Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

5000 lagern an Ort und Stelle. Bon 
den bedeutenderen Gebäulichkeiten wurden 
vom Feuer zerstört 9 Feuerspritzendepot 
mit 5 Löschapparaten, 12 Apotheken, 
Banken, 5 Hotels, 3 Bijouteriegeschäfte 
6 Druckereien, das Zollamt, die Artillerie 
kaserne, das Hauptquartier des General 
stakes, die Werkstätte der Tramwaycom 
pagnie, das Telephon, Lotteriegebäude 
Dampfergesellschaften, Brauereien und 
Eisfabrik, 2 Asyle, verschiedene Clubge 
bäude, 9 Cafès, Hutgeschäfte, 2 Buch 
Handlungen, fast alle Importgeschäfte und 
12 Exportgeschäfte von Cacao mit ihren 
gefüllten Depots. Unter den Trümmern 
wurden 26 Leichen gefunden, doch werden 
noch viele vermißt. Das Feuer soll vor 
jätzlich gelegt worden sein. Die ganze 
Familie Ambrasi verschwand. Ein ge 
wisser Juüntello wurde überrascht, als er 
aus einem brennenden Hause floh, in 
dessen Umgebung noch kein anderes brannte. 
Er wurde sofort erschossen. Die Kirche 
St. Domingos brannte vollständig nieder. 
Gerettet wurden der Regierungspalast, 
das Polizeigebäude, die Post und das 
Gebäude mit den Bureaus des unter 
seeischen Kabels. 
Frankreich. 
Paris, 29. Nov. Jaurös traf in Car 
maux ein, um vor den Wählern den Be 
richt über Vas Deputirtenmandat abzulegen. 
Seine Ankunft rief zahlreiche Ruhe 
störungen hervor. Die Regierung hatte 
umfassende Ordnungsmaßnahmen getroffen. 
Die Hauptstraßen waren von Gendarmen 
und Dragonern besetzt. Jaurss hielt seinen 
Einzug, begleitet von 9 sozialistischen De 
putirten, von Calvignac, dem ehemaligen 
Maire von Carmaux, und von Glas 
arbeitern der Arbeiter-Glassabrik aus Aldi 
Die in den Straßen zusammengedrängten 
Zuschauer bereiteten dem Zuge eine feinv 
liche Aufnahme, »riefen den Deputirten zu: 
„Jn's Wasser mit den Müssig 
gängern! Aus den Fenstern wurden 
Mehlsäcke auf den Zug ausgeschüttet, 
den^ Gensdarmen vor der Menge schützen 
mußten. Calvignac wurde wegen 
Thätlichkeiten verhaftet. Im Sitzungs 
saal des Arbeitersyndikats fand eine Beo 
sammlung statt, wobei die gemäßigten Re 
publikaner stark vertreten waren. Diese 
begrüßten Iaurös mit Zischen und Ge 
heul. Infolgedessen entstand eine Schläge 
rei zwischen den Gemäßigten und So 
zialisten. Der Polizeikommiffar rief Gens 
darmen herbei, die die Versammelten aus 
dem Saale trieben. 
Italic». 
Aus Rom wird der Turiner „Gazetta 
del Popolo" berichtete Dem Besuch des 
russischen Kaiserpaares in der 
Hauptstadt Italiens, der jetzt für den 
Monat Mai in Aussicht genommen ist, 
soll ein Anlaufen der hauptsächlichsten 
italienischen Häfen des Tyrrhenischen 
Meeres seitens des russischen Mittelmeer 
Geschwaders vorangehen. Der Gegenbesuch 
des italienischen Königspaares in Peters- 
bürg ist für Herbst 1897 in Aussicht ge 
nommen. 
In Palermo droht ein A d v o c a t e n 
st veil auszubrechen. Als der Gerichts 
Präsident sich am Freitag erlaubte, die 
Rechte eines Advocaten einzudämmen, ver 
ließen er und sämmtliche Rechtsanwälte 
den Gerichtspalast, sodaß alle schwebenden 
Rechtssachen vertagt werden mußten. Die 
übrigen Advocaten der Stadt Palerml 
werden sich voraussichtlich mit ihrem be 
leidigten Collegen solidarisch erklären und 
ebenfalls in den Streik eintreten. 
Belgien. 
Brüssel, 1. December. Da gestern in 
der Sitzung des Gemeinderathes aus An 
trag der katholischen Mitglieder beschlossen 
wurde, den Mindestlohn für die Arbeiter 
der Gemeinde auf 3 Francs festzusetzen, 
haben der Bürgermeister und die Schöffen 
ihre Entlassung genommen. 
Schweiz. 
Bern, 28. Nov. Einen ungewöhnlichen 
Fall der Vernachlässigung von 
Pflegekindern meldete das Berner 
„Jntelligenzblatt", dessen Redakteur Eber 
sold den betreffenden Artikel noch besonders 
unterzeichnet hat. Es handelt sich um 
Folgendes: Die bernische Gotthelfstiftung 
hatte vor einem Jahre in Frutigen (Berner 
Oberland) zwei Kinder, Sophie und Louise 
Zwillige, in Obhut genommen. Der 
Pfarrer in Sigriswyl oberhalb des Thuner- 
sees übernahm die Versorgung der Kinder, 
scheint aber hinsichtlich der Auswahl der 
Pflegeeltern kein Glück gehabt zu haben. 
Vom Heimweh überwältigt, flohen die 
neun Jahre alten Kinder ohne Geld und 
Geleite nach dem fernen Frutigen. Sie 
wurden loieder zu den Pflegeeltern in 
Sigriswyl gebracht und da körperlich ge 
züchtigt. Als „unverbesserlich" wurde bald 
daraus das eine Schwesterchen in die 
bernische Erziehungsanstalt Trachselwald 
versetzt, wo es sich glücklich fühlt und nicht 
mehr ans Ausreißen denkt. Anders sollte 
das Schicksal des in Sigriswyl zurück 
gebliebenen Zwillingsschwesterchens Louise 
sein. Wiederholt gezüchtigt, entfloh es. 
Zehn Tage lang hielt es sich, angeblich 
nur von Wasser und Gras lebend, in einer 
Scheuer auf, wo Kinder es als wimmern 
des Skelett entdeckten. Von der Kälte 
waren ihm beide Beine brandig geworden 
Das Kind ist in zu schwachem Zustande, 
als daß die Amputation vorgenommen 
werden könnte. Sein Befinden soll voll 
ständig hoffnungslos sein. Das Berner 
„Jntelligenzblatt" hat wegen des Falles 
eine gerichtliche Untersuchung verlangt. 
Das Blatt hatte dem Pfarrer in Sigris 
wyl bestimmte Thatsachen vorgeworfen, 
der Pfarrer ließ dagegen heute im „Berner 
Tageblatt" erklären, er werde das „In 
telligenzblatt" gerichtlich belangen. 
England. 
London, 1. December. Nach einer Mel 
dung der „Times" aus Odessa vom 27. 
M. wird die Dampfschiffslinie, die 
Japan zwischen den Häfen am Schwarzen 
Meer und Japan einrichtet, im nächsten 
Frühjahr mit 16 Dampfern den Betrieb 
aufnehmen. 
Inland. 
Berlin, 1. Dez. Die Präsidien der 
beiden Häuser des preußischen Land 
tags wurden heute Mittag nach einander 
von dem Kaiser und der Kaiserin 
im hiesigen Königl. Schlosse empfangen. 
Bei der Audienz des Herrenhaus 
Präsidiums besprach der Kaiser, der die 
Uniform der Garde-Husaren trug, mit dem 
erste« Vicepräsidenten Frhrn. v. Manteuffel 
die Frage der Convertirung der 4procen- 
tigen Staatsanleihe unv gab der Hoffnung 
Ausdruck, daß diese Vorlage glatt werde 
erledigt werden. Sodann beklagte er den 
Hingang des Fürsten Stolberg und unter 
hielt sich mit dem zweiten Vicepräsidenten 
Oberbürgermeister Becker-Köln über die 
Stadterweiterung von Köln. — Mit dem 
Präsidium des Abgeordnetenhauses bestehend 
aus v. Köller, Frhrn. v. Heeremann und 
Dr. Krause besprach der Kaiser die Aus 
ächten der Vorlage, betreffend die Hessische 
Ludwigsbahn, den günstigen Stand der 
Wintersaaten und den guten Fortgang des 
Baues von Kleineisenbahnen in manchen 
Landestheilen. —- An diese Audienzen der 
Präsidien beim Kaiser schloffen sich die 
Empfänge bei der Kaiserin, die dem 
Herrenhauspräsidium ebenfalls ihr Mit 
gefühl mit dem Verluste ausdrückte, den 
das Haus durch den Tod des Fürsten 
Stolberg erlitten hat. 
Krisengerüchte waren gestern 
in parlamentarischen Kreisen Berlins ver 
breitet, und zwar soll der preußische Fi 
nanzminister Dr. Miguel in ihrem Mittel 
punkt stehen. Die Thatsache, daß er wegen 
Erkrankung die Sitzung der Kommission 
zur Berathung der Vorlage über Schul 
dentilguug und Ausgleichsfonds absagen 
ließ, wurde damit in Verbindung gebracht 
Die „Nat.-Ztg." meint, die Einbringung 
des nationalliberalen Antrags, der auf eine 
Trennung zwischen der allgemeinen Staats- 
änanzverwaltung und der besonderen Eisen 
bahnfinanzverwaltung abzielt und mehr 
den Wünschen des Eisenbahnministers als 
denen des Finanzministers entspricht, sei 
wohl der Anlaß zu diesen Gerüchten. Da 
zu bemerkt die „Germania": „Das mag 
mitwirken; aber von Herrn Miguel kann 
man ganz allgemein dasselbe sagen, was 
die „Germania" in den letzten Jahren der 
Aera Bismarck sagten „Es gelingt nichts 
mehr." Das Zentrumsblatt scheint also 
an den Rücktritt Miguel's zu glauben oder 
kellt es sich nur so, um eine Bosheit an 
zubringen? Unseres Wissens ist der Mi- 
nister zwar genöthigt, wegen rheumatischer 
Schmerzen das Zimmer zu hüten, denkt 
aber nicht an seine Demission, und das um 
: o weniger, als der Zentrumsantrag zum 
Schuldentilgungsgesetz von jener Tendenz, 
den Eisenbahnminister auf Kosten des Fi 
nanzministers zu begünstigen, frei ist. 
— In der Budgetkommission des preußi- 
chen Abgeordnetenhauses hat der Commissar 
des Finanzministers bei der Berathung 
des Convcrtirungsgesetzes einige Erklärun 
gen auch von sachlichem Interesse abgegeben. 
Gegen den Vorschlag, die dreiwöchentliche 
Frist für sie Zustimmung zu der Conver 
tirung zu verlängern, hat Geh. Rath 
Dahlke geltend gemacht, die Maßregel 
erfordere mit Rücksicht auf möglicherweise 
zwischenzeitlich eintretende ungünstige all 
gemeine oder politische Conjuncturen eine 
möglichst schnelle Durchführung. Zudem 
: et es bei dem heutigen Kurse der 3 '/> 
procentigen Anleihen kaum denkbar, daß 
die Baarzahlung „in irgend nennens- 
werthem Umfange" verlangt werde. Ferner 
erfährt man, daß nach der Convertirung 
zwei Staatsschuldbücher bestehen werden, 
das eine für die convertirten Ith^procen- 
tigen Anleihen, die auf 8 Jahre gegen 
eine weitere Kursherabsetzung geschützt sind, 
und eins für die jetzigen Inhaber der 
'^Procentigen Buchschu'lden. Daraus er- 
giebt sich, daß der Finanzminister eine 
Zinsherabsetzung der bisherigen Z'^procen- 
tigen Anleihen in 3procentige auch während 
der Schutzfrist nicht für ausgeschlossen hält. 
Um so wahrscheinlicher ist es, daß diese 
beiden Kategorien von 3'/„procentigen 
Anleihen in Zukunft auch verschiedene 
Kurse haben werden, sodaß die jetzigen 
Kurse der 3 '/^Procentigen nicht unbedingt 
maßgebend sind für die Kurse nach der 
Convertirung. 
— Wie die „Krenzzeitung" hört 
werden bei Bemessung der Beamten 
gehälter nicht nur die Gymnasial 
Oberlehrer, sandern auch die G y m n a s i a l 
' irectoren und Bibliothekare be 
ücksichtigt. 
— Die nach neuen Principien bearbeitete 
Arzneitaxe dürfte für das Jahr 1897 
noch nicht in Frage kommen. Es werden 
hierüber erst eingehende Berathungen statt 
finden, nachdem Gutachten von der Apo 
thekervertretung eingeholt sind. 
Berlin, 1. Dec. Am 10. December 
findet hier eine Generalversammlung des 
Vereins deutscher Eisen- und 
Stahlindustrieller statt; es soll u. 
a. die Stellungnahme zur Pariser Welt 
ausstellung und zur Abänderung des In 
validitäts- und Altcrsversicherungsgesetzes 
berathen werden. 
- Nach dem bisherigen preußischen 
Stempelsteuergesetz haben bekanntlich die 
Detailreisenden eine Legitima 
tionskarte zu lösen, für welche alljährlich 
eine Mark zu entrichten ist, während für 
Wandergewerbescheine ganz an 
ders normirte Steuersätze bestehen. Sie 
betragen in der Regel 48 Mark für das 
Kalenderjahr, sie ermäßigen sich jedoch für 
weniger umfangreiche Gewerbebetriebe und 
für gewisse Gewerbearten auf 36, 24, 18, 
12, sogar auf 6 Mark. Nun besteht, wie 
wir bereits mitgetheilt, die Absicht bei der 
oreußischen Regierung, für die Detailrei- 
enden außer dem nach der Gewerbeord 
nungsnovelle künftig zu lösenden Wan 
dergewerbescheine auch noch die 
Han sir st euer einzuführen. Und zwar 
'oll durch diese Bestimmung das preußische 
Gesetz vom 3. Juli 1876, betreffend die 
Besteuerung des Gewerbebetriebes im Um 
herziehen, abgeändert werden. Herr Mi 
guel verlangt, daß diese Aenderung am 
l. Januar 1897, also am Tage des In 
krasttretens der Reichsgewerbenooelle, platz 
greifen solle. Diese Aenderung konimt für 
alle betreffenden Kreise sehr überraschend, 
denn bisher hatte von einer dahiuzielenden 
Absicht der preußischen Regierung nichts 
verlautet. Abgesehen von der moralischen 
Degradirung des Detailreisens zu einem 
reinen Hausirgewerbe liegt in diesem Vor 
haben des Finanzministers eine neue Be 
lastung des ohnehin schon hoch genug be 
teuerten Handelsstandes vor. 
- Der preußische Eisenbahnminister 
hat angeordnet, daß zur Erleichterung des 
Reiseverkehrs an den kommenden Weih 
nachtstagen die Rückfahrtkarten vom 
22. Dezbr. bis 6. Jan. einschl. Gültigkeit 
haben. 
— Die Klagen der d e u t s ch e n Mülle 
über die immer schärfer hervortretend 
Konkurrenz der französischen 
M ü h l e n i n d u st r i e finden ihre Be 
tätigung in den amtlichen Ziffern über 
die Ein- und Ausfuhr Deutschlands an 
Mühlenfabrikaten. Die Einfuhr von 
ranzösischem Mehl, die 1893 erst au 
740 Doppelcentner sich bezifferte, ist 1894 
auf 3753, 1895 auf 9444 und in den 
ersten zehn Monaten 1896 auf 21121 
Doppelcentner gestiegen. Allein im Monat 
October dieses Jahres sind 14 911 Doppel 
centner aus Frankreich eingeführt worden 
und nach Berichten aus dem Elsaß ist au ^ 
eine weitere Zunahme dieser Einfuhr zu 
rechnen. In Straßburg werden größere 
Posten feinen französischen Weizenmehls 
zu Preisen angeboten, die hinter den in 
Deutschland für die gleichen Sorten 
üblichen Preisen erheblich zurückbleiben 
Wenn die französischen Müller in der 
Lage sind, trotz vorangegangener Fracht 
und Zollauslagen mit der deutschen 
Mühlenindustrie auf deren eigenem in 
ländischem Markt in Wettbewerb zu treten, 
o ist der Grund hierfür in den außer 
ordentlichen Zollbegünstigungen zu suchen, 
welche den französischen Exportmühlen seit 
Sommer d. Js. zugestanden sind, und die 
ie in die Lage setzen, den deutschen 
Mühlen auch den Absatz im Auslande 
mehr und mehr streitig zu machen. 
Schon bisher ist die deutsche Ausfuhr 
von Mühlenfabrikaten, zum großen Theil 
infolge der sranzösichschen Konkurrenz, stark 
zurückgegangen; sie betrug in den ersten 
zehn Monaten des laufenden Jahres 
409 679 Doppelcentner gegen 1 495 154 
und 1 696 190 Doppelcentner in den cnt- 
prechenden Zeiträumen der beiben Vor 
jahre. Dieser Rückgang hat im September 
d. Js. den Verband deutscher Müller zu 
einer Eingabe an den Reichskailzler, um 
Hebung der Ausfuhrfähigkeit des deutschen 
Müllereigewerbes veranlaßt, worin aus 
die Ueberlegenheit des französichen Ausfuhr- 
Vergütungssystems gegenüber dem deutschen 
hingewiesen und insbesondere eine Herab 
setzung des für die deutschen Exportmühlen 
regulativmäßig festgesetzten Äusbeutever- 
hältniffes verlangt wird. Während Frank 
reich bereits bei einer Ausfuhr von 60 kg 
Weizenmehl den vollen Zoll für 100 kg 
Weizen im Betrage von 7 Francs vergütet, 
wird in Deutschland erst bei der Ausfuhr 
von 75 kg Mehl der Eingangszoll mit 
3 Mk. 50 Pf. zurückgezahlt, obwohl 
namentlich aus ausländischem Weizen, zu 
dessen vorzugsiveiser Verwendung die 
deutschen Mühlen durch die Aufhebung des 
Identitätsnachweises gedränkt sind, ' eine 
von 75 Procent nicht zu er- 
Ausbeute 
zielen ist. 
Berlin, 1. Dez. In der heutigen Pro 
zeßverhandlung gegen die Mörder des 
Justizraths Levy wurden die Angeklagten 
Werner und Grosse dem Antrage des 
Staatsanwalts gemäß zu der höchsten ge 
setzlich zulässigen Strafe von 15 Jahren 
Gefängniß verurtheilt, nachdem beide 
Ofstzialvertheidiger in ihren Plaidoyers 
erklärt hatten, nichts zu Gunsten der An 
geklagten vorbringen zu können. Beide 
Berurtheilte erklärten, sich bei der Strafe 
beruhigen zu wollen. 
Eine eigenartige Praxis gegenüber den 
an das Berliner Telephon netz An 
geschlossenen, die in der Theorie unter 
einander vollkommen gleichberechtigt sind, 
kam am Sonnabend in einer Verhandlung 
vor dem Berliner Amtsgericht II gegen 
den Generalsekretär des feudalen Union 
klubs, den Rittmeister a. D. S i g i s 
mund von Auerswald zu Tage. 
Er war beschuldigt, einer Telephonistin, 
als er die gewünschte Verbindung nicht 
erhalten konnte, zugerufen zu haben: 
Was sagen Sie, Sie dummes 
Schwein?" Der Herr Rittmeister 
gab vor Gericht an, er habe sich oft über 
die Bedienung am Thelephon zu beklagen 
gehabt. Einflußreiche Mitglieder des 
Clubs, so der Herzog von Ratibor, hätten 
sich deshalb sogar wiederholt beim 
Kaiser beschwert, sodaß schließ 
lich der Vorsteher des Telephonamies zu 
ihm gekommen sei und sich erboten habe, 
die Nummern sämmtlicher Clubmitglieder 
auf den Telephonämlern besonders hervor- 
zuheben, damit diese in e r st e r Reihe 
edient würden, unter der Be 
dinguug, daß wir uns nicht mehr an 
allerhöchster Stelle beschweren würden. 
Eine solche Zurücksetzung der andern rück- 
ichtsvolleren Telephonbenutzern ist doch 
unglaublich. Aus der ganzen Beweis 
aufnähme schloß übrigens der Staats 
anwalt auf die Schuld des Angeklagten 
und beantragte 150 Jt Geldstrafe. In 
einem Urteil zog der Gerichtshof in Be 
tracht, daß der Herr Rittmeister, der die 
Beleidigung bestritt und seinem Hunde 
„Du Schwein" zugerufen haben will, seine 
eigene Ehre sicher sehr hoch 
hält, dementsprechend habe die Strafe 
auch strenger ausfallen müssen, wenn er 
die Ehre anderer Personen schwer ver 
letzte. Der Gerichtshof ging daher über 
das vom Staatsanwalt beantragte Straf- 
maaß hinaus und erkannte aus 300 
Geldstrafe. 
Zu dem Mordversuch in der Fürsten 
waiderstraße in Berlin wird gemeldet, daß 
der Schuhmacher Paul Finger, welcher au- 
Frau Paul geschossen und dann sich selbst 
schwer verletzt hat, heule früh im Kranken 
hause Frievrichshain in Folge der Schuß 
Verletzung gestorben ist. Die Leiche steht 
zur Verfügung des Gerichts 
- n der nltenburgischen Stadt Roda 
brannte das Hotel „zum Hirsch", wo 
ieit Kurzem zum fünften Male Feuer aus 
brach, gänzlich nieder. 
Leipzig, 26. Nov. Das socialdemo 
kr at is che Blatt in Falkenstein im 
Vogtlande erläßt folgende Erklärung 
Von nun an werden wir jede Unter 
ch l a g ung von Abonnements 
gel der« der Staatsanwaltschaft anzeigen 
dann wird schon Ordnung werden. Wer 
kann denn auch die vielen Verluste auf 
die Dauer aushalten?" Das läßt tief 
blicken, sagte Herr Sabor. 
Karlsruhe, 26. Nov. In der Reichs 
tagsverhandlung über den Fall Brüse 
witz hatte der Kriegsminister behauptet, 
in Karlsruhe sei eine Verhetzung des 
Civils gegen den OfficiersstatO vorhanden. 
Dies suchte er aus einem Fall nachzuweisen, 
in dem ein Rechtspraktikant Wielauvt aus 
Gehässigkeit gegen den Ofsiciersstand ,ein 
Recontre mit zwei hiesigen Officicren 
gehabt habe. Auf die Einsprache ves 
genannten Rechtspraktikänten ist ihm nach 
der „Badischen Presse" mitgetheilt worden, 
daß aus Grund seiner Reclamation der 
Kriegsminister eine erneute Prüfung der 
betreffenden aktenmäßigen Unterlage ange- 
ordnet habe. Auf Grund ihres Resultates, 
wie ans Grund des Schreibens des Herrn 
Wielandl, erklärt sich sodann der Kriegs 
minister bereit, dein Wunsche Fes Herrn 
Wieland! entsprechend, im Plenum des 
Reichslages bei nächster Gelegenheit, 
spätestens bei der zweilen Berathung des 
Militäretats, seine damaligen Ausführungen 
richtig zu stellen. 
Provinzielles- 
Kiel, 30. Nov. Laut deut soeben er- 
chienenen amtlichen Verzeichnis des Per- 
o n a l s und der S t u d i r e n d e n der 
Chnstian-Albrechts- Univer si tä t beträgt 
ver Lehrkörper derselben 99 Herren. Die 
vorläufige Zahl der Studirenden ergiebt: 
Jmmalrikulirt waren im Sommersemester 
715, davon verstarbeu 3, abgegangen mit 
Exmatrikel 349, gestrichen 27, zusammen 
379. Geblieben sind demnach 336. Dazu 
ud in diesem Semester gekommen 212. 
Die Gesammtzahl der immatrikulirten 
studirenden beträgt daher 548, daran zählt 
die theologische 5b, die juristische 120, 
die medicinische 244, die philosophische 129. 
.Inter den 548 Immatrikulirten befinde« 
ych 428 Preuyen, von diesen sind 199 
Schleswig-Holsteiner. Außer den 
548 immatrikulirten Studenten haben die 
Erlaubniß zum Hören von Vorlesungen 
erhalten 43. Die Gesammtzahl der Be 
rechtigten, welche Vorlesungen hören, ist 
mithin nach Abrechnung von 17 Beur 
laubten, resp. Dispensation 574. Im 
letzten Sommersemester war die Universität 
von 715 Studirenden besucht; es ergiebt 
sich also ein Minus von 167. Doch ist 
bekanntlich die Frequenz der Universität 
dem Sommerseniester stets erheblich 
größer als im Winterhalbjahr. Gegen 
das lehre Wintersemester ist .jedoch eine 
Zunahme von 10 Studenten zu verzeichnen. 
lUn Kiel, 1. Dec. Am heutigen Tage 
sind beim hiesigen Telegraphenamt 12 Te- 
lephonistinnen eingestellt. — Seit längerer 
Zeit wurden auf den hiesigen Koppeln 
wiederholt Schafe gestohlen, die dort gleich 
abgeschlachtet wurden. Trotzdem ' das 
Schlachteramt auf die Ergreifung der 
Thäter eine Belohnung gesetzt, wollte deren 
Habhaftmerdung nicht gelingen. Nunmehr 
st es der Polizei gelu>igen, einen Thäter 
n der Person eines polnischen Arbeiters 
oU ergreifen. In der Wohnung desselben 
wurden mehrere Faß eingesalzenes Schaf, 
fleisch, Talg rc. gefunden.' 
-£■ Breiholz, l. Dez. Unsere heutige 
Morgenpost hatte einige Stunden Ver 
spätung, da das Fährboot, sowie der 
Fährprahm bei der Eider-Fähre vom Treib- 
eis fortgerissen waren. — Der frühere 
Geschäftsführer bei der Firma Bering 
Herr Hermann, hat den Weg am Kanal 
von der Breiholzer bis zur Schülper Fähre 
zum Bekieseu vom Kanal-Amt übernommen. 
Der Kies konimt von der Gemarkung 
Jevenstedt und soll mit Lowrys nach der 
Schülper Fähre befördert werden. Tie 
Arbeiten damit haben schon begonnen. 
® Hohn, 1. Dec. Ein Consortium, 
bestehend aus den Herren Paulsen, Greve, 
Rathje zu Ascheffel und Silberstedt, kaufte 
den Besitz der Witrwe M. Ohm hieselbst, 
wie verlautet, für 37000 „U zwecks Par- 
zellirung. Dieselbe fand unter reger Teil 
nahme gestern in der Bollertschen Gast. 
wirtschaft statt. Es wurden gute Preise 
erzielt. Die Hofstelle erstand der Schiffer 
H. Gosch für 2800 Ji. 
(D Duvenstedt, 1. Dez. Die Ab- 
zweigung der hiesigen Kirchengemeinde 
vom Kirchspiel Hohn ist nunmehr erfolgt. 
Duvenstedt nebst Broholm und Kringel- 
dors gehören vom 1. Jan. k. I. zur 
Neuwerker Kirchengemeinde. Die kirch 
lichen Abgaben fließen von diesem Zeit 
punkt ab an die neue Gemeinde, während 
sie Hohn verloren gehen. 
ZZZ Krogaspe, 1. Dec. Die Maul- und 
Klauenseuche unter den Viehbeständen des 
Hufners I Reimers, des Gastwirths Schütt 
und des Altentheilers Jungjohann ist nun 
mehr erloschen. Abseiten des Landraths- 
anttes sind die angeordneten Sperrmaß- 
regeln aufgehoben worden. 
OO Rendsburg, 2. Dec. In Unter- 
uchung gezogen ist ein hiesiger Arbeiter, 
welchem zur Last gelegt wird, sich des ge 
werbsmäßigen Glückspiels und des Betrugs 
schuldig gemacht zu haben. 
Ş Rendsburg, 2. Dez. Wie wir er- 
ahren, sind von der Eisenbahndirectiou 
^it 1. Decbr. Sonntag-Rückfahr 
karten nach unten benannten Städten, 
welche nur für Personenzüge (nicht Schnell 
züge) gültig sind, für Sonn- und Festtage 
zu ermäßigten Preisen eingeführt. Durch 
diese Neuerung kostet jetzt ein Tages- 
Retourbillet von hier nach 
Altona II. El 6.60 III. (£s. 4.40 „4 
Flensburg „ „ 3.90 „ „ „ 2.60 „ 
Kiel „ „ 3.90 „ „ „ 2.60 „ 
Schleswig „ „ 1.50 " „ 1 — „ 
Abend-Depeschen. 
Hamburg, 2.-..Dee. Heute groft« 
Versammlungen sämmtlicher Streitka- 
tegorien. Das Schiedsgericht wurde 
eiustimm g angenommen. Die Ver- 
teeter ver Streikenden sind die 'Ab 
geordneten Molkenbuhr, Legten, Elm, 
Kommissionsvorsitzender Döring. Die 
Vertreter der Gegenpartei Senator 
Hachmanli, BürgerschastSvorsitzender 
Hinrichsen, Gewerbegerichtsvorfitzen- 
ver Roaek und Rheder Laiesz. 
Todes-Anzeige. 
"""(Statt besonderer Meldung.)" 
Es hat dem lieben Gott gefalle« 
unsern lieben, kleinen Sohn 
Christian 
gestern Nachmittag 2 Uhr, im Alter van 
Jahren zu sich zu rufen. 
,, P- I- Wolf u. Frau, geb. Stüh. 
Rendsburg, den 2. December 1896, 
Die Beerdigung findet Freitag, den 
4 December, Nachmittags 3 Uhr, vom 
Sterbehause, Altst. Markt 64, aus statt.
	        
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