Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

steigen und nie wieder hinaufzugehen. Aber 
ich habe heute, weil ich ein gutes Gewissen 
habe, dieselbe Freudigkeit wie immer, Dir 
und mir zu predigen! Und was ich in 
meiner Seele fühle, das steht in der heili- 
gen Schrift und lautet: „Herr, ich danke 
Dir, daß Du mich demüthigst und hilfst 
mir!" — Und nun will ich Buße predigen, 
wie schon so manches Mal, Dir und mir." 
— Danach muß man entweder annehmen, 
daß Stöcker gegen bessere Selbsterkenntniß 
predigt oder daß ein Rechtsirrthum vor 
liegt. Die Zukunft wird hoffentlich darüber 
klares Licht schaffen. 
Berlin, 21. Nov. Die Zeitschrift „Die 
Zeit" veröffentlicht eine Erklärung des 
Pfarrers Werner-Beckendorf, worin 
er mittheilt, daß ihm eine Verfügung 
des Evangelischen Oberkirchen- 
raths vorgelegt worden sei, die er, wenn 
er nicht auf seine Pfarrthätigkeit verzichten 
wolle, als Verbot seiner bisherigen sozial 
politischen Thätigkeit auffassen müsse. Die 
Verfügung stütze sich auf einen von Werner 
llm 7. Oktober in Breslau gehaltenen 
Vortrag über christlich - soziale Aufgaben 
und Aussichten. Nach Lage der Dinge 
habe er zunächst nichts anderes thun 
können, als bis auf Weiteres auf seine 
öffentliche Thätigkeit zu verzichten. 
— Das Wrack des gestrandeten K a - 
n onenb o otes „Iltis" ist dem „Leipz. 
Tagebl." zufolge für 400 Dollar an einen 
Chinesen verkauft worden. Die Schiffskasse 
des „Iltis" ist aufgefunden worden; auch 
sonst haben noch mancherlei werthvolle 
Gegenstände geborgen werden können. 
Um die Entwendung einer Zeitungs 
nummer handelte es sich in einer An 
klage wegen Diebstahls, die gestern in 
der Berufungsinstanz des Landgerichts I 
in Berlin gegen die Arbeiterehefrau H. 
verhandelt wurde. Das Schöffengericht 
hatte für erwiesen erachtet, daß die An- 
geklagte ihrem Flurnachbar eines Morgens 
die Zeitung, welche vor seine Thüre gelegt 
worden war, entwendet hatte. Die zweite 
Instanz gelangte zu derselben Ueberzeugung 
und bestätigte daher das erstrichterliche 
auf einen Tag Gefängniß lautende 
Erkenntniß. 
Stettin, 17. Novbr. Heute Nachmittag 
verstarb hier nach kurzem Krankenlager der 
Oberarzt der Diakonissen- und Kranken 
anstalt „Bethanien", Hans Schmid, 
infolge einer Blutvergiftung, die er sich 
bei einer Operation zugezogen hatte. Dr. 
Schmid war früher längere Zeit am 
Augusta-Hospital in Berlin thätig gewesen. 
Auf die Beschwerde der Direktion der 
Königsberger Börsenhalle wegen des Ber- 
bots an die Militärmusik, im Börsen- 
garten zu spielen, ist nach der „K. H. 
Z." die Antwort des Kriegsministers ein 
gegangen. Danach sei der betr. militärische 
Vorgesetzte befugt, Bestimmungen auch über 
das außerdienstliche Concertiren der Mili 
tärmusiker zu treffen. Im Uebrigen habe 
der Kaiser einen Bericht des General 
kommandos in dieser Angelegenheit ein 
gefordert; die Entscheidung stehe aber noch 
aus. 
Etwas stark zukunftsstaatlich 
muthet ein mehrfacher Ehemann 
an, der sich dieser Tage vor der Straf 
kammer in Thorn zu verantworten hatte. 
Es ivar, wie man erzählt, ein Arbeiter, 
der sich dreimal hintereinander 
an verschiedenen Orten verheirathet hat, 
ohne daß eine der Frauen gestorben oder 
von ihm geschieden wäre. Auf der Zeugen 
bank saßen die drei Ehe-„Hälften" des 
Dreifrauenmannes, der zu drei Jahren 
Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust 
verurtheilt wurde. Als er zum Schluß 
noch die Bitte aussprach, „seine Frau" 
sprechen zu dürfen, war der Staatsanwalt 
in Verlegenheit. Welche? Als „seine Frau" 
aber betrachtete der polnische Muselmann 
nur die letzte — die früheren „schnitt" er. 
Wetzlar, 21. Nov. Auf der Schlacken 
sandhalte der Buderuß'schen Eisenwerke 
unterminirten die Arbeiter bei der Schlacken- 
sandverladung die Halte, wodurch eine 
Decke, Tausende von Zentnern schwer, ge 
bildet würbe. Diese stürzte ein und ver- 
schüttete vier Arbeiter, die gelobtet wurden; 
einer wurde gerettet. Unter den Todten 
befindet sich ein Familienvater, der acht 
Kinder hinterläßt. 
Insterburg, 19. Nov. Ein umfangreicher 
Raubmordprozeß begann heute vor dem 
Schwurgericht gegen den Faktor Schade 
aus Eydtkuhnen und den Maler Jacubeit 
aus Nickelnischken, welche beschuldigt sind, 
in der Nacht zum 12. Mai bei Eydtkuhnen 
ein jüdisches Mädchen, Rebecka Glasberg 
aus Wilna, ermordet und beraubt zu 
haben. Diese Blutthat erregte damals 
großes Aufsehen. Die Leiche fand man 
in einem Acker verscharrt. Das Mädchen 
war ans England zurückgekehrt uud wollte 
zu den Eltern nach Rußland reisen, besaß 
aber keinen Paß und wollte sich deshalb 
durch die Angeklagten über die Grenze 
schmuggeln lassen, wobei sie das Opfer 
des Verbrechens geworden ist. Zur Ver 
handlung sind gegen 100 Zeugen geladen. 
Die Angeklagten leugnen, doch ist der 
Jndicienbeweis sehr gravirend. 
Breslau, 20. Nov. Die heutigen Stadt 
verordnete n wa h len dritter Klaffe 
fanden unter lebhaftester Betheiligung statt. 
Die Liberalen behaupteten ihren bisherigen 
Besitzstand, die Sozialdemokraten, welche 
infolge des ermäßigten Census sich zum 
ersten Mal an der Wahl betheiligten, 
errangen keine einzige Stichwahl. 
Köln, 21. Nov. Nachdem der Ober 
bürgermeister sich in der Stadtverordneten- 
sitzung^ vom 13. August gegen die Erhebung 
der Stadt Köln in die Servisklasse À 
ausgesprochen Hai, weil dies einen Kosten 
aufwand von 60 000 Mark bedeutet, hat 
eine Anzahl Reichs- und Staatsbeamte 
von Köln an den deutschen Reichstag eine 
Petition um die Erhebung in die genannte 
Klaffe gerichtet, aus der hervorgeht, daß 
Köln, was die Lebensmittel angeht, die 
theuerste unter den zum Vergleich heran- 
gezogenen Städten Berlin, Altona und 
Frankfurt a. M. ist. Diese Städte haben 
die Servisklaffe A. 
München, 20. Nov. In den katholischen 
Kirchen liegen ab und zu gedruckte oder 
geschriebene Gebettafeln auf, die von den 
Kirchenbesuchern an Stelle des Gebetbuches 
benutzt werden. Ein Student kam in 
den Besitz einer solchen Gebettafel, hing 
sie sich auf die Brust und wandelte so durch 
die Lokalitäten einer großen Restauration. 
Er wurde deshalb von Gästen zur Rede 
gestellt und von einem Gensdarmen ver- 
haftet, da^er sich weigerte, seine Personalien 
anzugeben. Auf der Polizei beleidigte er 
den Beamten. Er wurde wegen groben 
Unfuges und Beamtenbeleidigung zu 14 
Tagen Gefängniß verurtheilt. 
Dresden, 18. Nov. Seit Wochen kün 
digte die hier etablirte Filiale von Castans 
Panoptikum als ganz besondere Sehens 
würdigkeit das Auftreten eines sogenannten 
„B ä r e II w e r b e s" an. Dasselbe hatte 
dem Anscheine nach mißgestaltete Füße, 
und der Oberkörper war stark behaart. 
An die Auffindung des unglücklichen Ge 
schöpfes hatte man eine drastisch wirkende 
Erzählung geknüpft rc. Nachdem das 
Publikum seit Wochen von dem Unter 
nehmer auf diese Weise düpirt worden 
war, stellte es sich jetzt heraus, daß der 
Körper der Frauensperson ein ganz normal 
gebildeter ist, und daß die Verkrüppelungen 
täuschende Nachbildungen sind. 
deren Vorhandensein durch das geschickt 
übergeworfene und festgenähte Bärenfell 
verdeckt wurden. 
Leipzig, 16. Nov. Welche Unsumme 
von Aberglauben noch in manchen Kreisen 
vorherrscht lehrte eine heute hier stattge 
fundene Gerichtsverhandlung gegen eine 
weise Frau". Im hiesigen Krankenhause 
lernte eine Köchin einen jungen Assistenz 
arzt kennen, den sie sich „einbildete", ohne 
daß er eine Ahnung davon hatte. Der 
Assistenzarzt ließ sich in Chemnitz nieder 
und die liebesbedürftige Köchin wandte 
sich an die hier wohnende Frau Crone, 
die seit 14 Jahren das Gewerbe als 
Kartenschlägerin und Sympathieverkäusrine 
betreibt, welche einträgliche Beschäftigung 
nur unterbrochen wurde durch zweimalige 
schwere Bestrafungen. Die Sibylle ver 
kaufte ihr denn auch allerhand „Mittelchen" 
und wandte jegliche Art von Sympathie 
an, natürlich ohne den gewünschten Er 
folg. Außer den „Liebessympathien" ver 
trieb Frau Crone auch zu dem civilen 
Preise von „fünf Mark und sieben 
Pfennigen" ein Mittel, welches gegen „den 
Staatsanwalt" schützen sollte. Das er- 
wies sich als recht wenig schutzkräftig, denn 
Frau Crone wandert auf 2 Jahre 4 
Monate ins Zuchthaus und hat außer 
dem 300 Jt Geldstrafe zu bezahlen. 
Lübeck, 19. Nov. Der Streik bei 
der hiesigen Firma Carl Thiel & 
Söhne dauert noch immer fort, trotzdem 
die Streikenden, wenigstens die große 
Mehrzahl, eingesehen haben, daß an einen 
Sieg nicht zu denken ist. Täglich laufen 
bei den Fabrikinhabern Gesuche um Wie 
deranstellung ein, aber die Plätze sind be 
setzt und die unbesetzten Stellen geben die 
Fabrikherren eher an solche Leute, welche 
außerhalb des Streikes stehen. Von der 
Niederlage scheinen jetzt auch die Führer 
so allmählich überzeugt zu werden. Am 
Sonnabend erschienen auf dem Komptoir 
der Herren Thiel & Söhne drei Herren, 
darunter zwei Hamburger und der Vor 
sitzende des hiesigen Metallarbeiter-Ver 
bandes. Sie erbaten sich von den Fabrik 
herren Ausschluß über den Streik, da man 
nicht geneigt sei, eine ohne Ursache heraus 
beschworene Arbeitsniederlegung noch ferner 
pecuniär zu unterstützen. Die Herren So 
zialdemokraten billigten sogar das Ver 
halten der Herren Thiel, daß letztere die 
von den Streikenden nachträglich aufge 
stellten Forderungen nicht bewilligt hätten 
und kamen dann auf des Pudels Kern, 
den so verhaßten Arbeitsnachweis ver Me- 
rallindustriellen zu sprechen. Sie gaben 
dem Wunsche Ausdruck, daß man den Ar 
beitern das Recht einräunien möge, in 
- achen des Arbeitsnachweises auch ein 
Wort mitzureden. Solange dieses Recht 
den Arbeitern vorenthalten würde, sei an 
eine Beilegung des Streiks nicht zu denken. 
Die Herren Thiel erwiderten den Send 
boten der Streikenden, daß für die Firma 
Thiel & Söhne ein Streik überhaupt nicht 
mehr existire. Das Verhalten der Firma 
Thiel & Söhne findet in hiesigen bürger 
lichen Kreisen rückhaltlosen Beifall. Kostet 
es der Firma auch Tausende, um die neuen 
Arbeiter anzulehren; hot sie der Sozial 
demokratie die Stirn gezeigt und dadurch 
nicht nur bewiesen, daß die Macht der So 
zialdemokratie denn doch noch nicht so groß 
ist, wie die Führer glauben, und des wei 
teren die übrigen hiesigen Industriellen vor 
einem ähnlichen Schicksal bewahrt. 
Lübeck, 20. Nov. Emanuel Geibel 
hinterließ laut „M. Allg. Z." einen Band 
Gedichte druckfertig, verfügte aber testa 
mentarisch. daß diese Gedichte erst erscheinen 
sollten, wenn er zehn Jahre todt sei. 
Dieses Jahrzehnt ist seit Ostern 1894 ab 
gelaufen und der Druck des nachgelassenen 
Werkes ist soweit vorgeschritten, daß das 
Erscheinen eines neuen Bandes Geibelscher 
Gedichte in allernächster Zeit bevorsteht. 
Der ganze Schatz Geibelscher Dichtung, 
der längst gehoben schien, wird nunmehr 
um einen beträchtlichen Zuwachs vermehrt, 
der voraussichtlich viel Schönes enthält. 
Allen Verehrern des zu früh heimgegan- 
genen Dichters wird diese Nachricht ohne 
Zweifel willkonimen sei. 
Hamburg, 20. Nov. Die Schauerleute 
von Hamburg und Altona haben in einer 
von etwa 3000 Personen besuchten Ver 
sammlung beschlossen, die Arbeit einzustellen. 
Hamburg, 21. Nov. Die Schauerleute 
von Hamburg und Altona sind jetzt that 
sächlich in den Ausstand getreten. Einige 
Schisse arbeiten mit Stauervicen und ihrer 
Mannschaft, auf den meisten Schiffen ruht 
aber die Arbeit. Im Ganzen sind etwa 
2500 Leute ausständig; es herrscht indessen 
überall vollkommene Ruhe. 
Provinzielles. 
Für die Waisen abgeschlachteter Christen 
in Armenien wird ein neuer Aufruf ver 
breitet. Ueber 20000 Kinder müssen von 
ver Hand christlicher Milde erzogen werden. 
Eltern, Geschwister und Verwandte sind 
vor ihren Augen abgeschlachtet. Auch die 
Generalsuperintendenten D. Kaftan und 
v. Ruperti haben einen Aufruf für die 
armen armenischen Kinder erlassen. 
Altona, 22. Nov. Graf Waldersee 
soll, wie wir meldeten, Nachfolger des 
erkrankten Generalobersten Frhrn. v. Los 
als O b e r c o in ni a n d e u r in den 
Marken werden. Gegenüber einer 
Dementirung dieser Meldung durch den 
„Hamb. Corr." hält die „Franks. Ztg." 
diese Nachricht als aus den ersten mili 
tärischen Kreisen stammend aufrecht. 
Eine frevelhafte That ist am Donnerstag. 
Bormittag ausgeführt worden. Auf der 
neuen Strecke Oldeöloe-Hagenow bei der 
Station Kastors, etwa 15 Klm. von Oldesloe 
entfernt, wurde ein Kieszug zur Entgleisung 
gebracht. Nichtsnützige Hände hatten einen 
großen Stein zwischen die Schienen gelegt, 
welcher in Folge des während des ganzen 
Morgens andauernden starken Nebels nicht 
bemerkt wurde. 1 Maschine, 1 Personen 
wagen und 3 Kieswagen wurden aus den 
Geleisen gehoben; die Maschine stand quer 
über dem Geleise. Menschenleben sind 
glücklicherweise nicht zu beklagen. Der 
Kgl. Hauptwerkstätte in Neumünster ward 
sofort telegraphisch von dem Unfall Kennt- 
niß gegeben und gegen 12'/ 2 Uhr fuhr 
der bereitstehende Materialwagen mit 30 
Mann zur Hülfeleistung nach' der Unfall 
stelle ab. Die Arbeiten, unter umsichtiger 
Leitung sofort energisch in Angriff ge- 
nommen, wurden so weit gefördert, daß 
das schwierige Werk Nachts 2 V-, Uhr 
beendet war. Am Freitag-Morgen gegen 
9 Uhr laugte der Materialwagen mit den 
Mannschaften wieder in Neumünster an. 
Hoffentlich gelingt es der Behörde, den 
Urheber des Unfalls zu ermitteln »nd zur 
Bestrafung zu ziehen. 
-ff Itzehoe, 20. Novbr. Bei der heute 
abgehaltenen Stadtrathswahl für den mit 
Ende d. I. ausscheidenden Stadtrath 
Oeding, welcher eine Wiederwahl ablehnte, 
wurden 166 Stimmen abgegeben. Davon 
erhielten die von der Präsentations 
commission gewählten Herren Fabrikant 
Chs. von de Vos 160, Weinhändler C. 
P. C. Struve 4, Cassirer Adolph Wist 
2 Stimmen. Herr Fabrikant Chs. von 
de Vos ist somit als Stadtrath gewühlt. 
Kiel, 20. Nov. In der heutigen Sitzung 
der Stadtkollegien gelangten vor Eintritt 
in die Tagesordnung zwei Interpellationen 
des Stadtverordnetenvorstehers Niepa zur 
Verhandlung. Die erste derselben betraf 
die im diesjährigen Marineetat vorgesehene 
Verlegung der Deckoffiziersschule von Kiel 
nach Wilhelmshaveu und stellte die Frage 
an den Magistrat, ob ihm von der Ma 
rineverwaltung Mittheilung über diese Ab 
sicht gemacht worden sei, und ob für diesen 
Fall der Magistrat bei den Kaiserlichen 
Behörden dahin vorstellig zu werden ge 
denke, daß das Verbleiben der Deckoffizier 
schule in Kiel ermöglicht werden möchte. 
Oberbürgermeister Fuß verneinte die erstere 
Frage und beantwortete die zweite dahin 
daß es ihm nicht angebracht scheine, in 
der Angelegenheit zu weitgehende Zuge 
ständnisse zu machen, zumal da man jetzt 
vielfach geneigt sei, den Kommunen große 
Opfer zuzumuthen bei Einrichtungen, die 
dem materiellen Wohl der Gemeinden eine 
gewisse Förderung böten. Er versprach, 
soviel wie möglich Schritte zu thun, um 
zu erfahren, ob ein Verbleiben der Anstalt 
in Kiel sich ermöglichen lasse; wenn dies 
der Fall sei, so werde die Stadt auch ge- 
wisse Konzessionen machen müssen, die der 
Marineoerwaltung den Beschluß, von ihrer 
Absicht abzustehen, erleichtern könnten. 
Indessen babe er nach einer Unterredung 
an maßgebender Stelle den Eindruck ge- 
Wonnen, daß für die Verlegung der Schule 
nicht nur Sparsamkeitsrücksichten, sondern 
auch andere Gründe vorlägen, und daß 
daher auch die eventuelle Ueberlassung eines 
städtischen Platzes für den nöthig geworde 
nen Neubau an die Marineoerwaltung diese 
in ihrer Absicht kaum schwankend machen 
dürfte. 
ZZ Kappeln, 20. Nov. Eine Kuh des 
Herrn Hufners Möller in Kiesby brachte 
ein Kalb mit einem Doppelkopfe zur Welt. 
Die beiden Köpfe, welche oben zusammen 
gewachsen waren, zeigten 2 Ohren, 4 Augen, 
2 Nasen, 2 Mäuler und 4 Backen. Das 
Kalb mußte bei ver Geburt getödtet werden. 
Der Doppelkopf ist der hiesigen landwirth- 
schaftlichen Lehranstalt übergeben, die ihn 
präpariren lassen und ihrer Sammlung 
einfügen wird. 
Eine Anzahl Leute in Toftluud spielten 
120 Loose der Elmshorner Pferde-Lotterie 
und gewannen . . . eine einzige Peitsche. 
Bordesholm, 21. Novbr. Gestern 
Vormittag 11 Uhr wurde die eine der 
großen Wirthschaftsscheunen des Hotel 
besitzers Köpke „Zum alten Haidkrug" ein 
Raub der Flammen. Es verbrannten 
30 Fuder Korn. Die rasch herbeigeeilte 
Feuerwehr konnte das Wohnhaus und die 
andere Scheune retten. Zwei fünfjährige 
Knaben haben das Feuer aus Unvorsichtig 
keit veranlaßt. Da große Mengen Torf 
in der Scheune lagerten, brannte die 
Scheune noch Abends 7 Uhr. Zu der 
genannten Zeit entstand im anliegenden 
Dorfe Eiderstede ein großes Feuer, wo 
das große Gewese des Hufners Hamann 
Vermischtes 
— Guter Rath a« einige Herren Eltern, 
deren Kinder Klavierfpieleii lernen sollen. 
Das Lebensjahr, in welchem ein Menschen 
kind mit dem Erlernen des Klavierspielens 
anzufangen hat, läßt sich nicht für alle 
Kinder ganz genau bestimmen. Im all- 
gemeinen empfiehlt es sich, das Kind nicht 
eher beginnen zu lassen, als bis es 
ordentlich allein sitzen kann, mithin auf 
keinem Fall vor erfülltem 1. Lebensjahre. 
Für eine Masse Kinder, besonders solche, 
die das hohe O von A nicht in der Ton 
lage nach dem Gehör unterscheiden können, 
wird es am besten sein, wenn sie am 
„Sankt Nimmerstage" anfangen. — Wenn 
nicht etwa vom seligen Urgroßvater her 
bereits ein Klavier im Hause ist, so muß 
man naiürlich eins anschaffen. Will man 
durchaus ein neues kaufen und man weiß 
nicht gleich, von wem, so sieht man sich 
in Zeitungen und Tagesblüttern nach den 
betreffenden Reklamen um, schenkt auf 
Grund derselben irgend einem beliebigen 
höchst dunklen Ehrenmann sein Vertrauen, 
läßt sich ein wunderschönes Piano fracht- 
frei drei Wochen auf Probe schicken und 
zahlt dann den ungeheuer billigen Kauf- 
preis in monatlichen, vierteljährlichen oder 
wer weiß welchen Raten. Die meisten 
dieser Fabrikanten machen es dem Publikum 
aus reinem Edelmuthe bequem und be 
gnügen sich gewiß schon mit „Fünfund 
zwanzig" pro Rate. — Oft kann man 
aber einen recht billigen und glücklichen 
Gelegcnheitskaiif machen. Es ist ja 
eigentlich gar kein „Neues" nöthig; für 
einen Anfänger ist auch ein altes gut 
genug. Ein wirklich gediegenes „Neues" 
würde ihm gar zu viel Lust zum Ueben 
beibringen und ihm gar zu frühe einen 
guten Anschlag ermöglichen. Kurz — für 
einen Anfänger genügt ein altes tafel 
förmiges, von dem man allerdings ent 
schieden fordern muß, daß es noch die 
landesüblichen vier Beine, die meisten 
Tasten und wenigstens die größere Mehrzahl 
Saiten hat. Letztere brauchen die Stimmung 
nicht rein zu haben und zu halten, — ein 
Anfänger versteht das nicht so! Auch ist 
es kein zu gewaltiger Schaden, wenn 
etliche Tasten verquollen sind und infolge 
dessen hartnäckig stocken. Die Uebungstücke 
des Anfängers gehen ja meistens so 
langsam, daß derselbe völlig hinreichend 
Zeit hat, bei nur einiger Gewandtheit die 
unten bleibenden Tasten schleunigst wieder 
in die Höhe zu schieben. Ist die Ge 
legenheit halbwegs günstig, so kann man 
ein solches Anfänger-Instrument schon für 
die Summe von 12—30 Mark erwerben. 
— Bei der Wahl eines Klavierlehrers 
wird man als vernünftiger Mensch gewiß 
das Sparsamkeits-Prinzip vor allem im 
Auge behalten und vielleicht sehr bald irgend 
einen Stundengeber ausfindig machen, der 
edel genug ist, seine Lehrkunst für 15—25 
Pfennige pro Stunde zu verkaufen. Sollten 
etwa einige behaupten, ein solcher Lehrer 
tauge nichts, so ist wahrscheinlich blos 
Verleumdung und Neid im Spiele. — 
Damit das Kind nicht gar zu rapide 
Fortschritte mache, so lasse man ihm 
vierzehntägig nur eine einzige Stunde geben; 
- Den Privatfleiß im Klavierspielen, d. 
h. das Ueben dürfen die Kinder ja nicht 
übertreiben. Ueberanstrengung kann und 
muß früher oder später Leib und Seele 
Schaden bringen! Auf keinen Fall dürfen 
also gewissenhafte Eltern dulden, daß das 
Kind täglich so lange übt, bis es wunde 
Fingerspitzen und wohl gar Blutblasen 
daran hat! — Ein sehr empfchlenswerthes 
Mittel, seine Kinder zumal während ver 
kälteren Jahreszeit non übermäßig fleißigem 
Ueben abzuhalten, besteht Sarin, daß man 
das Klavier in die „gute Stube" stellt, 
die bekanntlich auch im strengsten Winter 
für gewöhnlich nicht, geheizt wird. 
— Jäger-Suppe. Auf einen halben Liter 
gutgeretnigte Linsen nimmt man einige 
Zwiebeln, eine Petersilienwurzel, ein halbes 
Köpfchen Sellerie, etwas Thymian uno 
Pfefferkraut und kocht die Linsen sammt 
diesen Zuthaten langsam weich. Eine 
Stunde vor dem Anrichten giebt man noch 
das sehr sein gewiegte, striche Fleisch von 
Wildbret oder auch sonstiges Reftenfleisch 
das man zum Braten nicht verwenden will. 
und ebenso 50 Gramm fetten, ganz sein 
gehackten, geräucherten Speck daran, läßt 
alles in schwacher Siedehitze langsam gar 
kochen, streicht die Suppe durch ein ent 
sprechendes Sieb und schmeckt sie gut mit 
Salz ab. Ein Glas trockener (nicht süßer) 
Madeira oder Sherry macht diese Suppe 
sehr pikant. Man richtet sie mit gerösteten 
Semmelwürfetn an und legt in die Suppen 
terrine eine haselnußgroßes Stückchen feine 
Tafelbutter, um ihr die nöthige Rundung 
zu geben. Die Suppe ist ganz besonders 
sättigend. 
— „Oben Gischt und utsictt nischt". Der 
musikalische Berichterstatter des „Kl. Jonrn." 
giebt folgende kleine Plauderei zum Besten: 
„Man erlebt allerlei in diesem ird'jchen 
Jammerthal. Es giebt civile und bar 
barische Preise, kleine und hohe, gewöhn 
liche und Extrapreise, bescheidene und 
horrende, feste, populäre und Vorzugspreise, 
philharmonische Preise waren mir bisher 
fremd, heute vor acht Tagen machte ich 
ihre werthe Bekanntschaft. In der längeren 
Pause nach Schumanns Sinfonie dürstete 
mich. Droben giebis Bier, tröstete eine 
mitfühlende Seele. Sehr richtig! La 
avant! Folgendes Zwiegespräch belauschen 
wir dort: Kellner: Entschuldigen Sie, 
mein Herr, bitte noch um 10 Pfennig, 
habe mich geirrt; das Glas kostet heute 
30 Pfennig ! Wir haben ja philharmonisches 
Konzert! Gast aus der Provinz: So, so, 
hier ist ein Nickel. Die Sache interessirt 
mich. Drei Zehntel Schultheiß für 30 Pf., 
d. h. der Liter für 1 Mi., das ist wohl 
als Zumuthimg das ärgste. (Ich will den 
Feingehalt der Schaumkrone nicht unter 
suchen!) Ja Bayern variirt der Preis 
des Liters „voll und ganz" zwischen 22 
Usld 34 Pf., j« Berlin kostet ein Hektoliter 
„Hiesiges" _ maximal 24 Mk., ein Liter 
also 24 Pf., der Wirth arbeitet sonach 
mit einem Verdienst von 325 pCt. In 
Rom zahlte ich für einen halben Liter echt 
Spaten 60 Centesimt (gleich 48 Pf.), der 
ganze Liter galt 96 Pfennig. 
— 300 Kilogramm Schwaideii Aus 
Mailand schreibt man: Drei „Jager" 
haben im Passe von Montegrade, einen 
hauptsächlichen Strichpunkt für Zugvögel, 
in einem Tage nicht weniger als 300 
Kilogramm Schwalben durch Netze ein 
gefangen. Sie schlugen darauf die Thiere 
tobt und brachten sie nach Genua aus den 
Markt, wo sie als bevorzugte Delikatesse? 
hohe Preise erzielten. Man sieht, der 
Bogeli-iiassenniord wird in Italien ,lustig 
weiter betrieben, da die Regierung nichts 
dagegen thut, sondern vielmehr gegen die 
lächerliche Jahressteuer von 20 Fr. jeder 
mann einen für das ganze Reich geltenden 
Jagdschein ausstellt, der sogar das Be 
treten jeder Prrvatbesitzung so ipso gestattet. 
Bei der jüngsten Hochzeit oes Kronprinzen 
von Italien waren allein über 2000 Wald- 
Sänger auf Schwarzbrot geröstet, von den 
Gästen verspeist worden. Neben Schwalben 
gelten Rothkehlchen und Nachtigallen als 
beliebteste Delikatesse. — Welche unerhörte 
Rohheit gehört dazu, die 'Nachtigallen zu 
verspeisen! 
Ergreifend 
Sie schwärmt für Kunst in jeder Manier» 
Sie greift zum Gesang, sie greift zum Klavier, 
Sie greift zum Pinsel, malt Mensch und Thier, 
Greift auch zur Leier, o glaub es mir. 
Und bringt Ergreifendes zu Papier, 
So daß zum Schluß zu ergreifen mir 
Nichts übrig bleibt als das Hasenpanier! 
(Flieg. B!.s 
Abgefertigt. „Darf ich Ihnen 
meinen schirm anbieten, gnädiges Fräulein, 
es fangt an zu regnen!?" - „Danke; 
aber vielleicht haben fie die Güte und 
holen meinen Mann vom Geschäft ab; 
der hat auch keinen Schirm!" 
(Heitere Welt.) , 
- Aus einem ZukimftSromau. Alfred 
machte bei dieser Nachricht ein Gesicht, 
als wenn ihm die Hühner die Margarine 
vom Brote genommen härten. 
(Heitere Welt.)
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.