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Wo. 259.
Mittwoch, den 4. Wovernber
1896.
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Morgen-Berichte.
Newyork, 4. Nov. Mac Kin ley
if! mit 242 Stimmen Majorität zum
Präsidenten gewählt.
Berlin, Z. Nov. Dem „Hamb. Core."
wird offiziös geschrieben: „Die Bismarck-
schen „Berliner Neuesten Nachrichten" ent-
rüsten sich über die Zeitungen, die, wie
der „Hamburgische Correspondent", ver
breitet hatten, die Enthüllungen
der „Hamburger Nachrichten"
seien aus Rachsucht gegen den Kaiser ge-
schehen. Um so interessanter ist es, daß
ein hiesiges Blatt, dessen Leistungen wieder
holt in den „Hamburger Nachrichten" re-
produzirt worden find, die „Bank- und
Handelszeitung" einen Artikel veröffentlicht,
der allem Anscheine nach von naher be-
theiligter Seite inspirirte Angaben enthält,
die auf die Enthüllungen der „Hamburger
Nachrichten" ein neues Licht werfen. Es
wird da erzählt, Fürst Bismarck habe den
patriotischen Wunsch gehabt, den A b
s ch l u ß eines Vertrages zwischen
Rußland und Frankreich zu
verhindern. Zar Nikolaus habe die
Absicht gehabt, während seines Ausent
Haltes in Deutschland dem Fürsten Bis
marck in Friedrichsruh einen Besuch abzu
statten. Das Vorhaben seines Besuches
sei kein Geheimniß gewesen. Wenn der
Zar auf die Erfüllung seines Vorhabens
und Wunsches verzichtete, so konnte es nur
geschehen sein, weil ihm von höchster Stelle
aus der Verzicht nahegelegt wurde. Wie
die Zeitung zuverlässig erfährt, sei das auch
der Fall gewesen. In Friedrichsruh, wo
der Zar erwartet wurde, habe man die
Meldung von dem Ausbleiben nicht ohne
eimae Verwunderung entgegengenommen.
Die^Eiilhüllungen der „Hamburger Nach
richten" seien das Aushülssmittel gewesen,
um das gleiche Ziel zu erreichen. — Mit
der höchsten Stelle, die den Besuch des
Zaren in Friedrichsruhe vereitelt habe,
kann nur der Kaiser gemeint sein. Daß
in sonst unterrichteten Kreisen von dem,
was hier behauptet wird, nicht das Min
deste bekannt ist, haben wir bereits iw
Abendblatt gemeldet. Offenbar ist die Vcr-
legenheit, einen pausiblen Grund für die
Enthüllungen ausfindig zu machen, nicht
gering."
Paris, 3. Nov. Der frühere amerika
nische Gesandte Read erklärte einem Re
dakteur des „Gaulois", für ihn stehe die
Wahl Mac Kinley's fest; Bryan's Wahl
würde für Europa schlimme Folgen haben.
Rom, 3. Nov. Neuerdings eingelaufene
Meldungen bestätigen, daß zwischen den
Soldaten Ras Mangascha's und den ita
lienischen Truppen in der letzten Zeit
wieder heftige Zusammenstöße stattgefunden
haben und daß es auf beiden Seiten Todte
und Verwundete gegeben hat. Des Weiteren
wird bestätigt, daß 30000 Abessynier bis
zum Aschantisee vorgedrungen sind.
Versailles, 3. Nov. Der Prozeß Arton
hat heute Nachmittag begonnen. Arton
erklärte, er könne bis auf 1000 Francs
die Verwendung der kolossalen Depots
nachweisen. Das Verhör dauerte zwei
Stunden.
Budapest, 3. Nov. Die israelitische
Gemeinde in Gaszeco erhielt vom Grafen
Theodor Andrassy ein Geschenk von
20000 Gulden. Dieselben sind zum Er
bauen einer Synagoge bestimmt.
Dublin, 3. Nov. Der protestantische
Bischof von Killaloe, Dr. Wynne, wurde
heute früh wenige Schritte von seinem
hiesigen Wohnhause todt ausgefunden. Der
Bischof war ausgegangen, um einen Arzt
zu seiner schwer erkrankten Gemahlin zu
holen. Unterwegs fiel der Bischof auf
das Straßenpflaster nieder. Seine Frau
starb kurze Zeit nachher.
München, 3. Nov. Der engere Aus
schuß der deutschen Volkspartei in Bayern
hat eine energische Agitation für die
Gothaer Petition gegen das Duell-
unwesen in die Hand genommen. Ir
der nächsten Zeit soll hier eine Volks
Ver sammlung zur Erörterung dieser Petition
und der Frage der Militärstrafprozeßord
nung einderusen werden.
Düsseldorf, 3. Nov. Der Schmalz
rasfineriebesitzer Reibet in Muß wurde
gestern nach zwölfstündiger Verhandlung
von der hiesigen Strafkammer wegen Ver
gehens gegen das Nahrungsmittelgesetz
(Nahrungsmittelfälschung und Betrug) im
Rücksalle zu 6 Monaten Gefängniß und
1000 Mark Geldstrafe verurtheilt. Sein
Werkführer erhielt wegen Beihülfe dazu
4 Monate Gefängniß.
Hcilbronn, 2. Nov. In Bückingen ist
heute Abend wieder ein größerer Brand,
der vierte seit einigen Wochen, ausge-
brochen.
Königsberg i. Pr., 3. Nov. Der fort
schrittliche Verein „Waldeck" beabsichtigt,
am Freitag hier eine Volksversammlung
zu veranstalten, in welcher der Fall
Brüsewitz erörtert werden soll. Wie der
„Ostprenß. Generalanz." erfährt, ist dem
Verein von sämmtlichen Saalbesitzern der
Saal verweigert worden; infolgedessen
findet die Versammlung im Artushof statt.
Man geht mit dem Plane um, ein eigenes
Lokal zu erwerben.
Bautzen, 3. Nov. Der Maurer Reche
t ö d t e t e gestern Abend seine Ehefrau
durch Beilhiebe, weil sie ihm Geld zum
Schnapskaufen verweigerte. Der
Mörder wurde eine Stunde nach voll
brachter That in einem Restaurant fest
genommen.
Berlin, 3. Nov. Aus dem Unter-
suchnngsgefängniß in Moabit verlautet,
daß jetzt keine Widersprüche mehr in den
Aussagen der beiden Mörder des
Justizraths Levy bestehen. Grosse
soll jetzt gestanden haben, er habe that
sächlich den Mord ausgeführt.
Berlin, 3. Nov. Wegen Mißhandlung
von verhafteten Personen wurden heute
die Schutzleute Koinzer zu drei Monaten
Gefängniß und Schmidt zu 50 Mk. Geld
strafe verurtheilt.
Ausland.
Außereuropäische Gebiete.
Newyork, 3. Nov. Die leitenden Blät
ter des ganzen Landes erklären in ihren
Artikeln, (daß zweifellos die Wahl Mac
Kinleys gesichert sei. Die Silberleute sind
anscheinend auf die Niederlage Bryans
vorbereitet, da Bryan und dessen Gefolg
schaft in den letzten Tagen mehrfach er
klärten, daß die Agitation fortdauere, selbst
>venn Bryan unterliege. Die demokratische
Presse des mittleren Westens räth ihren
Lesern direkt für Mac Kinley zu stimmen.
Ncw-Iork, 30. Oct. Gestern und heute
herrschte g roße Geldknappheit. Geld
galt zeitweise 100 pCt., indessen brachten
heute große Finanzinstitute 10 Mill. Doll,
aus zur Verhütung einer Panik.
New-Iork, 30. Oct. In Chicago ist
infolge der politischen Agitation in allen
Geschäften Stillstand eingetreten. Die
Silberlente halten Versammlungen Tag
und Nacht ab, die Republikaner veran
stalten Gegendemonstrationen. Bryan hielt
gestern zwanzig Reden und spricht
heute in Iowa.
China. Echt chinesisch klingt eine Mel
dung des „Reuter'schen Bureau" aus
Peking, dem Kaiser von China sei der
Rath ertheilt worden, Li-Hung-Tschang
aller seiner Aemter zu entkleiden; der
Kaiser habe indessen entschieden, daß an
Stelle dieser Strafe Li-Hung-Tschang
mit dem Verluste eines Jahresgehaltes zu
bestrafen sei. — Und das alles nur, weil
Li-Hung-Tschang der Etikette zuwider den
Palast der Kaiserin betreten hat!
Türkei.
Koustaņtinopel, 2. Nov. Trotz aller
Dementis ist Nelidow's Reise nach Peters-
bürg auf den 28. Oktober alten Stils
festgesetzt. Sie erweckt in türkischen Kreisen
große Mißstimmung. — In Stambul und
in den an das goldene Horn grenzenden
Quartieren wurden letzthin die Patrouillen
verdoppelt und die Gewölbe am Abend
frühzeitig geschlossen. Die Ursache war
die Entdeckung einer Bewegung unter den
Sofias, welche in bereit gehaltenen 150
Kaiks (Schaluppen) einen revolutionären
Anschlag planten, dessen Einzelheiten noch
unbekannt sind. Seither ist der Verkehr
zu Wasser des Nachls im goldenen Horn
streng untersagt.
Italien.
Rom, 2. Nov. Nachrichten aus Sicilien
berichten von Meeranschwemmnngen, welche
in Palermo die Erdgeschosse und die um
liegenden Felder verwüsteten. Auch bei
Trapani sind die Felder beschädigt. Drei
Personen sind bei der Katastrophe ums
Leben gekommen.
Mrankreich.
Paris, 2. Nov. 90 Personen Hoch-
zeit sgäste und Gefolge fuhren heute in
zwei Sonderzügen von Paris nach Wien
zur Theilnahme an der Hochzeit des Herzogs
von Orleans im Schönbrunner Schlosse
Im ersten Zuge saßen die Herzöge von
Chartres, Alenxon' und Audifferet, sowie
die Herzogin von Uzes. Im zweiten Zuge
folgte die Königin von Portugal. — Vom
Dirigcntenpulte weg wurde heute in einem
Concertlokale auf dem Boulevard Sebastopol
Kapellmeister Trizelsky, Chef einer Damen
kapelle, auf Ersuchen der österreichischen
Behörden verhaftet.
Paris, 2. Nov. Ein an Verfolgungs
wahn leidender, durch Lektüre anarchistischer
Schriften verwirrter, Illjähriger Küchen
junge Lehmarie schoß gegenüber der Mili-
tairivache der Banque de France mit
einem Revolver auf einen Civilwachmann.
Eine Kugel drang dem Beamten unter
dem Ohre in den Kopf und brachte ihm
eine lebensgefährliche Verletzung bei. Eine
zweite Kugel traf den hinzueilenden Wach
mann Audry, durchbohrte aber nur dessen
Mantel. Im Verhör faselte Leymarie,
daß eine staatliche Gemeinschaft, in wel-
cher man, wie es ihm geschah, sieben
Zeugnisse beizubringen gezwungen wird,
bevor man einen alten Winterrock ver
kaufen kann, das Existenzrecht verloren
habe. Darum wollte er das erste beste
Staatsorgan niederbrennen.
Dänemark.
2. Nov. Bei der Haus-
suchung in der Wohnung des verhafteten
Redakteurs des Anarchisten-Blattes „Pro
letaren", Möller, wurden mehrere Tausende
gefälschter Sparkassenmarken vorgefunden.
Kopenhagen, 3. Nov. Die Angelegen
heit wegen der gefälschten Spar
marken hat einen größeren Umfang an
genommen, als man zuerst vermuthen
konnte. Obgleich der verhaftete Anarchist
Jensen seine Mitschuldigen nicht angeben
will, ist es der Polizei doch gelungen,
zwei deutsche Anarchisten Laub und
G l a a b , die mit Jensen in Verbindung
standen und ebenfalls falsche Spar- und
Stempelmarken ausgegeben hatten, zu ver
haften. Laub und Glaab haben sich schon
längere Zeit hier aufgehalten und eine
rege anarchistische Thätigkeit entfaltet. Sie
stehen mit einer anarchistischen Druckerei
in Leipzig, wo die gefälschten Spar-
marken auch verfertigt sein sollen, in Ver
bindung, haben sich jedoch bisher hart
näckig geweigert, Aufklärungen zu geben.
Die Polizei setzt daher die Untersuchungen
mit großem Eifer fort.
Inland.
— Die Entlassung Bismarcks
soll nach der „Germania" in Zusammen
hang stehen mit dem deutsch-russischen
Abkommen. Es wird nämlich der
„Gernlania" aus ihrem Leserkreise Fol-
gendes geschrieben: „Während Fürst Bis
marck vor einigen Jahren seine sogenannte
„Rachereise" durch Oesterreich und Deutsch,
land machte, brachte eine Zeitung die Notiz„
daß Bismarck nach Abschluß des Bündnisses
mit Oesterreich auch Rußland wieder ein
Bündniß angeboten habe. Der nunmehr
verstorbene Kaiser Alexander von Rußland,
ein ehrenwerther Charakter, habe dieses
Anerbieten Bismarcks dem Kaiser von
Oesterreich mitgetheilt und dieser habe in
Berlin zienilich deutlich merken lassen, daß
er bei einer solchen Behandlung von Seiten
Bismarcks auf ein Bündniß mit Deutsch
land verzichte. Diese Bemerkung des öster
reichischen Kaisers soll mit ein Hauptgrund
des raschen Sturzes Bismarcks gewesen
Irr Witter von WotsHeim.
Roman von Graf E u g e n H a u s s o n v i l l e. 1®
Der Kapitän fragte sich vergeblich, von welchem
großen Dienst hier die Rede sein könne. der Name
August Laube aber erinnerte ihn augenblicklich an Lyons
Bericht. Dieser Manu war also der Eigentümer pxz
Ņļumenkìosks. Die Verschwörung begann eine deut-
kichere Gestalt anzunehmen.
Er erwiderte die Begruyung Laubes und sagte ihm
einige Komplimente über seme Blumenzucht, aber schon
ans dieser kurzen Unterhaltung konnte er erkennen,
daß der Gärtner ihn sobald al» möglich das Hausver-
lassen zu sehen wünschte; auch trat Louste gleich darauf
wieder herzn und meldete, daß das Mrttagesteil gleich
auf dem Tische fein würde. Und al>° ob dieie Amdeu^
rmg noch nickt genug wäre. gab -aube dem Besuch
einen noch deutlichere u Wink. . . , ,
„Ich würde Sie bitten, uns wieder zu beehren,
Herr von Molsheim," sagte er, „aber so vornehme
Herrschaften wie sie fiuben schwerlich Gefallen an un
ser einem. Zudcin ist mein Mündel nur etn arme.
Blumenmädchen und die Bekanntschaft derselben um
einem Edelmann würde sie nur in Verruf bringen, ob
dieser Edelmann nun ein Mann von Ehre «nc Cha
rakter ist oder nicht. Adieu also, Herr von Mot«-
Er hatte bei dieser Rede die Worte „Edelmann"
trnd „armes Biumenmädchen" in einer so eigentümlich
sarkastischen Weise betont, daß der Kapitän unschwer
die dahinter lauernde Gehässigkeit erkennen konnte.
„Adieu, Herr Laube, Adieu Fräulein," sagte er
mit leichter Höflichkeit, indem er sich dabei vor dem
Mädchen verneigte. .
Louise hielt ihm die Hand hin; er drückte mefelve
tmb fühlte, daß der Druck erwidert wurde.
Während er der Gartenpforte zuging, nahm Laube
einen Brief aus der Tasche und gab ihn seinem Mün
del; daraus zog er sich mürrisch iu's Haus zurück.
Im nächsten Augenblick war Molsheim wieder an
Louises Seite. „Darf ich hoffen," flüsterte er hastig,
„daß Sie mich freundlicher beurteilen, als Ihr Vor
mund dies zu thun scheint? Glauben Sie mir. ich em
pfinde es tief, wieviel Ihr gegenwärtiger Beruf Sie
innerlich kostet. Ein Blumenmädchen ist so vielen Ver
suchungen und Kränkungen ausgesetzt."
Hub dabei versuchte er einen Blick auf den Brief
zu werfen, den sie in den Falten ihres Kleides ver
borgen hielt.
Ihre Antwort setzte ihn in Erstaunen. „Gott sei
Dank! Es dauert nicht mehr lange!" kam cs wie aus
tiefster Seele. „Ich weiß, daß Ihr Einfluß ein sehr
weitreichender ist, Herr von Molsheim. Der Tag ist
vielleicht nicht mehr fern, wo ich . . ."
„Louise, wo bleibst Du?" ertönte Laubes Stimme
aus dem Hause.
Zusanimcnschreckcnd huschte da§ Mädchen davon.
Der Kapitän blickte ihr nach und jetzt gelvahrte er,
daß der Brief, den sie in der Hand hielt, einen gelben
Umschlag hatte. Er schloß daraus, daß dies der zweite
der Briefe sei, die Hermann Rimes heute vormittag
in seiner Wohnung, Akazien Straße Numiner 55, ge
schrieben hatt«.
Allein noch mehr als diese Thatsache gaben ihm
die Worte des Mädchens „Gott sei Dank, es dauert
nicht mehr lange!" zu denken. In Sinnen verloren
bestieg er sein Fuhrwerk, welches der Kutscher in der
Liiiden-Straße langsam aus und ab geführt hatte und
lenkte dasselbe heimwärts.
Als er seine Wohnung betrat, kaiu ihm Franz, sein
Diener, mit bedeutsamem Lächeln entgegen. „Dort
drin sitzt er!" sagte derselbe, aus das Speisezimmer
deutend. „In den Salon mochte ich ihn nicht einlas
sen, er hätte mis dort am Ende die Atlasmöbel ver
dorben."
„Bon wem redest Du." fragte der Kapitän unge
duldig. Dabei hatte er aber auch bereits die Thür des
Şpeisezîîniners geöffnet.
Bei dein Anblick, der sich ihm hier darbot, brach
er in ein lautes Gclach'cr aus. Denn vor ihm stand
Pan, der jugendliche Lebemann, buchstäblich vrrwan-
delt in eine zerlumpte Jammergestalt. Seine Sam-
metiveste war verschwunden; sein Frack war vom Kra
gen bis zu den Schößen aufgerissen; seine lavendel
farbigen Beiuklci der hatten ihre helle Farbe mit dem
dunklen Schwarzbraun des Straßcnschmutzcs vertauscht
und von dem Cylinder und dem zierlichen Spazier-
stöckcheu war nichts mehr zu sehen.
„Hat er Sie also wirklich noch zum zweiten Male
erwischt?" fragte Molsheim, seine Heiterkeit beinei-
sternd.
„Wie Sie sehen," erwiderte Pan mit jämmerlicher
Miene. „Der Spaß ist für mich übel abgelaufen. Der
Unhold ist aber auch so stark wie ein Gorilla!"
„Wenn Sie sonst nur mit den gesunden Gliedmaßen
davon gekommen sind," entgegnete Molsheim, „dann
brauchen Sie sich die Sache nicht so sehr zu Herzen zu
nehmen. Vergessen Sie nicht, daß Sie Ihren Anzug
dem Interesse des Kaiserlichen Dienstes geopfert haben;
derselbe tvird Ihnen selbstverständlich von mir ersetzt
werden."
„Das wäre eine Großmut, die sonst meines Wissens
im Dienst nicht gebräuchlich ist," sagte Pan, der jetzt
ganz getröstet dreinblickte. „Der Anzug hat mich zwei
hundert und fünfzig Franken gekostet, so viel bedarf'S
aber nicht: Lewy, der Kleiderhändler in der Temp
ler-Straße, begnügt sich, we,m er die Hälfte bar auf
den Tisch bezahlt kriegt. Das wären also nur hundert
und fünfundzwanzig Franken, Herr von Mölsheim."
„Hier sind dreihundert," entgegnete Ritter von
Mölsheim, ihm die Bankiwlen darreichend. „Sonst hat
Sic die Sache doch weiter nicht gerührt?"
„Nein, Kapitän, wohl aber rührt mich Ihre Güte!"
ries der junge Geheiniagent; und in der Wärme seiner
Empfindungen ergriff er Molsheims Hand und zog
dieselbe an seine Lippen.
Dieser äußerte einige saust abweisende Worte, er
wußte nicht, daß er soeben ein Kapital angelegt hatte,
dessen Zins und Ziuseszins dereinst in die Wagschale
fallen sollte, in welcher Tod und Leben für ihn ruhte.
Nachdcnî Pan? äußere Erscheinung vor der Hand
wieder notdürftig hergerichtet war, sendete er densel
ben zu Mandont, dem Chef der Geheimpolizei; er be
durfte einer weiteren Anzahl von Beamten, damit di«
Polizisten, welche Rimes—Lublinsky und den Blu
men-Kiosk während des abends überivachten, abgelöst
werden könnten, und somit auch Lyon, Tarbes und
Duval in die Lage kamen, ihm die Resultate ihrer Be
obachtungen zu melden. Nach Erledigung dieses Auf
trages sollte Pan sich mit einem neuen Anzuge ver
sehen und dann spätestens um halb acht sich' wieder
hier cinftndcn.
Gegenwärtig war es sechs Uhr; in anderthalb Stun
den ließen sich diese Aufträge kaum bewältigen. Aber
des Mädchens Wvrte: „Es dauert nicht mehr lange,"
hatten sich Mölsheims Gemüt so eingeprägt, daß der
selbe sich der Gedankens, daß eine Katastrophe nah«
bevorstünde, nicht mehr erwehren konnte.
Eine Stunde nach Paus Weggang erschienen Lyo«
und TarbeS.
DeS ersteren Rapport lautete wie folgt: „Bei dem
BlnmcmKiosk hat sich nichts besonderes zugetragen,
ausgenommen, daß August Laube, der Eigentümer,
bald nachdem NiineS seinen zweiten gelben Brief ab
gegeben und seine rote Roseuknospe in Euipfang ge
nommen hatte, zurückgekehrt ist. Laube hielt sich eine
halbe Stunde in dem Kiosk auf und ging dann nach
Passy zurück. Nach seiner Entfernung war der Briej
ebe,stalls verschwunden."
Ritter von Molsheim hatte dies erwartet. Er er»
kündigte sich nunmehr nach den: Mädchen. welches den
Verkauf in dem Kiosk besorgte uub erfuhr, daß dicie
Roia heiße, sechzehn Jahre alt fei und ihre Stellung
in dem Kiosk^ schon seit zwei Jahre» bekleide; August
Laube habe dieselbe vor vier Wochen gleichsam als ein
Jnventarstnck mit übernommen.
„Sie können sie leicht persönlich einmal sprechen,
Herr Kapitän, schloß Lyon feinen Bericht, „denn sie
ist jeden Abend im Theater, um dort ihre Blumen zu
verkaufe»."
,,Gut," erwiderte Molsheim, „mir wollen einmal
sehen."
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