Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

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Wo. 169. 
Mittwoch, öen 22. Irtti 
1896. 
Wļoraen-Deveî«ûen 
Berlin, 18. Juli. Der Kaiser ist gestern 
Abend 11 Uhr vor Molde nach etwas be 
wegter Fahrt eingetrosten. Das Wetter 
scheint sich aufzuklären. An Bord ist Alles 
wohl. 
Berlin, 22. Juli. Das preußische 
Ministerium für Handel und Gewerbe hat 
die Vorbereitungen zur Ausführung des 
Börsengesetzes bereits eingeleitet. Nach 
einer Zuschrift an die kausmännischen 
Körperschaften und Handelskammern soll 
es in Betreff der Ausübung der Aufsicht 
über die Börse in Preußen im wesent 
lichen bei dem Bestehenden bleiben, doch 
soll von den die Aufsicht führenden Körper 
schaften auch die Aufsicht über die Küiidiguiigs- 
bureaus, Liquidationskaffen, Liquidations 
vereine rc. übernommen werden. 
Berlin, 21. Juli. Im „Reichsanz." 
wird eine Verordnung des Bremer Senats, 
betreffend das Verbot der Einfuhr von 
Schweinefleisch aus Rußland, vom 19. Juli 
1896 veröffentlicht. 
Berlin, 21. Juli. In einer Versamm 
lung der Bäckermeister der Innung „Ger- 
wania" theilte das Vorstandsmitglied 
Winkler mit, daß er eine Audienz bei dem 
Anterstaatssekretär Lohmann gehabt habe. 
Dieser habe seine Mißbilligung darüber 
ausgedrückt, daß die Bäckermeister gegen 
°en Maximalarbeitstag agitiren; es wäre 
Wichtiger, mit gutem Willen vorzugehen, 
^nn würde man schon einig. 
Görlitz, 2l v Juli. Gestern Abend 
ü'urde, wahrscheinlich infolge einer Explo- 
j} cn von Benzin, die Glasschleiserei der 
Gebrüder Putzler in Penzig durch Feuer 
Zernichtet, 3 Personen erlitten schwere 
Brandwunden 
Breslau, 21. Juli. In der Pulver- 
-abrik zu Kriewald ist das Pulvermagazin 
wit 100 Centnern Pulver in die Lust ge- 
flogen. Der diensthabende Wächter wurde 
getödtet. 
Myölowitz, 21. Juli. An der soge 
nannten Dreikaiser-Ecke erschoß ein Kosak 
einen die russische Grenze ohne Paß über 
schreitenden österreichischen Bauern; ein 
darauf herbeieilender Finanzbeamter wurde 
von ihm angeschoffen. 
, Glciwitz, 21. Juli. Bei Laband stürzten 
bî" Arbeiter und zwei Knaben im Alter 
Von ix und 13 Jahren aus einem Coupee 
des Personenzugcs; alle drei wurden über- 
şahren und sofort getödtet. Das Unglück 
geschah durch Anlehnen an die Thüre, 
welche sich öffnete. 
« 
Czernowitz, 21. Juli. In der Kaserne 
des Jnfanterie-Regiments Erzherzog Eugen 
wurde unter dem Verdachte sozialistischer 
Agitation ein Zugführer verhaftet. 
Budapest, 21. Juli. Der Onkel des 
russischen Zaren, Großfürst Wladimir, 
weilt seit einigen Tagen im strengsten 
Incognito hier. Derselbe kam von Nizza 
und besichtigte in Begleitung eines Dol 
metschers mehrmals die Millenniums-Aus 
stellung. Der Großfürst bleibt noch einige 
Tage in Budapest und erwartet hier den 
Großfürsten Michael, welcher morgen an 
kommen wird. 
St. Etienne, 21. Juli. Der Minister 
des Innern kassirte den Beschluß des hie 
sigen Gemeinderaths, wonach 10000 Frcs. 
für die Entsendung von Delegirten zum 
internationalen Sozialistenkongreß in London 
bewilligt wurden. 
Athen, 21. Juli. In der Umgebung 
Kandias und in Kandia selbst haben 
Christenmassacres stattgefunden. Biele 
Christen wurden getödtet und verwundet. 
Der Bevölkerung hat sich eine ungeheure 
Panik bemächtigt. Die Christen wandten 
sich um Hilfe an die Consuln, die aus 
Kanea telegraphisch Kriegsschiffe erbaten. 
Christiania, 21. Juli. Der Storthing 
verwarf mit 58 gegen 56 Stimmen die 
Verlängerung der interimistischen Erhöhung 
des Zuckerzolls, verwarf einstimmig die 
Verlängerung des erhöhten Petroleumzolles 
und lehnte mit 74 gegen 40 Stimmen die 
Einführung eines Fleischzolles ab. 
London, 21. Juli. Im Prozeß Jameson 
wurde der Antrag des Vertheidigers des 
Angeklagten, die Klage für unzulässig zu 
erklären, abgelehnt. 
Ausland. 
Frankreich. 
Paris, 20. Juli. Ueber das „ Atten 
tat" gegen den Präsidenten Faur e ist die 
Untersuchung beendet. Der Attentäter 
Francois gehört 'zur Gattung der vom 
Verfolgungswahn heimgesuchten Grapho- 
inanen. Eines Verbrechens ist er nicht zu 
bezichtigen; er wollte des Präsidenten Auf- 
merksamkeit auf sich und seine Amtsent- 
laffung ziehen Daß er sich dabei eines 
Revolvers bediente, war ein Zufall; ein 
Schwärmer oder Feuerfrosch, wie sie am 
Abend des Nationalfestes zu Dutzenden 
losgingen, hätten denselben Dienst gethan. 
Die Haussuchung in seiner Wohnung er- 
gab nichts Verdächtiges; außer einigen 
Revolverpatronen fand man nur Flug- und 
Bittschriften, satirische Gedichte und 
literarische Entwürfe. 
Toulouse, 21. Juli. Der Appellations- 
hos verurtheiltc den Deputirten Jaurss 
und die Zeitungen „Depesche" von Tou 
louse und „Petite Republique" von Paris 
zu 15 000 Francs Schadenersatz zu 
Gunsten des Direktors der Glasfabriken 
in Carmaux, Reffeguier, der sie wegen 
Berläumdungen und beleidigender Aeuße 
rungen, welche sie über ihn während des 
Ausstandes der Glasarbeiter zu Carmaux 
verbreitet hatten, verklagt hatte. 
Italien. 
Olevano, 21. Juli. Im Rathhause 
wurde gestern das vom deutschen Künstler 
verein in Rom geschenkte Relief des 
deutschen Kaisers enthüllt. Der 
Bürgermeister hob in seiner Ansprache, die 
mit einem Hoch auf den Kaiser Wilhelm 
schloß, hervor, daß vielleicht zum ersten 
Male das Bildniß eines fremden Fürsten 
in einer italienischen Gemeinde enthüllt 
werde. Allein Kaiser Wilhelm sei für 
Olevano nicht fremd, weil er Grundbesitz 
dort habe, auch für Italien sei er nicht 
fremd, weil er dessen Freuden und Leiden 
theile. Alsdann wurde die deutsche Na- 
tionalhymne gespielt. 
Griechenland. 
Athen, 21. Juli. In Heraklion wurden 
10 Christen getödtet und mehrere verwun- 
det. Zwei Kriegsschiffe gingen von Kanea 
nach Heraklion ab. Die englischen und 
französischen Schiffe sind in Heraklion ein 
getroffen. 400 Flüchtlinge trafen Montag 
in Santorin ein und schilderten die. Lage 
in Kanea als äußerst ernst. 
Oefterreich-Uņgarņ. 
Wien, 21. Juli. Auf den galizischen 
Gütern des bekannten Millionärs Grasen 
Baworowski streiken alle Landarbeiter, 
weil ihnen seit vier Monaten kein 
Lohn ausbezahlt worden ist. 
Wien, 21. Juli. Gestern fand hier 
eine große Protestversammlung alt 
katholischer, griechischer, evangelischer und 
anglikanischer Glaubensgenossen gegen die 
letzte Encyklica des Papstes statt, wobei 
der Anspruch auf Unfehlbarkeit als eine 
Anmaßurg bezeichnet wurde, die hindernd 
sei für die Einigung aller christlichen Kirchen. 
Prag, 21. Juli. Nach einer Meldung 
der „Prager Ztg." aus Teplitz havarirte 
bei Malschwitz der Hrn. Naumann gehörige, 
von Aussig abgeschwommene und mit 
30 Waggons Rohzucker und 5 Waggons 
diverse Güter beladene Kahn vollständig. 
Die einen Werth von 80 000 Gulden 
repräsentirende Ladung war bei der Frank 
furter Feuerversicherungs-Gesellschaft asse- 
curirt. 
England. 
London, 22. Juli. Den Mitgliedern des 
Sozialisten-Kongreffes sind seitens der 
städtischen Behörde die Parkanlagen sowie 
ein Musikkorps zur Verfügung gestellt 
worden. Die Blätter erklären diese Haltung 
für unerhört. — Der Präsident des 
Organisationskomitees erklärte einem Jour 
nalisten, daß die öffentliche Kundgebung, 
am kommenden Sonntag großartiger sein 
werde, wie jemals eine. Das Publikum 
und die Kongreßmitglieder werden sich am 
Themsequai versammeln. Zwölf öffent 
liche Estraden werden unter freiem Himmel 
errichtet. Um 3Uhr beginnen die 
Reden. England ist durch 419, Deutsch 
land durch 35, Frankreich durch 17, Bel 
gien durch 8, Holland durch 6, Schweden 
durch 2, Portugal, Italien nnd die Schweiz 
durch je einen, Amerika durch 4 und 
Australien durch 5 Delegirte vertreten. 
Spanien. 
Madrid, 21. Juli. Die „Gazeta de 
Madrid" veröffentlicht ein Decret, nach 
welchem vom 25. Juli ab die zweite 
Columne des Zolltarifs für die deutschen 
Producte in Anwendung kommt. 
Türkei. 
Konstantinopel, 20. Juli. Es sind aber 
mals drei Arbeiter, zwei Italiener und 
ein Armenier, beim Bahnbau der Ver 
längerung der Smyrna-Casiaba-Bahn zur 
Anatolischcn Linie von Kurden ge 
tödtet worden. Dieselben wurden in 
der Nacht vom 5. auf den 6. d. M., von 
der monatlichen Lohnauszahlung heim 
kehrend, 57 Kilometer von Alaschehir ent 
fernt, überfallen, ausgeraubt und ermordet. 
Seit dem Beginn des genannten Bahn- 
baues sind mehr als fünfzig Arbeiter 
verschiedener Nationalität ähnlichen Ge 
waltthätigkeiten zum Opfer gefallen. 
Inland. 
ie Kiel. 
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§m Manne dunkler Hervalten. 
Roman von Elfried v. Hohenstein. 5 
„Ein Wucherer," preßte Hugo wie zwischen ge 
flossenen Zähnen hervor. „Ein Mensch, von dein sich 
>sver Rechtschaffene mit Widerwillen nnd Verachtung 
bbivenden muß! Und dieser Nichtswnrdigc ist der Va'- 
ļ' r der schönsten und reinsten Mädchens. Welch' ein 
Züchtbarer Schlag, wenn sie jemals erfährt, was ihr 
- bisher verborgen blieb." 
* Wieder lachte Albert bitter und spöttisch. „Weißt 
?■» so gewiß, daß sic wirklich ganz ahnungslos ist?" 
,bn>crkte er weawcrleud. «Ich möchte nickt darauf 
schwören." 
„Hüte Dich, in diesem Ton fortzufahren!" 
«Nur kaltes Blut! Ich dränge Dir meine Meinung 
^cht auf, aber sie ausznsprechen wirst Dir mir wohl 
« e 11aitt!i. Wenn ich bcntc einem Arzt erzähle, dahin 
Allier Familie Anlage zu Geistesstörungen herrscht, 
daß verschiedene meiner Angehörigen an dersel- 
. heimtückischen, schleichenden Krankheit starben, so 
. irb et n ,j r taten, auf der Hut zu sein und auf das 
^ringste Anzeichen des Uebels genau zu achten So 
vj?»cher zärtlich besorgte Vater, so manche ängstliche 
-Ritter würden Bedenken tragen, mir ihr Kind zur 
cfr s ' M ö» geben. Ich hege die Ansicht, daß eê mit den 
^haraktereigeilschafte» ebenso ist, wie mit der An- 
zu diesem oder jenem unheilbaren Leiden, und 
"-halb empfinde ich ziemlich stark ausgeprägtes Miß- 
auen gegpn bi e Tochter des Wucherer« " 
«Schweige!" 
«Wozu dieses Auffahren? Glaube, was Du willst. 
„ hörte ich jedoch, daß Du bisher ihr in- 
h,, 1 ! . f * m "Icht ergründen konntest, sondern sie 
uur m Gesellschaft sahest." 
«Aus ihren Augen spricht eine reine Seele." 
. ,,«.ea, dieseni Einwand gegenüber muß ich freilich 
^rst'immeir." erwiderte Albert sarkastisch. „Für mich 
t 1 ;; 1 ' Zeit der Schwärmerei ebenso vorüber, wie die 
K* bunden Vertrauensseligkeit. Ich an Deiner Stelle 
"Ule nu» einmal den Berdacht, daß Vater uub Toch- 
Berlin, 20. Juli. In Frankreich wirkt 
noch immer der Eindruck fort, den die 
letzte ritterliche Aufmerksamkeit Kaiser 
Wilhelm's gegen das hülflose französische 
Packetboot „General Chanzy", sowie auch 
sein Auftreten unter den französischen Fahr 
gästen hervorgebracht hat. Fast haben 
ter sich recht gut verstehen, nicht unterdrücken. In Ber 
lin würde Lintz den vornehmen Schwiegerjohn niemals 
gefunden haben, die junge Dame hegt aber wahrschein 
lich den Ehrgeiz, unter dem Schutze eines alten hoch. 
geachteten Namens eine Rolle in der Welt zu spiele». 
Du magst mich immerhin einen Zweifler nennen, aber 
bekehren wirst Du inich nicht. Man inißbrancht Deine 
Leichtgläubigkeit. Was wir uns als Kinder erzählen 
ließen, von der duftenden Blume mit silberweißen 
Blättern, die dem giftigen Sumpf entsproßt, ist und 
bleibt eine Fabel. Ji» menschlichen Leben mögen der» 
artige Wunder nur in beu seltensten Fällen geschehen. 
Viel eher glaube ich an die Berechtig'.mg des bekann 
ten Sprichlvortes: „Der Apfel fällt nicht weit vom 
Stamm." 
Melanie vernahm nicht mehr, was Hugo erwiderte. 
Wie eine Wahnsinnige floh sie in das dichteste Busch 
werk hinein, hielt sich mit wildklopfendem Herzen dort 
einige Zeit verborgen und eilte dann durch die einsam 
sten und die menschenleersten Straßen nach dem Hause 
zurück. 
Als die Tieferregte wieder das Zimmer betrat, das 
sie vor kurzem !o sorglos nnd freudig verlassen batte, 
erfaßte sie der Jammer mit furchtbarer Gewalt. Wie 
von unsichtbarer Hand zu Boden geschleudert, sank sie 
nieder und aus ihrer Brust rangen sich Klagetöne, die 
dem Röcheln einer Sterbende» glichen. Ein unbeschreib 
licher Sturm tobte in ihr. Niedergebrochen, in Trümmer 
gestürzt, war dasGebäude stolzer Hvffnnngen.verilich- 
tet der Glaube an den Vater, der ihr das Bcrehrungs- 
würdigstr ans der Welt gewesen, der ibr stets so ehr- 
furchtgcbietend in deni Schmuck des Silberhaares er 
schienen. Kanin vermochte sie auszudenken und zu be 
greifen. Und zu dem Schmerz gesellte sich ein Gefühl 
tiefster Demütigung, gegen welches sich ihr ganzer Stolz 
aufbäumte. Wie Tropfen ätzenden Giftes war, ivas sic 
im Park von Monceanx veriioiiimeu, in ihre Seele ge 
fallen. So jät) ans glücklicher Ahnungslosigkeit gerissen, 
klammerte sie sich gewaltsam au den letzten schwachen 
Zweifel. „Es isi Verleumdung!" stüsterlen ihre Lippen 
unaufhörlich und mechanisch. „Nein, nein! Grauenvolle 
schon die Republikaner Ursache, eifersüchtig 
auf den deutschen Monarchen zu sein, der 
sich die Herzen ihrer Landsleute zu ge 
winnen weiß. Es entspricht durchaus der 
Stimmung, die in Frankreich herrscht, 
wenn der „Figaro" noch etwas Näheres 
über die Rettung des „General Chanzy" 
hat erfahren wollen nnd deshalb von Hrn. 
Berg, dem Vertreter der schwedisch- 
norwegischen Eisenbahnen, der bei der 
Strandung zugegen war, Erkundigungen 
eingezogen hat, die den Bericht des Malers 
Forcade ergänzen. Wie andere Fahrgäste, 
führt Berg die Schuld an der Strandung 
auf die norwegischen Lootsen zurück. Die 
Haltung des Kapitäns und seiner Offiziere 
war über alles Lob erhaben; aber ohne 
die vom Kaiser gesandte Hülfe wäre das 
Schiff auf den Felsen des Nordfjords zu 
Grunde gegangen. Berg erzählt die An- 
kunft der Franzosen in Stalheim in ähn 
licher Weise wie Forcade, auch die Ge 
schichte mit dem Frühstück, und fügt dann 
hinzu: Nach dem Frühstück stieg der Kaiser 
mit den Touristen zu den Wasserfällen von 
Stalheim hinab; er schritt bis zu dem 
äußersten Abhang vor und legte so vor 
den Franzosen, von denen ein einziger ihn 
durch einen Stoß gegen die Schulter in 
den Abgrund hätte stürzen können, seine 
Ueberzeugung an den Tag, daß von einem 
Franzosen kein hinterlistiger Anschlag zu 
befürchten sei und daß er sich unter ihnen 
in vollkommener Sicherheit befinde. In 
der darauffolgenden Nacht strandete der 
„General Chanzy". Sobald der Kaiser 
davon erfuhr, beauftragte er den Kapitän 
der „Gefion", dem Kapitän des „General 
Chanzy" sein Bedauern auszudrücken und 
zuzusehen, ob er Hülfe leisten könne. 
Hierauf erfolgte das Rcttungswerk. Berg 
schließt seine Erzählung mit den Worten: 
Der Kaiser beschränkte sich bei seiner Hülfe- 
leistung nicht darauf, sein Schiff hinzu 
senden, sondern ließ sich Stunde um Stunde 
über den Gang der Arbeit berichten. Um 
1 Uhr früh sandte der Kaiser seine letzte 
Depesche an den Kapitän v. Eichstädt, be- 
glückwünschte ihn, seine Aufgabe so gut 
ausgeführt zu haben, und sprach seine 
Freude über die Flottmachung des franzö 
sischen Dampfers aus. Der „Figaro" 
bemerkt zum Schluffe: An Bord der 
Schiffe „General Chanzy" und „Gefion" 
fand ein Aust ausch von Höflichkeiten 
statt; der Kapitän des englischen 
Schiffes aber ließ sich seine Hülfe mit 
theurem Gelde bezahlen. 
Wahrheit!" klang es ihr plötzlich wie ein schluchzender, 
verzweiflnngsvoller Aufschrei in die Ohren. Zitternd 
sprang sie empor und blickte verivirrt um sich. Hatte 
sie die Worte wirklich gerufen, oder waren sie nur ein 
Produkt ihrer überreizten Phantasie gewesen, die in 
nnerschöpslicher Fülle bange Schreckbilder hervorzau 
berte? Doch wohl das letztere. Aus dem Korridor nnd 
in den Zimmern ertönten flinke Schritte, fröhliches 
Lachen und mancher übermütige Scherz. Möbel wur 
den umgestellt, leise an einander klirrende geschliffene 
Gläser vorbei getragen. Man rief, fragte, antlvortetc, 
beivnnderte nnd tadelte. Alles das vernahm die Ein- 
faine, wie aus lveiter Ferne. Das Blut drängte ihr 
siedend heiß nach den Sckläfen und rauschte gleich bran 
denden Meerestvoge». Die Hände krawpşhaft in ein 
ander verschlungen, stand sie am Fenster und spähte nach 
der Richtung, aus welcher der Vater koiiiinen mußte. 
Jede Sekunde debute sich zu einer Ewigkeit der Qual. 
Grell schien die Sonne aus das Straßenpflastrr, daß 
es blendend weiß aussah. Vor den starrblickenden Augen 
deS Mädchens, tu welche keine wohlthätige Thräne 
trat, begannen sich farbige Kreise zu drehen. Eine 
Schwächere hätte wohl geweint vor Schmerz und Angst, 
aber es giebt Naturen, welche das nnverfchickdele Leid 
mit wildem Trotz erfüllt; zu ihnen gehörte Melanie. 
Fast schien eS, als hätten ein Engel und ein Dämon 
zugleich ihre Saat in das junge Herz gestreut. Ob die 
gute oder die döse aufgehen würde, diese Frage zu lö 
sen, mußte der Zeit überlassen bleiben. 
Frau von Vriflon öffnete nach flüchtigem Klopfen 
die Thür und fragte lächelnd: «Wollen Sie uns nicht 
etwas helfen? Der Saal ist. lote ich glaube, reizend 
ausgestattet, aber in den Nebenräumen giebt eê noch 
viel zu ordnen." 
„Verzeihen Sie. Ich fühle mich nicht wohl," erwi 
derte Melanie, ihr Tuch an die Stirn pressend. 
„O, das thut mir leid! Wie schncebleich Sie sind!" 
bedauerte die Vielbeschästigte, ivieder forteilend. Auch 
Beate kam und erhielt die gleiche Antwort, aber von 
einem so eisigen, kalten BOick begleitet, daß sie sich ver- 
wnndert mld kopfschüttelnd entfernte. 
Von Minute zu Minute stieg die Unruhe und Un 
geduld der Harrenden, welche bald das Fenster aufriß, 
tveil es ihr war, als müßte die schwüle Lust sie ersticken, 
bald , wie vom Fieberfrost geschüttelt, es wieder schloß. 
Endlich schlich eine müde, gebrochene Gestalt heran, 
sich schwer auf den Stock stützend, den Kopf gesenkt, die 
Lippen fest an einander gepreßt. 
„Wie? Irgend jemand ans der Welt sollte das 
Recht haben, dieses ehrwürdige Haupt, auf dem der 
Schnee des Alters flimmert, zu beschimpfen?" dachte 
Melanie, und ihr schönes Gesicht nahm einen fast dro 
henden Ausdruck an. „Hat dieser Fremde, dem ich nie 
ein Leid zufügte, dessen Weg ich niemals kreuzte, nicht 
auch mich verleumdet ? Nicht auch mich er nicdrigt in den 
Augen desjenigen, den ich liebe? Wehe ihm, wenn eS 
mir je vergönnt ist, Bergellnng zu üben!" 
Eine tastende Hand fiibr an der Thüre hin und 
drückte auf die Klinke. Lintz kam herein, zögernd, un 
sicheren Schrittes sich an den Möbeln stoßend, als sähe 
er alles durch einen dichten Nebelschleier. Wie ein zu 
Tode Erschöpfter sank er in den Lehnstuhl und sagte 
hastig, aber ohne die Tochter anzusehen: „Mein liebes 
Kind, ich gab Dir heute ein übereiltes Ver sprechen, 
lvas diesen Herrn von Waldenburg anbelangt. Wenn 
ich jetzt gezwungen bin es zurückzunehmen, so forsche 
nicht nach meine» Gründen, sondern glaube es. daß rs 
schwerwiegende sind. Wie ich Dich kenne, biil Du keine 
sentimentale Thörin, sondern ei» kluges starkes Mäd 
chen, für welches ein zerflossener Liebestranin noch kei- 
nen unheilbaren Schmerz bedeutet. Deine vulkanische 
Natur mit ihrer »laßlosen Heftigkeit, ihren immer Ivie- 
derkehrendcn leidenschaftlichen Ausbrüchen, ist ivohl 
auch nicht geschaffen für das ruhige und einförmige 
Leben an der Seite eines LandedelmanneS. Die Zu 
kunft bietet Dir vielleicht, ja geiviß! ein höheres Glück 
dar. — Wir wollen abreisen, die Schweiz besuchen." 
Als führe ihr ein scharfes Eisen in die Brust, schrie 
sie laus, und als er sich nun erschreckt zu ihr wandte, s 
rief sie, hingerissen von der Lebhaftigkeit ihres Tein- 
peraments: „So ist es also Wahrheit, ivas noch zur 
Elendesten aller Elenden der Erde macht?" 43,16*
	        
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