Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 2)

Tribune" motten von dem Interview nichts 
wissen, weil es zu dumm sei. „Boston Re 
cord" meint, Dewey sei zu diskret, um sich 
so zu äußern. — Die „Westliche Post" 
von St. Louis und die „Chicagoer Staats 
zeitung" lassen durchblicken, der Inter 
viewer sei mit englischem Gelde bezahlt 
worden. 
Nach einem Telegramm der „Newyorker 
World" aus Triest bemerkte Dewey, als 
ihm das Interview gezeigt wurde, das die 
angeblich von ihm gethane Aeußerung ent 
hält, der nächste Krieg-Amerikas werde mit 
Deutschland sein, er habe gar keine Zeit, 
das seit seiner Ankunft in Triest über ihn 
Veröffentlichte zu bestätigen oder zu dc- 
mentiren. 
Schweiz. 
Aus Zürich wird berichtet: Ein net 
tes Sek nndärbahn -Idyll ereig 
nete sich vor einigen Tagen auf der schwei 
zerischen Seethalbahn zwischen Seen und 
Niederhall - Dürrenäsch. Etwas außerhalb 
der Station befand sich eine Scheune nahe 
an der Bahnlinie. Zwischen Scheune und 
Bahn stand aber noch ein beladener Fuhr- 
wageni, und zwar so nahe der Linie, daß 
sich Lokomotivführer und Kon 
dukteur st r i t t e n, ob sie an dem 
Hinderniß wohl vorbeikämen. Während der 
Lokomotivführer optimistisch erklärte: „'s 
goht," und Lokomotivführer und Gepäckwa 
gen auch glücklich, ohne zu streifen, „vor 
beisausen" ließ, rief der Kondukteur noch 
mals: „'s goht net", und im nächsten Mo 
ment gab's auch schon einen Puff und der 
Zug stand stille. Die etwas seitwärts ste 
hende Deichsel war dem Salonwagen, der 
etwas breiter war, als die übrigen Wagen, 
in die Seite gerannt, worauf der Zug so 
fort angehalten wurde. Mit vereinten Kräf 
ten entfernten Zugpersonal und Passagiere 
das Hinderniß und fort gings wieder mit 
sausender Gemächlichkeit das kleine Ver- 
säumniß aufzuholen. 
Belgien. 
Sechs französische Nonnen, 
die auf dem an der belgisch-französischen 
Grenze gelegenen Bahnhof von Baisieux 
aus Belgien angekommen waren, wollten 
am Mittwoch den Bahnsteig verlassen, als 
Zollbeamte sie anhielten. Ihr 
Leibesumfang war so bedeutend und der 
Gang der frommen Schwestern so auffallend 
schleppend, daß die Zollbeamten Verdacht 
schöpften. Alle sechs Nonnen erklärten 
zwar mit rührender Einmüthigkeit voll 
Entrüstung, daß sie nichts Steuerbares 
mit sich führten, aber das half ihnen nichts. 
Die Untersuchung enthüllte ein ganzes 
Waarenlager, darunter 28 kg Kaffee 
und mehrere Dutzende Packete Cigarrctten, 
Taback, Spitzen, kurz 51 kg Waare. Alles 
wurde beschlagnahmt. Der Zvllvorsteher 
stellte der „Voss. Ztg." zufolge die zu 
entrichtende Geldstrafe auf 1600 Frcs. 
fest und bestimmte, daß die Aelteste und 
Jüngste in Hast bleiben müßten, bis die 
vier anderen freigelassenen Nonnen, die 
einem Kloster bei Boulogne angehören, 
die Geldstrafe bezahlt haben würden. 
Das wirkte. Die Nonnen schafften schnell 
das Geld und konnten erleichtert abziehen. 
Oefterreich-Ungarn 
Die Zeitschrift „Die Fackel" erinnert 
an einen Vorfall, der sich vor einigen 
Wochen in Wien abgespielt. In der 
Militär-Schwimmschule badete eine 
Abtheilung von Soldaten in aller Ruhe. 
Als man abmarschirte, entdeckte man, 
daß drei Mann fehlten: sie waren 
gänzlich unbemerkt ertrunken. Dieser 
Tage nun, so erzählt das genannte 
Blatt, wurde von einem höheren Ossizier 
in einem Wiener Artillerie - Regiment 
wörtlich folgende Ansprache an die ins 
Bad abrückenden Soldaten gehalten: „Es 
soll Jeder schau'n, daß er nicht ersauft, 
weil sonst der Oberleutnant und der 
Hauptmann die größten Scherereien 
haben, und übrigens liegt es ja auch 
in eurem eigenen Jntereffe!" 
Der Landwirth Szandora Szkulian in 
Petromany (Ungarn) wurde in letzter 
Zeit sehr von der Eifersucht ge 
plagt, zumal sich seine erst kürzlich an 
getraute Frau von arideren Männern 
öfters die Kur schneiden ließ; namentlich 
aber schwärmten die Verehrer um die 
schöne Nase der Frau. Da die Bor< 
würfe des Ehegatten bei der Vielum 
worbenen nichts fruchteten, sann er auf 
Rache und als er seine Frau Abends 
schlafend fand, beugte er sich über sie und 
biß ihr die Nase glatt weg. Bei 
seiner Verhaftung äußerte er: „Jetzt bin 
ich wenigstens sicher, daß sie niemand 
mehr gefallen wird!" Der rachsüchtige 
Ehemann wurde dieser Tage zu neun 
Monaten Kerkers verurtheilt. 
Brüun, 31. Juli. Eine von 2000 
Personen besuchte Versammlung, worin Dr. 
Adler-Wien heute Abend sprach, wurde nach 
zweistündiger Dauer wegen heftiger Ausfälle 
gegen die Regierung aufgelöst. Die Theil- 
nehmer zogen sodann lärmend durch die 
Stadt. Auch zwei Frauenversammlungen 
wurden aufgelöst. 
Dänemark. 
Kopenhagen, 2. Juli. Der Mordbrenner, 
über den wir berichteten, hat sich nun selbst 
bei der Polizei gemeldet. Er fand sich im 
Bureau ein und erklärte, er sei von G e - 
Wissens bissen gequält und wünsche, 
ein vollständiges Geständniß abzulegen. Er 
habe sowohl den Brand im Arbeiterviertel 
„Nörrebro", wobei vier Personen in den 
Flammen umkamen, als auch die übrigen 
Brände angelegt, die in der letzten Zeit in 
Kopenhagen stattgefunden. Es ist ein Mann 
von nur 20 Jahren, der schon oft be 
straft war und von den Aerzten als unzu 
rechnungsfähig erklärt worden ist. Er wird 
nun in einem Hospital untergebracht 
werden. 
Inland. 
Berlin, 31. Juli. Neuerdings wird 
auch Graf Botho zu Eulenburg als 
Nachfolger Achenbachs genannt. 
Das „Kleine Journal" glaubt daran fest 
halten zu können, daß der Chef des Zivil- 
kabinets v. Lukanus die besten Chancen 
habe. 
— Liebknecht hat sich in einer Rede 
gegen die Haltung der französischen 
Sozialisten Jaurès und Millerand (zur 
Affaire Dreyfus erklärt. Dies ist von den 
französischen Antisemiten und Nationallisten 
mit hoher Freude begrüßt worden Der 
„Jntransigeant" bringt sie in den fettesten 
Lettern unter der Ueberschrift „Millerand 
und Jaurös gebrandmarkt von Liebknecht." 
Die „Libre Parole" betont besonders, daß 
Liebknecht gesagt habe, Millerand und 
Jaurss hätten ihm geschrieben, sie wollten 
durch die Affäre Dreyfus den Militarismus 
vernichten. „Man ahnte lange", sagt das 
Blatt Drumonts, „daß der Jnternationalis- 
mus an Hochverrath streifte. Liebknecht 
giebt uns den Beweis, blsroi, Liebknecht!" 
Berlin, 31. Juli. Zu den Vorgängen 
in Mainz wird berichtet, daß der Vorstand 
der ,,R a d s a h r e r - U n i o n" schon im 
Mai d. I. ein Gesuch eingereicht hatte, 
daß der vom Kaiser im Jahre 1891 ge 
stiftete Wanderpreis für Hochrad nicht in 
freier Konkurrenz, sondern nur unter den 
Siegern der früheren Jahren ausgefahren 
werden solle, damit der Preis nicht mehr 
ausgefahren wird. Die Erledigung dieses 
Gesuches hat sich verzögert. Es scheinen 
mehrere Instanzen damit beschäftigt getve- 
en zu fein, und erst als der Tag des 
Wettfahrens gekommen war, erfolgte tele 
graphisch aus dem kaiserlichen Civilkabinet 
durch den Gehermrath v. Valentin der 
Bescheid, daß das Gesuch genehmigt sei. 
Es ist also nicht eine plötzliche Einmischung 
des Kaisers erfolgt, sondern dieser hat nur 
einem an ihn gelangten Gesuch stattgegeben. 
Trotzdem ist nicht recht zu verstehen, weß- 
halb beim Ausschreiben des Wettfahrens 
und des Preises auf dieses noch unerledigte 
Gesuch nicht hingewiesen worden ist. 
— Eine M a s ch i n e für me ch a n i- 
che Stenographie (Stenotyper) in 
vollkommener Form ist eine neue Errun 
genschaft in die Bestrebungen, auf einfache 
mechanische Weise auch die fließendste Rede, 
die rascheste Gedankenfolge zur Niederschrift 
zu bringen. Die zu diesem Zwecke erfundene 
Maschine, der Stenotyper, die von den 
Patentinhabern, den Adler-Fahrradwerken 
vorm. Heinrich Kleyer in Frankfurt a. M., 
fabrizirt und in den Handel gebracht wird, 
macht die Vortheile der Schreibmaschine für 
die Stenographie nutzbar. Der Stenotyper 
liefert eine neue Schrift, die für jeden Ein 
geweihten unzweideutig klar und leicht les 
bar ist tote jede Druckschrift. — Die Ma 
schine soll nach Angabe der Patentinhaber 
den Stenographen an Schnelligkeit weit 
überlegen sein. Die Schrift ist kopirbar 
und kann im Original oder Kopie dem Ein 
geweihten sofort übermittelt werden, ohne 
sie erst abschreiben zu müssen. Die Ma 
schine hat nur 6 Tasten, und das Schreiben 
auf ihr, die Stenotypie, ist in wenigen 
Wochen zu erlernen. 
Köln, 31. Juli. Als Abtheilungen des 
Deutzer Pionierbataillons bei Düsseldorf eine 
Uebung ausführten, stürzte ein Pionier beim 
Uebersetzen über dem Rhein aus dem Kahn, 
in welchem sich noch ein Feldwebel, sowie 
ein Gefreiter befanden, in den Strom, ohne 
daß der Feldwebel Hilfe gebracht hätte. Bon 
der Militärbehörde ist inzwischen die Unter 
suchung eingeleitet worden. 
Im Orte Liedolsheim in Hessen wurden 
43 Häuser nebst Nebengebäuden einge 
äschert. Das Feuer soll durch Kinder 
entzündet worden sein. — In Adelgund 
an der Mose! wüthet Großfeuer. Zehn 
Wohnhäuser nebst Wirthschaftsgebäudi-n 
sind bereits abgebrannt. 
Ludwigshafen, 31. Juli. Unsittliche 
und das religiöse Gefühl verletzende Bilder 
sind jetzt auch durch den K i n e m a t o 
graphen in einer pfälzischen Stad! 
öffentlich zur Schau gestellt worden! Das 
ist das Neueste auf dem Gebiete der 
„Volkserziehung". Nun sind Bezirks 
ämter, Polizisten und Gendarmen in Be 
wegung gesetzt worden, um solche Schau 
stellungen zu verhindern. Es wäre viel 
besser, wenn das Publikum selbst sich 
solche Gemeinheiten verbäte und dagegen 
Front machte. Dann würde es bald 
besser werden. 
Eine gewaltigeFeuersbrunst 
wüthete in vorletzter Nacht in Lauenburg 
und legte in kurzer Zeit das Wohnhaus 
des Kaufmanns O. Meyer und dasjenige 
des Kürschners Töpfer völlig in Asche. 
Zum Ausbruch kam der Brand in dem 
an der Elbe gelegenen Meyerschen Speicher- 
aus völlig unaufgeklärter Ursache; in dem 
an das Wohnhaus grenzenden großen 
Lagerraum lagerten viele leicht brennende 
Stoffe, was zur Folge hatte, daß di« 
Bewohner bei dem schnellen Umsichgreifen 
des Feuers nur auf das Notdürftigste 
bekleidet das brennende Gebäude verlaffen 
mußten. 
Aus dem Gute „Sachfenwald", dem 
Baron Merck gehörig und bei Friedrichs 
ruh belegen, das erst vor 14 Tagen von 
einem größeren Feuer heimgesucht wurde, 
brach gestern Abend wieder ein Feuer in 
in der Wagenremise aus, in welcher sich 
auch eine Meierei befindet. Das Gebäude 
brannte vollständig nieder und vermuthet 
man Brandstiftung. Leider ist die ganze 
Heuernte und ein großer Theil des bereits 
eingefahrenen Getreides verbrannt. 
Friedrichsruh, 30. Juli. Ueber die 
Entstehungsurfache der letzten Feuersbrünste 
auf dem Gute des Herrn Baron v. Merck 
wird hier viel gesprochen. Sicher scheint 
es zu fein, daß beide auf vorsätzliche 
Brandstiftung zurückzuführen sind, Senn 
die Umstände, unter denen beide Feuer 
zum Ausbruch kamen, sind so verdächtiger 
Art, daß sie eine andere Erklärung nicht 
zulassen. Der angerichtete Schoden ist 
sehr erheblich; in der Wagenremise sind 
die schönen Wagen und Pferdegeschirre 
verbrannt. 
Ņxor-iņziMes. 
Eine in Altona-Ottensen woh- 
nende ältere alleinstehende Dame hat sich 
aus Gram darüber, daß ihre einzige Schwe 
ster sich vor einigen Wochen mittels Er 
hängens das Leben genommen, vergiftet. 
Die Lebensmüde hat ein Vermögen von 
mehr als 100 000 Mk. hinterlassen. 
Elmshorn, 30. Juli. Für den Bau 
einer Kirche in Brockstedt sind von dem 
Kaiser 8000 Mark und aus dem Kirchen 
baufonds von dem Konsistorium weitere 
8000 Mark als Beihülfe überwiesen. Der 
Bau soll nun ehestens in Angriff genommen 
werden. Der Plan ist von dem Architekten 
Groothoff in Hamburg angefertigt. 
Itzehoe, 31. Juli. Die Herzogin 
Adelheid, deren Tod wir gemeldet, ist im 
78. Lebensjahre an Magenkrebs gestorben. 
Sie tvar am 9. März 1821 als Tochter 
des Fürsten Georg zu Schaumburg-Lippe 
geboren, seit dem 16. Oktober 1841 ver 
mählt mit dem Herzog Friedrich von 
Schleswig - Holstein - Sonderburg-Glück 
burg, der lange Jahre bis zu seinem von 
langen Leiden ihn erlösenden Tode am 27. 
November 1885 auf Louisenlund bei Schles 
wig residirte. In Folge der damaligen viel 
fachen und langjährigen Beziehungen zn 
Schleswig ist die Verstorbene der Schles- 
wiger Bürgerschaft theuer und werth ge 
worden. Als Wittwe lebte die Herzogin mit 
ihrer unverheiratheten Tochter Prinzessin 
Marie auch weiter auf Louisenlnnd, bis sie 
vor einigen Jahren die Prinzessin Marie, 
als sie |ur Aebtissin des Klosters in Itze 
hoe gewählt wurde, dorthin begleitete. Wie 
der Herzog Friedrich, der am 4. Dezem 
ber 1885" in feierlicher Weise von der 
Schleswiger Bürgerschaft nach der herzog 
licher Familiengruft im Schleswiger Dom 
geleitet wurde, wird Wohl auch die Her- 
zogin neben ihrem vorausgegangenen Ge 
mahl im Dom zn Schleswig beigesetzt wer 
den. —< 
Unter den Mäusen hat der Sturz 
regen gehörig aufgeräumt. So fand ein 
Landmann auf einer kleinen Weide bei 
Wesselbnren über 300 dieser Nager 
todt auf der Erde liegen. 
Die an das Generalkommando des 9 
Armeekorps gerichtete Eingabe . der städti 
schen Verwaltung in H e i de ist, wie aus 
dem nunmehr eingegangenen _ Bescheid 
hervorgeht, ohne Erfolg gewesen; in 
nächster Zeit ist keine Aussicht vorhanden. 
nun eiligst wieder auf die Landstraße zurück, 
wo er seinen Weg in der vorhin einge 
schlagenen Richtung fortsetzte. 
Als seine Schritte auf der Chaussee ver 
hallt waren, verließen die beiden Männer 
ihr Versteck und begaben sich auf den breiten 
Fahrweg, der den schönen Wald durch 
schnitt. 
„Nun, das gesteh' ich, alter Freund", 
begann Romberg, „ich hab' immer geglaubt, 
das schärfste Jägerauge zu besitzen, muß 
aber vor Dir die Segel streichen. In solcher 
Entfernung diesen Burschen, den wir drüben 
in Amerika wähnten, zu erkennen, — das 
fordert meine ganze Bewunderung heraus." 
„Dank, junger Herr", schmunzelte Paulsen, 
„Joe Catton trägt den Yankee übrigens so 
deutlich an sich, daß er mir hier unter meinen 
Landsleuten überall kenntlich wäre. Der 
Halunke, mit dem ich noch ein besonderes 
Hühnchen zu pflücken habe, wie Sie wiffen 
ist mir häufig genug in den Weg gelaufen, 
als Spießgeselle des edlen John Alting." 
„Er hat es gewagt, diesen Räuber mit 
herüber zu nehmen", knirschte Romberg, „o, 
daß ich mit dem entehrten Namen nur ver 
schont bliebe!" 
„Na, für so dumui halte ich Ihren Sties 
bruder nicht, sich diese Begleitung freiwillig 
aufzuhalsen", meinte Paulsen ruhig, „dem 
braven Joe Cation wird drüben der Boden 
allmählich warm geworden sein, und da hat 
er die erste beste Gelegenheit ergriffen, um 
dem Kameraden, der jedenfalls mit seinem 
reichen Erbonkel geprahlt hat, nachzureisen. 
Wenigstens hat der junge Herr Baron einen 
tüchtigen Blutsauger an ihm bekommen." 
Romberg schauderte unwillkürlich und nickte 
gedankenvoll. 
„Ein prächtiger Wald, nicht wahr, Herr 
Romberg ?" fuhr Paulsen, der Unterhaltung 
eine andere Wendung gebend, heiter werdend, 
wrt, „sehen Sie sich Diese alten mächtigen 
Stämme nur an, und welche sorgfältige 
Hand hier waltet, welche musterhafte Forst- 
kultur." 
„Ja, der Wald ist schön", erwiderte der 
junge Mann, zerstreut um sich blickend, „mir 
gefällt dieses Land und seine Bewohner 
immer mehr." 
Der Alte blickte ihn mit einem humoristischen 
Lächeln von der Seite an; woher hatte er 
denn ein Urtheil über die Bewohner schon 
gewinnen können, vielleicht durch die junge 
Dame im Jagdwagen? 
„Es ist aber ein recht ungemüthlicher Ge 
danke, diesen Joe Catton hier plötzlich her 
umschleichen zu sehen", sagte er nach einer 
Weile, „mir geht dabei allerlei durch den 
Kopf, die junge Dame sagte doch, daß der 
Rittmeister von Alting auf der Jagd schwer 
verwundet worden sei, — möchte wohl 
wissen, wie das zugegangen ist." 
Romberg blieb stehen und blickte ihn er 
schreckt an. 
„Du meinst doch nicht, daß er durch eine 
fremde Kugel aus dem Hinterhalt — daß 
mein Stiefbruder oder dieser Schuft von 
Catton — um Gottes willen, Paulsen, der 
Gedanke ist entsetzlich! Nein, nein, weshalb 
auch, da er sich jedenfalls hier sicher genug 
im Sattel fühlt —" 
„Möglich, junger Herr", wandte der Alte 
ruhig ein, „ob er aber so sicher im Sattel 
sitzt, ist wohl die Frage, da Mr. John 
Alting seine Mutter nicht verleugnen kann 
Ein Sperling in der Hand ist jedenfalls 
besser, als eine Taube auf dem Dache, und 
ein reiches Erbe in unbestimmter Ferne, 
das von dem Willen eines Lebenden ab 
hängt, wird für den jüngsten Alting auf 
die Dauer etwas Unmögliches sein. Das 
geduldige Abwarten soll seine allerschwächste 
Tugend sein, die er überhaupt noch haben 
wird. Und nun denken Sie sich einen 
Menschen, wie den Joe Catton, als An 
hängsel, einen Straßenränder, der wenigstens 
schon zehn Mal mit knapper Noth dem 
Galgen entronnen ist, und die Rechnung 
muß stimmen. Was hatte der Schuft hier 
in den Wald hinein zu spüren, just wie 
das böse Gewissen? Sahen Sie denn nicht, 
daß er sich fürchtete, weiterzugehen, und wie 
ein scheuer Verbrecher umkehrte? Ich hatte 
die größte Lust, ihn durch meinen plötzlichen 
Anblick bis auf den Tod zu erschrecken, weil 
er mich für längst begraben hält, es wäre 
aber am Ende nicht klug gewesen." 
„Nein, jedenfalls sehr verfrüht, alter 
Freund", erwiderte Romberg, tief aufseufzend, 
„eins nur giebt mir in diesem unseligen 
Familiendrama die nöthige Ruhe und Ent 
schlossenheitzurück", setzte er dann, sich straffer 
aufrichtend, hinzu, „nämlich die Ueberzeugung, 
durch meine Gegenwart vielleicht Verbrechen 
oder schweres Leid verhindern, mindestens 
aber die Betrüger entlarven und verscheuchen 
zu können. Und diese Mission werde ich 
bestimmt erfüllen." 
Romberg und Paulsen schlugen nun den 
Weg nach dem Forsthause ein und fanden 
sich nach der ihnen von der Baronesse er 
haltenen Weisung sehr leicht zurecht. Förster 
Erichsen, dem sie die nöthigen Aufklärungen 
über den Grund und Zweck ihrer Reise 
machten, war jetzt in ihrem Bunde der 
Dritte 
„Na, meine Herren, warten Sie nur, bis 
die Baronesse zurückkehrt, sic ist die Einzige, 
an die Sie sich als die rechtmäßige Stell- 
vertreterin des Herrn Rittmeisters wenden 
müssen und der Sie volles Vertrauen schenken 
können", betheuerte Erichsen. „Nun aber 
wollen wir erst eine Magenstärkung haben." 
Erichsen entfernte sich dann auf einige 
Augenblicke, um seine Frau zu benachrichtigen 
und auch sie in die Sache einzuweihen. 
Bald erschien denn auch Frau Erichsen, um 
den Tisch zu decken. Ihre ehrlichen blauen 
Augen hefteten sich forschend auf Romberg's 
Gesicht und füllten sich plötzlich mit Thränen. 
„Ich war bei der seligen Frau Baronin 
als Kammermädchen", sagte sie dann, sich 
hastig die Augen trocknend, „und wenn ick 
Sie ansehe, junger Herr, so ist's mir genau 
so. als sähe mich meine gütige Herrin aus 
ihren Augen an Ja, gewiß, — meine 
Baronin steht leibhaftig vor mir, und gut 
war sie, so lieb und so gut wie ihr Aeltester, 
unser Herr Rittmeister, der ihr goldenes 
Her; geerbt hat. — Und wenn Sie sich 
auch einen anderen Namen beigelegt haben, 
junger Herr, mir machen Sie nichts weiß, 
Sie sind der rechte Enkel meiner seligen 
Herrschaft und auch just zur rechten Stunde 
gekommen, um uns von einem Bösewicht zu 
befreien." 
„Da kommt der Wagen mit der Baronesse 
zurück", rief der Förster in einem fast 
triumphirenden Tone. 
„Nun effcn Sie aber, liebe Herren", 
nöthigte Frau Erichsen, „und verzeihen Sie 
es einer alten Frau, daß ihr Herz mit der 
Zunge davongelaufen ist. Ich habe es 
immer gesagt, der liebe Gott lebt noch und 
verläßt die Seinen nicht. Frühstücken Sie 
(Fortsetzung solgt.j 
daß Heide in die Reihe der Garnisonstädte 
eintritt. 
Die städtischerseits gemachten Bestrebun 
gen, den Bau der geplanten neuen Prä- 
oarandenanstalt für M e l d o r f zu sichern, 
sind als endgültig gescheitert anzusehen. 
Dieselben Bestrebungen der Stadt Heide 
sind, wie gemeldet, ebenfalls fruchtlos ge 
blieben. HM 
** Nenmünster, 1. Aug. Der Maurer 
Johann Wagner in Sarlhusen bei Brockstedt 
verkaufte seine ca. 10 Hektar große Land- 
ielle durch die Vermittelung des Hausmaklers 
Aug. Studt in Neumünster an den Schacht 
meister H. Gluszack in Cassel für 10,500 
Mark incl. Inventar. 
Die geringe B a u l u st in G a a r d e n 
trotz des Wohnungsmangels hat theilweise 
ihren Grund darin, daß man von Seiten 
der Firma Krupp die Erbauung von Häu- 
sern für die eigenen Arbeiter befürchtet. 
Jetzt zeigt es sich schon/ daß Vorsicht in 
dieser Beziehung am Platze war. Die 
Firma hat sich mit einem Grundstücksbe 
sitzer bereits in Verbindung gesetzt zwecks 
Ankaufs eines größeren Bauterrains- um 
auf demselben eirce Arbeiterkolonie für die 
Arbeiter der Germaniawerft zu gründen. 
Das Grundstück liegt an der Preetzer 
Chaussee dicht vor der „Sophienhöhe" 
und darum für die Arbeiter nicht zu weit 
entfernt von der Arbeitsstätte. In diesen 
Tagen wird es sich entscheiden, ob 
der Ankauf vollzogen wird. 
Ein aufregender Vorfall ereignete sich 
Donnerstag-Nachmittag bei der Gesion- 
brücke in Kiel. Ein ca. 12 Jahre altes 
Mädchen, dem ein Kinderwagen mit 
einem Säugling zur Obhut anvertraut 
worden war, spielte mit anderen Kindern, 
wobei es den Wagen ohne Aufsicht auf 
der Brücke stehen ließ. Derselbe kam 
infolge eines Windstoßes plötzlich ins 
Rollen und lief mit dem Kinde über den 
Brückenkopf direkt ins Wasser. Der zu 
fällig in der Nähe anwesende Eierhändler 
Zerneck wars sofort seinen Rock ab und 
es gelang ihm auch, das Kind zu er 
fassen und zu retten. Dasselbe hatte zu 
erst auf seinem Kissen geschwommen und 
hat anscheinend bei dem Unfall keinen 
Schaden erlitten. Das Kind sowohl als 
seine nachlässige Hüterin wurden nun per 
Droschke nach Hause geschafft. 
— ? Nordschleswig, 31. Juli. 
Ein auf Süder - Fastrupfeld wohnender 
Landmann wunderte sich nicht wenig, als 
er von .einem Ausgange zurückkehrend im 
Fenster der Wohnstube -einen weißet: be 
schriebenen Zettel und daneben liegend 30 
Mk. vorfand. Es stellte sich bald heraus, 
daß in Abwesenheit des Besitzers drei 
Schlachter, 2 aus Ribe und 1 aus Scher- 
rebek sich wegen Ankauf eines gemästeten 
Kalbes einen Eingang zur Wohnung und 
zum Viehstall verschafft hatten. Ta die 
drei keine menschliche Seele im ganzen 
Hause vorfanden, nahmen sie kurz entschlos 
sen, das int Statte stehende Kalb für das 
sie als Kaufpreis 30 Mk. in's Fenster hin 
legten, mit sich. Die Rechmtng ist von 
thuen jedoch ohne den Wirth gemacht wor 
den. Der Besitzer des Kalbes ist nämlich, 
da er den wirklichen Werth des Kalbes auf 
45 Mk. circa schätzte, mit dem auf diese 
Weise abgeschlossenen Handel nicht zufrie 
den. Es bleibt den drei Schlachtern, falls 
sie eine gerichtliche Klage umgehen motten, 
nichts anderes übrig, als gute Miene zu 
machen, und die für das Kalb nachträglich 
geforderte Summe unverkürzt zu zahlen. 
Kappeln, 31. Juli. Von einer recht 
unangenehmen Katastrophe ivurde am heu 
tigen Morgen das zwischen hier und Schlei- 
erst ein wenig, in einer Stunde wird zu 
Mittag gegessen." 
„Sie haben aber bei solcher starken Ein 
quartierung doch sicherlich keinen Raum mebr 
für uns übrig, Frau Förster!" bemerkte 
Romberg besorgt. 
„O, das Haus ist sehr geräumig, gnädi 
ger Herr! — Der selige Herr Baron hat 
es für meinen Schwiegervater Gott hab' 
ihn selig, neu erbauen laffen. Deshalb 
brauchen Sie sich nicht zu sorgen, ich fürchte 
nur, daß es schwer halten wird. Sie auf 
längere Zeit vor den neugierigen Augen 
des Barbiers zu verbergen, der seine Nase 
überall hineinsteckt. Aber trinken Sie doch, 
gnädiger Herr, selbstgebrautes Altinghofer 
Bier, auf welches unser Herr Rittmeister 
sehr 'stolz ist." 
Sie füllte die beiden Gläser und freute 
sich. als Romberg das seinige auf die Ge 
nesung des Herrn Rittmeisters leerte. Im 
selben Augenblick wurde auf die Thür ge 
klopft und nachdem der Förster den Riegel 
zurückgeschoben, trat Baroneffe Ellen ein. 
Die beiden Fremden erhoben sich rasch 
und begrüßten die Dame mit einer tiefen 
Verbeugung. 
„Bleiben Sie hier, lieber Erichsen", sagte 
sie, als der Förster Miene machte, seiner 
Frau, die sich entfernte, zu folgen. 
der älteste und treueste Beamte meines 
Adoptivvaters, als mein aufrichtigster Freund, 
dürfen Sie das vollste Vertrauen beanspruchen 
und auch deshalb Alles anhören, was dl 
fremden Herren mir zu sagen haben."
	        
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