Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 2)

ŞML 
Hägttch erscheinendes MLatt. 
Aenlàrģer 
(Außer an Sonn- und Festtagen.) 
Wochenölall 
Bezugspreis: 
vierteljährlich 2 Ji—, frei ins Haus geliefert 
2 Ji 15 
für Auswärtige, durch die Post bezogen 
2 Ji 25 Ï 
tnd. Postprovision rc., jedoch ohne BesieLgeîd. 
ZilsertionsprciS: pro Petitzeile 15 ļ. 
AeLtestes und belesenstes Klatt im Kreise Rendsburg. 
Anzeigen für die Tagesnunnner werden bis 12 Uhr Mittags erbeten. 
—^ 92 ster Jahrgang. 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung 
dieses Blattes Vorbehalten. 
Dem Reudsburger Wochenblatt wird 
„Der Landwirth" 
(Zeitschrift für die politischen u. socialen Interest«: 
der Landwirtschaft) gratis beigegeben. 
Wo. 173; 
Donnerstag, den 27. güTt 
1899. 
Morgen-Berichte. 
Kiel, 25. Juli. Bei einer Schießübung 
auf dem „Mars" platzte eine Revolvev 
kanone. Drei Matrosen wurden leicht ver 
letzt. — 
Berlin, 25. Juli. Die ersten 8 ju 
gendlichen Telegrammboten der deutschen 
Telegraphie sind jetzt beim Haupttelegra 
phenamt in Berlin eingestellt worden. Die 
jugendlichen Telegrammbesteller erhalten 
für jedes Telegramm, das sie bestellen, 10 
şşşinig, sodaß sie einen Tagelohn von etwa 
verdienen. Ein Mindestverdienst 
chird nicht gewährleistet. Die Uniform der 
Mgendlichen Telegrammbesteller besteht aus 
der Postdienstmütze mit den zwei rothen 
Streifen und der Litewka der Posthilfsbo 
ten. — 
München, 25. Juli. Der hiesige 
Apotheker Rockenstein stürzte vom Gipfel 
ter Zugspitze ab und blieb sofort todt. 
^ M a a n, 25. Juli. Bei der Fahrt von 
Schneebcrg im Passeier verunglückten auf 
der Bergwerksseilbahn sechs Touristen in 
Folge Seilbruches. Ein Tourist aus Frank 
furt ist todt, zwei sind verwundet. 
Paris, 25. Juli. Das Blatt „Pa 
risienne" versichert, daß unter den zu ver 
nehmenden Zeugen im Dreyfusprozesse sich 
auch die Wittwe des Obersten Henry befin 
den wird. 
Paris, 25. Juli. Soeben ist der fran- 
zösich-amerikanische Handelsvertrag abge- 
schlossen worden. — Auch Esterhazy wurde 
nach Rennes vorgeladen und ihm freies 
Geleit zugesichert. — General Pellieux ist 
thatsächlich nach Quimper versetzt. Dort 
wird er Chef der 44. Brigade und unter 
steht dem Chorchef Renouard, welcher nach 
Boisdeffre wenige Wochen Generalstabschef 
war und dann nach Nantes versetzt wurde. 
Paris, 25. Juli. In dem Expreßzuge 
zwischen Paris und Lille wurde ein Ge 
treidehändler, Namens Schottemann, er 
mordet aufgefunden; die Untersuchung ist 
eingeleitet. Es konnte bisher jedoch noch 
nicht festgestellt werden, ob der Ermordete 
deutscher oder englischer Nationalität ist. 
Haag, 25. Juli. In der heutigen Si 
tzung der Friedenskonferenz wurde der 
Schiedsgerichts-Entwurf ohne 
jede Erörterung oder Abänderung ange 
nommen; er ist damit definitiv geworden. 
Die amerikanischen Delegirten gaben darauf 
eine Erklärung ab, wonach es selbstverständ 
lich sei, daß die Konvension für das 
Schiedsgericht in keinem ihrer Theile Ame- 
rika verpflichte, sich in europäische Angele 
legenheiten einzumischen, noch Europa 
zwinge, sich in Fragen, die ausschließlich 
Amerika betreffen, zu michem Die Frage 
des Beitritts zu den Konventionen seitens 
der nicht an der Konferenz betheiligten 
Staaten wurde ausführlich erörtert. Eine 
Resolution wurde nicht gefaßt, da die De 
legirten sich erst mit ihren Regierungen in 
Verbindung setzen wollen. Der Schluß der 
Konferenz ist nicht vor Sonnabend zu er 
warten. 
i e n, 25. Juli. Die „Neue Freie 
Presse" bezeichnet das Resultat der Frie 
denskonferenz als ein schmähliches. Eng 
lands Haltung sei ein Hohn auf alle Be 
strebungen, unnütze Grausamkeit in künfti 
gen Kriegen zu verhüten, und sein Vorgehen 
sei durch nichts zu rechtfertigen. 
London, 25. Juli. Eine Reuter- 
sche Meldung aus Kapstadt von heute 
Vormittag will wissen, daß die Gerüchte 
von der Demission Krüger's bestätigt wür 
den. — Andererseits wird diese Demission 
n i ch t als definitiv angesehen, zumal im 
Hinblick auf die vom Volksrath abgegebene 
Erklärung, daß Präsident Krüger "fortdau 
ernd sein volles Vertrauen besitze. — Eine 
Kapstädter Meldung des burenfreundlichen 
„Morning Leader" besagt) Nach dem neuen 
Wahlgesetz würden 12 000 bis 13 000 Uit- 
landers sofort stimmberechtigt. Diese Zahl 
werde im Laufe der nächsten Jahre wesent 
lich wachsen. Die Uitlanders würden jetzt 
im Stande sein, den ganzen Stadtrath von 
Johannesburg zu wählen. Die Geschwore 
nen in Pretoria und Johannesburg würden 
äst ganz Uitlanders sein. 
London, 25. Juli. Das Reuter'sche 
Bureau veröffentlicht folgende Depesche 
aus Pretoria: Die freundschaftlichen Be 
ziehungen zwischen dem Präsidenten Krü 
ger und dem Volksrath sind wiederherge- 
tellt. 
Belgrad, 25. Juli. Der Belgrader 
Korrespondent der „Köln. Ztq." meldet über 
die Behandlung der verhafteten radikalen 
Führer, dieselben seien während ganzer 5 0 
Stunden ohne Speise und 
Trank gehalten worden; die drei 
rüheren Minister mußten vier Tage hin- 
dttrch auf ungedieltcm Fußboden zubringen. 
Ganz besonders wurde Oberst Nikolic ge 
quält. Die Frau des Obersten, die sich in 
gesegneten Umständen befand, wurde, als 
re von der unerhörten Behandlung ihres 
Mannes erfuhr, sehr krank, gebar vorzeitig 
Zwillinge und befindet sich gegenwärtig in 
größter Lebensgefahr. Erst feitbem die aus 
wärtigen Mahnungen erfolgten, werden 
die Verhafteten nrenschlicher behandelt. 
Belgrad, 25. Juli. Der frühere ser 
bische Gesandte in Petersburg, General 
Gruic, ist hier angekommen und bis jetzt 
von der Polizei nicht behelligt worden. Der 
General macht weder, noch empfängt er 
Besuche. 
Semlin, 25. Juli. Viele serbische 
Emigranten sind hier, wie in ganz Süd 
Ungarn angekommen. Zwischen zwei sev 
bischen Geheimpolizisten und einigen Emi 
granten kam es in einem hiesigen Kaffee 
hause zu heftigen Auftritten, wobei die Po 
lizisten aber gewaltsam entfernt wurdem 
Venedig, 25. Juli. In ganz Ober- 
italien herrscht seit mehreren Tagen eine 
abnorme Hitze. Täglich kommen mehrere 
Hitzschläge vor, welche meistens einen tödt 
lichen Ausgang nehmen. 
Cleve land (Ohio), 25. Juli. Alle 
verfügbaren Sicherheitsmannschaften, etwa 
800 Mann, sind zusammenberufen worden, 
um die streikenden Straßenbahnangestellten 
im Zaume zu halten. Ein Wagen der Vor 
ortlinie, der init Frauen besetzt war, wurde 
in die Lust gesprengt; zwei Frauen erlitten 
Verletzungen. 
Me HKNdrLskÄMMerrr 
V« alles Asm. 
in Altona und Harburg 
haben dieser Tage folgende neue Eingabe 
an das Abgeordnetenhaus beschlossen: 
„Zum Gesetzentwurf, betr. den Bau eines 
Schifffahrtskanals vom Rhein bis zur Elbe. 
Nachdem unsere gemeinschaftlichen Ein 
gaben vom 27. Februar und 10. April d. 
3-/ jn denen wir die mit dem projektirten 
Rhem-Elbe-Kanal verbundenen Schädigun 
gen des nätionalen Seeverkehrs, sowie Vor 
schläge zu ihrer Abwehr darlegten, nicht die 
gebührende Würdigung gefunden haben, 
nehmen wir Veranlassung, die früheren von 
jeher von uns^ befürworteten Kanalbestre 
bungen, die auf den Bau eines sog. „ K ü- 
st e n k a n a l s " abzielten, wieder aufzu 
nehmen, um so mehr, als dieses Projekt 
unter dem Namen „Nordlinie" sich 
neuerdings vielfacher und gewichtiger Für 
sprache in weiteren Kreisen erfreut. Und 
sstit Recht, denn beim Ausbau 
dieser Kanallinie würden die schweren Schä 
digungen des deutschen Seeverkehrs vermie 
den, die der Mittellandkanal als Zubringer 
für die holländischen Häfen mit sich brin 
gen würde — im Widerspruch mit allen na- 
tionalen, auf Erweiterung des deutschen 
Seehandels und der deutschen Seemacht ge 
richteten Bestrebungen. 
Wird aber ein Kanal der Nordlinie ge 
baut, so erhält der Rhein direkte Verbin 
dung mit allen deutschen Seehäfen von 
Emden bis Kiel und Lübeck und außer sei 
nen holländischen und deutschen Mündun 
gen, die dem über Holland seewärts transi- 
tirenden Verkehr Abbruch thun würden. 
Ein solcher Kanal, der das Ziel, den 
Rheinverkehr zum Theil nach deutschen Hä- 
fen abzuleiten, erreicht, wird auch als ein 
großes nationales Werk gelten und der Zu 
stimmung weiter Kreise sicher sein können 
Auch für den innerdeutschen Verkehr ver 
dient die Nordlinie in Verbindung mit der 
Lippelinie vor der Mittelland- und Emser- 
linie den Vorzug, weil ein Wasserverkehr 
vom Westen nach dem Osten doch nur ge 
schaffen werden kann, wenn die Kanalabga 
ben in mäßiger Höhe gehalten werden.' 
Das würde aber bei dem Bau der Mittel 
land- und Emserlinie wegen der damit ver 
bundenen ungeheueren Anlagekosten von 
rund 237 Millionen nicht möglich sein, weil 
sich in -Folge dessen auch die Abgaben auf 
ihnen um etwa das Vierfache höher stellen 
müßten als auf der nur rund 61 Millionen 
kostenden Nord- und Lippelinie. 
Da mithin die befürworteten Kanallinien 
auch im national-wirthschaftlichen Interesse 
für den innerdeutschen Verkehr liegen, so 
bitten wir das Hohe Haus, vor der Entschei 
dung über den dem Hohen Haus gegenwär 
tig vorliegenden Gesetzentwurf über den 
Mittellandkanal die königliche Staatsre 
gierung zu ersuchen, möglichst bald ein Pro 
jekt der nördlichen Linie des 
Kanals mit Kostenanschlag dem Abge 
ordnetenhause vorlegen zu wollen, wie es 
dem Inhalte der Denkschrift der königlichen 
Staatsregierung über die geschäftliche Lage 
der preußischen Kanalprojekte vom 30 Ja 
nuar 1882 entspricht." 
Wir haben bereits bei der Wiedergabe des 
Engelbrecht' sehen Promcmoria in 
Nr. 165 und 166 d. Bl. die Bemerkung 
hinzugefügt, daß es wohl keinem Zweifel 
unterliegen möchte, daß eine Untersuchung 
auch in finanzieller, technischer und militä 
rischer Hinsicht nur zu Gunsten der n ö r d - 
lichen Kanallinie ausfallen würde. 
Die Handelskammern in Altona und Har 
burg sind also bei Prüfting der Sachlage 
wenigstens in handelspolitischer Beziehung 
zu gleichem Ergebnisse gelangt. 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Roman von E. v. Linden. 
<Mchdruck verboten.— Ucbersetzungsrccht vorbehalten.) 
Der Barbier trat ein und bedauerte, daß 
der gnädige Herr ntdbt an dem Vergnügen 
theilnehmen könne. 
„Und dazu ein solches Jagdwetler, na, 
die vornehme Gesellschaft knallt aber auch 
schon tüchtig drauf los. — Sieh, sieh, die 
Wunde macht sich gut, der gnädige'tzerr 
haben gesundes Blut und eine glückliche 
Hand, denn sonst —" 
»Was meint Ihr damit, verdammter 
Pflasterschmierer", fuhr Hans Justus ihn 
wild an, „glaubt wohl gar, ich hätt's mit 
Fleiß gethan?" 
„Gott bewahre", stotterte der Barbier 
tödtlich erschrocken, „jch meine ja nur, daß 
der gnädige Herr sich gefährlicher hätte ver 
letzen können." 
"Unsinn, dazu gehört keine glückliche Hand, 
'ch war zu sorglos, dachte nicht an die 
Ladung __ Zufall ist Alles im Leben." 
„Gewiß", stimmte der Barbier demüthig 
bet, hütete sich a (, e r, e i n Wort hjnru ;u 
fe^en, aus Furcht, die böse Laune seines 
Patienten noch drohender zu steigern. Er 
legte mit zitternden Händen den Verband 
an und freute sich, mit heiler Haut hinaus 
zu kommen. 
„Mög' der Herrgott den Herrn Ritt 
meister noch lang' uns erhalten", flüsterte 
er draußen im Vorbeigehen dem Kutscher zu, 
„der drüben im Thurm ist ein Schlimmer!" 
»Das weiß der Himmel", murmelte der 
futscher im Weitergehen, „der Herrgott wird 
der wohl ein Einsehen haben." 
Die Stunden vergingen, der schöne Wald 
war belebt von Jagdlust und Hundegekläff, 
doch hatten die alten Herren noch nicht viele 
Beute erschossen und die Mehrzahl war froh, 
als zum Frühstück in der Försterei geblasen 
wurde. 
„Hören Sie, Freund Alting", sagte der 
behäbige Herr von Römhild, der dem Weine 
tapfer zusprach, „Sie haben mir den schönsten 
Rehbock durch ihre Unruhe verscheucht. Jch 
protestire dagegen, in Ihrer Nähe zu bleiben 
Zum Henker, waren doch sonst ein guter 
Schütze, aber nun ist man seines Lebens 
nicht mehr sicher, Sie hantiren ganz ge 
fährlich mit Ihrer Flinte, können sich und 
Anderen ein Leides damit anthun, nur nicht 
dem Wilde, das Ihnen eine Dank-Adreffe 
widmen müßte." 
Ein lautes Gelächter und Bravo lohnte 
den Redner, während Baron Alting nach 
denklich im Kreise umherblickte und nach ein 
getretener Ruhe dem alten Freunde Recht gab. 
Ich weiß nicht, ob's au mir oder an 
meiner Flinte liegt, daß mir jeder Schuß 
Beschwerde macht", meinte er kopfschüttelnd, 
„mein Förster soll den Lauf mal unter 
suchen." 
„Ach was, wir werden zu alt für die 
Jagd", bemerkte ein grauhaariger Graf, 
„müssen das Sportwesen der Jugend über 
lassen. Ihr Arm wird ein bisckien steif 
sein, lieber Baron! Schade, daß Ihr Neffe 
sich selber kampfunfähig gemacht hat", setzte 
Alexandria 25. Juli. Wie die „N. 
Fr. Pr." Alexandriner Blättern entnimmt, 
ist es am 8. d. M. in Alexandrien der 
Pest wegen zu einem Krawall gekommen, 
der mehrere Stunden andauerte und in 
förmliche Revolte auszuarten drohte. Die 
beiden Sanitätsärzte Dr. Camerini und 
Dr. Coloridis hatten sich nach der Anasta- 
sigasse begeben, um eine dort angeblich an 
der Pest erkrankte Frau zu untersuchen. Sie 
wurden aber von einer mehrhundertköpfi 
gen Menge, unter der es auch viele Euro 
päer gab, beschimpft. Die Leute schrien fort 
während: „Nieder mit der Polizei! Nie 
der mit dem Sanitätsräkhe! Wir brauchen 
keine Aerzte, da wir auch keine Pest haben! 
Die Pest werde nur von den Aerzten erfun 
den!" Als die Menge zu Thätlichkeiten 
übergehen wollte, flüchteten die beiden 
Aerzte in eine nahe Apotheke und verbar 
gen sich dort. Die Menge stürmte jedoch 
die Apotheke. Da sie aber die Aerzte nicht 
fand, man hatte beide Aerzte unter 
dessen durch eine Hinterthür entschlüpfen 
lassen — so stillte sie ihre Wuth dadurch, 
sie in 5er Apotheke 5as Oberste zu UN-» 
test kehrte und dieselbe gehörig plünderte. 
Man holte die Wache herbei, doch diese war 
der aufgeregten Menge gegenüber ohnmäch 
tig. Endlich ließ man zwei Feuerspritzen 
kommen und in Aktion treten, und deren 
Wasserstrahlen gelang es auch, die erhitzten 
Köpfe ein wenig abzukühlen, worauf die 
Menge sich verlor. Später nahm die Po- 
nzm mehrere Verhaftungen vor. 
Eine der bekanntesten Sensationsaffairen 
der letzten Jahre, die weit über Amerika 
hinaus ungeheures Aufsehen erregte, ist 
in den letzten Tagen in ein neues Stadium 
getreten. Der in der New-Yorker Ge- 
iellschasl wohlbekannte M i l l i o n ä r M r. 
Molineux wurde am Donnerstag von 
der Jury, die zum dritten Male über ihn 
zu urtheilen hatte, des Mordes an 
Mrs. Adams schuldig erkannt. 
Molineux hat, wie man sich erinnert 
einer ganzen Anzahl von Mitgliedern 
eines Brooklyner Klubs in Form eines 
anscheinend harmlosen Trunks Gift ge- 
andt. Einer der Empfänger nahm seine 
Flasche nach Hause und offerirte davon 
Mrs. Adams, die an den Folgen des 
Glftgenusses starb. Die Affaire ist sehr 
mysteriös und bedarf immer noch näherer 
Aufklärung. 
er bedauernd hinzu, „ich hätte ihn gar 
gern bei der Jagd beobachtet, und wäre zu 
diesem Zweck mitgeritten. Er soll ja ein 
ganz ausgezeichneter Jäger sein." 
„Nun, an Tollkühnbeit wird's ihm nicht 
fehlen", erwiderte Alting kurz. 
„Dann bedauere ich seinen Unfall nicht", 
nef Romhild scharf dazwischen, „tollkühne 
Experimente verderben jede Jagd und bringen 
nutzlos in Gefahr. Jch brauche mich wenigstens 
jetzt nicht um Sohn und Tochter zu ängstigen." 
Der brüske Ausfall des alten Landedel 
manns verstimmte besonders den feiner 
orgamsirten Grafen, was Baron Alting zu 
dem Scherz veranlaßte, daß sein Neffe aller 
dings in dieser Hinsicht noch etwas von 
einem ungeleckten Bären an sich habe, was 
man dem Urwald- und Prairie-Jäger zu 
Gute halten müsse, aber auch die Aeußerung 
des Herrn von Römhild vollständig recht 
fertige. 
Man erhob sich, um nach dieser Er- 
frischungspausc die Jagd fortzusetzen. 
„Erichsen", sagte der Baron, seinen Förster 
auf die Seite ziehend, „Sie könnten vorher 
meine Flinte mal nachsehen, es scheint etwas 
daran nicht in Ordnung zu sein." 
„Zu Befehl, Herr Rittmeister", erwiderte 
der Förster, „habe auch zu melden, daß ich 
den Amerikaner, nämlich den Bedienten vom 
jungen gnädigen Herrn, vorhin gesehen 
habe." 
„So, was will er denn?" fragte der 
Baron die Brauen finster zusammenziehend. 
„Weiß nicht, Herr Rittmeister, er schlängelte 
sich in den Wald, — weiß der Henker, wie 
gut sich der Bursche mit den Hunden steht, 
unsere schlagen nicht an und auch die 
fremden knurren nicht einmal." 
„Nun, das thun unsere Jagdhunde über 
haupt nicht, — oder trug er keine Jäger 
kleidung?" 
. „freilich, er sieht jetzt ganz proper aus, 
will den Waidmann herauskehren und die 
Köter überlisten. Der Bursche wird die 
richtige Witterung haben." 
„Behalten Sie ihn, wenn's angeht, im 
Auge, Erichsen!" 
„Zu Befehl, Herr Rittmeister!" 
Der Förster untersuchte die Flinte. 
„Hm, ganz richtig scheint's nicht damit 
zu sein", meinte er kopfschüttelnd, „kann im 
Augenblick nicht sagen, was es ist, der Lauf 
scheint etwas verbogen zu sein. Es wäre 
besser. Herr Rittmeister würde eine von 
meinen Flinten nehmen." 
„Gut, geben Sie her, Erichsen, die Sache 
ist mir völlig räthselhaft." 
Der Förster brachte ihm seine beste Flinte 
und lud sie mit Rehposten. 
„Ich dächte, eine Kugel wäre sicherer", 
meinte der Baron, „doch kann ich diese 
Ladung erst verbrauchen. Geben Sie mir 
nur noch die nöthigen Kugeln, ich habe 
heute entschieden Unglück gehabt und muß 
die Scharte auswetzen." 
Mit fröhlichem Halloh ging's wieder in 
den Wald, da das zur Strecke gebrachte 
Wild noch nicht bedeutend war. Die Jäger 
nahmen ihre alten Stellungen wieder ein 
und^ bald fielen von verschiedenen Seiten 
Schüsse, auch Baron Alting hatte Glück, 
er erlegte einen Prächtigen Bock, der flüchti 
gen Fußes durch die Büsche brach, sich aber 
wieder aufraffte, um nach einer anderen 
Seite die Flucht fortzusetzen. Alting lud rasch 
mit einer Kugel, doch bevor er anlegen 
konnte, stürzte er mit einem schwachen Schrei 
zu Boden und blieb hier bewußtlos liegen. 
Hinter einer alten Eiche lugte in diesem 
Augenblick ein abscheulich grinsendes Gesicht 
hervor, das blitzschnell verschwand, als ein 
Hund anschlug und der Förster Erichsen, 
der sich in einiger Entfernung von seinem 
Herrn postirt hatte, eiligst herankam. 
„Es war mir doch, als hörte ich einen 
schrer" murmelt- er, „mir ist just, als 
müsse heut' ein Unglück passiren. Wollte 
wirklich, ich hätte mich gleich dicht an ihn 
herangequetscht — Cäsar, was hast Du zu 
winseln — Herr Du mein Gott, dort liegt 
Jemand —" 
Er stürzte hinzu und stand wie erstarrt 
neben seinem Herrn, der, die Flinte noch 
krampfhaft mit der Rechten umklammernd 
blaß und unbeweglich auf dem Boden lag. 
Bevor er ihn anrührte, stieß er mit lang 
gezogenen Tönen in sein Horn, daß es wie 
Rolands Stcrberuf bei Ronceval erscholl. 
Dann kniete er bei ihm nieder, um zu unter 
suchen, ob er sich vielleicht selber verwundet 
hatte, öffnete ihm vorsichtig die graue Joppe 
und schrie entsetzt auf, als er einen Blut 
fleck auf dem weißen Flanell-Oberhemd er 
blickte. 
„Hülfe! Hülfe!" schrie er gellend, mit 
dem ganzen Aufgebot seiner kräftigen Lungen 
und stieß dann wieder wie wahnsinnig in's 
Horn. 
Von allen Seiten eilten die Jäger be. 
reits herbei und standen nun enlsctzt bei 
dem Anblick, der sich ihnen darbot. 
„Da haben wir's", schrie Römhild außer 
sich, sagte ich's nicht vorhin, daß es ein 
Unglück geben müsse mit seiner fabelhaften 
Unruhe?" 
„Das lag nicht an seiner Flinte", brachte der 
Förster mühsam hervor, „ich vertauschte sie 
chm mit meiner besten Büchse. Kann's nicht 
fassen, daß er sich damit an der Brust hat 
verletzen können." 
„Bor allen Dingen muß der Herr Baron 
in's Forsthaus geschafft werden, —" sagte 
der Notar, der sich rücksichtslos Platz ge-
	        
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