Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

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Wo. 277. 
Donnerstag, den 26. Wovernber 
1896. 
Morgen-Berichte. 
Kiel, 25. Noch Beim Diner im Officier- 
Casino brachte der Kaiser aus das gesammte 
Officiercorps einen Toast aus, in welchem 
er tagte: „Wenn wir den heutigen Tag 
der Weihe würdig begehen, dann möchte 
ich auch der pflichttreuen Besatzung des 
„Iltis" gedenken, die im letzten Augen 
blick ihres Kaisers gedachte. Dieses Ber 
halten erfüllt mich mit Stolz, ich setze 
beim gesammten Officiercops dieselbe freu 
dige Hingebung voraus." Die anwesenden 
127 Officiere defllirten darauf beim Kaiser, 
einzeln mit ihm anstoßend. 
Magdeburg, 25. Nov. Wegen der Ab 
neigung gegen das Börsenregister besteht 
in den hiesigen Handelskreisen eine lebhafte 
Agitation, den börsenmäßigen Zucker- 
handel zu beseitigen und sich auf 
ein handelsrechtliches Lieserungsgeschäft zu 
beschränken. 
Rudolstadt, 25. Nov. Der „Frks. Ztg." 
wird von hier gemeldet: Der Landtag 
wählte heute den Rittergutsbesitzer Lüttich 
zum Präsidenten, den Rechtsanwalt HerW 
zum Stellvertreter desselben. Bei d 
Wahlprüsung des mit sozialistischer Hülse 
gewählten Abg. Wilhelm wurde vom 
Abg. Werner festgestellt, daß Wilhelm 
kein Sozialist ist. Wilhelm wider 
sprach dem nicht. Abg. Apel (Soz.) erklärte 
hierauf, daß die sozialdemokratische Partei 
wie noch nie hintergangen worden sei. 
Madrid, 25. Nov. Aus Cuba und von 
den Philippinen kommen pessimistische Nach 
richten. Es heißt, die plötzliche Abreise 
des Generals Weyler nach Havana sei 
erfolgt, weil die Operationen dort voll 
ständig gescheitert seien. In der Provinz 
Pina.del-Rio haben die Truppenführer seit 
24 Stunden keinerlei Lebensmittel erhalten. 
Die Zahl der Kranken beläuft sich auf 
einige Tausend. 
Paris, 25. Nov. Der „Temps" de 
spricht in einem Londoner Bericht den 
Streik in Hamburg und versichert, daß 
die englischen Schiffsbesitzer dahinter stecken, 
welche bereits früher Agitatoren nach Ant- 
werpen gesandt. Die Belgier hätten die 
Ziele der Engländer richtig durchschaut 
und rasch und entschlossen darnach ge- 
handelt. Alsdann hätten sich die Sigita 
! toren nach Hamburg gewandt und das 
I erreicht, was sic gewollt. 
Florenz. 25. Nov. Ungünstige Ber- 
> mögensverhältniffe haben den Nachkommen 
eines altberühmten Geschlechts in den Tod 
getrieben Der Marchese Vincenzo Antinori 
nahm sich in seiner hiesigen Villa durch 
Erhängen das Leben. 
Warschau, 25. Novbr. Infolge eines 
Brückeneinsturzes verunglückte auf der 
Terefpoler Eisenbahn ein Güterzug. Zwei 
Lokomotiven und sieben Waggons wurde» 
zertrümmert. Auch Menschenleben sind zu 
beklagen, indem ein Maschinist und ein 
Bahngehilfe getödtet wurden. 
Ausland. 
Antzerenropäische Gebiete. 
Bon der Halbinsel Korea in Ostasien 
kommt die Nachricht, daß eine Anzahl 
koreanischer Offiziere verhaftet wurde, weil 
sie sich des Königs bemächtigen wollten. 
Russische Truppen rückten zur Aufrecht 
erhaliung der Ruhe in die Hauptstadt 
Söul ein. 
Tokyo, 25. Nov. Ein japanisches Kriegs 
schiff soll nach den Philippinen gehen, da 
die letzten Nachrichten vom Schauplatze 
des Ausstandes beunruhigend lauten. Die 
Rebellen seien in einem Gefecht Sieger 
geblieben, man befürchte einen Angriff aus 
Manila. 
Rußland. 
Petersburg, 25. Nov. Aus den Militär 
bezirken Odessa und Kiew und dem Kau 
kasns liefen heule zuverlässige Nachrichten 
ein, daß die Reserven nicht entlassen worden 
sind und daß eine rege Thätigkeit bezüglich 
der Grenztruppen entfaltet wird, angeblich 
um etwaigen aus der Türkei übergreifenden 
Unruhen vorzubeugen. 
Moskau, 24. Nov. Der sehr wohl 
habende Edelsteinhändler Kostn ist in feinet 
Wohnung erdrosselt aufgefunden worden 
Sämmtliche Juwelen und Werthsachen 
wurden ihm geraubt. Der Mörder ist 
flüchtig. 
Einen Trost in: Leid können die Zeichner 
des Garantiefouds für die Berliner Ge 
Werbeausstellung finden in dem finanziellen 
Ergebniß der allrussischen Aus 
stellung in Nischnji-Nowgorod Dort 
hat, nach den Feststellungen im Finanz 
Ministerium, die Regierung 8 Millionen, 
die Aussteller aber haben nicht weniger 
als 30 Millionen Defizit zu decken. Viele 
von ihnen ersuchen um Unterstützung, 
da ihre eigenen Mittel nicht ausreichen. 
Inland. 
Berlin, 25. Nov. Die Marinever 
waltung beabsichtigt, die Garnison Helgo 
land bedeutend zu verstärken. 
Berlin, 25. Nov. Ein Artikel der 
N. A. Z." sührt aus: Der Verzicht der 
Bankierskreise auf Eintragung in das 
T e r m i n r e g i st e r schwächt nicht ab, 
wndern verschärft die Wirkung des Ge> 
etzes, das Börsenspiel Unberufener einzu- 
schränken. Da die Eintragung die Rechts- 
Wirksamkeit begründet, wird es alsdann 
klagbare Termingeschäfte überhaupt nicht 
geben. Die Berufung auf Treu und 
Glauben mag für die internen Betheiligten 
des Börsenhanvels Geltung haben; jeden 
alls macht eine Nichteintragung es un 
gleich gewagter, sich mit dem spielenden 
Privatpublikum, besonders mit dem mittet 
losen, in Termingeschäfte einzulassen. Der 
Gesetzgeber hat keinen Grund, mit der 
Wendung der Dinge unzufrieden zu sein. 
- Wie der „Post" von gutunterrichteter 
Seite berichtet wird, wird das Anfangs 
gehalt für Lehrer an höheren 
Lehranstalten höher sein, als die 
Nat.-Ztg." angab, nämlich 2700 Mk 
dafür aber werden die acht Zulagen nur 
je 300 Mk., insgesammt 2400 Mk., be 
tragen, sodaß das Höchstgehalt einschließlich 
der Funktionszulage sich nur bis zu 6000 
Mk. steigern könnte 
Pleß, 25. Nov Der ermordete 84jährige 
Banquier Kohn war eine sehr beliebte 
Persönlichkeit. Er war Inhaber einer von 
Ausländern vielbesuchten Wechselstube 
Nach hartem Kampf mit den Mördern ist 
Kohn durch Schläge auf den Kopf und 
durch Messerstiche in den Hals getödtet 
worden. Hypoihekendriefe und Werthpapiere 
besonders ungarische Kronenrente, sind aus 
dem Tresor geraubt, ein Packet mit Wechseln 
und Schuldscheinen ist im fürstlichen Park 
gesunden worden. Die Spur der Mörder 
weist nach Oesterreich hin, drei bisher 
inhaftirte Leute sind jedenfalls nicht die 
Thäter. 
Köln, 25. Novbr. Ueber eine heitere 
Komödie der Irrungen erzählt die „Rhein 
und Ruhr-Zeitung" folgendes: Ein Möbel 
Händler aus einem kleinen Orte fährt eigens 
nach einer größeren niederrheinischen Stadt 
um einen Kleiderständer zu erwerben 
Nach Abwickelung des Geschäfts begicbt er 
sich i» eine Kneipe und läßt sein Möbel 
auf dem Flur stehen, von wo es „natürlich" 
gestohlen wird Der Mann macht Anzeige 
bei der Polizei, erwirbt einen zweiten 
Kleiderständer, trinkt einen zweiten Schop 
pen und wandert dann zum Bahnhof, um 
die Heimreise anzutreten. Zunächst aber 
nimmt ihn ein Schutzmann ins Verhör. 
und da sich der Jnquirirte nicht auszu 
weisen vermag, wandert er als der gesuchte 
Kleiderständer-Dieb zur Polizeiwache, von 
wo er am andern Morgen nach Feststellung 
keiner Personalien, mit dem Kleiderständer 
entlassen wird. 
Aachen, 24. Nov. Der jetzige Kriminal 
kommissar G., ein ehemaliger Offizier, 
betrat gestern Abend offenbar angetrunken 
eine hiesige Wirthschaft, mißhandelte die 
Gäste, während er sagte: „Ich bin Brüse- 
witz der Zweite, wer mich oder mein 
Monocle beleidigt, den schieße ich nieder 
zerschnitt dem Kellner, der ihn entfernen 
ollte, die Oberlippe und versetzte ihm 
Fußtritte. 
Erfurt, 25. Nov. In der heutigen 
Sitzung des christlich-sozialen Kon 
gresses wurde beschlossen, als Sitz des 
nengegründeten „National-sozialen Vereins" 
Leipzig zu wählen. Zum 1. Vorsitzenden 
wurde Pfarrer Naumann-Frankfurt a. M. 
gewählt, zu weiteren Vorstandsmitgliedern 
wurden Geh. Rath Sohm, Professor Dr. 
Gregory, Maurerpolier Naumann und 
Graveur Kreutziger, sämmtlich in Leipzig, 
sowie Pastor Goehre-Frankfurt a d. Oder, 
in die Kontrolkommission Chefredakteur 
Damaschke-Kiel, Pfarrer Traub-Tübingen, 
Professor Dr. Rein-Jena, Graveur Schaal 
Berlin und Graveur Haag-Frankfurt a. M 
und endlich als Vcreinsorgan „Die Zeit" 
und „Die Hilfe" gewählt. Hierauf wurde 
der Kongreß geschlossen. 
Bremen, 25. Nov. Seit gestern Abend 
7 Uhr streiken von den Arbeitern der 
Bremer Lagerhaus- Gescllscha st ca 
500. Heute früh meldete sich nur ein 
ganz geringer Prozentsatz zur Arbeit 
Das Aufsichtspersonal für die Krahne und 
Schuppen ist vollzählig erschienen. Die 
Streikenden verlangen einen Tagelohn von 
3,50 Mk. anstatt der bisher gezahlten 
3 Mk. Die Direktion erklärte sich durch 
Maueranschläge zu einem Tagelohn von 
3,30 Mk. bereit, jedoch haben hierzu die 
Streikenden noch keine Stellung genommen 
Lübeck, 25. Nov. Die Schlägerei zwischen 
Streikenden der Thiel'schen Fabrik und 
ruhig ihres Weges gehenden Arbeitern 
stellt sich schlimmer heraus, als anfangs 
angenommen wurde. Der ganze Uebcrfall 
ist anscheinend vorher verabredet und plan 
mäßig durchgeführt ivordeu. Die hiesige 
Polizeibehörde hat heute Vormittag die 
umfassendsten Recherchen ausgenommen, um 
die Thäter, welche die ruhig zur Arbeit 
gehenden Leute mißhandelt haben, zu er 
Mitteln. Bis heute Mittag war es ge 
lungen, vier Leute zu verhaften, die 
sämmtlich zu den Streikenden gehören. 
Diese haben die That bereits eingestanden. 
Es sind nicht etwa halbwüchsige Burschen, 
sondern bejahrte Familienväter. Sic heißen 
Kersten, Wischka, Puls und Stahl. Die 
Polizei hat festgestellt, daß gestern Abend 
nach der Volksversammlung in den Central- 
hallen der Ueberfall von Kersten den anderen 
Streikenden in Vorschlag gebracht worden 
ist. Die Zahl der daran Betheiligten soll 
gegen 12 betragen. Man hatte verabredet, 
die Schwartauer Arbeiter zu veranlassen, 
ebenfalls die Arbeit bei Thiel & Söhne 
niederzulegen, und falls sie nicht darein 
willigten, sie gehörig zu verhauen. Und 
jo ist es denn gekommen. Mit Ziegel 
steinen, die man sich von einer nahen 
Ziegelei herangeholt hatte, wurden die 
armen Leute bombardirt, auch mit Messern 
und Knütteln drang man auf sie ein. Die 
von den Arbeitern auf die Angreifer ab 
gegebenen Revolverschüsse scheinen ihr Ziel 
verfehlt zu haben, wenigstens ist von den 
Verhafteten keiner verletzt worden. Möglich 
wäre es aber immerhin, daß einer der 
übrigen, bis jetzt noch nicht ermittelten 
Angreifer eine leichte Verletzung davon 
getragen hat. Die hiesige Schutzmann- 
jchast ist heute Vormittag sofort durch 
6 berittene Schutzleute verstärkt worden, 
außerdem soll Abends und Morgens die 
Zahl der zum Schutz der Thiel'schen Ar 
beiter kommandirten Schutzleute erheblich 
vermehrt werden. Die Anklage gegen 
die Attentäter wird auf Landfriedensbruch 
lauten. 
Hamburg, 25. Nov. Nachdem heute 
Morgen diejenigen Arbeiter, welche gestern 
und vorgestern gearbeitet hatten, sich wieder 
eingestellt hatten, meldeten sich weitere etwa 
2 5 0 Leute, so daß der Betrieb im ver 
größerten Umfange aufgenommen werden 
konnte. Mit Ausnahme einiger Dampfer, 
deren Ladung aus Getreide besteht, ruht 
aus keinem Schiffe die Arbeit. Mehrere 
Ewerführerbaase haben in Anbetracht des 
Umstandes, daß in Folge des Streiks nicht 
genügend Beschäftigung vorhanden ist, 
Leute entlassen. Viele der Streikenden 
möchten gern arbeiten, um ihre Familie 
nicht darben zu lassen; sie wagen es aber 
nicht, weil der auf sie ausgeübte Druck zu 
mächtig ist. Eine am Hafen domicilirte 
Kohlenfirma, die vorwiegend Schiffe ver 
sorgt, beschäftigte u. a. seit etwa 10 Jahren 
sechs Leute, die sich in jeder Weise des 
Ier Witter von Woksheim. 
Roman von Graf E u g e n H a u ş f o:> v i l l e. 36 
In demselben Moment aber erfaßt der andere seinen 
Lrin, reißt ihn halb herum, packt ihn von hinten und 
schleudert. ihn, den Schwung mit einem Sprunge ver 
stärkend, in den Staub der Arena mit einem dumpfen 
Krach, der bis auf die Straße zu hören ist. 
Ob DimitriS eigene Körperwncht den Fall noch ver 
hängnisvoller machte, oder ob daS Bild des schönen 
Kindes, daS diesem brutalenGcscllenzumOpser gebracht 
werden sollte, i» Molsheim den rächenden Zorn empor- 
lodern ließ und seine Kraft noch verstärkte, jedenfalls 
war die Niederlage des Ruffen eine vollständige und 
endgiltige. Aus die linke Schulter gestürzt, rollte er noch 
rinmal über und lag dann, mit einem zerbrochenen 
Schlüsselbein, stöhnend am Boden. 
Molsheinis Bewegungen waren so schnell gewesen' 
baß die Katastrophe sich wie ein Blitzschlag vollzog. 
Schweigend, mit verhaltenem Atem blickte die Menge 
ņuş den Sjegxr sà Opfer. Diese allgemeine Stille 
aber währte nur zehn Sekunden. Dann brach ein Ge 
schrei los, dessen Heftigkeit sogar die Pferde der in der 
Straße haltenden Fiaker und Equipagen unruhig machte, 
und zugleich fiel ein dichter Blumenregen in die Arena 
und zu den Füßen des maskierten Ringkämpfers nie- 
der. 
In Soph» d. McrincouctS Augen glänzten Thrä- 
«n innerlicher Erregung, die denselben einen überaus 
zärtlichen Ansdruck verliehen. „O," sagte sie, „wenn 
:s in Paris doch einen einzigen Mann gäbe, der diesem 
Ringer so ebenbürtig wäre, daß er zu ernstlichcmKampfe 
gezwungen würde! Welch' ein Anblick müßte das sein, 
wenn die ganze Kraft dieses wunderbaren Körpers sich 
zu der höchsten Anstrengung entfaltet!" 
Der hinter ihr stehende Gatte hörte dies, biß sich 
suf die Lippen und ging hinaus. Nach einigen Minu 
ten kehrte er zurück, setzte sich. wieder auf seinen Platz 
und sagte: „Wenn ich nicht irre, wird Dein Wunsch 
ip Erfüllung gehen, meine Liebe. Ich habe unten so- 
j eben einen vierschrötigen Burschen gesehen, der sich mit 
Deinem Abgott messen will und der mir ganz so aus 
sieht, als ob er „die ganze Kraft dieses ivunderbaren 
Körpers" hinreichend zu beschäftigen im stände lväre. 
Gelingt es ihm, dein maskierten Gesellen ben Hals zu 
brechen, daun soll er sich über unsere Dankbarkeit — 
ich meine hier mich selber und die Hälfte der Pariser 
Ehemänner — nicht zu beklagen haben." 
„Wieso'?" sragleMadame Sophie. „Wie meinstDu 
das?" 
„Nun das liegt doch auf der Hand. Wenn diese 
Manie für Ringkämpfer noch lange anhält, danil wer 
den wir uns genötigt sehen — ich meine hier wieder 
mich selber und die Hälfte der Pariser Ehemänner — 
uns ebenfalls der Arena zu widmen, um uns die Liebe 
unserer Frauen zu erhalten." 
Madame Sophie blickte ihrc:: Eheherrn zuerst wort 
los an. dann aber flüsterte sie lächelnd: „Und meinst 
Du wirklich, mein Henri, daß Du in solchem Auszuge" 
— sie deutetete mit dem Fächer aus den maskierten 
Ringkämpfer — „daß Du in solchem Kostüm sehr hin 
reißend aussehen würdest?" 
Der Pfeil traf; Herr von Merincourt stieß eine 
unterdrückte Verwünschung aus. Er war nur ein kleiner 
schmächtiger Mann, und cs war boshaft, ihn daran zu 
erinnern. Er verließ trotzig die Loge uud begab sich 
in die Restauration des Cirkus, um hier seinen Zorn 
in Absinth zu ertränken. 
Louise war dem Kampfe der beiden Ringer mit dem 
gespanntesten Interesse gefolgt; die so gewaltsame Nie 
derlage des Russen hatte sie mit Furcht und Schrecken 
erfüllt. 
Während man den Verletzten alls der Arena schaffte, 
verließ sie ihren Sitz und drängte sich, die Bemerk 
ungen der Leute nicht achtend, dem Ausgange des CirkuS 
zu. Draußen angelangt, eilte sie nach der kleinen Thür, 
durch welche die Angestellten des Etablissements und 
auch die Athleten das Gebäude betraten. In der Straße, 
gegenüber dieser Thür, hielt der zwcispäiinige Wagen, 
in welchem der Mann mit der Maske stets zu kommen 
Pflegte. 
Hier stand auch eine Gruppe von Männern ans dem 
Trottoir. Einer derselbe» Irat bei Louises Annäherung 
in den Schatten zurück, als ob er veriucideu wollte, 
von derselben gesehen zu werden. Das Gesicht dieses 
Mannes war von verschiedenen Pflastern beklebt. 
Es war Pau, den Louise im Gefängnis MazaS 
wähnte. 
Sie strich dicht an ihm und an TarbeS vorüber, 
ebenso an Duval und Lyon; ihr Sinn stand nur aus 
eins: Laube zu sehen und zu spreche». 
Sie ging in die Thür und fragte nach demselben. 
Der Athlet hörte ihrc Stimme; er trat aus dem An 
kleidezimmer, wo er sich zu bem Kampfe fertig gemacht 
hatte, und rief dem Thürhüter zu, sie zu ihm kommen 
zu lassen. 
„Nun," fragte er, ihre Hand ergreifend, „was soll 
es?" 
Sie gab ihre Antwort so leise, daß Pan. der hinter 
ihr eingetreten war, dieselbe nicht hören konnte. 
„Unsinn!" lautete August Laubes unwillige Ent 
gegnung. „Meinst Du, mir bange zu machen? Ich bin 
kein solcher Dilettant wie der dumme Kosak." 
„August, ichbittcDichiJchbefchwörc Dich!" flüsterte 
sic wieder, und diesmal, in ihrer Aufregung so deut 
lich, daß Pau eS verstehen konnte. 
„Du sollst vernünftig sein, sage ich Dir!" fuhr Laube 
sie an. „An meinem Leibe isl's doch wahrlich sicherer 
aufgehoben, als bei Dir, inmitten all'der Menschen! 
Außerdem, soll ich mich vielleicht noch einmal auszie 
hen und den albernen Gecken, den Aristokraten auf 
seinen Purzelbaum warten lassen?" 
Sie aber hörte nicht auf, mit Bitten in ihn zil drin 
gen. und schließlich beschwor sie ihn sogar, die Arena 
heute nicht zu betreten. Da» aber war ihm zuviel. 
„Halte Deinen Mund!" gebot er zornig. „Hast Dü 
nicht schon die Briese? Sollen vielleicht alle Eier in 
Deinem Korbe gefunden werden? Geh' auf Deinen 
Platz zurück und verlange nicht, daß ich mich vor diesen 
elenden Franzosen hier lächerlich machen soll." Damit 
schob er sie von sich und zugleich befahl er einem Be 
diensteten, sei» Auftreten zu melden. 
Louise stieß einen laugen Seufzer aus, aber sic ge 
horchte. Bleich und voll innerlicher Augst begab sie sich 
aus ihren Platz zurück. 
Der massierte Ringkämpfer hatte sich wieder iņ 
seinen schwarzen Mantel gehiillt und sich ans eine Ruhe 
bank niedergelassen, die sich dem Eingänge zur Arena 
gegenüber befand. Er schien dem Erscheinen seines neues 
Gegners mit einiger Unruhe entgegenzusehen. 
Der Direktor trat in die Arena und verkündete mit 
lauter Stinime: „Herr August Laube aus Basel, ber 
Mann mit den eisernen Gliedmaßen!" 
Diese eigentümliche Bezeichnung wurde von den Zu 
schauern mit schallendem Gelächter begrüßt und in dem 
allgemeinen Tumult bemerkten nur wenige die unge 
duldige Freude, mit welcher der Maskierte ben Mantel 
von sich warf und von seinem Sitz aufsprang. 
Bei dem Erscheinen des gigantischen Schweizer- 
verstummte das Gelächter mit einem Schlage nnv machte 
einem Gemurmel der Bewunderung Platz. Die Per 
sönlichkeit dieses neuen Kämpfers war in der That ivobl- 
gecignet, die soeben noch bespöttelte Bezeichnung zu recht 
fertigen. 
Seine stänimigen, in schwarze Trikots gehüllten 
Beine erscheinen wie aus Eisen geformt. Sein nackter, 
gewaltig entwickelter Oberkörper und seine sehnigen 
Arme sind dicht mit schwarzen Haaren bedeckt, die ihm 
fast das Aussehen eines Bären verleihen; bringt man 
die klassische, marmorglänzende Gestalt des maskierten 
Ringers hierzu im Gegensatz, dann gehört nicht viel 
Einbildung dazu, in diesem einen jugendlichen Theseus 
und in dem Schweizer einen wilden Perithous zu er- 
blicken. 
August Laube streckt seinem Widersacher die Hand 
entgegen, um denselben nach der, unter den Athleten 
von Profession gebräuchlichen Sitte zu begrüßen. Der 
Maskierte ergreift die Hand und dann beginnen die 
beiden einander zu »Inkreisen, um einen Angriffspunkt 
zu erspähen 42,16*
	        
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