Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

der dabeistehenden Frauen in die Arms 
und fuhr dem entlarvten Don Juan mit 
beiden Händen so nachdrücklich ins Ge 
sicht, daß der dreifache Bräutigam in das 
Haus flüchten mußte. Die Situation 
wurde jetzt gefährlich, denn aus der Nach 
barschaft hatten sich etwa 30 bis 40 
Frauen eingesunden, die den Handlungs 
reisenden durchaus aus dem Hause holen 
wollten, und dem kampfesmuthigen Funkeln 
der Augen sah man es an, was dem Be 
drängten bevorstand. Der Verwalter des 
Hauses hatte jedoch die Thür geschlossen 
und polizeiliche Hilfe herbeigeholt. Es 
erschienen 2 Schutzleute, denen es nur 
mit Mühe gelang, vie aufgeregten 
Frauen zu zerstreuen. Sodann nahmen 
sie den jetzt sehr geknickt aussehenden 
Bräutigam in die Mitte und geleiteten 
ihn zum nächsten Droschkenhalteplatz, von 
wo er schleunigst davonfuhr. Die eigent 
liche Braut, Fräulein 11., war mitsammt 
den Trauzeugen nach Hause gefahren. 
Bon .der Dreistigkeit des Handlungs 
reisenden legt übrigens der Umstand Zeug 
niß ab, daß er am Nachmittag bei dem 
Vater des Fräulein U. erschien, um eine 
„Verständigung" in die Wege zu leiten. 
Herr U. verständigte ihn aber nur davon, 
daß er die Treppe hinunter ge 
worfen würde, wenn er nicht schleuuigst 
das Haus verließe. 
Als die Stadt Berlin als Patron der 
Schule im Vorort Großbeeren vor Kurzem 
einen Lehrer für 750 Jl Gehalt suchte, 
ist die Meinung geäußert worden, daß es 
sich wohl um einen Ausnahmefall unter 
besondern Umständen handeln müsse. Diese 
Meinung ist irrig; sie wird durch die That- 
mche widerlegt, daß die Deputation für die 
tädtischen Rieselfelder für die unter 
tädtischem Patronat stehende Schule in 
Ruhlsdorf wiederum einen zweiten Lehrer 
gegen ein baares Einkommen von 750 „H. 
licht. Als Zulage ist freie Wohnung für 
einen Unverheiratheten und freie Heizung 
in Aussicht gestellt; ob Umzugskosten ge 
währt werden, bleibt späterer Ent 
scheidung vorbehalten. Wir 
wollen durch zusätzliche Bemerkungen die 
Wirkung dieser Thatsache nicht abschwächen, 
möchten aber doch noch besonders auf die 
„spätere Entscheidung" wegen der Umzngs 
kosten verweisen. „Das läßt tief blicken" 
würde Sabor gesagt haben. 
° Ein tragisches Ende hat ein be 
gabter junger Berliner Künstler, der 
Maler Paul Noack, gefunden. Ec 
hat sich in einem Anfall von Geistes 
Umnachtung das Leben genommen, indem 
er sich an seiner Bettstelle kniend erhängte. 
Der Unglückliche war Atelierschüler von 
Professor Max Koner. Ein eigenes Ber- 
hängniß hat es gefügt, daß unmittelbar 
vor seinem Tode ihm der Ginsberg-Preis 
zugesprochen war. Diese Stiftung ist be 
kanntlich zum Andenken an den beim Erd 
beben von Ischia verunglückten Maler 
Ginsberg gegründet. 
Ein trauriges Weihnachtsfest 
ist einem jungen Mädchen, der 21jährigen 
Anna St., welche bei einem Hauptmann 
v. L. in Berlin als Stubenmädchen in 
Stellung ist, bescheert worden. Anna St. 
war verlobt mit einem Lehrer in Magde 
burg, und im kommenden Frühjahr sollte 
die Hochzeit sein. Gestern nun klingelte 
es an der Thür, und das Mädchen ging, 
um zu öffnen. Gleich darauf hörte Frau 
v. L. einen gellenden Aufschrei, und als 
sie, nichts Gutes ahnend, ins Vorzimmer 
eilte, fand sie das junge Mädchen auf dem 
Teppich liegen; sie war bewußtlos; die 
Rechte umklammerte einen noch nicht ge 
öffneten Brief, den offenbar soeben der 
Postbote gebracht hatte. Frau v. L. requi- 
rirte sofort Hülfe und schickte nach dem 
Arzt, dem es erst nach längerem Bemühen 
gelang, das junge Mädchen in's Leben 
zurückzurufen. Aus den Fieberreden des 
Mädchens entnahm man erst, vaß der 
Brief mit der plötzlichen Erkrankung zu 
sammenhängen müsse, und man sah sich 
ihn genauer an. Das Schreiben trug die 
Adresse des Bräutigams des jungen Mäd- 
chens, und quer über den Umschlag hatte 
ein Postbeamter mit Blaustift den Vermerk 
gemacht: „Adressat verstorben". 
Nun wurde das Geschehene erklärlich, denn 
Frau v. L. wußte, mit welcher Liebe ihr 
Mädchen an ihrem Bräutigam hing. Nach 
Ausspruch des Arztes dürfte sich bei dem 
ju ngen Mädchen ein heftiges Nervenfieber 
e ntwickeln, sodaß auch dieses Leben in 
Gefahr ist. 
öslin, 29. Dec. In Güldenhagen 
wurde ein auf Urlaub befindlicher Grenadier 
vom Colberg'schen Grenadier-Regiment, 
Namens Mannte, im Verlaufe eines Streites 
von den Brüdern Götzke durch zweiund 
zwanzig Messerstiche getödtet. Die 
beiden Thäter sind verhaftet. 
Oscherslebeu, 23. Dec. Großes Auf 
sehen erregt in hiesiger Gegend die B e r- 
haftung des Land Wirthes B r ü< 
nig in Badersleben. Derselbe war vor 
einigen Tagen des Nachts mit dem 33 
Jahre alten Landwirth Böthe von 
Dardesheim, wo sie an einer Jagd theil- 
genommen hatten, nach Hause gefahren. 
Er traf dort gegen Morgen allein zu Fuß 
mit nicht unerheblichen Verletzungen ein 
und berichtete, daß bei der Heimfahrt das 
Pferd an einer steilen Stelle scheu ge 
worden sei, und beide Männer hierbei aus 
dem Wagen geschleudert worden seien. 
Böthe sei mit dem Kopfe gegen einen 
Stein gefallen und bewußtlos liegen ge 
blieben. Sofort wurde ver Verunglückte 
geholt, verstarb aber nach kurzer Zeit, ohne 
das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. 
Eine gerichtliche Untersuchung an Ort und 
Stelle ergab das Borhanvensein von Blut 
spuren im Wagen und aus der Chaussee 
schon eine Strecke vor der Unfallstelle 
Alle amtlichen Organe sind in Thätigkeit, 
um Licht in die Sache zu bringen. 
Nordhausen, 23. December. Wegen B e 
schimpfung von Einrichtungen 
der katholischen Religion hat 
der katholische Domdechant Dr. Frühling 
gegen die „N o r d h ä us e r Z e i t u n g", 
sowie den Kaufmann Lunderstedt Straf 
antrag gestellt. Lunderstedt hat in der 
„Nordhauser Zeitung" fein Luxuswaaren 
lager empfohlen, und der Anzeige ein 
Bildchen beigeben lassen, das zwei zechende 
Mönche darstellt, die auf einer Bank neben 
einander sitzen, und von denen der eine 
seinen Krug an den Lippen hat, während 
der andere ihn hoch empor hält. Er ist 
ein Bild, wie man es in Gemälde-Aus 
stellungen und in der Oeldruckbilderfabri- 
kation alle Tage sieht. Gleichzeitig ist 
staatsanwaltschaftlich gegen Lunderstedt vor 
gegangen, weil er die in Majolika gefertigte 
Mönchsgruppe in seinem Schaufenster aus 
gestellt hatte. 
Nürnberg, 26. Dec. Bei der Landes 
ausstellung wurde ein Aussteller prämirt 
der gar nicht ausgestellt hatte 
Es handelte sich nm den Sattlermeister 
Tietze in Hof. Durch das Ausstellungs 
unternehmen war dann bekannt gemacht 
worden, daß die Auszeichnung (Silberne 
Medaille) der Kollektivausstellung von 
Wagenbauer Hederer in Regensburg und 
Tietze, die gemeinschaftlich ausgestellt hätten, 
gelte. Später wurde noch mitgetheilt, daß 
Tietze sich bei dem Ausstellungsunternehmen 
für die seinem jungen Geschäfte zu Theil 
gewordene Auszeichnung, die er als Auf 
munterung betrachte, bedankt habe. In 
zwischen sind die Akten dem Ministerium 
eingesandt worden, und in einer jetzt er 
gangenen Ministerialentschließung wird nach 
dem „Fränk. Kur." bemerkt, daß, da das 
Bayerische Gewerbemuseum und das Preis 
gericht durch falsche Angaben irregeführt 
worden seien, die fragliche Prämirung nur 
für Hederer gelte. 
Zu den Unterschlagungen im 
Vorschußverein in Bayreuth wird 
dem „Fränk. Kur." geschrieben: Eine 
besondere Erbitterung herrscht gegen den 
Ausschuß der Turnerfeucrwehr, weil dieser 
nach dem Tode des I. N. Blanck die 
Uuterschlagung des Unterstützungsfonds 
von 17 000 Mk. verheimlichte, denn seit 
jener Zeit — Anfangs Oktober — sind 
beim Vorschußverein »och mehr als 100000 
Mk. Einlagen gemacht worden, die nun 
auch verloren sind. Um ihrer Verehrung 
äußerlichen Ausdruck zu verleihen, hatte 
die freiwillige Turnerfeuerwehr beschlossen, 
am Hause des verstorbenen I. N. Blanck 
eine Gedenktafel mit folgender Inschrift 
anzubringen: „In diesem Hause wohnte, 
wirkte und starb der Gründer der frei- 
illigen Turnerfeucrwehr Bayreuth, I. 
N. Blanck!" Wie weit das Vertrauen 
zu dem I. N. Blank getrieben wurde, 
illustrirl am deutlichsten der Umstand, 
daß er die ursprünglichen Vereinsstatuten 
mit Genehmigung, der Generalversammlung 
dahin abänderte, vaß er allein zur Zeich 
nung aller Urkunden berechtigt war! 
Blanck führte den denkbar einfachsten 
Haushalt, und für sich brauchte er fast 
gar nichts. Größere Eingriffe in die 
Kasse hat er erst vom Jahre 1890 ab 
gemacht; damals wurde ihm das Kapital 
zu seinem Hauskauf gekündigt, da er nur 
eine Hypothek zu 40 000 JL darauf be 
kam und nirgends ersichtlich ist, woher er 
die Mittel zur Deckung des Restkauf 
schillings bekam, so wird man wohl nicht 
fehlgehen, wenn man annimmt, daß er 
denselben der Vorschußvereinskasse ent 
nahm. Diese Unterschlagung wollte er 
durch Gewinne mittls Spekulationen 
decken, und diese führten ihn zu immer 
neuen Veruntreuungen. 
Konstanz, 27. Dec. An H e g e l e ver 
lieren außer der Reichsbank, dem Reichs 
bankdirektor Dr. von Loewenich und den 
Schwiegereltern, die für ihn die Kaution 
stellten, noch verschiedene Personen große 
Summen, die sie Hegele zur guten Ver 
waltung oder zu anderen Zwecken anver 
traut hatten. So werden der Inhaber 
einer Heilanstalt in der Nähe von Kon 
stanz, ferner die Schwägerin eines Radolf 
zeller Fabrikanten als geschädigt genannt 
Ein Konstanzer Arzt soll 30 000 M., ein 
Kreuzlinger Zahnarzt 80 000 M. verlieren. 
Der Gesammtverlust an Hegele wird nahe 
zu eine Million ausmachen. 
Am Sonntag wurden zwei junge Kauf 
leute in Konstanz, die sich über eine neue 
Maßregel bei Kontrollversammlungen unter 
hielten, wobei eine ungeschickte Bemerkung 
über den Kaiser gefallen sein soll, auf 
Denunziation des in der Nähe sitzenden 
Reporters Haller der „Konst. Ztg." sistirt 
und der eine davon verhaftet. 
Mannheim, 22. Dec. Beim Hafenbau 
in der Nähe von Rheinau wurden die 
Grundmauern eines römischen Kastells ent 
deckt, das offenbar in Verbindung mit den 
bekannten Kastellresten am gegenüberliegen 
den Rheinufer bei Altrip (alta ripa) zu 
bringen ist. Man mußte das jsehr feste 
Mauerwerk sprengen. Eine Anzahl Kupfer 
münzen mit dem Bild des Cäsar Augustus 
und eine abgebrochene Lanzenspitze wurden 
gefunden. 
Das Duell zwischen Frhrn. v. Wangen 
heim und v. Uexküll in Stuttgart hat nach 
der „Nat.-Ztg." in der Bevölkerung um 
so peinlicheres Aussehen erregt, als dabei 
Persönlichkeiten mitgewirkt haben, die sich 
dessen nach den Reichstagsverhandlungen 
über den Duell-Unfug hätten enthalten 
müssen. Unparteiischer war der Com 
mandant von Stuttgart, Generalmajor 
von Schott, Secundant des Freiherrn 
Wangenheim der preußische Gesandte 
Dr. v. Hollebeu. Als Arzt fungirte der 
Generalarzt à la suite Medicinalrath 
v. Burckhardt. 
Wegen zahlreicher Diebstähle 
wurde nach der „Köln. Ztg." in Worms 
ver als tüchtiger Meister und biederer 
Charakter bisher geachtete Zimmermeister 
Uh rig plötzlich verhaftet. Die Haus 
suchung hatte ein verblüffendes Ergebniß. 
Ein ganzes Lager gestohlener Waaren 
jeder Art hatte Uhrig in seinem Hause 
aufgestapelt. Einen Manufakmrwaaren- 
händler allein hat er um Waaren im 
Werthe von 4000 JL bestohlen. Obg leid) 
Uhrig sein Diebeshandwerk seil mehreren 
Jahren betrieb, hat noch keiner der Be 
stohlenen den Abgang von Waaren bemerkt. 
Alle im Laufe der Zeit zusammengestohlenen 
Gegenstände wurden noch vollständig un 
versehrt wiedergefunden. Uhrig ivar im 
Besitz von 200 falschen Schlüsseln. 
Er hat alle Diebstähle eingestanden und 
die merkwürdige Angabe gemacht, daß er 
nur Sonntags Morgens zwischen 6—8 
Uhr eingebrochen sei. Was den von Hause 
aus wohlhabenden Mann und gesuchten 
Meister zur Ausübung dieser Verbrechen 
veranlaßt hat, ist noch nicht festgestellt. 
Der Bruder Uhrigs, der mit ihm gemeinsam 
das Zimmergeschäft betrieb, ist seit Diens- 
tag verschwunden. Ein zurückgelassener 
Brief meldet, daß er die Schande, die sein 
Bruder über die Familie gebracht hat, 
nicht verwinden könne und deshalb den 
Tod im Rhein suchen werde. 
Bonn, 29. Dez. General d. Infanterie 
z. D. Wilhelm v. W o y n a ist heute 
Morgen hier gestorben. 
In Wurzen veröffentlicht der Stadtrath 
Bestimmungen über die Ausschließung 
säumiger Abgabenpflichtiger von öffent 
lichen Vergnügungsorten der 
Stadt. Der verbotswidrige Besuch von 
Gast- und Schankwirthschaften und Tanz- 
stätten wird danach mit 14tägiger Haft 
bestraft; Inhaber solcher Wirthschaften, 
sowie Vertreter von Korporationen, Ver 
einen und geschlossenen Gesellschaften und 
deren Stellvertretern dürfen derartigen 
Personen den Aufenthalt in ihren Lokalen, 
bezw. Gesellschaftsräumen, in denen Speisen 
und Getränke gegen Entgelt verabreicht 
werden, nicht gestatten — Wie sollen sie 
dieselben denn ermitteln? 
Ein Weihnachtsbaum im Eisen 
bahnzuge ist wohl sür Manchen etwas 
unerklärlich, und doch konnte man diese 
schöne Einrichtung am heiligen Abend auf 
den v-Zügen zwischen Hamburg-Köln be 
obachten. In einem Abtheil zweiter Klasse 
stand ein schöner, mit vielen Lichtern 
geschmückter Weihnachtsbaum, welcher einen 
überaus hübschen und würdigen Eindruck 
machte und die Fahrgäste, von denen manche 
den Hut zog und sich dem Kaiser näherte, 
erhielt nichts. Dann wandte sich der Kaiser 
noch dem Dorfe Eiche zu, wo er drei 
Lehrlinge des Schlossermeisters Hiob aus 
Potsdam, welche nach der Kaserne des 
Lehr-Jnfanterie-Bataillons Sachen brachten, 
traf und dieselben beschenkte. Gleich darauf 
kam eine alte Frau mit einem Hundewagen 
angefahren. Der Kaiser hielt den Wagen 
fest, worauf die Frau, die den Monarchen 
nicht kannte, sehr ärgerlich wurde und 
schimpfte. „Na, wollen Sie denn nichts 
zu Weihnachten haben?" fragte der Kaiser 
und gab der Frau 5 Mark, um lachend 
weiter zu gehen Als die überraschte Alte 
von einigen Offizieren hörte, daß der 
Geldspender der Kaiser gewesen, lief sie 
demselben nach und bat um Verzeihung 
wegen ihres Schimpfens. 
Berlin, 29. Dec. Der „Staatsanzeiger" 
veröffentlich das Gesetz, betr. die Kündi 
gung und Umwandlung der vier- 
procentigen consolidirten Staats 
anleihe, sowie die diesbezügliche Bekannt 
machung des Finanzministeriums, die für 
die Forderung des Baarbetrages die Frist 
bis zum 20. Januar 1897 und für An- 
träge auf Eintragungen im Staatsschuld- 
buch, resp. auf Ausreichung 3procentiger 
Schuldverschreibungen an Stelle der Um 
schreibung im Staatsschuldbuch die Frist 
bis zum 30. Juni 1897 festsetzt. 
— Eine geheimnißv olle G esetzes- 
Vorlage kündigen die „Berl. Pol. N." 
für diese Landtagssession an. Es werde 
im Ministerium für Landwirthschaft eine 
Gesetzesvorlage von größerer Bedeutung 
und allgemeinerem Interesse vorbereitet. 
— Wahrscheinlich handelt es sich dabei 
um einen weiteren Schritt in der Agrar 
gesetzgebung zur Einschränkung der 
Freiheit des Grundeigenthums. 
— Zu einer Protest-Kundgebung 
fordert der bekannte Chirurg Geheimrath 
Professor v. Bergmann die ärztlichen 
Inhaber von Privat-Kliniken auf, welche 
neuerdings durch Schreiben der städtischen 
Steuer-Commission zur Gewerbesteuer 
herangezogen worden sind. Geheimrath 
v. Bergmann sieht darin eine die Rechte 
des ärztlichen Standes schwer schädigende 
Anordnung. 
Der Gerichtsvollzieher erschien 
als „Weihnachtsmann" am Heiligabend bei 
einem Gastwirth in Berlin, während der 
Christbaum brannte, und nahm eine 
Pfändung vor. Die Festfreude war der 
betreffenden Familie natürlich gründlich 
verdorben. Zur Weihnachtszeit ist selbst 
der strengste Richter zur Milde geneigt. 
Es sollte also auch den Gerichtsvollziehern 
geradezu die Anweisung ertheilt werden, am 
Weihnachtsheiligabend Pfändungen nur in 
zwingendsten Fällen vorzunehmen. 
Vor einem Standesamte in Berlin 
sollte gestern die Vermählung der Tochter 
des früheren Apothekers, jetzigen Rentiers 
U. mit einem Handlungsreisenden statt- 
sinden. Als der Wagen vor dem Standes 
amte vorfuhr und das junge Paar sich in 
das Haus begeben wollte, traten aus der 
Thürnische plötzlich zwei junge Mädchen, 
die dem „glücklichen" Bräutigam mit den 
Worten: „Lieber Albert, möchtest Du nicht 
einmal Dein Kind wiedersehen?" jede ein 
Kind von '/ 2 bezw. 1 Jahr entgegen 
hielten. Der „liebe Albert" hatte sich 
auf eine der jungen Mütter gestürzt und 
sie brutal zur Seite gestoßen; als er dies 
Manöver aber auch bei der zweiten von 
ihm Betrogenen machen wollte, kam er an 
die falsche Adresse. Das Mädchen, eine 
Schlachtermamsell, legte das Kind einer 
Vermisch tss. 
Unter den sechzig Hoffnungs 
vollen, die mir das heurige Schuljahr 
als ABC-Schützen bescheert, so erzählte 
ein Mitarbeiter der „M. N. N.", be 
findet sich ein Original. Mit bestem Ge 
wissen kann ich behaupten: Wenn es 
Einen giebt im weiten deutschen Vater- 
lande, der nicht von der Kultur beleckt 
ist, dann ist's mein Toni. — Er heißt 
nämlich Toni. Das hab ich bereits aus 
ihm herausgebracht. Sonst hüllt er sich 
seit drei Monaten in stoisches Schweigen. 
Jüngst brach aber das Eis. Da redeten 
wir vom Herbstwalde, von den Thierlein 
draußen, die sich für die rauhe Winters 
zeit ein heimlich Versteck im Busche 
suchten. Auffallend ruhig saß da der 
Toni. Seinen treuherzigen Augen sah 
ich es an, daß er mit der ganzen Kindes 
seele bei der Sache war. Wir sprachen 
vom Häschen, vom Fuchs, vom Reh. 
Wie das Reh ausschaue, wer schon eines 
gesehen. Klägliches Ergebniß! Unsere 
armen Stadtkinder wiffen ja vor lauter 
Häusern, Gassen und Schloten nichts von 
Gattes herrlicher Natur! „A Goaßbock" 
war für alle das Reh, das ich im Bilde 
zeigte. — Da stand auf einmal Einer 
auf, der, der in der letzten Bank seinen 
Sitz erhalten hat, und niachte zum ersten 
Male von seiner Stimme Gebrauch. 
Thal also seinen Mund auf und redete: 
„Dös is a Bock! Laust hat er und a 
Schwanzl, a weiß's, und an Kopf mit 
Krickerln und a Ducket (Fell), a bräunt 
In Holz drauß hot er a Nest — und 
da legt er Oar!" Sprach» uns setzte sich 
und schaute umher im staunenden Kreise 
mit der Miene eines Siegers. — Das 
war der Toni! Kaum hatte ich mich von 
meinem ersten freudigen Staunen erholt, 
mußte ich sogleich das Brünnlein, das so 
jäh hervorgebrochen, im Laufe erhalten. 
„Ja, Toni, woher weißt Du dies? Hast 
chon einen Rehbock gesehen?" — „Mir 
ham oan dahoambt!" der Toni darauf 
mit strahlendem Gesichte; „woaßt: der 
Vater hat Holz klaubt hinter Perlach 
draußen, und da hat er 'n derwuich'n!" 
— „Ah so!!" sag' ich. Darauf hat vie 
Glocke Schluß geläutet. Am anderen 
Tage reden wir lvieder vom Reh, und ich 
freue mich schon auf die weiteren Er 
zählungen meines Toni. Der „nimmt 
mich heute aber gar nicht an", hat sein 
altes unerklärliches Lächeln auf den 
Lippen und schaut beharrlich in die linke 
obere Zimmerecke. „Nun, Toni, erzähl' 
uns wieder was vom Reh!" Da hat 
mich der Toni schnell, aber klug angeschaut 
und hat ganz treuherzig gesagt: „I 
woaß nix vo' koan Reh! Der Vater hat 
g'sagt, i derf nix mehr verzähl'» in der 
Schul!" Seit der Zeit habe ich von 
meinem Toni kein Sterbenrwörtlein mehr 
gehört. 
— Was Alles in Berlin „gelehrt" wird, 
kann man aus dem Studium des Adreß 
buchs ersehen. Da giebt es außer den 
Lehrern für alle erdenklichen Wissenschaften 
und Künste auch solche für solche jegliche 
Art von Sport, für Reiten, Fechten, 
Schwimmen, Turnen, Tanzen, Radfahren 
und Schlittschuhlaufen, daneben Lehrerinnen 
sür weibliche Handarbeiten jeden Genres, 
für Haushaltung, Schneiderei, Putz, Kochen 
und Plätten. In vereinzelten Exemplaren 
sind die Lehrer des „guten Tons und ge 
sellschaftlichen Umgangs", der Seroirknnft, 
des Versicherungswesens, der Finger- 
nägelpflege, der Taschenspielerei, 
ferner der Schreibmaschine, der Rhetorik, 
acht verschiedener stenographischer Systeme, 
des Schachspiels u. s. w. anzutreffen. 
Eine besondere Gruppe bilden diejenigen 
Sprachlehrer, die, statt sich mit begriffs 
stutzigen Menschenkindern abzuquälen, vor- 
ziehen Papageien, Staare u. sonstige 
gelehrige Exemplare der Vogelwelt zur 
Erziehung zu übernehmen. 
— Das Ende des alten Bleistifts. In 
der Wochenschrift „Prometheus" (Heraus 
geber Dr. Otto N. Witt, Verlag von R. 
Mückenberger, Berlin) lesen wir: Bekannt 
lich ist das Holz der floridanijchen 
Ceder das einzige, welches sich für die 
Fabrikation der Bleististe eignet. Selbst 
das sonst wegen seiner Weichheit und 
Gleichmäßigkeit so geschätzte Liudenholz 
steht sür diesen Zweck so sehr hinter deni 
Cedernholz zurück, daß es nur für ordinäre 
Bleistifte Verwendung finden kann. Ob 
gleich nun Florida ein großes Land und 
mit Urwald noch dicht bestanden ist, so 
ist doch bei der in Amerika beliebten 
rücksichtslosen Ausbeutung der Wälder ein 
allmähliges Knappwerden des Cedernholzes 
zu befürchten, und zwar um so mehr, als 
die Ceder bezüglich ihres Standortes sehr 
wählerisch ist und nur an den sumpfigen 
Ufern der großen Ströme gedeiht, was 
auch die Ansorstung der Bestände sehr er 
schweren würde, selbst wenn man sich zu 
einer solchen über kurz oder lang ent 
schließen wollte. Unter .diesen Umständen 
ist eine Erfindung beachtenswertst, welche 
neuerdings ans den Markt gekommen ist 
und neben der Ersparniß an Cedernholz 
auch noch das für sich hat, daß sic das 
Spitzen der Bleistifte, wobei sich 
bekanntlich viele Leute merkwürdig un 
geschickt anstellen, überflüssig macht. Der 
neue Bleistift, weicher von einer Londoner 
Firma unter Patentschutz in den Handel 
gebracht wird, sieh! äußerlich einem ge 
wöhnlichen, in Holz gefaßten Bleistift 
sehr ähnlich, aber die Umhüllung des 
Stiftes besteht bei ihm nicht aus Holz, 
sonder» aus zähem Papier, welches in 
mehreren Lagen um den Stift herum 
gewickelt ist, bis derselbe die Dicke eines 
gewöhnlichen Bleistiftes erlangt. Dieses 
Papier nun ist vor dein Einwickeln in 
schräge Schnitte eingekerbt. Soll nun der 
Bleistift angespitzt werden, so genügt es, 
die äußerste Papierlage bis zu einer an 
gegebenen Marke einzureißen. Es ivickelt 
sich dann, der schrägen Kerbe folgend, ein 
schmaler Papierftreifen von dem Stift ab, 
während der Rest der Umhüllung in 
Kegelgestalt stehen bleibt. Dabei wird 
natürlich ein frisches Stück des inneren 
Schreibstiftes bloßgelegt, welches genau so 
lang ist, wie die Breite des abgewickelten 
Papierstreifens. Die ans diese Weise er 
haltene neue Spitze ist von so vollkommener 
Kegelgestalt, wie sie an einem Holzstist nur 
durch Abdrehen, niemals aber durch An- 
schärfen mit dem Messer erhalten werden 
kann. 
— Et eetera. Die Nichtbeachtung oder 
Unkenntlich der Bedeutung von „etc.", der 
bekannten Abkürzung von „st cetera" (und 
so weiter), hat, wie verschiedene Blätter 
berichten, sür einen Berliner Gerichtsvoll 
zieher recht unangenehme Folgen gehabt. 
Derselbe hatte bei einem Malermeister 
eine Anzahl Mauersteine und andere Uten 
silien gepfändet, dann aber von seinem 
Auftraggeber eine schriftliche Anweisung 
erhalten, „die gepfändeten Mauersteine re. 
sämmtlich freizugeben. Er gab nun zwar 
die Steine frei, versteigerte aber die übri 
gen Pfandstücke. Der Gepsändete klagte 
nun gegen seinen früheren Gläubiger wegen 
Schavenersatzes und erstritt auch ein ob 
siegendes Erkenntniß, worauf der Auftrag, 
geber des Gerichtsvollziehers wiederum 
Letzterer; wegen des erlittenen Schadens 
in Anspruch nahm. Das Landgericht ver- 
urtheilte auch den Gerichtsvollzieher zur 
Zahlung, weil er aus eigener Macht von 
der bestimmten Vorschrift seiner Machtgeber 
abgegangen , sei und also für allen daraus 
entstandenen Schaden hafte. War er über 
die Bedeutung des Vermerks „etc." in 
Zweifel, so mußte er deswegen anfragen. 
Indem er dies unterließ, handelte er ver 
sehentlich und muß für den hierdurch ver- 
ursachten Schaden auskommen. Der Ver 
klagte legte hiergegen Berufung ein, die 
aber soeben vom Kammergericht zurückge 
wiesen wurde. 
Druckfehler. Der Kellner häutete den 
Reisenden zum Frühstück. — (Aus einem 
Roman:) Die Zöglinge des Pensionats 
waren alle gleich ungezogen. — 
hierauf zeigte die junge Frau ihrem Gaste 
ihre stiltolle Einrichtung. — (Aus dem 
Abdruck der Rede eines Frauenrechtlers:) 
. . . darum lassen Sie sich, meine geehrteit 
Damen, vsn Ihren männlichen Kon 
kurrenten nicht abschlecken. („Megg. Hum. 
BlSttsr.")
	        
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