Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

Aenösburaer 
Uso. 368. 
Sonnabend, den 14. November 
Nttsland. 
Peking (L -A.) Lihung-Tschaiig hat 
sich noch während seiner Reise durch Europa 
meinsamen Wahrung ihrer eigenen Inter 
essen : Sie übernahmen zusammen die 
Lieferung besserer Handarbeiten für Ge- 
zu den ihn begleitenden Mandarinen dahin şĢşte, machten gemeinschaftlich ihre Ein- 
aeäuüert. daß die Ceremonie deü Tin.Ton kiiufe lind haben in einem Falle sogar auch 
geäußert, daß die Ceremonie des Tzo-Tau 
(des Brauches, daß sich die Minister und 
Staatswürdenträger bei feierlichen Ge 
legenheiten vor dem Kaiser von China 
oder dessen Bild niederwerfen und den 
Fußboden neun Mal mit ihrer Stirne 
berühren müssen) für unsere Zeit nicht 
mehr tauge, und es sollten die Chinesen 
ihrem Kaiser nach der Art und Weise 
huldigen, wie es die Europäer ihren 
Fürsten gegenüber thun. Nach ihrer 
Heimkehr nach China theilten die Man- 
darinen diese Aeußerung Li-hung-Tschang's 
einigen Hofbeamten mit, und so gelangte 
sie auch zu den Ohren des Kaisers, der 
höchst erzürnt darüber war. Als nun die 
Minister des Tsungli-Namen eine Sitzung 
abhielten, um Li-hung-Tschang's Bericht 
über die Resultate seiner Reise entgegen 
zunehmen, stellte es sich heraus, daß Li- 
hung-Tschang manchem europäischen Kabinet 
Zusagen gemacht hatte, zu denen er gar 
nicht berechtigt war, und daß er seine 
Vollmachten überschritten hatte. Li-Hung- 
Tschang entschuldigte sich damit, daß die 
europäischen Mächte ihm einen solchen 
glänzenden Empfang bereitet hätten, daß 
er deren Wünsche auch berücksichtigen 
mußte. Dies schlug dem Fasse den Boden 
aus, und der Kaiser beschloß, ihn zu be- 
strafe». Er entzog ihm zu diesem Zwecke 
das Gehalt für die Dauer eines Jahres. 
Bei dem notorischen Reichthum Li-Hung- 
Tschangs, der auf zwei Milliarden Francs 
geschätzt wird, ist dieser materielle Verlust 
in Höhe von 240000 Francs für ihn 
kein allzu großes Unglück. 
Inland. 
„Club junger Wittwen" nennt 
sich eine neuartige Versaniinlung in Berlin, 
welche einem Zufall ihre Entstehung ver 
dankt und sich aus kleinen Ansängen bereits 
zu einer stattlichen Mitgliederzahl empor 
gearbeitet hat. In einem sehr besuchten 
Familienrestaurant der Rosenthaler Vor- 
stadt, in welchem meist jüngere Subaltern- 
beamte und kleine Geschäftsleute der Um- 
gegend mit ihren Ehefrauen die Abende 
zuzubringen pflegten, hatte der Tod im 
Laufe der letzten Jahre unter den Stamm 
gästen reiche Ernte gehalten. Die jungen 
Wittwen fuhren fort, in dem ihnen lieb- 
gcwordenen Lokal zu verkehren; sie grün 
deten, als sich ihre Zahl vermehrte, eine 
Art Stainmtischgesellschast und schlossen 
sich eng aneinander an. Ihr erstes ge- 
meinschaslliches Unternehmen war eine miethete er 
Weihnachtsbescheerung für arme Kinder preise 
aus der Nachbarschaft im vorigen Jahre 
Allniählich begannen sie auch mit der ge 
ans Vereinskosten einen Erbschaftsprozeß 
zu Gunsten eines Mitgliedes siegreich 
durchgeführt. Dabei verschmäht der selt 
same Club die Wahl eines Vorstandes und 
die Festlegung bestimmter Statuten, da die 
jungen Wittwen auch in dieser Beziehung 
„frei" sein wollen. 
, Daß Brautschleier und Mhrtenkranz 
nicht zu den unpfündbaren Sachen gehören, 
sollte eine junge Schöne in dem westfälischen 
Städtchen Ochtrup erfahren. Als die Vor 
bereitungen zu ihrer Trauung und Hochzeit 
schon vollendet waren, erschien plötzlich 
gegen Abend der Gerichtsvollzieher 
in der bräutlichen Wohnung, um auf 
Antrag eines Gläubigers die Pfändung 
vorzunehnien. An überflüssigem Mobiliar 
und sonstigen „Werthsachen" wurden jedoch 
nur der Brautschleier und 
Brautkranz vorgefunden, welche denn 
auch in gerichtliche Verwahrung genommen 
wurden. Zum Glück hatte eine andere 
Braut ihren Brautstaat schon in Bereit- 
schuft, so daß sie der Gepfändeten zu ihrer 
inzwischen stattgefundeuen Trauung mit 
Schleier und Kranz leihweise aushelfen 
konnte. 
Ein s o n d e r b a r e r S t r e i k ist in 
Neu-Gaablan bei Gottesberg ausgebrochen, 
nämlich ein Streik der Schulkinder. Laut 
Verfügung der Regierung zu Liegnitz ivur- 
den die Kinder, welche sonst die Schulen 
zu Rothenbach besuchten, am 1. d. Mts. 
dort ausgeschult und sollten die Schule zu 
Alt-Gaablau besuchen. Der weite Schul 
weg veranlaßte die Neu-Gaablauer zu einer 
Beschwerde an die Regierung, sowie an 
den Bezirksausschuß, welche jedoch die 
Bittsteller abschlägig beschieden. Diese 
haben sich nun an den Kultusministergewandt, 
und vorgezogen, bis zu dessen Entscheidung 
die Kinder vom Schulbesuch zurückzuhalten 
Bremen, 11. Nov. Ein mit dunkel- 
grauem Havelock bekleideter angeblicher 
Courier aus Hannover erschien vor einigen 
Tagen bei einer am Wall wohnenden Wittwe 
und gab sich für den Courier des 
Herrn Vanderbilt aus, der zur 
Zeit in Köln weile und am 1. Dezember 
hier eine ein Jahr in Anspruch nehmende 
Kur beginnen wolle. Er habe Auftrag, 
für den Herrn und seine Begleitung 
Wohnungen zu besorgen. Darauf wurden 
dem Herrn Courier die besten Zimmer 
gezeigt, für die er gleich 120 Mark pro 
Monat bot, obwohl ihm nur 70 Mark 
abgefordert wurden. Einige andere Zimmer 
dann zum monatlichen Mieth- 
von 40 Mark. Nachdem auf einem 
Blatt Papier noch mit drei Zeilen ein 
sogenannter Miethvertraq abgeschlossen war, 
wurde das Geschäft als beendet betrachtet. 
Der Courier wurde dann zum Mittagessen 
eingeladen, auch blieb er zum Kaffee, wozu 
noch eine Nachbarin eingeladen ivurde. 
Der Fremde belehrte nun beide Frauen 
über das Wesen des „Internationalen 
Courier-Vereins", der dafür sorge, daß 
die Mitglieder stets ihre disponibel ge 
wordenen Zimmer wieder veriniethet be 
kämen. Durch diese glänzenden Dar 
stellungen verlockt, ließen sich nun beide 
Damen von dem Herrn Courier sofort in 
den Bund der Couriere aufnehmen und 
jede bezahlte das geforderte Eintrittsgeld 
mit 7 Mark 50 Pf. Weiter stellte der 
Courier sich bei dem Inhaber eines Heil- 
institnts vor; er meldete Herrn Vanderbilt 
an und gab dann zu erkennen, daß er 
bei seiner schleunigen Abreise von Köln 
sich nicht mit genügenden Geldmitteln ver 
sehen habe, worauf er ein Geldgeschenk 
erhielt, das aber umgehend von Köln aus 
erstattet werden sollte. Den Courier und 
das Geld sah man bis heute nicht wieder. 
Die Hamburg-Amcrika-Linie stellte gestern 
einen kol ossalen Getreide - Elevator 
in den Dienst, der bestimmt ist, das Ge 
treibe aus den Dampfern schneller als 
bisher zu entleeren. Das mit Dampf be 
triebeue Fahrzeug hat eine Länge von 150 
und eine Breite von 30 Fuß. Das Ge 
treide tvird durch Aufsaugen herausge 
pumpt und können auf diese Weise 120 
Tons in einer Stunde gefördert werden. 
Es ist dies der erste derartige Getreide 
heber in einem deutschen Hasen und auf 
der Werft von Heinrich Brandenburg er 
baut- ^— Die Kornträger am Hafen sind 
natürlich über diese Einrichtung sehr 
wenig erfreut, da ihnen durch diesen Ma 
schinenbetrieb ein bedeutender Verdienst 
entgeht. 
Provinzielles 
Helgoland, 9. Nov. Ueber das Projekt 
der Erbauung einer Anlegebrücke für 
Dampfer erfährt der „H. C." folgendes 
Nähere. Die Brücke soll in Gestalt eines 
T hergestellt werden, sodaß der breite Kopf 
dem Lande parallel gegen die See liegt. 
Es sind zwei Projekte ausgearbeitet, von 
denen das eine 700 000 Mk., das andere 
400 000 Mk. kosten soll. Mit dem kleine- 
reu glaubt man auszukommen und das 
nöthige Geld durch eine 4prozentige An- 
leihe beschaffen zu können. Es sollen dann 
60 Familien, die bisher vom Betrieb der 
Fährboote leben, je 400 Mark jährlich, 
zusammen also 24 000 Mk. erhalten, 8000 
Mk. werden für Unterhaltungskosten ange 
nommen, die Zinsen betragen 16 000 Mk. 
also die Gesammtkosten 48 000 Mk An 
Fährgeld sind in den letzten Jahren durch- 
schnittlich 46 000 Mk. eingegangen, die 
für Benutzung der Brücke ebenfalls zu 
zahlen wären. Die Ballin'sche Rhederei 
soll für 10 Jahre eine Subvention von 
Letzte bewerbe- 
üusstsHufigs-Lotterie zu Berlin. 
Zielmng vom 25,—2S. JTovemb. 
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Loose sind in Rendsburg bei B. A. Krüger, Löwenstrasse, zu haben. 
Allgemeine Rmtcn-Austait 
zu Stuttgart. 
Gegründet 1833. 
Reorganisirt 1855. 
Lebens-, Renten- unì) KnşitàrsicheMgs-GeseWft 
auf (öcflcnfeitiflfcit, unter Aussicht der Kgl. Württ. Staatsregierung. 
Aller Gewinn kommt ausschl. den Mitgliedern der Anstalt zu gut. 
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Der Witter von ZKoleHeim. 
Roman von Graf Eugen H aussonvillt. 25 
Die ersten Plakate wurden natürlich am Eingang 
Mid tu ber ummttelbaren Nähe des Cirkus angebracht. 
Die nach Beendigung der Vorstellung aus demselben 
herausstlmueuden Leute brachen bei dem Anblick der 
Zettel in Frendeinnfe ans und stauten sich sofort wie 
der rückwärts nach den auch bereits tvieder geöffneten 
Billetschaltern, um hier auf frischer That die Karten 
zu erstehen, die ihnen den so lange entbehrten Genuß 
morgen abend wieder ermöglichen sollten. 
Es tvährte nicht lange da hatte die Kunde sich in 
der Siadt verbreitet und bald sah man auch die fashio 
nable Welt, alt und jung, sich vor den, Zirkus drän 
gen. Auch den jungen Porker konnte man in dem Knäuel 
geivahren. Er lvar, >vie er ging und stand, hergeeilt, 
um sich eine Karte zu sicherm 
Um so drängte sich die sieben sehe, gedankenloseMenge 
vor dem Eingang des Cirkus, als gelte es, des Lebens 
Köstliches zu erreichen; verkündeten doch die Plakate, 
daß morgen, am 22. April, der maskierte Ringkämpfer 
wieder auftceten und sich jedem Gegner stellen »oürde! 
* * 
Nachdem Ritter Vikto*von Molsheim amnächsten 
Morgen um sechs Uhr aufgestanden lvar, niit inilitäri. 
scher Pünktlichkeit geweckt von Franz, dem Diener, 
widniete er sich zunächst eine Stunde lang jenen in der 
Neuzeit so modern gewordenen Leibesübungen, die ihm 
zuerst ein Sport gewesen, später aber zum Bedürfnis 
geworden waren. 
Franz ging während dieser Exercitien aus und ein, 
die Zell benutzend, ui» das Schlaszinnner i» Ordnung 
zu bringen, und dabn bewundernde Blicke auf seinen 
so überaus muskelkräftigcn und geivandten Herrn wer 
fend. 
Auch er hatte bereits von dem in Aussicht stehen 
den Auftreten des maskierten Ringkämpfers gehört; die 
Kraftübungen seines Gebieters erinnerten ihn lebhaft 
an die Leistungen der Cirkus-Athleten, und so konnte 
er sich eine hier aus bezügliche Bemerkung nicht! versagen. 
, „Halten zu Gnaden, Herr Kapitän," fing er an 
indem er sich^ in der einen Hand die Stiefel, in der 
?• n m e ' n Stück des Waschgeschirrs, vor seinen Herrn 
Einstellte, „aber wenn man dem Herrn Kapitän so zn- 
fchant dann sollte man fast glauben, daß der Here Ka 
pitän selber eine» Gang mit dem maskierten Ringer 
versuchen wollten." 
„Unsinn!" antwortete Mölsheim. 
..Aber warum nicht. Herr Kapitän? Haben doch 
ichon mehrere der Herren Offiziere ihr Glück versucht, 
Uli d.. , şişi überzeugt, daß der Herr Kapitän den 
Maskierten werfen würden," fuhr Franz fort, dem sei 
nes Herrn Ruhm am Herzen lag. 
*à'e für mich ganz unmöglich," entgegnete 
Molshenn lächelnd. „Wir würden einander wohl gleich 
„Ich möchte aber doch wetten, daß der Herr Kapi 
tän ihn unterkriegten," beharrle der alte Diener. 
„Versncheu's der Herr Kapitän doch einmal. Wie 
man hört, soll ja der maskierte Ringer bereits ganz 
hochmütig geworden sein." 
. „Das wäre nicht so unerklärlich," erwiderte Möls 
heim. „Aber Du tveißt, Franz, Hochinnt koninit vor 
dem Fall. Jetzt aber eile Dich und bringe mir mein 
Frühstück.« 
Während er dieses zu sich nahm, traf ein Brief von 
dem kommandierenden General ein, worin ihm der 
gestern abend nachgesuchte Urlaub für denhentigen Tag 
geivahrt ivurde. Er brauchte also nicht bei dehParade 
der Garden zugegen zu sein. 
Er hatte mithin den ganzen Tag zu seiner Ber- 
fugling und konnte denselben, dem bereits festgesetzten 
Programm entsprechend, veriveuden. Er überflog die 
von der Post eingelanfenen Briefe. Unter denselben 
befand sich auch einer von dem Chemiker, an den er am 
vorhergehenden Abend geschrieben hatte. 
Derselbe lautete wie folgt: „Paris. Bergakademie, 
de» 21. April >868. Mein lieber Ritter! Ihre Zu 
schrift habe ich soeben empfangen. Sie fragen mich, 
welcher Art die geistige» Eigenschaften der Kohlen 
säure sind. Da ich Sie als einen Mann von durchaus 
Kaffee-Niederlage 
von 
J. J. Darboven, Ķamôurg. 
Kaffee-Mosterei mit Dampföelrieö 
bei 
F« E* A. Heyck, Allst. Markt 63. 
0,80, 0,00, 1,00, 1,20, 1,30, 1,40, 1,50, 1,60, 1,80 Mk. Pr. Pfund. 
Ķaffee, geröstet vermittelst des neuesten vollkommensten Patent-Schnell 
■ ^ĢHrens, wodurch größere Stärke, verfeinertes Aroma, mithin Verbesserung 
1-- des Geschmackes erzielt wird, ist der ergiebigste und billigste geröstete Kaffee 
gesundem Geist und gesundem Gemüt kenne und daher 
Überzeugt bin, daß selbstmörderische Gedanken Ihnen 
vollständig fern sind, so tvill ich Ihnen mit der ge 
wünschten Änskniift gern zu Diensten z» sein. Koh- 
leiisänreist, unter gewöhnliche» Temperatur-und Druck- 
verhältnissen, ein Gas, welches aus einem Teil Koh 
lenstoff und aus zwei Teilen Sauerstoff besteht. Die 
selbe hat weder Geruch, noch Geschmack, noch Farbe, 
sie ist schwerer, als die atmosphärische Luft und findet 
sich daher oft ans dem Grunde alter Brunnen, verlas 
sener Schächte und dergl,, wo sie den hinabsteigenden 
Lenten lebensgefährlich wird, da sie für Menschen und 
Tiere, die sie einatmen, ein tätliches Gift ist, Wünschen 
Sie eine noch eingehendere Ansknnft, so steht gern zu 
Ihrer Verfügung Ihr ergebener Freund Alfred Le- 
fevre," 
Als Ritter Molsheim diesen Brief gelesen hatte, 
schaute er sehr nachdenklich d'rein; dami aber erhob er 
sich schnell, rief den Diener und befahl demselben, einen 
Wagen herbeizuholen. Es war ihm der Gedanke ge- 
koinmen, doch einmal persönlich anzusehen, ob der Ver 
steck des Prinzen sich ettva in einem alten Brunnen, 
einem Schachte oder einer Erdhöhle befände. 
Während Franz diesem Befehle nachkam, erschienen 
die Polizeibeamten, die in der Akazien-Straße und bei 
dem Blnmcukiosk ans Beobachtnngsposten gewesen 
waren, und meldeten, daß sich nichts Verdächtiges er 
eignet habe und daß der Pole nicht in seine Wohnung 
zurückgekehrt sei. Mölsheim hatte nichts anderes er 
wartet und so entließ er diese Beamten. 
Gleich darauf traten Lyon, Tarbes und Dnval ein, 
um ihre Instruktionen für den Tag zu empfangen. 
Dnval erhielt die Weisung, den Blnmeiikiosk im 
Auge zu behalten und dem etwa erscheinenden Lnb- 
linslh sogleich zu folgen. Tarbes hatte August Laube 
zu beobachten und darauf zu merken, ob derselbe mit 
jemand redete oder irgend einer Persönlichkeit ein Pa 
pier zusteckte. In letzterem Falle hatte er dieser Per 
sönlichkeit zu folgen und den Verbleib derselben fest 
zustellen. Lyon erhielt den Auftrag, sich am Nachmit 
tag zu besonderer Dienstleistung einzufinden. 
Es war acht Uhr geworden, als diese Bersügnnqen 
getroffen waren. Der Wagen wartete auf der Straße 
und Mölsheim machte sich jetzt auf den Weg nach dem 
Botanischen Garten. Ueber den Boulevard Montmartre 
fahrend, erblickte er August Laube in feinem Bluinen- 
kiosk; er beschloß, halten zu lassen und mit demselben 
einige Worte zu plaudern. 
Er begrüßte den Gärtner frenndlich und zog dann 
die Karte hervor, die demselben für heute seine Loge im 
Opernhause zur Verfügung stellte. Der Schweizer aber 
wies dieselbe mit einer verächtlichen Bewegung seiner 
großen Hand zurück. 
„Behalten Sie Ihre Loge." rief er fast grob, and 
dam, fuhr er, aus eins der Plakate des Cirkus weisend 
fort: „Da, sehen Sie her! Der Kerl hat es endlich ge 
wagt, wieder aus seinen Schlupfwinkel hervorzukom 
men ! Heute abend aber will ich dem verwünschten Aristo 
kraten zeigen, was ans seinem adeligen Knochen wird 
wenn sie in die Hände eines Mannes aus dein Volke 
geraten!" 
Oper?" "" fältle!!, Louise also auch nicht die 
... „Sie denkt nicht daran! Sie schwärmt viel zn sehr 
fnr ein Schauspiel, worin Manneskraft und Mannes- 
mut zu höchster Geltung kommen! Sonst hätte sie mich 
lvahrhaftig nicht..." 1 ^ 
à unterbrach sich und redete dann vorsichtig wel 
ter: „Louise wird im Cirkus sein, um zuzuschauen, wie 
ich deu massierten ©eefen in deu Staub werfe. Sie 
kommen doch natürlich auch hin, was? Wie wär's übri- 
gens, wenn Sie, als ein in den athletischen Künsten 
nicht unerfahrener Mann, mit mir in den Ring träten?" 
Molsheim machte unwillkürlich eine Beivegiing, die 
der andere für ein Zeichen des Schreckens hielt. 
»Sie brauchten sich nicht zu fürchten," sagte der 
Schweizer lachend. „Der maskierte Hallnnke sollte Ih 
nen kein Haar krümmen! Sie könnten daher ruhig mein 
Sekundant sein. Ich, August Laube, würde Sie be 
schützen, denn der Maskierte soll vor mir nicht stand 
halten. dessen dürfen Sie versichert sein!" 42,16*
	        
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