell zudeckt. 
Die Aale schießen noch ein paar Mal 
blitzschnell durch das Wasser und sind in 
weniger als einer halben Minute sämmt 
lich todt. Läßt man sie dann noch ein 
Weilchen in einer Lösung von Kochsalz 
und Essig liegen, dann wird die Haut 
geleeartig, und nach der Zubereitung wird 
man die Aale viel wohlschmeckender finden, 
als beim Verfahren der alten Methode. 
Beim Verbrauch kann ■ man die Haut ja 
entfernen, wenn man sie nicht liebt. Jeden 
falls ist es nicht nöthig, die Aale auf die 
bisherige grausame Weise bei lebendigem. 
Leibe abzuhäuten. 
Io. Hamburg, 3. August. Ein merk 
würdiges Pech mit seinen Kassirern bat 
der Verband der Hafenarbeiter Deutsch 
lands. Nachdem erst vor einiger Zeit der 
Kassirer H. Stehn dem Verbände mir 
etwa 3000 Mark nach Rotterdam durch- 
brannte, wo er dann aber ermittelt, ver 
haftet und nach Hamburg ausgeliefert 
wurde, ist jetzt der Kassirer des Berban- 
des, Namens F. Möhrke, mit einer be 
trächtlichen Summe flüchtig geworden. Der 
Defraudant wurde aber bereits heute 
Vormittag von der Polizei in Hamburg 
ermittelt und festgenommen. Die Höhe 
der veruntreuten Gelder ist noch nicht 
festgestellt. — Dem Vernehmen nach hat 
der Hamburgische Staat den mit großen, 
gut unterhaltenen Gebäuden und Anlagen 
versehenen, romantisch gelegenen Hof des 
Hofbesitzers Bull in Farmsen (Kreis 
Stormarn), ungefähr 300 Tonnen groß, 
zum Preise von 480,000 Mk. angekauft. 
PküvMziMes. 
.Ş. Bom Norden, 3. Aug. Wie sehr 
die Regierung auf alle Vorkommnisse im 
Norden unserer Provinz achtet, zeigt ein 
neuer Fall. Zur Hochzeitsfeierlichkeit des 
Simon Juhl in Strandelhjören war auch 
ein seiner Zritnach Dänemark ausgewandeter 
Verwandter der Braut, Namens Denis 
Petersen, eingeladen. Als derselbe sich 
am Tage nach der Hochzeit wieder nach 
Dänemark zurück begeben wollte, wurde 
er in Oberjersdal vom Gendarmen Reich 
aus Bestoft angehalten und arretirt. Auf 
dem Landrathsamt in Hadersleben, wohin 
er gebracht wurde, erhielt Petersen die 
Aufforderung, sofort das Land zu verlassen. 
Außerdem wurde er zur Zahlung der Un 
kosten von 11.80 JL aufgefordert. Erst 
nachdem er diesen Betrag erlegt hatte, 
konnte er an die Weiterreise denken. 
■Ş. Apenrade, 3. Aug. Bei seiner 
Arbeit zog sich derZimmermeister Christensen 
einen kleinen Riß an der einen Hand zu. 
Die kleine Wunde, der er anfangs keine 
Beachtung schenkte, die er vor dem Schlafen 
gehen aber dennoch mittelst einer mit 
Wasser verdünnten Mischung von Carbol 
säure reinigte, nahm in der Nacht einen 
höchst gefährlichen Charakter an. Durch 
die am anderen Morgen schleunigst her 
beigerufene ärztliche Hülfe wurde auf 
Grund vorgenommener Untersuchung höchst 
gefährliche Blutvergiftung festgestellt, welche 
mit Rücksicht auf die vorhandene Gefahr 
für das Leben des Patienten eine sofortige 
Operation bedingte. 
Von einem Stiere angefallen und zu 
Boden geschleudert wurde der bei Sem 
Hofbesitzer Fausball in Maudbjerg be- 
dienstete 73jährige Futterknecht Thomsen. 
Der Unglückliche wurde von dem wüthen 
den Thiere derart zugerichtet, daß er nach 
kurzer Zeit verstarb. 
Ic. Flensburg, 3. August. Der Par- 
zellist Nissen aus Grundhof, der kürzlich 
wegen des Verdachts verhaftet worden war, 
sein y 3 Jahr altes Kind ermordest szu 
haben, hat sich heute früh im hiesigen 
Gerichtsgesängniß erhängt. Seine Ehefrau 
ist wegen Verdachts der Beihülfe zu jenem 
Berbrechen ebenfalls kürzlich verhaftet 
worden. 
Sogar in Satrup ist jetzt ein Waaren- 
haus entstanden, das mit allen möglichen 
Artikeln handelt. Es liegt nahe, anzu 
nehmen, daß cs sich bei diesem jedoch nicht 
ist. Na, mir ist der alte Halunke hier auch 
verdammt unbequem von wegen der zärt 
lichen Umarmung, die ich ihm um einen ge- 
wiffen Brief zu Theil werden ließ. Ich 
hörte dann auch, wie der Förster ihm zu 
rief, daß Alles glatt abgegangen und er 
glücklich mitgekommen wäre. Möchte wohl 
wiffen, wer damit gemeint war." 
„Ich traf den Förster auf der Station", 
erwiderte Hans Justus erregt, „fragte ihn, 
was er dort zu schaffen habe, und erhielt 
zur Antwort, daß er einen Freund des 
Notars in F., der sich nach dem Befinden 
meines Onkels erkundigen sollte, nach der 
Station gebracht habe. Ich fürchte, der 
Schuft hat mich belogen." 
„Natürlich hat er das. edler Sir!" höhnte 
Joe Catton, den es freute, seinen früheren 
Kameraden, der sich jetzt so erhaben fühlie, 
in solcher Unruhe zu sehen. „Ich kalkulire, 
daß es der ehrenwerthe Mr. Romberg ge 
wesen ist, der sich jedenfalls einen Rath bei 
dem Rechtsverdreher in F. holen soll. Paßt 
auf, John Alting. ob nicht, ehe Ihr Euch 
verseht, Eure ganze Herrschaft über'n Haufen 
fällt. Denn wenn der älteste Sohn Eures 
Vaters hier erscheint, dann gute Nacht, all' 
ihr schönen Aussichten als Herr und Ge 
bieter von Altinghof." 
„Schweigt!" zischte Hans Justus, den 
diese spöttischen Schilderungen uni alle Be 
sinnung zu bringen drohten. Eine solche 
erschreckende Wuth malte sich auf seinem 
Antlitz, daß Cotton sich vorsichtig nach der 
Thür zurückzog. 
„Ihr thätet besser, mit mir zu überlegen, 
wie wir dieser drohenden Gefahr begegnen 
sollen", sprach Hans Justus, der seine Auf 
regung mühsam bezwungen batte, mit unsicherer 
Stimme. „Ich meine, daß wir die Gefahr 
nicht erst abwarten, sondern uns sobald als 
möglich nach drüben zurückziehen. Ich sollte 
denken, daß Ihr die fette Krippe in Altinghof 
nicht umsonst so ganz allein benutzt haben 
werdet." 
„Ach was, der Geldschrank steht mir dort 
nicht offen", murrte Hans Justus, „und das 
Geld ist rar bei meinem Onkel, der sein 
Vermögen von dem Advokaten verwalten 
läßt. Mit Dokumenten ist nichts anzufangen." 
All right, old boy“, meinte Catton, 
„aber Ihr seid doch hier beim reichen Mel- 
wig Hahn im Korbe, — solltet Ihr bei 
ihm nicht eine namhafte Anleihe machen 
können? Er ahnt doch nichts von jenem 
Stiefbruder, hält den Onkel für einen todten 
Mann und sieht in Euch nickt bloß den 
künftigen Gemahl der schönen Lady, sondern 
auch den baldigen Gebieter auf Altinghof." 
Hans Justus schritt einige Male auf und 
nieder und blieb dann wieder vor Joe 
Catton stehen. 
„Euer Rath ist gut, ich werde ihn noch 
heute befolgen, um mir den Rücken zu decken. 
Ihr aber, Freund Joe, macht Euch auf und 
nehmt alle Jägerlist zu Hülfe, um das feind 
liche Revier zu erforschen. Wenn Ihr den 
Brief, den mein Alter in unverzeihicher 
Schwachfinnigkeit dem deutschen Spion mit 
gab, nur erwischt hättet, so würde ich nichts 
fürchten, weil der Sohn des Hauptmanns 
Romberg es nicht beweisen kann, daß er ein 
Alting ist, und dann sollte der Bursche ein 
Romberg bleiben bis an sein Ende. Aber 
den Brief von meines Vaters Hand, den 
mutzte ich haben, Joe Catton!" 
„Wo sollte ich ihn suchen, wenn er ihn 
nickt bei sick hatte! Sckwatzt keinen Unsinn, 
John Alting, ich that, was Ihr mir ge 
boten, und wundere mich, d«ß der grau 
bärtige Spion überhaupt noch lebt. Seid 
kein Narr, vielleicht steht gar nichts Schlimmes 
für Euch in dem Brief, den Euer Alter ja 
erst geschrieben haben muß, als er schon 
halb todt gewesen ist, — wenn mir recht 
ist, starb er schon am andern Morgen oder 
in der Nacht. Thut. was ich Euch gerathen 
habe, Geld in der Tasche ist die Haupt 
sache. Ich will nach Tisch sofort wieder auf 
den Anstand gehen, um das Wild zu be 
lauern." 
Er nickte ihn, vertraulich zu und verließ 
das Zimmer, Hans Justus in einer sehr 
zerfahrenen Stimmung zurücklassend. 
14. Kapitel. 
Schlimme Berathung. 
Es war eine kleine auserlesene Tafel, an 
welche sich Herr Melwig und seine schöne 
Nichte mit ihrem Gaste niederließen. Der 
Lindenhagener konnte es sich leisten, seine 
Delikatessen und feinsten Weine aus Ham 
burg und vom Rheine schicken zu lasten und 
die feinsten und theuersten Cigarren zu 
rauchen. Herr Melwig war heute womög 
lich noch liebenswürdiger als sonst gegen 
seinen Gast, nöthigte unaufhörlich, da der 
Diener hinausgeschickt worden war, und 
füllte immer und immer wieder das Glas 
des geschätzten Gastes. 
„Jetzt keinen Tropfen mehr", protestirte 
dieser, der sich gewaltsam zur Lustigkeit zwang, 
„ich muß noch heute nach dem Forsthause, 
um nach nieinem Onkel zu sehen, und da 
heißt es, ganz nüchtern, um der Sipp 
schaft mein Recht klar zu machen." 
„Das hätten Sie schon längst thun sollen", 
bemerkte Ebba Regina, einen Apfel schälend, 
„ich begreife nicht, wie Sie, der im Grunde 
kein anderes Gesetz als den eigenen Willen 
kennt, sich von einem Untergebenen oder 
meinetwegen auch von dem Arzte die Thür 
haben zeigen lassen. Das hätte man mir 
nicht bieten sollen." 
„Verzeihung, daß ich Ihnen widerspreche", 
rief Hans Justus, sich mühsam beherrschend, 
„am Krankenbette ist der Arzt unumschränkter 
Gebieter, dies Gesetz wird selbst in Amerika 
respektirt." 
„Na, Kinder, streitet Euch nicht um solche 
Dinge, die mit Gewalt nicht anzufassen 
find", mischte sich jetzt Melwig ein, „Alting 
hat Recht, basta. — Ich muß übrigens an 
spannen lassen, sonst verpaffe ich wieder den 
Zug, will deshalb auch lieber allein fahren." 
Er warf einen Blick auf die kostbare Uhr 
und erhob sich hastig. 
„Adieu, zankt Euch nicht, iui eigenen 
Lager muß man Frieden halten." 
Mit diesen Worten verließ er das Zinuner 
und schon nach wenigen Minuten fuhr sein 
Jagdwagen mit ihm davon. 
„Du scheinst bei sehr schlechter Laune zu 
sein, mein Freund", begann Ebba Regina 
nach einer Weile, in der sie Hans Justus 
verstohlen beachtet hatte. „Geht's viel 
leicht bester mit dem Onkel, oder hat stch 
ein Testament vorgefunden?" 
Er schob sein Glas, mit dem er gesptelt 
hatte, heftig von sich und blickte sie vcrftört an. 
„Nun", setzte sie erstaunt hinzu, „was 
hat's denn sonst gegeben? erkläre 
Dich doch." 
„Ja", erwiderte Hans Justus, sich müde 
zurücklebnend, „ich habe Nachrichten erhalten, 
die ich Dir, wärest Du ein gewöhnliches 
Weib, vorenthalten müßte, und zwar aus 
Furcht, Dich zu verlieren, Ebba Regina!" 
„Weiter", sagte sie ruhig, als er schwieg. 
„Ich will und kann Dich aber nicht ver 
lieren", fuhr er halblaut fort, sie mit bren 
nenden Blicken betrachtend. „Und darum 
sollst Du mit über's Meer gehen." 
Sie lächelte, nahm eine Cigarette aus 
dem silbernen Behälter und zündete sie 
langsam an. Dann lehnte sie sich auch 
zurück, blies kunstvolle Ringe in die Lust 
und sagte gleichmüthig, ohne seine steigende 
Erregung zu beachten: 
„Erzähle nur, m-in Lceber, ich höre zu." 
Er stutzte, ihre Ruhe gefiel ihm nicht, 
war's nicht klüger, ihr seine Geschichte zu 
verschweigen, bis sich Alles entschieden hatte? 
Dazu aber war «s jetzt schon zu spät, ec 
mußte vorwärts, und am Ende war sie die 
Klügere, die nicht so leicht ihre hochstreben 
den Pläne aufgeben würde. So erzählte 
er die Geschichte seines Stiefbruders und 
ihre Folgen, wobei er sich die größte Müh- 
gab, sich selber in das Licht des Enterbte« 
zu stellen, was Ebba Regina ein flüchtiges 
Lächeln entlockte. 
Als er zu Ende war, warf sie den R-st 
der Cigarette auf den silbernen Aschentell-r 
und richtete sich auf. r. v : 
»Du bist also nicht der berechtigte Erbe 
von Altinghof?" fragte sie kurz. 
„Wenn der jüngere Sohn keine Rechte 
hat, nein, dann bin ich es nicht." 
„Das wollte ich nicht wiffen, sondern nur 
darin klar sehen, was ich aus Deiner Er 
zählung nicht recht verstanden habe, ob Del" 
Vater Dich oder seinen Erstgeborenen şiu 
diese Reise bestimmt hatte." 
(Fortsetzung folgt.)
	        
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