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W0. 304.
Mittwoch, den 30. December
1896.
Morgen-Berichte.
Rom, 29. Dec. Sant'Anna di Pelago
(Provinz Modena) droht durch einen Erd
rutsch vollkommen vernichtet zu werden,
bis jetzt sind schon 118 Häuser ein-
g e st ü r z t. Die Bevölkerung kampirt im
Freien oder in Kirchen und den fester ge
bauten Palästen. Die ersten Anzeichen der
Erdbewegung wurden schon vor einigen
Tagen wahrgenommen, Die Ursache ist
die, daß das Wasser der über der Ort
schaft liegenden Seeen auf unterirdischen
Wege den Boden unterspülte. Sant'Anna
ist oder war einer der besuchtesten klima
tischen Kurorte Oberitaliens. Ein ähn
liches Schicksal bedroht die Gemeinden
Cellcne (Provinz Viterbo). Der auf Tuff
Hügel» mir thönernem Untergrund gelegene
Ort ist von Wasser unterspült und droht
einzustürzen. Ein Theil dieser Gemeinde,
in dem auch die Kirche liegt, ist bereits
geräumt. Der Gottesdienst wird im Freien
gehalten.
Paris, 29. Dec. In einem Artikel des
„Matin" erklärtDoumerDeutschland werde
mit jedem Tage ein größerer Feind Frank
reichs auf dem gewerblichen und handels-
polirischen Gebiete werden. Frankreich
müsse sich unverweilt nach neuen Absatz
gebieten umsehen. Während Deutschland
kein Opfer scheut, um Hamburg zum mäch
tigsten Hafen des Kontinents zu gestalten,
zersplittere Frankreich aus acht kleinere
Häfen ohne Zukunst Millionen über Mil
lionen. In Frankreich stehen leider die
Interessen der ganzen Nation den Sonder
intercssen nach. Jeder Abgeordnete der
See-Departements reiße einige. Millionen
an sich, um für seine Wähler etwas zu
erreichen, während im deutschen Reichstage
das Wohl des Vaterlandes obenanstehe.
Madrid, 29. Dec. Auf die Nachricht
von dem Siege des kubanischen Jnsurgenten-
führers Garcia, wobei die Spanier 200
Mann, darunter 10 Offiziere, verloren,
trat noch gestern Abend das Ministerium
zu einer Sitzung zusammen, in welcher
beschlossen wurde, General Weyler tele
graphisch zu beauftragen, sogleich gegen
Bayamo mit seinen Truppen vorzudringen.
London, 29. Dec. Das Unglück bei
Killarney (Castle Island) scheint eine Folge
des heftigen Regens der letzten Tage zu
sein. In einer Ausdehnung von einem
Acre kam das Torf des Sumpses 1200
Fuß über dem Meeresspiegel in Bewegung
und zerstörte und vernichtete Alles aus
einem Umfang von zwei Meilen. Mit un-
aufhaltsamer Gewalt strömte die halbflüssige
Masse vorwärts, einen Steinbruch und das
Haus eines Steinbrechers, der mit seiner
Frau und sechs Kindern den Tod fand,
überschwemmend
Kopenhagen, 29. Dec. Ein Segelschiff,
vermuthlich die der „Danziger Schifffahrts-
Aktiengesellschaft" gehörige Bark „Concor-
dia", (Kapitän Holz, Steuermann Lame)
ist am Strande von Oerum an der West
küste Jütlands gescheitert. Das Schiff ist
völlig zertrümmert; die ganze Mannschaft
ertrank. Eine Leiche wurde bei Oerum,
fünf andere wurden bei Nörre Vorupöer
angetrieben.
München, 29. Dec. Im zweiten großen
Habererprozeb, der gestern vor der Straf-
kammer des Kgl. Landgerichts München II
begann, und in dem 59 Burschen angeklagt
sind in der Nacht vom 22. September
1895 in der Gegend zwischen Aying und
Peisch ein Haberfeldtreiben abgehalten zu
haben wurde heute Nachmittag 4 Uhr das
Urtheil gefällt. Die Angeklagten wurden
ru Gefängüißstrafen von 2 Monaten bis
2 Jahren 9 Monaten verurtheilt. 90
zu
Bcrurtheilten
angerechnet.
wurde die Untersuchungshaft
Ausland.
Außereuropäische Gebiete.
In Tunis ist heute früh 6 Uhr das
italienische Theater „Politeama Tunisino",
das ganz aus Holz erbaut war, ein
Raub der Flammen geworden.
Dank der frühen Morgenstunde kamen hier
bei keine Unglücksfälle vor.
Italien.
Rom, 29. Dec. Das Organ der jozia-
listischcn Fraktion, Avanti, erhielt einen
Brief von den Feiernden in Hamburg,
worin gesagt wird, daß die Ausständigen
bis jetzt nur an die ausländischen Genossen
das Verlangen gestellt hätten, nach Mög-
lichkeit Zuzug fern zu halten, jetzt aber
um materielle Hilfe bitten müßten. Dem-
zufolge publizirt der Avanti heute einen
Ausruf, worin die Arbeiter zu Geldsamm-
lungen für die Aufständischen in Hamburg
ansqesordert werden.
Bulgarien.
Sofia, 29. Dez ' Im weiteren Verlaus
des Prozesses gegen die Mörder Siam
b»low's theilte der Präsident mtt, daß
der Revolver Ş t a m b u l o w' s vom
erichtstische gestohlen worden
sei, was große Bewegung hervorrief.
Der öffentliche Ankläger Georgiern begrün
dete die Anklage, appellirte an die Richter
und Geschworenen, einen Urtheilsspruch zu
fällen, welcher der Bedeutung des Ver
brechens entspreche, und wies nach, daß
die Angeklagten die Absicht, dieses Ver
brechen auszuführen, kundgegeben haben,
so Tüfektschiew bereits im Jahre 1894,
und daß unter denselben ein Einverständ-
niß bestanden habe; nachdem sie alle Vor
bereitungen zum Attentat getroffen, hätten
sie dasselbe ausgeführt. Tüfektschiew sei
der intellectuelle Urheber des Verbrechens
und habe die Mittel zur Ausführung ver
schafft. Anfangs hätten die Angeklagten
die Wahrheit der Zeugenaussagen bestritten,
später aber dieselbe zugegeben.
Rumänien.
Hundertzwanzigtausend Francs unter
schlagen hat, wie aus Jassy in Rumänien
geschrieben wird, der Oberkassirer Harnajue
des dortigen städtischen Krankenhauses.
H. war achtzehn Jahre in seinem Amte
und genoß das unbedingte Vertrauen seiner
Vorgesetzten. Wie jetzt bekannt wird, hat
er sich durch leichtfertige Specnlationen
und ausschweifenden Lebenswandel in große
Schulden gestürzt, deren Begleichung er
nicht gerecht werden konnte und weswegen
er ihm anvertraute Gelder in der gedachten
Höhe veruntreute und floh.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 29. Dec. Im niederösterreichi
schen Landtage gab es heule einen Skan
dal. Als für eine Ausschußwahl der neu-
gewählte Wiener Abgeordnete Professor
Benedikt, der bekannte Nerven-Pathologe,
vorgeschlagen wurde, rief der Abgeordnete
Mechaniker Schneider: „Ich wähle keinen
Juden!" Benedikt antwortete: „In Zu
kunst werde ich Sie für solche Bemerkung
ohrfeigen". In dem nun folgenden Tu
mult rief Lueger: „Wenn es zur Prügelei
kommt, wird sich zeigen, wer stärker ist."
Ein nettes Parlament!
Wolf, Löw, Gimpel, Wachtel,
Fuchs und Bär. Was dieser Ueber
schrift folgt, ist nicht etwa eine Fabel von
Lafontaine, sondern eine wirkliche Gerichts
Verhandlung, die sich dieser Tage in Wien
vor dem Bezirksgerichte Alsergrund abge-
spielt hat. Kläger war der Geschäftsdiener
Wolf, der von dem Kaufmann Löw ein
Gimpel genannt wurde, weil er beim
Betreten eines Geschäftslokals nicht die
Thür für den ihm auf dem Fuße folgen
den Herrn Löw offen ließ. Ein Wols
braucht sich nicht gefallen zu lassen, daß
man ihn in die minderwecthige Klasse der
Vögel versetzt, und der Beleidigte wandte
sich an den Advocaten Dr. Wachtel, der
für ihn die Ehrendeleiöigungsklage ein
brachte. Zur Verhandlung konnte jedoch
Dr. Wachtel wegen anderweitiger Berufs
geschäfte nicht erscheinen und sandte des
halb seinen Substituten Dr. Fuchs. Bei
der Verhandlung wurde als Zeuge Herr
Bär vernommen. Schließlich kam ein
Ausgleich zu Stande. Low nahm den
Gimpel zurück und erklärte sich bereit,
Wolf die Kosten zu bezahlen, womit sich
Fuchs für Wachtel einverstanden erklärte,
worauf Löw freigesprochen wurde und Bär
sich entfernen konnte. Und so ist nun die
Naturgeschichte wieder in Ordnung.
Holland.
Amsterdam, 26. Dec. Gestern stürzte
sich in V l i s s i n g e n in einem Anfall
von Schwermuth ein etwa 30jähriges
Mädchen ins Wasser. Um sie zu retten,
stürzten sich ihre 75jährige Mutter und
ihre Schwester ebenfalls in die Fluthen.
Es gelang einigen in der Nähe befindlichen
Personen, alle drei Frauen aufs Trockene
zu ziehen. Man brachte sie in ein nahes
Cafä, wo die alte Mutter infolge der Ent
kräftung nach kurzer Zeit verschied.
Belgien.
Eine Spielhölle ist in ErauelincS
im Hennegau (Belgien) aufgehoben worden
Während die Kapelle in dem neben dem
Spielsaal belegenen Festsaal lustige Weisen
ertönen ließ, drangen die Beamten in den
Spielsaal und fanden vier Tische mit dreißig
Spielern besetzt. Gegen 10 000 Fr. baare
Einsätze, 100 000 Fr. in Spielmarken,
sowie das gesammte Spielmaterial wurden
beschlagnahmt und mit den Ueberrumpelten
ein Verhör angestellt. Anderen Tages er
schien bereits der Spielklnbbesitzer, um
Einspruch zu erheben. Ob er damit Glück
haben wird, hängt von dem Nachweise ab,
daß er ebenso geschickt verstanden hat, durch
äußere Formalitäten dem Gesetz ein Schnipp
chen zu schlagen, ivie seine Kollegen von
Ostende, Spa u. s. w. Und das ist wahr
scheinlich. Dann ist das Ergebniß des
Ganzen: Biel Lärm um nichts! Es wird
weiter „gejeul" I
Dänemark.
Kopenhagen, 28. Dez. Prinz Karl und
seine Gemahlin, die Prinzessin Maud,
haben hier heute ihren Einzug gehalten.
Wie früher erwähnt, hatte der verlängerte
Aufenthalt des jungen Paares in England
die Gerüchte hervorgerufen, die Prinzessin
Maud wolle überhaupt nicht nach Däne
mark kommen. Wie aus bester Quelle
mitgetheilt wird, wünschte die Prinzessin,
die England, englische Sitten und Lebens
weise über alles liebt, thatsächlich in ihrem
Vaterlande zu verbleiben, und sie
wurde in diesem Wunsche von ihrem Vater,
dem Prinzen von Wales, bestätigt, der
seine Tochter auch gern bei sich behalten
wollte und dem jungen Paare „Appleton-
House" als Wohnsitz zur Verfügung stellte,
Um den Prinzen Karl zu bewegen, in
England zu bleiben, bot man ihm eine
höhere Stellung in der englischen Marine
an, und um diesen Plan zu vereiteln,
reiste der dänische Kronprinz nach England,
wo er seinem Sohne das Versprechen ab
zwang, mit seiner Gemahlin nach Kopen
hagen zurückzukehren. Zuletzt willigte die
Prinzessin Maud ein, unter der Be
dingung, drei Monate jedes Jahr in ihrem
geliebten England verbringen zu dürfen.
Der heutige Einzug hatte einen sehr fest
lichen Charakter, die Straßen, durch die
das junge Paar nach seiner Wohnung im
Palais des Königs Georg fuhr, waren
prächtig geschmückt und von einer dichten,
sympathisch gestimmten Menschenmasie er-
füllt.
Inland.
— Der Kaiser hat auch diesmal
wieder am Weihnachtsheiligabend einen
Spaziergang unternommen, um unterwegs
ihm begegnende Arbeiter mit neuen blanke»
Geldstücken zu beschenken. Er hatte, so-
schreibt die „Potsdamer Korrespondenz",
um 2 Uhr das Neue Palais verlassen,
um ohne jede Begleitung, die Reitgerte
in der Hand, zunächst die Hauptallee des
Parkes von Sanssouci entlang zu gehen.
Jeder Gartenarbeiter bekam 2 Mark, ein
Gartenansseher 10 Mark. Aus Versehen
gab der Kaiser einem mit mehreren Ar
beitern zusammenstehenden Arbeiter auch
ein 10-Markstück, und als dies der Mann
zurückgeben wollte, sagte der Kaiser: „Ach,
theilen Sie es noch mit den anderen
Arbeitern." Außerhalb des Parkes in der
Obeliskenstraße zu Potsdam erhielten
wiederum verschiedene Arbeiter Geld
geschenke, wobei der Kaiser wohl zwischen
Arbeitern und anderen Personen zu unter
scheiden wußte, denn ein unter dem Namen
..Professor" bekannter Fremdenführer, der
Der Witter von Mölsheim.
Roman von Graf Eugen Hauffonvi e.
„Verzeihung, Cousine," entgegnete a a ^
ohne einiges Erstaunen. „Davon enthn - ^
kein Wort Du übersandtest m.r nichts ^ dl stsşi
Pier und die Serviette hier." Sr h,elt die genannten
Gegenstände in die Höhe.
Ora sowohl wir auch Molsheim blickten verwun
dert darauf hin; der letzte aber that noch etwaS ande-
res- er verschloß unhörbar die Thur, durch welche
der Fürst eingetreten war und steckte auch diesen L>ch>u>-
iel in seine Tasche. Auf diese Weise waren sie wenig
stens vorläufig gegen eine Ueberraschung von selten
der daS Haus umgebenden Nihilisten geschützt, denn
«s war ihm jetzt klar geworden, daß der alte Lobaiww
seiner Nichte wiederum eine neue Gefahr bereitet hatte.
Diele Serviette sagt nichts," fuhr Malakoff fort,
Wir "eine Katze die mit der gefangenen Maus Mett.
„Dies Papier aber sagt folgendes. Höre zu, Ku
sine: Fürst Dimitri Malakoff, Oberst ver käster, chen
Garden, Fei-à derm Odessa Frauen peitschen Och;
Bestie in Menschengestalt, welche die polity chen Ge
fangenen in Charkow der Tortur unterwarf. Schcu-
sal, nicht wert, „och länger zu leben, bereite Dich tn
Tode! Dein Urteil ist gesprochen durch den Russischen
National-Ansschuß."
, Er richtete seine kleinen Augrn auf das Mädchen,
wre eine Schlange den Vogel stxrert, den sie versch.in
gen will. „Eine sehr höfliche Zuschrift an den Mann.
aer sich um Deine Hand bewirbt," spottete
„Das habe ich nicht geschrieben!" stieß Ora be
vor. „Ich schwöre Dir's!" . ...
I Eine innere Stimme aber sagte ihr. daß dies en
Werk Lvbanows sei, der sie dadurch zwingen wollte,
um ihrcr eigcneil Rettung willen diesen Mann zu toten.
„Wer sonst hat es geschrieben?" rief Malakoff mit
fürchterlicher Stimme, indem er auf sie zuging-.
Ehe er sie aber ergreifen konnte, sah er sich plötz
lich einer ganz anderen Persönlichkeit gegenüber: der
Ritter von Molsheim stand vor ihm.
geschrieben," sagte derselbe ruhig.
„Sie?" schrie der Russe, zwei Schritte zurück
weichend. „Ich dachte, daß sie Petersburg verlassen
wollten! Sagte ich Ihnen nicht, daß unser Klima für
Sie nicht zuträglich sei? Uebrigens glaube ich Ihnen
Dann werde ich versuchen, es Ihnen zu bewei
sen " entgegnete der Ritter.
Er schlug ans die Glocke; Wassilissa erschien und
musterte den Polizeichef mit furchtsamen und miß.
iranischen Blicken.
„Wer hat Dir den Brie,' für den Fürsten Mala
koff übergeben?" fragte Mölsheim.
Du' selber. Väterchen," antwortete die Dienerin
und "dann schlüpfte sie, aus einen Wink des Ritters,
wieder hinaus.
„Sie hören's," sagte dieser. ^ „
„Verzeihung, aber ich verstehe es noch nicht."
„Dann will ich's Ihnen erklären. Ich habe Kunde
von einer Verschivörnng erhalten, die sich gegen Ihr
Leben richtet. Mein kollegialisches Gefühl — wie ich
Ihnen schon einmal sagte, stand ich vor Jahren ein
mal in engster Verbindung mit der fraiizöstschen Ge
heimpolizei — aus kollegialischen Gefühlen also ließ
ich Ihnen diese Warnung zugehen, die ich der größe
ren Verständlichkeit halber in jene Phrase» kleidete,
die bei dergleichen aiionymen Bot,chasten hier zu Lande
gebräuchlich sind." ,
„Es ist Ihnen auch gelniigen.,mich m,t ziemlicher
Treue zu schildern," höhnte der Russe.
Ora wendete sich verächtlich ab.
„Und was sollte dieses Tuch?" fragte Mmakosf
weiter, sich in einen Sessel niederlassend.
Das Tuch erhielten Sie. um Sie von Ihre», heu
tige,','Besuche Hierselbst zurückzuhalten. Ich wußte, daß
ein Mann von Ihrem Mute auf die bloße schriftliche
Warnung nicht vie! geben würde."
Ja' was hat denn das Ding aber zu bedeuten.
"Ihre Erfahrungen als Polizeimann reichen noch
nicht an die meinen, wie ich sehe," entgegnete Mo!„-
heim achselzuckend. „Schauen Sie her." Er hielt das
Tuch vor das Kaminfeuer.
„Ihr Todesurteil steht hier! Begreifen Sie jetzt?"
„Bei Sankt Wladimir!" ries Malakoff. Und nun
las er mit lauter Stimme und ohne zu stocken den ni
hilistischen Befehl, der in bleichen Schristzügen auf dem
Tuche stand, welches der noch immer am Kamin ste
hende und mithin mindestens sieben Schritt von ihm
entfernte Ritter in den Händen hielt.
„Was Teufel!" rief dieser im höchsten Erstaunen.
„Sie müssen scharfe Augen haben!"
„Die habe ich auch, Ivemi es sich um Verbrecher
handelt/ lachte der Polizcipräfekt. „Ich habe sogar
jetzt soviel gesehen, daß ich jeden verhaften lassen werde
bei de», ein solcher Bctveis des Hochverrats gefunden
werden wird!" Damit sprang er auf, als ob er das
Zimmer verlassen und draußen seine Befehle erteilen
wollte.
Der Ritter aber trat ihm in den Weg. „Das tvür-
den nur wir zwei sein," sagte er ruhig. „Ihre Cou
sine und ich."
Ora hatte die beiden Mäirner niit angstvoller und
gespannter Aufmerksamkeit beobachtet. „Sämtliche
Tücher befinden sich hier in diesem Zimmer!" rief sie jetzt.
„Mit Ausnahme des einen," setzte Molsheim hinzu,
„das der junge Salisbury um feinen Hals trägt, und
zwar eben so arglos, wie Ora das ihre mit sich geführt
hat. Glauben Sie, daß die Nihilisten so thöricht sind,
nach gemachtem Gebrauch das bei sich zu behalten, was
ihnen so verderblich werden kann ? Sie haben sehr bald
dafür gesorgt, den gesamte» Verdacht auf dieses un
schuldige Mädchen lind ans mich abzutvälzeii."
Malakoff biß sich auf die Lippen. „Nun. gut," sagte
er, „dann werde ich jeden verhaften lassen, bei dem
eine solche Serviette sich nicht vorfindet." Daunt ging
er auf die Thür zu.
„Ich schöpfe wieder Hoffnung!" flüsterte Ora ihrem
Freunde zu.
Dieser drückte ihr nur schiveigend die Hand. „Wenn
Sie die Thür dort aufsprenge,!," ries er Malakoff zu.
„dann lausen Sie dem Tode geradewegs in den Rachen."
Der Fürst, der die Thür vergeblich zu öffnen uer-,
sucht hatte, war im Begriff, das Schloß derselben mäļ
Revolverschiissen zu sprengen. Als jedoch alle sechs Kam
mern der Waffe versagten, schleuderte er dieselbe mW
einem Fluche von sich.
„Ein verräterischer Schurke hat mir die Ladungen,
herausgezogen," knirschte er wütend.
„Kommen Sie hierher, Fürst," sagte Mölsheim^
ihn an's Fenster ftihrend. „Schauen Sie dort hinüber."^
Er erklärte ihm die Situation, die AussteUiing de»,
zweiten Zirkels und dann zeigte er thin Feodor, seine»'
Kammerdiener, der bereitstand, das Signal zu geben.)
wenn Ora ihren Schwur nicht erfüllen würde, dämm
der Spruch des Natioiial-Ansschusses dennoch vollzog«»
und die Ungehorsame zugleich bestraft würde.
!)„Meiii Feodor, mein Kammerdiener auch ei« Ver
räter ?" murmelte Malakoff. „Und erst gestern noch
kroch er >vic ein Wurm unter meiner Reitpeitsche."
„Da haben Sie die Erklärung für die EutladiiNA
Ihres Revolvers und zugleich den Grund, weswegen
er heute Ihr Blut haben will," raunte ihm der Rit-
ter zu.
„Nun, auch ich hab« eine Ueberraschung für Herrn
Feodor," sagte Malakoff, dessen Wangen blaß geworden
waren. „Sehen Sie einmal dorthin, weiter hinaus, wa»
bemerken Sie da?"
„Eine Anzahl Männer um das HauS verteilt, di»
ihre Pferde in dem Buschwerk versteckt halten."
„Das sind meine Polizisten. Wenn nian zum Tode
verurteilt ist, daun muß man sich ein wenig vorsehen.
Kennen Sie auch den Mann, der dort unten in dem
Lorbeergcbüsch liegt?"
„Den sollte ich kennen!" murmelte Molsheinr.
„Das ist Lyon, ein Uiiterlicnteuant der Dritten
Abteilung." 42,16*
„Ganz recht, erstand in Paris einst unter meinem
Konimando. Der Mann ist zuverlässig." Er verhehlte
sich jedoch nicht, daß dieser zuverlässige Mann, trotz
der ehemaligen Bekauntschast, ebeujo kaltblütig, wie
den ersten besten, auch ihn selber verhaften würde.