Erscheint tägLich.
Bezugspreis:
Bieneljährnch 2 J(.—, frei ins Haus gdieftrt
2 Ji 15 Ķ
{ür Auswärtige, durch die Post bezogen
2 ,fi 25 ê)
tod. Postprvuision jc-, jedoch ohne Bestellgeld.
Zņsertwnsprcis: Pro Petiizeile 15 Ķ
Irttestes und grleftnstes Ktatt im Kreise Rendsburg.
Anzeigen fiir die Tagesnnmmer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten.
-A- Ester Jahrgang. <4-
Bei Betriebsstörungen
irgend tvelarer Art ist die regelmäßige Lieferung
dieses Blattes vorbehalten.
A-ls Beilagen
werden dem Blatt „Der Landwirth" soivie das
Blatt „Mode und Heim" gratis bcigegeben.
8000 Abonnenten.
Wo. 288.
Mittwoch, öen 9. December
1896.
Morgen-Berichte.
Hamburg, 8. Dec. Die Eisenbahndirek
tion macht bekannt, daß Äs auf weiteres
Sendungen für den Freihafen von der
Beförderung ausgeschlossen sind, ausge
nommen Sendungen von Kohlen und solche
für den Petersen-Quai. Anträge auf Be
förderung mittelst Quaibahn werden vor
läufig abgelehnt. Die Hamburger Quai
Verwaltung lehnt Sendungen fürdieStaats-
«luais ab. Für den Verkehr -nach Ham
burg ist zur tarifmäßigen Lieferzeit eine
Zuschlagsfrist von drei Tagen für Eilgut
und zehn Tagen für Frachtgut festgesetzt.
Hamburg, 8. Dez. Die Quaiverwalkung
hat ihren Betrieb wieder aufgenommen;
das geht aus einer Bekanntmachung der
kgl. Eisenbahn-Direction zu Altona her-
vor, des Inhalts, daß die Annahme der
fur Hamburg-Freihafen bestimmten Güter
Meder unbeschränkt stattfindet. Nach
amtlichen Angaben der Quaioerwaltung
wrrd bereits heute die Nachfrage nach
Arbeitskräften gedeckt sein, sodaß dann
dort überhaupt keine Leute mehr ange
nommen werden. Bor Proclamirung des
Generalstreiks hatte die Oluaiverwaltung
elwa 1100 Arbeiter fest angestellt.
Vvn diesen Leuten haben nur etwa 600
Mann die Arbeit eingestellt und -sich den
Streikenden angeschlossen.
Hamburg, 8. Dezbr. In einer heute
Abend im „Englischen Tivoli" veranstalte-
ten öffentlichen „Eisenbah n e t - $ er-
f a m m l u n g", die von etwa 5—600
Personen besucht war, führte der Vorsitzende
Bürger aus: Es fei etlva 5 Jahre her,
daß die Eisenbahnarbeiter Gelegenheit ge
habt hätten, sich an einer öffentlichen Ber
Oberherrschaft in die Hand zu nehmen.
Neben dem mit aller Kraft betriebenen
Ausbau der transsibirischen Bahn bedeute
dieser Schritt den Beginn der Beherrschung
des Suezkanals zwecks Sicherung des See-
Weges nach Ostasien. Das Bezeichnendste
sei, daß Rußland aus dem Seewege gerade
jenes Gebiet ausgewählt, das unmittelbar
an die französische Kolonie Obok anstoße.
Die russische und die französische Kriegs-
stagge neben einander am Eingänge des
rothen Meeres zu sehen, dürfe zur Genüge
beweisen, daß beide Staaten in der Orient-
politik sich zu weit ausgeholtem Vorgehen
verständigt haben.
Dresden, 8. Der. Eine in der Opell-
straße wohnende Frau Bergmann hat sich
und ihre drei Knaben im Alter von zwölf,
sieben und drei Jahren durch Kohlengase
vergiftet. Die Frau soll über den Tod
ihres gestern in der Diakoniffenanstalt
verstorbenen Ehemannes verzweifelt ge
wesen sein.
Lüttich, 8. Dez. In Dison ist eine
Pockenepidemie (Windpocken?) ausgebrochen.
800 Kinder sind erkrankt. Sämmtliche
chulen sind geschlossen. In Spaa herrscht
dieselbe Krankheit.
Verviers, 8. Dez. Ein Soldat zer-
chnitt in der Kaserne in trunkenem Zu-
tandc die Bilder des Königs und 'öcr
Königin und drang dann mit geladenem
Gewehr auf feinen Korporal ein. Nur
mit größter Mühe gelang es, den Wüthenden
in Arrest abzuführen.
Budapest, 8. Dec. Die Hörer der me
dizinischen Fakultät hielten eine Versamm-
lung ab, in welcher ein gegen Professor
Kovaes gerichtetes Memorandum eiiistim-
: j ' ' ' «u- nuuuw ytiioiieies wceiiivranouiii einst m-
sammlung zu betheiligen. Es seien damalsImig angenommen wurde. Dasselbe wird
îhr.ftr srhpfïtirtfimo rm Srtv «v-v-. s. cr\ r rr - ^ 1 VltU
um mit Hülfe des Herrn v. Tausch einem
dunklen Ehrenmann einen anonymen Brie
an den Kriegsminister schreiben zu lassen,
um auf Grund dieses Briefes gegen die
fälschlich verdächtigten Hülfsarbeiter eines
zum Ministerium des Innern gehörigen
Refforts vorzugehen.
Die beiden eigentlichen Angeklagten, die
im Lauf der gerichtlichen Verhandlungen
vor der Person des Herrn v. Tausch
sehr in den Hintergrund traten, die
„Journalisten" Le ck er t und v. Lütz ow
(die von dem Journalismus allerdings so
wenig verstanden, wie ein Köhler von der
Weinbereitung) hatten bei Gelegenheit des
Zarentoastes bei der Breslauer Entrevue
in der Presse verbreitet, die falsche Wieder-
gäbe dieses Toastes sei durch den Grafen
Philipp Eu 1 enburg (Gesandten in
Wien) veranlaßt worden und der Minister
des Aeußern, -Freiherr v. Marichall
sei derjenige gewesen, der diese falschen
Angaben durch diese Mittelspersonen hätte
an die Oeffentlichkeit gelangen lassen. —
Hieran knüpften sich weitere versteckte An
grifft gegen Frhrn. v. Marschall in der
antisemitisch-agrarischen Presse,
und endlich benutzte die „Staatsb.-Ztg."
obiges unrichtige Material zu einem Artikel
mit der lleberschrist: „Officiöse Preßwirth-
schuft". In diesem Artikel hatte sich das
antisemitische Organ die Unterstellungen
des Herrn Leckert-Larsen gegen Freiherrn
v. Marschall zu eigen gemacht und zugleich
dresc^ Anschuldigung dahin erweitert, baß
sie sie mit den seinerzeit in der „Köln.
Ztg." uns „Hamburger Correspoudenten"
erschienenen Artikeln über die sogenannte
infolge ihrer Theilnahme an der Bewegung
eine große Anzahl Arbeiter von der Eisen
bahn - Verwaltung gemaßregelt worden.
Damals, zur Zeit -der Mai - Bewegung,
hätten die Arbeiter noch unter den Folgen
des SozcialistengeseHes gestanden, heute
ständen sie vor einenl großen Siege. Die
Eisenbahn-Verwaltung sei inzwischen be
müht gewesen, die Bewegung unter ihren
î Arbeitern zu ersticken., doch werde -ihr dies
nicht gelingen. Die Versammlung-beschließt
! demzufolge die Gründung einer
ş gewerkschaftlichen Bereinigung
der Eisenbahn-Arüeiter und nimmt
folgende Resolution an: „In Er
Wägung, daß kein Privat > Unternehmer
seine Leute so gering bezahlt, als wie
die Kon,gl. Eisenbahnverwaltuiig ihren
Arbeitern an Lohn zukommen läßt, erklär,
die heutige Versammlung, daß es einfach
unter heutigen Verhältnissen nicht möglich
ist von dem Gelde, was uns die Eisenbahn,
dehorde zumuther unsere Familie reell zu
t ernähren, und die Versammlung erwar. et
I von der Königl. Eisenbahndirektion uns
sofort eine den theuren Verhältnissen ent
sprechende L o h n z u l a g e z« gewähren
Ferner erwarten wir bestimmt, daß wir
sofort eine wöchentliche Abschlagszahlung
erhalten werde», um nicht auf den ver
dienten Lohn noch Wochen lang warten
zu müssen, wie es bis jetzt der Fall war.
Ferner erwarten wir die sofortige A b -
s chaffung der Accordarbeit und
un deren Stelle einen Tagelohn von 4,50
Mark für sämmtliche an der Eisenbahn
beschäftigte Arbeiter; ferner vom 1. April
1897 ab eine achtstündige Arbeits
zeit nebst allgemeiner Ş o n n t a g s -
ruhe für alle Eisenbahner."
Glasgow, 8. Dec. Ein Anzahl See-
ļ l k u t e am Clyde hatte die Ar-
ì ^ ' e d e r g e l e g t und verlangte
eine Erhöhung des Lohnes. Die Bewe-
gung breitet sich jetzt aus. Am Donners-
tag wird der Versuch gemacht werden, das
Absegeln der Oceandampftr unmöglich zu
machen. Die Bewegung wird von dem
Parlamentsmitgliede Havelock Wilson ge
leitet. Die Rheder erklären, sie würden
Mannschaften zu den alten Lobnsätzen er
halten.
Köln, 8. Dec. Die „Köln. Ztg." schreibt
zu der Petersburger Mittheilung, Ruß.
land habe von Mcnelik einen Hasen, sowie
einen Länderstrich erworben, dadurch seien
die stetig fortschreitenden Bestrebungen der
russischen Politik erwiesen, im Orient eine
heute dem Proftsiorenkollegium überreicht
werden, welches sich am 9. d. Mts. Mit
der Beschwerde der Studenten beschäftigen
soll. Die Studenten beschlossen außerdem
bis zur Behebung ihrer Beschwerden die
Vorlesung des Professors nicht zu besuchen
und sich im neuen Semester bei denselben
nicht mehr einschreiben zu lassen.
Belgrad, 8. Dec. Gelegentlich des
Todes des Metropoliten Methodius in
Uesküb wurden viele Werthsachcn, goldene
Kreuze, llhreu und anderes gestohlen.
Sogar ein Apotheker und griechische Geist-'
liche betheiligten sich an der Plünderung
angesichts des Leichnams. Das türkische
Gericht hat eine Untersuchung eingeleitet.
durch die unter seiiiu'i Eide gegebene Ver
sicherung, daß er dem Chefredakteur des
Berliner Tageblattes, Dr. L e v y s o h n ,
nie gesagt habe, der „Journalist" Leckert
sei im auswärtigen Amte empfangen wor
den, was dieser gegeutheilig wieder nun
eidlich bestimmt erhärtet, in Haft genom
men worden.
Was nun? Der Ausfall der Entschei
dung wird zeigen, wie weit nach der Mei
nung der leitenden Staatsmänner und der
sonst Berufenen das vermeintliche oder
wirkliche „Staatsinteresse" rücksichtslos mit
den Grundsätzen der bürgerlichen Moral
vereinbar und nur auf Grund dieser zu
wahren ist. Kann der Staat auch ohne
ein unmoralisches Shstem der Polizei exi-
stiren, oder ist die Praxis der Tausch und
und Lützow nothwendig, um das zu schützen,
was man die höchsten und heiligsten Per
sonen nennt? Eine schwere Entscheidung!
Es giebt realpolitische Pessimisten, die ein
fach behaupten, der moderne Staat, dessen
„Interessen" das System Stieber—Krüger
—Tausch bisher geschützt hat, werde diesen
Schutz nicht entbehren können; das Shstem
und seine Träger würden bleiben, wenn
auch etwas modistzirt. Und der Drachen-
todter Freiherr v. Marschall, dem jetzt die
große Partei der anständigen Leute dankt,
werde an dem moralischen Siege, den er
jetzt erfochten, ehrenvoll zu Grunde
gehen, um so eher, als diese hoch an-
zurechnende That den alten Haß nicht
mildert, den in bekannten Lagern mächtige
und einflußreiche Gruppen und Personen
gegen den ehemaligen „Staatsanwalt"
hegen. Es giebt auch Optimisten, welche
.ņy-ķ». yieui aucy àşiii!ii,ien, welche
„i-cebenregierung in inneren Zusammen- die Macht der öffentlichen Meinung in
hang brachte. Infolge dessen wurde dass Presse und Volksvertretung für so groß
antisemitische Blatt mit 8ef*Iag belegt-halten, daß die einmal enthüllte Korrup
und Stra,antrag „wegen Beleidigung des tion und ihre Träger dagegen nicht zu
n.
„Die Enthüllungen -des Prozesses Leckert-
Lützolv, wie er formell noch immer heißt
haben nicht nur im politischen Kreisen,
andern auch in weiteren Kreisen der Be-
völkerung ein Aufsehen hervorgerufen, das
man richtiger Au fr egung nennen kann
Es unterliegt, ivie wir vorausgesetzt haben,
gar keinem Zweifel mehr, daß die Bor'
gänge dieses Prozesses auch in unseren
Parlamenten zur Sprache gebracht werden,
Vertreter aller Parteien sind von dieser
Nothwendigkeit überzeugt und beträchtlich
und thatsächlich hat heute schon der Prozeß
me Privatunterhaltung im Reichstag ans
schbreglich beherrscht. Man hört viele Ur-
thene des Staunens und der Entrüstung
darüber, daß der Prozeß bis Montag
vertagt worden war und daß man damit
dem schwer beschuldigten Herrn v. Tausch
eine Frcst und Freiheit gelassen hatte, die
vielleicht nicht jedem Andern gelassen
worden ware, den. das Unglück passirt ist,
« .ş'. Tagen des Prozesses über
verschiedene Dinge, namentlich über seine
Beziehungen zu Lützow unter seinem Eide
ganz anders auszusagen als am dritten
Tage, nachdem v. Lützow ein Geständniß
abgelegt hat- Sehr viel wurde aucb in
politischen Kreisen über den Oberstlieutenant
Gaede vom Kriegsministerium gesprochen,
der in einer Art Leumundszeugniß crklärsi
er halte Herrn v. Tausch einer unehrew
haften Handlung nicht fähig. Die durch
diesen Zeugen constatirte befremdliche
Thatsache wird jedenfalls im Reichstage
auch zur Sprache kommen, daß Fonds des
Kriegsniinisteriums benutzt worden sind,
und zwar von dem Dezernenten des Kriegs-'
ministers, dcm Oberstlieutenant Gaede,
Staatssecretäks Freiherrn v. Marschall und
anderer Beamten des Auswärtigen Amtes"
gestellt. Aus Antrag des Reichskanzlers
wurde nunmehr gegen Leckert und
L. Lützow Strafantrag wegen verleum
derischer Beleidigung des Staalssecretärs
des Aeußern .Freiherrn v. M a r s ch a l l
erhöbe», der dieser Tage zur Verhandlung
kam, aber ergab, daß der nächste Hintcr
mann des v. L>ü tz o w in dem Kriminal
commissar v o n T a u s ch zu suchen ist,
welcher den Genannten sich dienstbar machte.
Alles politische Interesse conzenirirte
sich daher während des Prozesses ans die
großartigen Enthüllungen, die der Prozeß
Leckert-Lützow in täglichen Steigerungen
jetzt zu Tage fördert. Diese Angelegenheit
erfüllt alle politisch denkenden Menschen.
Das Ende des Prozesses ist noch nicht
abzusehen, eines aber ist als Resultat heute
schon klar : Die weitverzweigten Intriguen,
die gegen den neuen Kurs nicht etwa nur
unter Hohenlohe, sondern vor ollen Dingen
unter Caprivi angezettelt worden sind, die
wesentlich auch zum Sturze Caprivi's
beigetragen haben, die werden jetzt enthüllt
als ein Werk, das, wenn auch wahrschein
lich nicht seinen letzten Ursprung, so
doch sein hauptsächlichstes Werkzeug in der
politischen Polizei hat!
Es^ ist ein Bild der Corruption und
politischen Brunnenvergistung, das da in
Berlin ausgedeckt wird, wie es abstoßender
kaum gedacht werden kann. Der Staats-
ecretür des Auswärtigen Amtes flüchtet
sich, wie er selbst ausruft, in die Oeffent-
lichkeit, um seine Ehre gegen einen Kri-
minalcominissar und dessen Hintermänner
zu schützen!
An die Stelle Leckerts, des „Gewehrs
mamies" — wenn man einen bartlosen
zwanzigjährigen Burschen, der eben noch
Commis und kurz vorher Untertertianer
war, „Mann" nennen darf — ist schnell
Herr v. Lützow, der ehemalige Osficier.
und dann der Kommissar der politisckeu
Polizei v. Tausch, welcher Letztere aus
aus einem Zeugen der Hauptangeklagte
wurde, getreten, und schon fragt man all
gemein nach dem Hintermann dieses Herrn
- Tausch.
. Das Ergebniß der Verhandlungen haben
wir unseren Lesern vorgeführt. Der faß
bare Macher der ganzen Gesellschaft, der
schützen seien.
Herr v. Tausch, der 18 Jahre lang auch
unter Herrn Krüger in der Bismarck-
s.-ch e n A e r a gewirkt hat, weiß viel, sehr
viel. Das, was jetzt enthüllt wird, die
politische Intrigue, die mit der Presse zu
sammenhängt und arbeitet, ist nur ein
kleiner Theil des großen Gebietes, auf
dem die politische Polizei die Staatsinter-
esien sachlich und persönlich schützt. Die
Fäden reichen auch ins Ausland und so
gar der vielgenannte Prozeß Kotze hat zum
Resiort des Herrn v. Tausch gehört. Es
mag schwer sein, einen solchen Mann fallen
zu lassen. Das ist vielleicht Arbeit für
eine zu einem gewissen heroischen Idealis
mus neigende, energischen, schnellen Han-
delns fähige Natur.
Eine nüchterne Erwägung zum Schluß:
Ganz gleich wie sich die Behörden zu Herrn
v. Tausch stellen, der Prozeß Leckert-Lützow
hat jedenfalls noch einen zweiten Theil,
das ist der Prozeß wegen Urkunden
fälschung gegen Lützow und in
diesem Prozeß wird Herr v. Tausch
der den Lützow angestiftet haben soll, zum
mindesten wieder als „Zeuge" sungireu.
Bon anderer Seite meldet man zu der
Verhaftung des Herrn von Tausch noch
Folgendes:^ Tausch mußte nach seiner Ein-
ieserung in das Untersuchungsgefängniß
zunächst im Aufnahmebureau ein Ver
zeichnis seiner mitgebrachten Gegenstände
anfertigen, worunter sich auch eine Akten
mappe mit theilweise amtlichen Schrift
diesen befand. Dann mußte er im Keller
mit anderen eingelieferten Nntersuchungs-
gefangenen ein Bad nehmen. Es wurde
ihn, vom Oberinspettor gestattet, seine
Kleidung anzubehalten. Bessere Verpflegung
erhält von Tausch nur insofern, als er
außer der täglichen Gefängnißkost sich Bier
und Belag für eigene Rechnung halten
kann.
Der Polizeipräsident v. Windheim hatte
am Montagvormittag mit deni Geh. Rath
Muhl, dem Dirigenten der politischen
olizei, sowie Gras Stillfried, dem Chef
der Executive, eine längere Unterredung.
Herr v. Tausch hat noch in verschiedenen
Prozessen als Zeuge zu erscheinen. Die
Stellung einer Caution ist abgelehnt
worden, in Anbetracht dessen, daß der An
Amtsverbrechens und Anstiftung zur Ur
kundenfälschung zu verantworten haben.
Die Enthüllungen, die der Prozeß Leckert-
Lützow gebracht hat, haben auf dem Polizei
präsidium selbst nicht weniger überraschend
gewirkt als anderwärts. Die College»
wie die Vorgesetzten des Criminalcommisiars
v. Tausch verwahren sich auf das Ent
schiedenste dagegen, auch nur die leiseste
Kenntniß von dessen Machenschaften gehabt
zu haben. An etwaige Hintermänner des
Herrn v. Tausch in hervorragenden
Stellungen glaubt man in den Kreisen
seiner Collegen nicht. Eher nimmt man an,
daß der Verhaftete durch völlig aus eigener
Initiative unternommene Intriguen sich an
Personen heranzudrängen uns sich bei
ihnen beliebt zu machen suchte, denen seiner
Ansicht nach die Zukunft gehörte. Auch
ein großer „Tausch-Skandal" und sensa-
tionelle Enthüllungen, die der bevorstehende
Prozeß bringen könnte, gelten nicht für
wahrscheinlich. Daß der Prozeß Leckert-
Lützow seine Spitze hauptsächlich gegen ihn
richten würde, dessen war er sich vor Be
ginn der Verhandlung bewußt. So
äußerte er zu einem Bekannten, daß man
ihn „abschlachten" wolle. Dennoch befand
er sich schließlich über die Situation, die
sich aus den Verhandlungen ergeben hatte,
völlig im Unklaren, und es ist notorisch,
daß die Verhaftung ihn ganz unvorbereitet
getroffen hat. Es geht dies aus Aeuße-
rungen, die er noch am Montag Personen
seiner nächsten Umgebung gegenüber gemacht
hat, wie aus der Thatsache hervor, daß er
bet seiner Einlieferung in das Unter-
uchungsgesängniß Pretiosen von beträcht
lichem Werth und über 200 Mark baares
Geld bei sich trug. Seine Gattin ist von
einer Verhaftung völlig überrascht und
nahezu zu Boden geschmettert worden.
Ihre pekuniäre Lage ist, da v. Tausch
Vermögen nicht besitzt, eine mißliche. Das
Bureau v. Tausch's, sowie seine darin be-
rndlichen Papiere sind amtlich versiegelt
worden. In seiner Privatwohnung hat
eine Haussuchung noch nicht stattgefunden.
Ueber amtliche, seitens des Ministeriums
des Innern zu treffende oder getroffene
Maßnahmen ist noch nichts bekannt.
— Der Berliner Sensativnsprozeß ist
beendet, aber in seinem Gefolge werden
w ir noch allerlei Enthüllungen, wahre und
alsche erleben. Schon jetzt beginnen sie.
Herr v. Tausch hat, so schreibt die „Frkf.
Ztg-"- 18 Jahre lang, obwohl nur einer
der sechs Criminalcommissare der politischen
ş Polizei, doch die eigentliche thatsächliche
Leitung dieser Polizei gehabt. Sein Streben
freilich, auch in den leitenden Posten des
Polizeiraths aufzurücken und Nachfolger
des früheren Polizeiraths Krüger 'zu
werden, ist iym nicht geglückt, da Minister
v. Köller s. Zt. den Polizeirath Eckardt
aus Frankfurt mit nach Berlin nahm.
Vielleicht war das der Grund, weshalb
Herr v. Tausch, der aus seinem Unmuth
über die getäuschte Rathshoffnung nie ein
Hehl gemacht hat, neben dem Leiter des
Auswärtigen Amts sich den Minister des
Innern, seinen eigenen Chef, als spezielles
Opfer erkor.
es . . § ... ' 1 v in «UlUti-LUUJl Üt’imi, OUR oet mi*
Ì ^ Dausch, ist megeu jtuegeu wissentlichen Meineids in Hast ne-
Verdachts wissentlichen Meineids, begangen'nommen ist. Außerdem lvird er sich wegen
Zum Streik der Hasenurbeitcr
in Hamburg.
Hamburg, 7. Dec. Lebhaftes Befremden
hat hier in den weitesten Kreisen die An-
chanung hervorgerufen, die Staatssekretär
von Boetticher gegenüber dem hiesigen
Streik im Reichstage eingenomilien hat.
So einfach läßt sich die Angelegenheit
denn doch nicht behandeln. Wenn Herr
v. Boetticher daraus hinweist, oaß ein Lohn
von 4,20 Mk. per Tag ein sehr schöner
sei, über den sich Tausende fremde Arbeiter
freuen würden, so übersieht er dabei
zweierlei. Einmal die Unbeständigkeit
der Arbeit der Hafenarbeiter, infolge
deren die Mehrzahl ein Einkommen von
1000 Mk. nicht erreicht. Das haben
die verschiedenen Ausführungen der letzten
Zeit deutlich erwiesen. Und ferner wird
übersehen, daß das Leben in Hamburg
bedeutend th eurer ist, als au den übrigen
deutschen Plätzen. Dazu erfordert die Arbeil
der Hafenarbeiter eine besonders stärkende