Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

hîWKWWH 
GrscHeìnt täcļsicŞ. 
Màburger 
fnWiitt 
Bezugspreis: 
vierteljährlich 2 Ji.—, frei !nS Haus geliefert 
2 Jt 15 A, 
für dlusirärtige, durch die Dost bezogen 
2 Ji 25 § 
tecl. Postprovision re., jedoch ohne Bestellgeld. 
JiisertioiiSpreiS: pro Petitzeile 15 
AeLtrstes und gelesenstes Klatt im Kreise Kendsdurg. 
Anzeigen für die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten. 
89 stet Jahrgang, -şi- 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung 
dieses Blattes vorbehalten. 
A-ls Beilagen 
werden dem Blatt „Der Landwirth" sowie da? 
Blatt „Mode und Heim" gratis bciaegeben. 
3000 Abonnenten. 
Wo. 2m. 
Ireitag, den 18. December 
1896. 
Die Erneuerung 
d : Bestellungen des Rendsburger 
Wochenblattes 
>v.rd hierdurch ergebenst in Erinnerung 
gebracht. Alle Postämter und Landbrief 
träger nehmen Bestellungen entgegen. 
Die Expedition. 
Morgen-Berichte 
London, 17. Dec. Ein schweres Erd 
beben erschütterte fast ganz England und 
Wales; es war eine einzige Welle, 
begleitet von donnerndem Rollen. Von 
großen Städten sind Liverpool, Manchester 
und Birmingham betroffen. Menschen 
wurden niedergeworfen, Möbel umgestürzt, 
Häuser schwankten heftig, doch ist, soweit 
bisher bekannt, kein erheblicher Schaden 
ungerichtet. Ueberall entstand eine große 
Panik, und die Menschen stürzten in's 
Freie. 
London, 18. Dec. In Hereford wur 
den durch das Erdbeben die Kathe 
drale, der Bahnhof nnd andere Gebäude 
beschädigt. Eine Frau starb vor Schreck. 
London, 17. Dec. Wie das Reuter'sche 
Bureau aus Tanger (Marokko) meldet, 
ist der deutsche Banquier H ä ß n e r , als 
er sich heute Nacht nach Hause begeben 
wollte, in einer Entfernung von 300 Iards 
von dem Stadtthore ermordet worden. 
Berlin, 17. Dec. Der Kaiser unter- 
hielt sich heute während des parlamenta- 
rischen Diners beim Reichskanzler außer- 
ordentlich lange mit dem Oberbürgermeister 
Dr. Giese-Altona über den Hamburger 
Sreik; vorher hatte der Kaiser mit dem 
Reichskanzler konferirt. 
Berlin, 17. Decbr. Wie aus Thorn 
gemeldet wird, ist die Erhebung der An- 
klage gegen die in der Landesverrathsaffäre 
verhafteten Personen, den früheren Hülfs- 
gerichtsdiener Albrecht, den Scha-tttmeister 
Fahrin und einen Unteroffizier auf unbe 
stimmte Zeit verschoben, da zur Begründung 
der Anklage das Zeugniß des verhafteten 
Kriminalkommissarius v. Tausch erforder- 
lich ist, in dessen Händen fast ausschließlich 
alle Ermittelungen in der Sache gelegen 
haben. Daher sollen die Verhafteten einst- 
weilen nicht nach Leipzig überführt werden. 
Hamburg, 17. Dec. Der Dampfer ber I 
Packetsahrtgesellschast „Thuringia" ist bei 
Tura^ao gestrandet. Die „Flandria" ist 
K>r Hülfe entsandt worden. 
Nordhauseu, 18. Dec. Der Redakteur 
der „Nordhauser Zeitung" wurde wegen 
auszugsweisen Abdrucks des Artikels der 
„Frankfurter Zeitung", betr. den Marga- 
rinefabrikanten Mohr zu 5 Mk. Geldstrafe 
verurtheilt. 
Aschaffenburg, 17. Dez. Heute Nach- 
mittag um 4 Uhr wurden die bei der 
Katastrophe in der Kromer'schen Zünd 
stofffabrik tödtlich Verunglückten bestattet. 
mit dem Namen derselben errichtet werden.lein Bild vo» den Zustanden machen, wie sie jetzt 
Von den verstorbenen 8 Mädchen ist eines, Şhen. ^Die Partei als solche hatte nicht die 
nach Stockstagt überführt worden, wo die 
Beisetzung stattfinden soll. Heute Nach- 
mittag ist abermals eiues der verunglückten 
Mädchen gestorben, sodaß die Zahl der 
Verstorbenen nunmehr neun betragt. 
Leipzig, 16. Dec. Ein Motorwagen der 
Straßenbahn fuhr beim Passiren der Kurve 
am Markte in das Schaufenster der Firma 
Wilbrandt hinein. Drei Passanten wur- 
den schwer verletzt, und eine junge Dame 
getödtet. 
Petersburg, 17. Dec. Auf Anordnung 
des Unterrichts-Ministers wurde die Uni 
versität Charkow geschlossen 
wegen stürmischer Demonstrationen der 
Studenten, die selbstständig und direkt eine 
Petition an den Zaren richten wollten. 
Eine strenge Untersuchung gegen die Ur- 
Heber der Petition und der Demonstratio- 
neu, die an die Chodinsky-Katastrophe an 
knüpften, ist angeordnet. Angeblich ist 
eine Agitation, die sich über alle russischen 
Universitäten erstreckt, entdeckt. Die Maß 
regeln zur Ueberwachung der Studenten 
aller russischer Universitäten durch Polizei 
sind verschärft worden. 
Venedig, 17. Dec. In der hier zu 
sammengetretenen Karlisten-Versammlung 
gab Don Carlos seine Absicht kund, die 
Führerschaft au seinen Sohn, Don Jayme, 
abzutreten. Die Versammlung befaßte sich 
auch mit den Zuständen auf Cuba. 
Konsrantinopcl, 17. Dec. Die „Frkf. 
Ztg." meldet aus Konstantinopel: Als der 
russische Botschafter von Nelidow eintraf 
erwarteten ihn die Vertreter des gesammten 
diplomatischen Corps und des Sultans. 
Die Botschafter vereinigten sich heute bei 
Nelido, worauf erst seine Audienz beim 
Sultan behufs Uebergabe der Vorschläge 
der Mächte erfolgte. — Der armenische 
Patriarch hat allen Bischöfen telegraphische 
Weisung zugehen lassen, großartige Kund- 
gedungen des Dankes zu veranlassen, sobald 
der Jrads, betreffend die allgemeine Am 
nestie in Armenien erschienen ist. 
Bombay, 17. Dec Bis jetzt sind 1511 
Erkrankungen uno 1094 Todesfälle 
an der Pest bekannt geworden, jedoch 
sträubt sich die Bevölkerung dagegen, den 
Behörden Meldungen zu machen. Die 
Eingeborenen fliehen noch immer aus der 
Stadt; 2 00 000 Personen sollen 
diese bereitsverlas senhaben 
Besprechung des Streiks 
der Hamburger Hafenarbeiter 
im Reichstag. 
Die bis jetzt Verstorbenen sind Mädchen t werden die Rheder selbst mit ihren 
- ™ > lno Ķşşn àten über eine Lohnerhöhung sich verständigen. 
Und haben ein gemeinsames Grab erhalten. 
Die Beerdigung e> folgte auf Kosten der 
Stadt, die durch den gesammten Magistrat 
Und die Stadtverordneten vertreten war. 
Der Bürgermeister legte im Namen der 
Stadt unter herzlichen Worten der Theil 
nahme einen Kranz nieder. Der Pfarrer, 
welcher die Einsegnung vornahm, widmete 
8leichsalls den Verblichenen einen ehren- 
vollen Nachruf. An dem Trauergesolge 
detheiligten sich offiziell die Geistlichkeit, 
Vertreter des Osfizierkorps, sowie der 
tätlichen und städtischen Behörden. Die 
Bewohner der umliegenden Ortschaften 
^'uren fast vollzählich erschienen. Feuer 
wehrleute mit brennenden Fackeln bildeten 
Spalier, Feuerwehrleute trugen auch die 
«arge. — Für die Angehörigen der Opfer 
f . eè Brandes, soweit tze arbeitsunfähig 
Ķd, wird die Stadt in ausgiebigster 
preise sorgen. Es hat sich heute unter 
e Ņ’ Vorsitz des Bürgermeisters ein Co- 
Uiilee zur Sammlung Freiwilliger Beiträge 
gebildet. Auf dem Grabe der Verun 
glückten wird von der Stadt ein Denkmal 
Abg. Jebs en (nail.) verwahrt sich als Ham- 
burger Rheder gegen die von dem Abg. Molken- 
buhr aus die Hamburger Rhederei gerichteten 
Angriffe. Die Löhne seien t889, wo die Rhe- 
derei florirte, erheblich höhere gewesen; mit der 
Krise hätten sie heruntergehen müssen. Ein 
kleiner Aufschwung des Frachtenverkehrs fei jetz' 
zu spüren. Um für die Arbeiter dabei etwas 
herauszuschlagen, dazu ist der gegenwärtige Zeit 
Punkt der ungeeignetste. Nehmen die Arbeiter 
ihre Arbeit wieder auf oder hält der Aufschwung 
Abg. Legi en (Soz,): Die von den Rheden, 
veröffentlichten Lohnlisten sind sehr verdächtig. 
Durch persönliche Prüfung gaben wir festgestellt, 
daß in Hunderten und aberhuirderten von Fällen 
die Löhne nicht dem einzelnen Schauermann, 
sondern auch seinem Ersatzmann gezahlt finds 
Mehr als tausend Mark entfallen auf keinen der 
betreffenden Schauerleute. An einzelnen Bei 
spielen sucht Redner nachzuweisen, welche Riesen 
arbeit diese Leut« zu bewältigen haben, und fragt, 
.ob gegenüber diesen Leistungen ein Lohn von 
700 bis 1000 Mk. «in ausreichendes Aeguivalent 
sei. Aus den Listen, welche die Zahl der Arbeits 
wochen angeben, laffe sich ganz genau das wirk 
liche Arbeitseinkommen der Leute nachweise», 
und darum hätten die Stauer davon Gebrauch 
gemacht und in ihren späteren Listeiiausstellungcn 
die Zahl der Arbeitswochen weggeiasien. Die 
Angaben der Stauer und Rheder entsprächen 
ajw keinesfalls der wahren Sachlage. Der 
streik in Hamburg fei so begründet wie jeder 
andere; es gebe überhaupt keinen unbegründeten 
Streik (Heiterkeit). Das Hamburger „Echo" hat 
nicht zum Streik gehetzt, sondern vo» Anbeginn 
an gefordert, daß der Friede geschlossen werden 
soll. Aber um die Lohnhöhe allein handelt es 
sich in Hamburg allerdings nicht, sondern auch 
um Regulirung der Arbeitszeit. In dem neuen 
Tarif der Arbeiter wird verlangt, daß di« Arbeits 
zeit nicht länger als 36 Stunden hintereinander 
dauern soll; daraus allein können Sie sich wohl 
geringste Kenntniß davon, daß es hier zu einem 
Lohnkampfe kommen sollte; die Führer ivaren 
davon auf's Aeußerste überrascht. Bei dem Vor 
handensein einer Organisation wäre der Streik 
nicht ausgebrocheii; aber di« Anfänge einer 
Organisation haben gerade die Arbeitgeber 1890 
zu vernichten sich bemüht nnd derselbe Arbeitgeber 
verband ist es, der auch heu e wieder in Aktion 
tritt. Systematisch hat er die Arbeiter zu drang- 
saliren versucht, jeder orgaiiisirte Arbeiter wird 
von der Arbeit ausgeschlossen durch die besonderen 
Arbeitsnachweise, die die Arbeitgebervereinigung 
eingerichtet hat. Suchen Sie nach einem Grunde 
für den Streik, so finden Sie ihn vielleicht bei 
diesen Arbeitsnachweisen. Mit dem Hinweis auf die 
Sozialdemokratie als Urheberin des Streiks kann 
man doch nur beabsichtigen, die Streikenden 
beim Publikum in Mißkredit zu bringen, v. Elm, 
Molkenbuhr und ich, wir haben durch das Reichs 
tagsmandat nicht etwa aufgehört, Arbeiter zu 
sein; brauchen unS die Arbeiter, so stehen wir 
ihnen zur Verfügung, auch wenn Herr v. Boetticher 
uns dann hier im Reichstage vermißt, wo wir 
dann allerdings seine schönen Reden nicht hören 
können. Es ist kein wahres Wort daran, daß 
ich in einem Schiff« der Packetsahrtgesellschast die 
Streikenden haranguirt habe; der Staatsseeretär 
ist in diesem Falle ganz falsch unterrichtet. Ich 
hätte mich auch nicht entfernt, ivenn mich nicht 
ein Polizist, der dort ebensowenig zu suchen hatte, 
wie ich, zum Weggehen aufgefordert hätte .Herr 
v. Boetticher sieht das Ende des Streikes nahen; 
ich kann mittheilen, daß die Streikunterstützung 
um I Mk. erhöht worden ist. Die Streikenden 
sind durchaus für Vermittelung und werde» 
jedes Schiedsgericht annehmen (Hört, hört! links), 
und nicht aus Mangel an Mitteln, sondern weil 
sie sich der Erkenntniß nicht verschließen, was 
bei längerer Dauer aus den Zuständen in Ham 
burg werden soll. Man schasst elende, kranke, 
hinfällige Arbeiter als Streikbrecher nach Ham 
burg und schafft dadiirch Zustände, die noth 
wendigerweise zu einem Zustande zurückführen 
müssen, wie sie das Epidemiejahr 1892 für Ham 
burg gezeitigt hat. Die Hamburger Arbeiter 
wollen den Frieden und bieten die Hand dazu, 
sobald ihre Interessen nur die geringste Berück 
sichtigung erfahren. Aus den Erklärungen des 
Staatssekretärs selbst ergiebt sich, daß der Lloyd 
nicht erfüllt hat, ivas er versprochen, daß er 
Lohnreduktion hat eintreten lassen ; wir sind also 
sehr im Recht, wenn wir unsererseits unsere 
Stellung zu dem Lloyd verändern. War»», 
schont man die Leute bei der deutschen Marine 
in den Tropengeivässern nicht, warum werden 
da nicht gelbe Matrosen eingestellt, wie beim 
Lloyd? Sobald der Lloyd so vorging, folgten 
die Hamburger Rheder, und so sanken die Löhne 
bis auf 50 Mk., ja aus 40 Mk.., wovon kein 
Mensch auch nur nothdürftig leben kann. Jetzt 
will inan die gelben Leute beseitigen, jetzt, nach 
dem das Unglück einnial geschehen ist.' Herrn 
v. Stumm will ich gern bei seinem Glauben 
lassen, daß die Sozialdemokratie aus der Hölle 
gekommen ist; sie ist aber weder aus vem 
Himmel, noch auS der Hölle gekommen, sondern 
ein Produkt der Verhältnisse. Auch wenn der 
Streck verloren geht, wird die Sozialdemokratie 
nicht in ihrer Fortentwicklung gehemmt werden; 
sie wird sich nicht und kann sich nicht zu einer 
Resormpartei entwickeln. 
Erachtens daraus von selbst ergeben. Das Ur 
theil über die Handlungsweise des Herrn Mohr 
steht, nachdem die Prozeßverhandlungen bekannt 
geworden sind, in der Oeffentlichkeit so fest, daß 
wir darüber kein Wort mehr zu verlieren brauchen. 
Die Worte Mohr's in der Verhandlung: „D a n n 
muß ich d e u Mann auch noch kaufe n" 
sagen genug und übergenug. 
Der Privalklägcr Abgeordneter Mohr ist per 
sönlich erschienen, als juristischer Beiraih steht 
ihm Rechtsanwalt O e l s n e r zur Seite. Der 
ebeiiialls veriöuliib anwesende Nrinomna 
ebensalls persönlich anwesende Privaiangeklagte 
Redakteur O e s e r wird durch Rechtsanwalt 
Dr. Bruck und Referendar Dr. Herz vertheidigt. 
Der Sitzung wohnt auch der Redakteur der 
„Wormser Zeitung", Dr. Schapcr, bei, der sich 
morgen ebenfalls ivegen Beleidigung Mohrs, 
begangen durch den Abdruck des' Wormser 
Polizeibcrichts. zu verantworlen haben wird. 
Als Zeugen sind anwesend der Fabrikant Diller 
und Polizeischreiber Orth. Rach der Verlesung 
der einzelnen iiuicr Anklage gestellten Artikel 
der „Frankfurter Zeitung" überreichte der Ver 
treter des Privatklögers die Nummer der 
„Wormser Zeitung", aus der die „Frankfurter 
Zeitung" den Polizeibericht abgedruckt hat, und 
ersucht, scstzustcllcu, das; die fragliche Notiz kein 
Polizeibericht, sondern eine gewöhnliche Lokal- 
notiz war, welche die Uebcrschrift: „Verrath von 
Fabrikgeheimnisscn" trug Rechtsanwalt Dr. 
Bruck als Vertreter des Privatbeklagtcn bittet 
demgegenüber festzustellen, daß die Notiz zioei 
Kreuze an der Spitze trug, dasselbe Zeiche», das 
dem Polizeibcricht vorsteht. Die Notiz stamme 
daher jedenfalls aus dem Wormser Polireibureau. 
Der Vertreter des Privatklägers theilt dann 
mit, daß aus Veranlassung Mohrs die Gegend 
um die Horchhcimcr Fabrik herum von einem 
vereideten Geometer gemessen und gezeichnet 
ivordcn sei und beantragt dessen Vernehmung, 
die jedoch zunächst ausgesetzt wird. Hierauf ge 
langen die Protokolle über die kommissarischen 
Vernkhmungen verichiedener Zeugen zur Ver 
lesung. Polizeikommissar Bischof aus Worms 
hat bekundet, daß der Polizeibericht also auch 
üie fragliche Notiz von dem Pollzcischrciber 
doch ja überlegen. Der Zeuge giebt dann weiter 
au, daß er zu Herrn Mohr gesagt habe, ohne 
einen Syrupskocher gehe die Sache doch nicht. 
„Dann in u ß i ch d e n M a n n auch noch 
kaufe n", habe Mohr darauf gesagt und zwei 
Annoncen an die „Wormser Zeitung" und den 
„Wormser Generalanzeiger" aufgegeben, in welchen 
er Syrupskocher uni Angabe ihrer Adressen er 
suchte und ihnen Verschwiegenheit auch für den 
Fall zusicherte, daß er sie nicht brauchen könne. 
Eine Zeugin Bäcker hat den Privatkläger be 
obachtet, wie derselbe über die Mauer der Fabrik 
von Pfeiffer & Diller zu sehen versuchte. Bei 
dem Zeugen Wirth Hasch hat Mohr sich erkun 
digt, wie die Essenz hergestellt werde, und wer 
sie herstelle. Hasch nannte darauf die Namen der 
Arbeiter Ritzberger und Schmidt, und M 0 h r 
forderte den Zeugen auf, die beiden herbeizuholen, 
was Hasch jedoch ablehnte, da er niemand zmn 
Schicken habe. Hierauf wird der persönlich an 
wesende Zeuge Diller von der Firma Pfeiffer 
II. Diller vernommen. Er bekundet: Die Her 
stellung der Kaffee-Essenz sei Fabrikgeheinmiß, 
mib nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gegen 
den unlautern Wettbewerb habe er die Arbeiter 
noch besonders verpflichtet, das Geheimniß nicht 
preiszugeben. Die Fabrikation der Maschinen sei 
nicht gerade Fabrikgeheimnitz, da die einzelnen 
Maschinen aber auf seine Zeichnungen hin ange 
fertigt seien, so habe er sich ein Anrecht auf die 
Geheimhaltung der Fabrikation dadurch zu er- 
werben gesucht, daß er den Schlosser Hahn und 
die ausführende Fabrik in Frankenthal zur Ver 
schwiegenheit verpflichtete. Auf Befragen des 
Vertreters des Privatklägers giebt der Zeuge 
noch an, daß er der „Frankfurter Zeitung" 
auf deren telegraphische Anfrage hin brieflich 
Näheres über den Fall Mohr initgetheilt 
habe. Insbesondere habe er hervorgehoben, daß. 
die Notiz aus dem Polizeibureau stammte, und 
daß die Angaben durchaus wahrheitsgetreu seien. 
D>r Prioatbeklagte Oeser selbst giebt zu dieser 
Frage an: Von verschiedenen Lesern aus Worms 
wurde mir die betr. Nummer der „Wormser 
Zeitung" zugeschickt. Ich sagte mir, es ist doch 
ganz unglaublich, daß ein Abgeordneter sich in 
dieser Weise gegen das Gesetz vergangen haben 
sollte, und telegraphirte deshalb zunächst an 
Pfeiffer und Diller, ob der Vorgang sich wirklich 
Orth auf Grund der Volizelakten verfaßt worden 
sei. Er erinnere sich, eines Tages von der e ^Polizcibericht 
i Pfeiffer und Diller in Honbbeim bļ>> ^ŗgestellt wurde. Cr,t nachdem ich auch noch in 
f f C m şşŞ'm bei den Besitz einer brieflichen Mittheilung der Finna 
Herr Mohr als Kläger. 
Vorgestern und gestern haben in Frankfurt a 
M. und Worms Verhandlungen gegen Zeitungs- 
cedakteure wegen Beleidigung des Margarinefa 
brikanten Mohr stattgefunden. Wegen desselben 
Artikels ist der Redakteur der „Frankfurter Zei 
tung" zu 500 Mk., der der „Wormser Zeitung' 
zu 300 Mk. Geldstrafe verurtheilt worsen, wäh 
rend beispielsweise der Abdruck des unter 
gestellten Artikels in Nordhausen mit einer Strafe 
von nur 5 M. belegt worden ist. Diese Verschieden 
heit ist auf den ersten Blick auffällig, aber erklär 
lich Der v 0 r l ä u fi g e Erfolg, den Herr Mohr 
erzielt hat, wird ihn vermuthlich veranlassen, seine 
Massenklagen weiter fortzusetzen, und wir werden 
gezwungen sein, den Mohrklagen eine besondere 
Rubrik unseres Blattes anzuweisen. Nicht die 
Persönlichkeit des Herrn Mohr und nicht der 
eigentliche Gegenstand der Klage veranlaßt uns, 
die Angelegenheit an dieser Stelle zu behandeln, 
sondern etwas anderes. Das wichtigste Ergebniß 
des Prozesses ist der durch ihn geführte Nachweis 
einer Lücke im Gesetze geg en den un 
lauteren Wettbewerb. Weil der Schlos 
sermeister, an den Herr Mohr sich wandle, nicht 
Angestellter der Fabrik war, sondern selbst 
ständiger Meister, war die Handlungsweise des 
Herrn Mohr nicht strafbar. Wäre es ihnl ge 
lungen, den Sirupkocher, den er kaufen wollte, 
zu kaufen, dann würde wohl die Strafbarkeit 
außer Zweifel stehen. Da nun aber die ganze 
Art, wie Herr Mohr die besondern Geheimnisse 
der Wormser Kaffee-Csienz-Fabrik zu ergründen 
suchte, das Gepräge eines Wettbewerbs trügt, so 
wird es Sache der Gesetzgebung sein, aus dem 
Prozesse die Folgen zu ziehen, die sich unsers 
Firma Pfeiffer und Diller in Horchheim bei 
Worms die Mittheilung erhalten zu haben, daß 
der damals unbekannte Privatkläger sich des 
Vergehens gegen das Gesetz über den unlauteren 
Wettbewerb schuldig gemacht habe. Auf Grund 
der Angaben sei dann die Verhaftung Mohrs 
erfolgt. Der Wachtmeister Brcidenstcin, der 
die Verhaftung vornahm, hat den Privatkläger 
dabei mit „Ihr" angeredet, worauf dieser gesagt 
habe: „Fch bin Ihr „Ihr"' nicht, ich bin Ab. 
geordneter!" Zeuge Kutscher und Posthalter 
Kaufmann aus Worms hat den Privatkläger 
seiner Zeit nach Hochheim gefahren. Aus dem 
Wege dorthin habe Mohr ihn gefragt, ob in 
dem Orte sich eine Kaff ceessenzfabrik von Pfeiffer 
& Diller befinde. Als Zeuge dies verneinte 
und ihm mittheilte, daß sich eine Fabrik gleicher 
Art und gleichen Namens in Horchheim befinde, 
hat er den Austrag erhalten, den Privatkläger 
dorthin zu fahren Unterwegs habe Mohr ihn 
gefragt, ob er nicht einen Mann in Horchheim 
kenne, der die gleichen Maschinen fertige, wie 
sie in der Fabrik von Pfeiffer & Diller m Ge 
brauch wien. Zeuge hat daraus den Schlosser- 
meister Hahn in Horchheim genannt, der s. Zt. 
der Fabrik einen Theil der Maschinen geliefert 
bat und die Reparaturen an ihnen ausführt. 
Auf die Frage des Zeugen, ob er den Privat 
kläger in eie Fabrik hineinfahren solle, hat dieser 
mit Nein geantwortet und ihn beauftragt, in 
der Nähe der Fabrik in irgend einer Wirthschaft 
auszuspannen. Während der Zeuge sich ent- 
sernte, ging Mohr nach der Fabrik zu und blieb 
etwa 10 Minuten sort. Rach der Rückkehr 
Mohrs fragte der Zeuge den Privatkläger, ob 
er in der Fabrik gewcsen sei, was Mohr ver 
neinte, indem er bemerkte, es sei geiade Mittags- 
ze.t. Der Zeug- hat den Kläger dann zu dem 
Schlossermcister Hahn geführt, und diesem hat 
Mohr nach Bekundung des Zeugen Kaufmann 
gesagt, er beabsichtige, eine gleiche Fabrik wie 
die Pfeiffer & Dilleische in Bahrenfeld bei 
Altona einzurichten. Er habe dann Hahn ge 
fragt, wieviel er für die Einrichtung einer solchen 
Fabrik verlange. Hahn habe aber jede Thätig 
keit im Dienste Mohrs abgelehnt und später zu 
ihm, Zeugen, gesagt: Er hätte Mohr alle 
Maschinen liefern und dafür 30 000 Mark er 
halten können, und nun müsse er 15 Jahre 
arbeiten, ehe er eine solche Summe verdiene 
Schlossermeister Hahn aus Forchheim hat 
bekundet: Ich habe seiner Zeit die Maschine» 
für Pfeiffer & Diller geliefert und übernahm 
tillschweigend die Verpflichtung zur Geheimhaltung 
der Fabrikationsart. Mein Verdienst schwankte 
zwischen 400 bis 600 Mk. Ich habe das Geschäft 
mit Herrn Mohr nicht ohne weiteres machen 
wollen, sondern sagte ihm zunächst, daß die 
Einrichtung schweres Geld kosten würde. Mohr 
erkundigte sich dann eingehend über die Verhält 
nisse in der Fabrik. Er fragte, ob viel Arbeiter 
beschäftigt würden und ob die Firma viel liegendes 
Kapital besitze. Weiter frug Herr Mohr, was 
zu der Fabrikation verwendet werde, ob Syrup 
genommen werde, ob man ihn mahle und was 
für ein Zusatz gebraucht würde. Ich bejahte alle 
diese Fragen, und schließlich stellte Herr Mohr 
noch die Frage, was für ein Zusatz das sei. Ich 
agte, das ist eine Lebensfrage, ich würde mich 
chämen, es zu sagen. Mohr sorderte mich daraus 
ans, einen bestimniten Preis für die Einrichtung 
zu fordern, und sagte, ich solle mir die Sache 
gelangt war, veröffentlichte ich den Fall. Auf 
die Vernehmung des zweiten anwesenden Zeugen, 
des Polizeischreibers Orth, wurde allseitig ver 
zichtet. Es gelangt dann noch der Einstellungs- 
beschluß des Oberlaiidesgerichts in Mainz in 
Sachen gegen Mohr wegen Vergehens gegen das 
Gesetz betr. den unlautern Wettbewerb zur Ver 
lesung. Aus der Verlesung geht hervor, daß das 
Verfahren eingestellt worden ist, weil das Vor 
gehen Mohrs kriminell nicht strafbar sei, der 
Zeuge Schlossermeister Hahn selbstständiger Haiid- 
rverker und nicht, wie § 10 des Gesetzes erfordert, 
Arbeiter oder sonstiger Angestellter der Firma, 
also auch nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet 
war. Nachdem Zeuge Diller hierauf noch erwähnt 
hatte, daß er von der Angelegenheit mit den 
Albeitern Ritzeiibergcr und Schmidt dem Ober- 
landesgericht keine Mitteilung mehr gemacht, 
sondern sich bei dem Einstellungsbeschluß beruhigt 
habe, erhielt der Vertreter des Privatklägers. 
Rechts«,iwalt Oelsner das Wort. Der Polizei- 
bericht, auf den die Privatklage sich stütze, kenn 
zeichne sich schon durch die Ueberschrift als ein 
ganz gewöhnlicher Sensationsartikel, den die 
„Frankfurter Zeitung" nur alifgenommen habe, 
um dem verhaßten politischen Gegner eins aus 
zuwischen. Wenn der Beklagte wirkich angenommen 
habe, daß die Notiz aus dem Polizeibericht 
stammte, so hätte er durch eine Anfrage bei der 
Polizeidirektion feststellen können, daß es sich 
lediglich um eine unerlaubte Privatarbeit des 
Polizeischreibers handelte. Im Weitern pole- 
nilsirt der Redner gegen die „Franks. Zeitung" 
im Allgemeinen. Die ganze Handlungsweise des 
Angeklagten beweise, in wie fahrlässiger Weise 
die „Franks. Ztg." mit der Wahrheit umspringe. 
Mohr habe nichts gethan, was gegen das Gesetz 
verstoße. Mohr habe seiner Zeit große Angst 
gehavt, daß der Entwurf zum Margariuegesetz 
im Reichstage zur Annahme gelangen und da 
durch seine Fabrik vernichtet oder doch wenigstens 
der Betrieb derselben eingeschränkt werden würde. 
Er beabsichtige deshalb, sich mit der Gründung 
einer Kaffee-Effeiizfabrik finanziell den Rücken zu 
decken. Er hat sich in durchaus korrekter Weise 
über die Einrichtunq einer solchen Fabrik zu in- 
ormiren gesucht. Der Zeuge Hahn habe sich 
nach dem Fehlschlagen seiner Verhandlungen mit 
Mohr bei der Firma Pfeiffer & Diller ein rothes 
Röllchen verdienen wollen und deshalb Mohr 
hineinzulegen gesucht. Charakteristisch für die 
doii» fides des Klägers Mohr sei die Thatsache, 
baß er jedem in Forchheim und Worms seinen 
Namen genannt habe. Auf die bloße Notiz hin 
habe der Beklagte den Kläger zum Verbrecher 
gestempelt, und trotz des Einstellungsbeschlusses 
sei weiter gegen Mohr gehetzt worden, lediglich 
uni den angeblichen Sensationslüsten des Publi 
kums zu genügen und Mohr unmöglich zu 
machen, nicht nur als Kaufmann, sondern ins 
besondere auch als Politiker s. r alle Zeiten. 
Deshalb sei eine hohe Strafe am Platze, und 
mit Rücksicht darauf, daß die „Franks. Zeitung" 
seit Jahren von de» Gerichten wegen ihrer kon 
stanten Verläumdungsmanier mit hohen Strafe» 
belegt zu werden pflege, beantrage er eine Ge- 
sävgiiißstrafe von zwei Monaten, Publikation des 
Urteils in der „Frankfurter Zeitung", den 
„Altonaer Nachrichten", der „Wormser Zeitung" 
und der „National-Zeitung" in Berlin und Un 
brauchbarmachung der Platten, Formen u. s. w.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.