Tribune" motten von dem Interview nichts
wissen, weil es zu dumm sei. „Boston Re
cord" meint, Dewey sei zu diskret, um sich
so zu äußern. — Die „Westliche Post"
von St. Louis und die „Chicagoer Staats
zeitung" lassen durchblicken, der Inter
viewer sei mit englischem Gelde bezahlt
worden.
Nach einem Telegramm der „Newyorker
World" aus Triest bemerkte Dewey, als
ihm das Interview gezeigt wurde, das die
angeblich von ihm gethane Aeußerung ent
hält, der nächste Krieg-Amerikas werde mit
Deutschland sein, er habe gar keine Zeit,
das seit seiner Ankunft in Triest über ihn
Veröffentlichte zu bestätigen oder zu dc-
mentiren.
Schweiz.
Aus Zürich wird berichtet: Ein net
tes Sek nndärbahn -Idyll ereig
nete sich vor einigen Tagen auf der schwei
zerischen Seethalbahn zwischen Seen und
Niederhall - Dürrenäsch. Etwas außerhalb
der Station befand sich eine Scheune nahe
an der Bahnlinie. Zwischen Scheune und
Bahn stand aber noch ein beladener Fuhr-
wageni, und zwar so nahe der Linie, daß
sich Lokomotivführer und Kon
dukteur st r i t t e n, ob sie an dem
Hinderniß wohl vorbeikämen. Während der
Lokomotivführer optimistisch erklärte: „'s
goht," und Lokomotivführer und Gepäckwa
gen auch glücklich, ohne zu streifen, „vor
beisausen" ließ, rief der Kondukteur noch
mals: „'s goht net", und im nächsten Mo
ment gab's auch schon einen Puff und der
Zug stand stille. Die etwas seitwärts ste
hende Deichsel war dem Salonwagen, der
etwas breiter war, als die übrigen Wagen,
in die Seite gerannt, worauf der Zug so
fort angehalten wurde. Mit vereinten Kräf
ten entfernten Zugpersonal und Passagiere
das Hinderniß und fort gings wieder mit
sausender Gemächlichkeit das kleine Ver-
säumniß aufzuholen.
Belgien.
Sechs französische Nonnen,
die auf dem an der belgisch-französischen
Grenze gelegenen Bahnhof von Baisieux
aus Belgien angekommen waren, wollten
am Mittwoch den Bahnsteig verlassen, als
Zollbeamte sie anhielten. Ihr
Leibesumfang war so bedeutend und der
Gang der frommen Schwestern so auffallend
schleppend, daß die Zollbeamten Verdacht
schöpften. Alle sechs Nonnen erklärten
zwar mit rührender Einmüthigkeit voll
Entrüstung, daß sie nichts Steuerbares
mit sich führten, aber das half ihnen nichts.
Die Untersuchung enthüllte ein ganzes
Waarenlager, darunter 28 kg Kaffee
und mehrere Dutzende Packete Cigarrctten,
Taback, Spitzen, kurz 51 kg Waare. Alles
wurde beschlagnahmt. Der Zvllvorsteher
stellte der „Voss. Ztg." zufolge die zu
entrichtende Geldstrafe auf 1600 Frcs.
fest und bestimmte, daß die Aelteste und
Jüngste in Hast bleiben müßten, bis die
vier anderen freigelassenen Nonnen, die
einem Kloster bei Boulogne angehören,
die Geldstrafe bezahlt haben würden.
Das wirkte. Die Nonnen schafften schnell
das Geld und konnten erleichtert abziehen.
Oefterreich-Ungarn
Die Zeitschrift „Die Fackel" erinnert
an einen Vorfall, der sich vor einigen
Wochen in Wien abgespielt. In der
Militär-Schwimmschule badete eine
Abtheilung von Soldaten in aller Ruhe.
Als man abmarschirte, entdeckte man,
daß drei Mann fehlten: sie waren
gänzlich unbemerkt ertrunken. Dieser
Tage nun, so erzählt das genannte
Blatt, wurde von einem höheren Ossizier
in einem Wiener Artillerie - Regiment
wörtlich folgende Ansprache an die ins
Bad abrückenden Soldaten gehalten: „Es
soll Jeder schau'n, daß er nicht ersauft,
weil sonst der Oberleutnant und der
Hauptmann die größten Scherereien
haben, und übrigens liegt es ja auch
in eurem eigenen Jntereffe!"
Der Landwirth Szandora Szkulian in
Petromany (Ungarn) wurde in letzter
Zeit sehr von der Eifersucht ge
plagt, zumal sich seine erst kürzlich an
getraute Frau von arideren Männern
öfters die Kur schneiden ließ; namentlich
aber schwärmten die Verehrer um die
schöne Nase der Frau. Da die Bor<
würfe des Ehegatten bei der Vielum
worbenen nichts fruchteten, sann er auf
Rache und als er seine Frau Abends
schlafend fand, beugte er sich über sie und
biß ihr die Nase glatt weg. Bei
seiner Verhaftung äußerte er: „Jetzt bin
ich wenigstens sicher, daß sie niemand
mehr gefallen wird!" Der rachsüchtige
Ehemann wurde dieser Tage zu neun
Monaten Kerkers verurtheilt.
Brüun, 31. Juli. Eine von 2000
Personen besuchte Versammlung, worin Dr.
Adler-Wien heute Abend sprach, wurde nach
zweistündiger Dauer wegen heftiger Ausfälle
gegen die Regierung aufgelöst. Die Theil-
nehmer zogen sodann lärmend durch die
Stadt. Auch zwei Frauenversammlungen
wurden aufgelöst.
Dänemark.
Kopenhagen, 2. Juli. Der Mordbrenner,
über den wir berichteten, hat sich nun selbst
bei der Polizei gemeldet. Er fand sich im
Bureau ein und erklärte, er sei von G e -
Wissens bissen gequält und wünsche,
ein vollständiges Geständniß abzulegen. Er
habe sowohl den Brand im Arbeiterviertel
„Nörrebro", wobei vier Personen in den
Flammen umkamen, als auch die übrigen
Brände angelegt, die in der letzten Zeit in
Kopenhagen stattgefunden. Es ist ein Mann
von nur 20 Jahren, der schon oft be
straft war und von den Aerzten als unzu
rechnungsfähig erklärt worden ist. Er wird
nun in einem Hospital untergebracht
werden.
Inland.
Berlin, 31. Juli. Neuerdings wird
auch Graf Botho zu Eulenburg als
Nachfolger Achenbachs genannt.
Das „Kleine Journal" glaubt daran fest
halten zu können, daß der Chef des Zivil-
kabinets v. Lukanus die besten Chancen
habe.
— Liebknecht hat sich in einer Rede
gegen die Haltung der französischen
Sozialisten Jaurès und Millerand (zur
Affaire Dreyfus erklärt. Dies ist von den
französischen Antisemiten und Nationallisten
mit hoher Freude begrüßt worden Der
„Jntransigeant" bringt sie in den fettesten
Lettern unter der Ueberschrift „Millerand
und Jaurös gebrandmarkt von Liebknecht."
Die „Libre Parole" betont besonders, daß
Liebknecht gesagt habe, Millerand und
Jaurss hätten ihm geschrieben, sie wollten
durch die Affäre Dreyfus den Militarismus
vernichten. „Man ahnte lange", sagt das
Blatt Drumonts, „daß der Jnternationalis-
mus an Hochverrath streifte. Liebknecht
giebt uns den Beweis, blsroi, Liebknecht!"
Berlin, 31. Juli. Zu den Vorgängen
in Mainz wird berichtet, daß der Vorstand
der ,,R a d s a h r e r - U n i o n" schon im
Mai d. I. ein Gesuch eingereicht hatte,
daß der vom Kaiser im Jahre 1891 ge
stiftete Wanderpreis für Hochrad nicht in
freier Konkurrenz, sondern nur unter den
Siegern der früheren Jahren ausgefahren
werden solle, damit der Preis nicht mehr
ausgefahren wird. Die Erledigung dieses
Gesuches hat sich verzögert. Es scheinen
mehrere Instanzen damit beschäftigt getve-
en zu fein, und erst als der Tag des
Wettfahrens gekommen war, erfolgte tele
graphisch aus dem kaiserlichen Civilkabinet
durch den Gehermrath v. Valentin der
Bescheid, daß das Gesuch genehmigt sei.
Es ist also nicht eine plötzliche Einmischung
des Kaisers erfolgt, sondern dieser hat nur
einem an ihn gelangten Gesuch stattgegeben.
Trotzdem ist nicht recht zu verstehen, weß-
halb beim Ausschreiben des Wettfahrens
und des Preises auf dieses noch unerledigte
Gesuch nicht hingewiesen worden ist.
— Eine M a s ch i n e für me ch a n i-
che Stenographie (Stenotyper) in
vollkommener Form ist eine neue Errun
genschaft in die Bestrebungen, auf einfache
mechanische Weise auch die fließendste Rede,
die rascheste Gedankenfolge zur Niederschrift
zu bringen. Die zu diesem Zwecke erfundene
Maschine, der Stenotyper, die von den
Patentinhabern, den Adler-Fahrradwerken
vorm. Heinrich Kleyer in Frankfurt a. M.,
fabrizirt und in den Handel gebracht wird,
macht die Vortheile der Schreibmaschine für
die Stenographie nutzbar. Der Stenotyper
liefert eine neue Schrift, die für jeden Ein
geweihten unzweideutig klar und leicht les
bar ist tote jede Druckschrift. — Die Ma
schine soll nach Angabe der Patentinhaber
den Stenographen an Schnelligkeit weit
überlegen sein. Die Schrift ist kopirbar
und kann im Original oder Kopie dem Ein
geweihten sofort übermittelt werden, ohne
sie erst abschreiben zu müssen. Die Ma
schine hat nur 6 Tasten, und das Schreiben
auf ihr, die Stenotypie, ist in wenigen
Wochen zu erlernen.
Köln, 31. Juli. Als Abtheilungen des
Deutzer Pionierbataillons bei Düsseldorf eine
Uebung ausführten, stürzte ein Pionier beim
Uebersetzen über dem Rhein aus dem Kahn,
in welchem sich noch ein Feldwebel, sowie
ein Gefreiter befanden, in den Strom, ohne
daß der Feldwebel Hilfe gebracht hätte. Bon
der Militärbehörde ist inzwischen die Unter
suchung eingeleitet worden.
Im Orte Liedolsheim in Hessen wurden
43 Häuser nebst Nebengebäuden einge
äschert. Das Feuer soll durch Kinder
entzündet worden sein. — In Adelgund
an der Mose! wüthet Großfeuer. Zehn
Wohnhäuser nebst Wirthschaftsgebäudi-n
sind bereits abgebrannt.
Ludwigshafen, 31. Juli. Unsittliche
und das religiöse Gefühl verletzende Bilder
sind jetzt auch durch den K i n e m a t o
graphen in einer pfälzischen Stad!
öffentlich zur Schau gestellt worden! Das
ist das Neueste auf dem Gebiete der
„Volkserziehung". Nun sind Bezirks
ämter, Polizisten und Gendarmen in Be
wegung gesetzt worden, um solche Schau
stellungen zu verhindern. Es wäre viel
besser, wenn das Publikum selbst sich
solche Gemeinheiten verbäte und dagegen
Front machte. Dann würde es bald
besser werden.
Eine gewaltigeFeuersbrunst
wüthete in vorletzter Nacht in Lauenburg
und legte in kurzer Zeit das Wohnhaus
des Kaufmanns O. Meyer und dasjenige
des Kürschners Töpfer völlig in Asche.
Zum Ausbruch kam der Brand in dem
an der Elbe gelegenen Meyerschen Speicher-
aus völlig unaufgeklärter Ursache; in dem
an das Wohnhaus grenzenden großen
Lagerraum lagerten viele leicht brennende
Stoffe, was zur Folge hatte, daß di«
Bewohner bei dem schnellen Umsichgreifen
des Feuers nur auf das Notdürftigste
bekleidet das brennende Gebäude verlaffen
mußten.
Aus dem Gute „Sachfenwald", dem
Baron Merck gehörig und bei Friedrichs
ruh belegen, das erst vor 14 Tagen von
einem größeren Feuer heimgesucht wurde,
brach gestern Abend wieder ein Feuer in
in der Wagenremise aus, in welcher sich
auch eine Meierei befindet. Das Gebäude
brannte vollständig nieder und vermuthet
man Brandstiftung. Leider ist die ganze
Heuernte und ein großer Theil des bereits
eingefahrenen Getreides verbrannt.
Friedrichsruh, 30. Juli. Ueber die
Entstehungsurfache der letzten Feuersbrünste
auf dem Gute des Herrn Baron v. Merck
wird hier viel gesprochen. Sicher scheint
es zu fein, daß beide auf vorsätzliche
Brandstiftung zurückzuführen sind, Senn
die Umstände, unter denen beide Feuer
zum Ausbruch kamen, sind so verdächtiger
Art, daß sie eine andere Erklärung nicht
zulassen. Der angerichtete Schoden ist
sehr erheblich; in der Wagenremise sind
die schönen Wagen und Pferdegeschirre
verbrannt.
Ņxor-iņziMes.
Eine in Altona-Ottensen woh-
nende ältere alleinstehende Dame hat sich
aus Gram darüber, daß ihre einzige Schwe
ster sich vor einigen Wochen mittels Er
hängens das Leben genommen, vergiftet.
Die Lebensmüde hat ein Vermögen von
mehr als 100 000 Mk. hinterlassen.
Elmshorn, 30. Juli. Für den Bau
einer Kirche in Brockstedt sind von dem
Kaiser 8000 Mark und aus dem Kirchen
baufonds von dem Konsistorium weitere
8000 Mark als Beihülfe überwiesen. Der
Bau soll nun ehestens in Angriff genommen
werden. Der Plan ist von dem Architekten
Groothoff in Hamburg angefertigt.
Itzehoe, 31. Juli. Die Herzogin
Adelheid, deren Tod wir gemeldet, ist im
78. Lebensjahre an Magenkrebs gestorben.
Sie tvar am 9. März 1821 als Tochter
des Fürsten Georg zu Schaumburg-Lippe
geboren, seit dem 16. Oktober 1841 ver
mählt mit dem Herzog Friedrich von
Schleswig - Holstein - Sonderburg-Glück
burg, der lange Jahre bis zu seinem von
langen Leiden ihn erlösenden Tode am 27.
November 1885 auf Louisenlund bei Schles
wig residirte. In Folge der damaligen viel
fachen und langjährigen Beziehungen zn
Schleswig ist die Verstorbene der Schles-
wiger Bürgerschaft theuer und werth ge
worden. Als Wittwe lebte die Herzogin mit
ihrer unverheiratheten Tochter Prinzessin
Marie auch weiter auf Louisenlnnd, bis sie
vor einigen Jahren die Prinzessin Marie,
als sie |ur Aebtissin des Klosters in Itze
hoe gewählt wurde, dorthin begleitete. Wie
der Herzog Friedrich, der am 4. Dezem
ber 1885" in feierlicher Weise von der
Schleswiger Bürgerschaft nach der herzog
licher Familiengruft im Schleswiger Dom
geleitet wurde, wird Wohl auch die Her-
zogin neben ihrem vorausgegangenen Ge
mahl im Dom zn Schleswig beigesetzt wer
den. —<
Unter den Mäusen hat der Sturz
regen gehörig aufgeräumt. So fand ein
Landmann auf einer kleinen Weide bei
Wesselbnren über 300 dieser Nager
todt auf der Erde liegen.
Die an das Generalkommando des 9
Armeekorps gerichtete Eingabe . der städti
schen Verwaltung in H e i de ist, wie aus
dem nunmehr eingegangenen _ Bescheid
hervorgeht, ohne Erfolg gewesen; in
nächster Zeit ist keine Aussicht vorhanden.
nun eiligst wieder auf die Landstraße zurück,
wo er seinen Weg in der vorhin einge
schlagenen Richtung fortsetzte.
Als seine Schritte auf der Chaussee ver
hallt waren, verließen die beiden Männer
ihr Versteck und begaben sich auf den breiten
Fahrweg, der den schönen Wald durch
schnitt.
„Nun, das gesteh' ich, alter Freund",
begann Romberg, „ich hab' immer geglaubt,
das schärfste Jägerauge zu besitzen, muß
aber vor Dir die Segel streichen. In solcher
Entfernung diesen Burschen, den wir drüben
in Amerika wähnten, zu erkennen, — das
fordert meine ganze Bewunderung heraus."
„Dank, junger Herr", schmunzelte Paulsen,
„Joe Catton trägt den Yankee übrigens so
deutlich an sich, daß er mir hier unter meinen
Landsleuten überall kenntlich wäre. Der
Halunke, mit dem ich noch ein besonderes
Hühnchen zu pflücken habe, wie Sie wiffen
ist mir häufig genug in den Weg gelaufen,
als Spießgeselle des edlen John Alting."
„Er hat es gewagt, diesen Räuber mit
herüber zu nehmen", knirschte Romberg, „o,
daß ich mit dem entehrten Namen nur ver
schont bliebe!"
„Na, für so dumui halte ich Ihren Sties
bruder nicht, sich diese Begleitung freiwillig
aufzuhalsen", meinte Paulsen ruhig, „dem
braven Joe Cation wird drüben der Boden
allmählich warm geworden sein, und da hat
er die erste beste Gelegenheit ergriffen, um
dem Kameraden, der jedenfalls mit seinem
reichen Erbonkel geprahlt hat, nachzureisen.
Wenigstens hat der junge Herr Baron einen
tüchtigen Blutsauger an ihm bekommen."
Romberg schauderte unwillkürlich und nickte
gedankenvoll.
„Ein prächtiger Wald, nicht wahr, Herr
Romberg ?" fuhr Paulsen, der Unterhaltung
eine andere Wendung gebend, heiter werdend,
wrt, „sehen Sie sich Diese alten mächtigen
Stämme nur an, und welche sorgfältige
Hand hier waltet, welche musterhafte Forst-
kultur."
„Ja, der Wald ist schön", erwiderte der
junge Mann, zerstreut um sich blickend, „mir
gefällt dieses Land und seine Bewohner
immer mehr."
Der Alte blickte ihn mit einem humoristischen
Lächeln von der Seite an; woher hatte er
denn ein Urtheil über die Bewohner schon
gewinnen können, vielleicht durch die junge
Dame im Jagdwagen?
„Es ist aber ein recht ungemüthlicher Ge
danke, diesen Joe Catton hier plötzlich her
umschleichen zu sehen", sagte er nach einer
Weile, „mir geht dabei allerlei durch den
Kopf, die junge Dame sagte doch, daß der
Rittmeister von Alting auf der Jagd schwer
verwundet worden sei, — möchte wohl
wissen, wie das zugegangen ist."
Romberg blieb stehen und blickte ihn er
schreckt an.
„Du meinst doch nicht, daß er durch eine
fremde Kugel aus dem Hinterhalt — daß
mein Stiefbruder oder dieser Schuft von
Catton — um Gottes willen, Paulsen, der
Gedanke ist entsetzlich! Nein, nein, weshalb
auch, da er sich jedenfalls hier sicher genug
im Sattel fühlt —"
„Möglich, junger Herr", wandte der Alte
ruhig ein, „ob er aber so sicher im Sattel
sitzt, ist wohl die Frage, da Mr. John
Alting seine Mutter nicht verleugnen kann
Ein Sperling in der Hand ist jedenfalls
besser, als eine Taube auf dem Dache, und
ein reiches Erbe in unbestimmter Ferne,
das von dem Willen eines Lebenden ab
hängt, wird für den jüngsten Alting auf
die Dauer etwas Unmögliches sein. Das
geduldige Abwarten soll seine allerschwächste
Tugend sein, die er überhaupt noch haben
wird. Und nun denken Sie sich einen
Menschen, wie den Joe Catton, als An
hängsel, einen Straßenränder, der wenigstens
schon zehn Mal mit knapper Noth dem
Galgen entronnen ist, und die Rechnung
muß stimmen. Was hatte der Schuft hier
in den Wald hinein zu spüren, just wie
das böse Gewissen? Sahen Sie denn nicht,
daß er sich fürchtete, weiterzugehen, und wie
ein scheuer Verbrecher umkehrte? Ich hatte
die größte Lust, ihn durch meinen plötzlichen
Anblick bis auf den Tod zu erschrecken, weil
er mich für längst begraben hält, es wäre
aber am Ende nicht klug gewesen."
„Nein, jedenfalls sehr verfrüht, alter
Freund", erwiderte Romberg, tief aufseufzend,
„eins nur giebt mir in diesem unseligen
Familiendrama die nöthige Ruhe und Ent
schlossenheitzurück", setzte er dann, sich straffer
aufrichtend, hinzu, „nämlich die Ueberzeugung,
durch meine Gegenwart vielleicht Verbrechen
oder schweres Leid verhindern, mindestens
aber die Betrüger entlarven und verscheuchen
zu können. Und diese Mission werde ich
bestimmt erfüllen."
Romberg und Paulsen schlugen nun den
Weg nach dem Forsthause ein und fanden
sich nach der ihnen von der Baronesse er
haltenen Weisung sehr leicht zurecht. Förster
Erichsen, dem sie die nöthigen Aufklärungen
über den Grund und Zweck ihrer Reise
machten, war jetzt in ihrem Bunde der
Dritte
„Na, meine Herren, warten Sie nur, bis
die Baronesse zurückkehrt, sic ist die Einzige,
an die Sie sich als die rechtmäßige Stell-
vertreterin des Herrn Rittmeisters wenden
müssen und der Sie volles Vertrauen schenken
können", betheuerte Erichsen. „Nun aber
wollen wir erst eine Magenstärkung haben."
Erichsen entfernte sich dann auf einige
Augenblicke, um seine Frau zu benachrichtigen
und auch sie in die Sache einzuweihen.
Bald erschien denn auch Frau Erichsen, um
den Tisch zu decken. Ihre ehrlichen blauen
Augen hefteten sich forschend auf Romberg's
Gesicht und füllten sich plötzlich mit Thränen.
„Ich war bei der seligen Frau Baronin
als Kammermädchen", sagte sie dann, sich
hastig die Augen trocknend, „und wenn ick
Sie ansehe, junger Herr, so ist's mir genau
so. als sähe mich meine gütige Herrin aus
ihren Augen an Ja, gewiß, — meine
Baronin steht leibhaftig vor mir, und gut
war sie, so lieb und so gut wie ihr Aeltester,
unser Herr Rittmeister, der ihr goldenes
Her; geerbt hat. — Und wenn Sie sich
auch einen anderen Namen beigelegt haben,
junger Herr, mir machen Sie nichts weiß,
Sie sind der rechte Enkel meiner seligen
Herrschaft und auch just zur rechten Stunde
gekommen, um uns von einem Bösewicht zu
befreien."
„Da kommt der Wagen mit der Baronesse
zurück", rief der Förster in einem fast
triumphirenden Tone.
„Nun effcn Sie aber, liebe Herren",
nöthigte Frau Erichsen, „und verzeihen Sie
es einer alten Frau, daß ihr Herz mit der
Zunge davongelaufen ist. Ich habe es
immer gesagt, der liebe Gott lebt noch und
verläßt die Seinen nicht. Frühstücken Sie
(Fortsetzung solgt.j
daß Heide in die Reihe der Garnisonstädte
eintritt.
Die städtischerseits gemachten Bestrebun
gen, den Bau der geplanten neuen Prä-
oarandenanstalt für M e l d o r f zu sichern,
sind als endgültig gescheitert anzusehen.
Dieselben Bestrebungen der Stadt Heide
sind, wie gemeldet, ebenfalls fruchtlos ge
blieben. HM
** Nenmünster, 1. Aug. Der Maurer
Johann Wagner in Sarlhusen bei Brockstedt
verkaufte seine ca. 10 Hektar große Land-
ielle durch die Vermittelung des Hausmaklers
Aug. Studt in Neumünster an den Schacht
meister H. Gluszack in Cassel für 10,500
Mark incl. Inventar.
Die geringe B a u l u st in G a a r d e n
trotz des Wohnungsmangels hat theilweise
ihren Grund darin, daß man von Seiten
der Firma Krupp die Erbauung von Häu-
sern für die eigenen Arbeiter befürchtet.
Jetzt zeigt es sich schon/ daß Vorsicht in
dieser Beziehung am Platze war. Die
Firma hat sich mit einem Grundstücksbe
sitzer bereits in Verbindung gesetzt zwecks
Ankaufs eines größeren Bauterrains- um
auf demselben eirce Arbeiterkolonie für die
Arbeiter der Germaniawerft zu gründen.
Das Grundstück liegt an der Preetzer
Chaussee dicht vor der „Sophienhöhe"
und darum für die Arbeiter nicht zu weit
entfernt von der Arbeitsstätte. In diesen
Tagen wird es sich entscheiden, ob
der Ankauf vollzogen wird.
Ein aufregender Vorfall ereignete sich
Donnerstag-Nachmittag bei der Gesion-
brücke in Kiel. Ein ca. 12 Jahre altes
Mädchen, dem ein Kinderwagen mit
einem Säugling zur Obhut anvertraut
worden war, spielte mit anderen Kindern,
wobei es den Wagen ohne Aufsicht auf
der Brücke stehen ließ. Derselbe kam
infolge eines Windstoßes plötzlich ins
Rollen und lief mit dem Kinde über den
Brückenkopf direkt ins Wasser. Der zu
fällig in der Nähe anwesende Eierhändler
Zerneck wars sofort seinen Rock ab und
es gelang ihm auch, das Kind zu er
fassen und zu retten. Dasselbe hatte zu
erst auf seinem Kissen geschwommen und
hat anscheinend bei dem Unfall keinen
Schaden erlitten. Das Kind sowohl als
seine nachlässige Hüterin wurden nun per
Droschke nach Hause geschafft.
— ? Nordschleswig, 31. Juli.
Ein auf Süder - Fastrupfeld wohnender
Landmann wunderte sich nicht wenig, als
er von .einem Ausgange zurückkehrend im
Fenster der Wohnstube -einen weißet: be
schriebenen Zettel und daneben liegend 30
Mk. vorfand. Es stellte sich bald heraus,
daß in Abwesenheit des Besitzers drei
Schlachter, 2 aus Ribe und 1 aus Scher-
rebek sich wegen Ankauf eines gemästeten
Kalbes einen Eingang zur Wohnung und
zum Viehstall verschafft hatten. Ta die
drei keine menschliche Seele im ganzen
Hause vorfanden, nahmen sie kurz entschlos
sen, das int Statte stehende Kalb für das
sie als Kaufpreis 30 Mk. in's Fenster hin
legten, mit sich. Die Rechmtng ist von
thuen jedoch ohne den Wirth gemacht wor
den. Der Besitzer des Kalbes ist nämlich,
da er den wirklichen Werth des Kalbes auf
45 Mk. circa schätzte, mit dem auf diese
Weise abgeschlossenen Handel nicht zufrie
den. Es bleibt den drei Schlachtern, falls
sie eine gerichtliche Klage umgehen motten,
nichts anderes übrig, als gute Miene zu
machen, und die für das Kalb nachträglich
geforderte Summe unverkürzt zu zahlen.
Kappeln, 31. Juli. Von einer recht
unangenehmen Katastrophe ivurde am heu
tigen Morgen das zwischen hier und Schlei-
erst ein wenig, in einer Stunde wird zu
Mittag gegessen."
„Sie haben aber bei solcher starken Ein
quartierung doch sicherlich keinen Raum mebr
für uns übrig, Frau Förster!" bemerkte
Romberg besorgt.
„O, das Haus ist sehr geräumig, gnädi
ger Herr! — Der selige Herr Baron hat
es für meinen Schwiegervater Gott hab'
ihn selig, neu erbauen laffen. Deshalb
brauchen Sie sich nicht zu sorgen, ich fürchte
nur, daß es schwer halten wird. Sie auf
längere Zeit vor den neugierigen Augen
des Barbiers zu verbergen, der seine Nase
überall hineinsteckt. Aber trinken Sie doch,
gnädiger Herr, selbstgebrautes Altinghofer
Bier, auf welches unser Herr Rittmeister
sehr 'stolz ist."
Sie füllte die beiden Gläser und freute
sich. als Romberg das seinige auf die Ge
nesung des Herrn Rittmeisters leerte. Im
selben Augenblick wurde auf die Thür ge
klopft und nachdem der Förster den Riegel
zurückgeschoben, trat Baroneffe Ellen ein.
Die beiden Fremden erhoben sich rasch
und begrüßten die Dame mit einer tiefen
Verbeugung.
„Bleiben Sie hier, lieber Erichsen", sagte
sie, als der Förster Miene machte, seiner
Frau, die sich entfernte, zu folgen.
der älteste und treueste Beamte meines
Adoptivvaters, als mein aufrichtigster Freund,
dürfen Sie das vollste Vertrauen beanspruchen
und auch deshalb Alles anhören, was dl
fremden Herren mir zu sagen haben."