Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

ie mir geleistet haben, seinen Dank auszudrücken 
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Mendsburger M Wochenblatt 
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MorgcA-Berichte 
Berlin, 2. Novbr. Der „ReickS 
«nzeiger" ist ermächtigt, gegenüber 
den Ausführungen der „Hamburger 
Nachrichten" in dem Artikel „Die 
Erklärung des Reichsanzeigers" folgendes 
zu erwidern: „Die Frage,, von welchem 
Zeitpunkt an geheime diplomatische Vor 
gänge den Charakter eines Staatsgeheim 
nisses verlieren, kann ausschließlich von 
leitenden Staatsmännern auf Grund 
ihrer Verantwortlichkeit And ihrer befon 
deren Kenntniß der politischen Lage ent 
schieden werden. Jede Abweichung von 
dlesem Grundsatz würde die auswärtige 
Politik Neberraschungenund Erschütterungen 
aussetzen und damit das Staatsinteresse 
gefährden. Hat Deutschland bedingungslos 
dw Zusage ertheilt, sowohl die Thatsache 
wie den Inhalt der vor 1890 mit Ruß 
land geführten Verhandlungen geheim zu 
halten, so dauert die Verpflichtung für 
alle, 'die darum wissen, auch heute noch 
unverändert fort. Damit entfällt auch die 
Möglichkeit, auf den sachlichen Inhalt 
jener Verhandlungen einzugehen." 
Berlin, 3. Noo. Offiziös wird dem 
„Hamb. Corr." von-hier geschriebene Da 
die neueste Erklärung des.„Reichs 
Anzeigers" ebenso wie die frühere sich 
-arauf beschränkt, das Nichteingeyen au' 
den schlichen Inhalt der seitens Bismarck 
mit Rußland gepflogenen Verhandlungen, 
deren Ergebniß der Assekuranzverirag war, 
damit^ zu ^motiviren. daß es sich um ein 
strengstes Ltaatsgeheimniß handle, so er 
scheint es auffällig, daß wohl das Interesse 
Rußlands an der Geheimhaltung betont, 
fcie von anderer Seite aufgeworfene und 
bejahte Frage aber, ob auch Fürst Bis 
march selbst die Geheimhaltung verlangt 
habe, nicht berührt ivird, Aus dem ganzen 
^enar der Ausführungen des „Reicks 
Anzmgers" ergiebt sich, daß von einem 
Einschreiten auf strafrechtlichem Wege gegen 
"Ä, Nachrichten" nicht die Rede 
Dasselbe würde entweder nur einen 
die 
ist. 
Strohmann treffen oder, falls die Wer- 
offentlichung auf den Fürsten Bismarck zu- 
> uckgeführt würde, was nicht ausgeschlossen 
lst, gegen diesen gerichtet werden müssen. 
Biel bemerkt wird ohne Zweifel der Com- 
mentar werden, den die „Berl, Neuesten 
Nachrichten" an die Mittheilungen der 
„R, Fr, Pr," knüpfen. Dies Blatt schreibt 
nämlich: „Fürst Hohenlohe ist ein Anhänger 
des Zusammengehens mit Rußland und ein 
entschiedener Gegner der Fahrt im eng- 
lischen Kielwasser oder im englischen 
Schlepptau. Bon diesem Gesichtspunkte 
aus stellt die Veröffentlichung sich als eine 
Unterstützung der Politik des Fürsten 
Hohenlohe dar, die auch durch die wenig 
geschickte erste Note des „Reichs-Anzeigers" 
nicht eutwerthet tvird," Indessen liegt 
dieser Auffassung völlige Unken ntniß 
der thatsächlichen Lage zu Grunde. 
Kölu, 2. Novbr. Die „Köln. Ztg 
schreibt in ihrer heutigen Abendnummer, 
der gegen den Kaiser gerichtet 
P r e ß f e l d z u g , der nicht hochragende 
politische Ziele anstrebe, sondern nur den 
Kaiser verletzen und ärgern wolle, sei au' 
das Schärfste zu verurtheilen. Es falle 
dabei sehr erschwerend ins Gewicht, daß 
die „Hamb. Nachr." sich ganz deutlich der 
Umstände bewußt seien, die ihnen eine 
sichere Gewähr für vollste Straflosigkeit 
bieten. Vom sicheren Port aus auf einen 
Mann loszuschlagen, der auf jede Abwehr 
verzichten müsse, sei -kein Heldenstück, Un 
ter diesen Umständen -sei es eine nationale 
Ehrenpflicht der einflußreichen Blätter, 
alle Kräfte daran zu setzen, um den ersten 
deutschen Mann zu bewegen, das Ober- 
Haupt der Nation, das sich vor der geistigen 
Größe und den unverwelklicheu Verdiensten 
Bismarcks, Versöhnung heischend, neigte 
in Frieden seine Wege ziehen zu lassen, 
München, 2, Nodbr, Die „Münchener 
Neuesten Nachrichten" melden aus Berlin 
In hiesigen politischen Kreisen findet es 
ganz besondere Beachtung, daß die italienische 
Presse lebhafte Aeußerungen im Sinne 
einer Annäherung an ^Frankreich und Eng 
land bringt. 
Hamburg, 3. Novbr. Ein Streik 
der Wagenführer der Straßen 
eisend ahngesellschaft ist in Aus 
icht. Eine gewiffe -Erregung herrschte 
seit vorgestern unter den Angestellten der 
Straßenbahn. Es hieß, die Wagenfahrer 
wollten streiken. Am Sonntag Mittag 
sollte auf allen Linien, mit Ausnahme 
einiger Nebenlinien, die Arbeit eingestellt 
werden. Die Wagenführer verlangen 
110 J( Minimallohn pr. Monat (diesen 
Lohn erhalten sie jetzt erst nach lOjähriger 
Thätigkeit), freien Sonntag, wenn ihr 
freier Tag (alle 13 Tage) auf einen Sonn- 
Der Witter von MoksHeim. 
Romcw von Graf Engen Haussenvälle. 15 
. Ģr händigte ihn dem Blumenmädchen ganz ruhig 
«m. „vich war Zeuge von der Beleidigung, die Ihnen 
ņ'àşahren lst, sagte er, „.und hatte gehofft, noch 
rechtzeitig zur Stelle zu sein, um den Menschen bestra- 
ser. zu können. Ein anderer aber war so glücklich, mir 
zuvorkommen zu dürfen. Würden Sie mir jetzt, wäh 
rend der Abwesenheit Ihres Beschützers, wenigstens 
gestatten, S,e sicher nach Hause zu geleiten?" 
Das Mädchen hatte inzwischen einen schnellen Blick 
«uf den Brief geworfen, um zu sehen, ob es auch der 
rechte sei, und denselben daraus in die Tasche aescho- 
be». „Ich danke Ihnen für Ihre Freundlichkeit.« sagte 
sie bann, „aber ich bedaure, dieselbe nicht annehmen zu 
können." 
„Ich darf Sie aber doch unmöglich hier so ohne 
şilltz zurücklassen/ entgegnet? Mölsheim. „TerMann 
könnte ja wiederkommen." 
„DaS ist nicht anzunehmen/ erwiderte das Mäd 
chen mit eigentümlichem Lächeln, „denn wenn August, 
mein . • sie unterbrach sich und fuhr dann fort: 
„mein Vormund ihn wieder in die Hände bekommt, 
dann werden ihm solche Gedanke» sicherlich vergehen." 
„August ist also..." 
..Mein Vormund, derselbe Mann, den Sie vorhin 
den schlechien Menschen züchtigen sahen. Ich glaube, 
er ist besser, wenn er Ihnen hier nicht begegnet; er ist 
sehr eifer .... ich wollte sagen sehr hitzig, und dabei 
ganz ungemein stark, er war nämlich früher Professor 
der athletischen Künste zu Basel." 
„Ei, ei!" lachte der Kapitän,» „also Professor der 
«tyleijichen Künste zu Basel. Aber imincrhiii, meine 
persönliche Sicherheit würde ich trotzdem wohl zu wah 
rer, wissen. Außerdem aber glaube ich, daß ich Ihrem 
Vormund nicht verdächtlg ericheiuen werde. Und Ihnen 
hoffentlich auch nicht." 
„O nein, gewiß nicht," enļgegnete sie, einen langen, 
gedankenvollen Blick auf ihn heftend. 
,Nnn dann dürfen Sie uiir ja auch erlauben, Sie 
tag fällt, und einige andere Kleinigkeiten 
wie Lieferung eines Regenrockes. Infolge 
des angedrohten Streiks entfaltete die 
Direktion der Straßenbahn eine fieberhafte 
Thätigkeit. Am Sonntag Vormittag konnte 
man an verschiedenen Gegenden der Stadt 
sehen, wie Controleure und andere Beamte 
als Wagenführer eingeübt wurden. Auf 
den verschiedenen Bahnhöfen wurde das 
entbehrliche Personal, weil es mit den 
Funktionen der Wagenführer vertraut, 
eingekleidet, um bei einer Niederlegung der 
Arbeit sofort den Dienst der Wagenführer 
antreten zu können. Auch die Polizei- 
mannschaften der in der Nähe der Bahn- 
Höfe belegenen Wachen waren verstärkt 
worden. Auf allen Bahnhöfen der Straßen 
eisenbahngesellschaft waren Plakate ange- 
schlagen, durch die die Polizeibehörde den 
Wagenführern androht, daß, wenn sie die 
Arbeit ohne Kündigung einstellten, dies 
als Contractbruch anzusehen sei; alsdann 
würden ihnen die Fahrscheine entzogen, 
und sie sollten solche auch nicht wieder 
erhalten. Bis Sonntag Abend 10 Uhr 
war übrigens von einem Streik nichts 
bemerkbar. Wie verlautet, soll der Streik 
nunmehr am kommenden Dienstag in 
Scene gesetzt werden. — Die ganze Sache, 
die schon längere Zeit spielen soll, wurde 
übrigens bisher fetjr geheim gehalten; erst 
am Sonntag Borniittag gelangte sie zur 
Kenntniß. — Die Führer haben ihre 
Forderungen formulirt und sie der Direction 
zugestellt; Ms nicht innerhalb 24 Stunden 
die Bewilligung erfolgt -ist, soll der Streik 
beginnen. 
Stettin, 2. Novbr. Bei den heutigen 
Stadtverordnetenwahlen der dritten Ab 
theilung siegte die vereinigte Hausbesitzer 
und konservative Partei. Dieselbe erhielt 
neun Sitze; die liberale Partei kam nur 
in einem Bezirk in Stichwahl. 
BrcSlau, 2. Nov. Der Ritterguts- und 
Fabrikbesitzer Hans v. Decker aus Bobeptein 
bei Hirschberg im Riesengebirge stürzte, 
wie der „Brest. Generalcrnz." meldet, bei 
Dittersbach in der Nähe -von Lüben auf 
der Jagd aus dem Wagen, .wobei sich das 
Gewehr entlud und die Kugel dem Jägers 
in den Leib drang. Herr v. Decker war 
öfort todt. 
Krefeld, 2. Nov. Der Besitzer zahl- 
reicher Häuser, Emil Bredow, stürzte sich 
mit seiner Familie bei Uerdingen in den 
Rhein. Er, seine Gattin und zwei Kinder 
ertranken. Ein elfjähriger Knabe konnte 
gerettet werden. Der Grund der furcht- 
baren That ist in verfehlten Speculationen 
zu suchen. 
Paris, 2. Nov „Libre Parole" giebt 
der Hoffnung Ausdruck, daß die geheim 
nißvolle Wendung, welche in der letzten 
Zeit in der auswärtigen Politik Frank 
reichs sich vollzogen habe, gelegentlich der 
Interpellation über die franko-russische 
Allianz klar gelegt werde. Es sei unzu 
lässig, daß ein Mann wie Hanotaux, wel 
cher nicht einmal Abgeordneter sei, wie 
ein Autokrat die Geschicke Frankreichs nach 
seinem Gutdünken leite. 
Paris, 2. Nov. In bonapartistischen 
Kreisen wird der Einladung, welche der 
russische Kaiser von Darmstadt aus an den 
Prinzen Victor Napoleon ergehen ließ, 
eine hohe Bedeutung beigemeffen. 
London, 2. Nov. „Morning Post" 
veröffentlicht Erklärungen hochstehender 
französischer Politiker, welche diese dem 
Korrespondenten jenes Blattes bezüglich 
der egyptischen Frage gegeben haben. Es 
wird darin allseitig betont, daß es im 
allgemeinen Interesse des Weltfriedens 
liege, wenn England auf eine definitive 
Okkupation Egyptens verzichten würde. 
Wenn der Plan einer Okkupation zur 
Ausführung käme, würden sich internatio 
nale Schwierigkeiten ergeben. 
^ Prag, 2. Nov. Dem Edelsteinhändler 
Safarz ist auf der Bahnstrecke Bakov 
Burnau eine Tasche mit Granaten ent 
wendet worden. Die Steine hatten einen 
Werth von 15000 Gulden. 
Madrids 2. Nov. Eine Kabclmeldung 
des „Impartial" schildert die Lage auf 
den Philippinen ; als äußerst bedenklich 
Die Zahl der bewaffneten Rebellen betrage 
über 25 000; die ganze Provinz Cavite 
sei in, Aufruhr. Zahlreiche Spanier 
schifften sich nach Manila ein. Der 
dortige Erzbischof kabelt, die Lage sei 
unhaltbar; die Zahl der Rebellen nehme 
täglich zu; General Blanco sei rath- und 
thatlos; die Rebellen planten die Einnahme 
einer Festung und erhofften dazu die 
Unterstützung Japans. 
nach Hause zu geleiten. Es ist mir thatsächlich ganz 
unmöglich, Sie nach dem Vorgefallene» in dieser cin- 
sameiļ Straße so ganz allein zu lassen." 
Louise warf it)m wiederum einen langen Blick zu 
und dann ließ sie ein kurzes leises Gelächter hören. 
„Run, meinetwegen, Iveiin Sie es denn darauf an 
kommen lassen wollen, meinen Vormund zu erzürnen. 
Ucbrigens ist unsere Wohnmig gar nicht mehr so weit 
entfernt, kauin hundert Schritte von hier. Also kom 
men Sic nur, Herr -von Mölsheim." Damit beutete 
sie die kleine Seitengasse hinauf, aus Ivelcher der rächende 
Vorinnnd gekommen war. 
In der angegebenen .Richtung stand ein kleines, 
zweistöckiges Hans, ungefähr siinsiindzivanzig Schritte 
abseits vom Fahrwege und innerhalb eines großen Gar 
tens, aus dessen Gewächshäusern augenscheinlich die 
Blumen herstainnlten, die im Gehölz von Boulogne 
und im Botanischen Garten zum Verkaufe kamen. Vor 
diesem Hause saß auf einer Bank eine alte Frau, die 
enir große graue Katze neben sich hatte. 
„Sie wissen also meinen Namen?" fragte Möls 
heim verwundert. 
--Wie sollte ich denn nicht misten?" entgegncte das 
Mädchen. „Sieht man doch Ihren Wagen oft genug 
rm Gehölz." Damit warf sie einen Blick hinüber nach 
m X a , ņ>o die prächtigen Füchse ungeduldig den 
Boden stampften und scharrten. 
à' auch noch," fuhr sie fort, „daß Sie 
ein Kavalier von großen Verdiensten sind und daß so> 
gar der Kaiser sich zuweilen bei Ihnen Rat holt. Aber 
min lasten Sre uns gehen, Herr von Mölsheim; die 
, Ģsutter und Lamla warten schon ans mich." Da 
mit eilte sie schnellen Schrittes dem Hause zu 
Bei dem ^Näherkommen der beiden erhob sich die alte 
Hans Unb Stn8 ' 6e '° !s,t 0011 àtze, langsam in's 
„Das ist unsere Großmutter," erklärte Louise, „die 
Mutter meines Vormundes; sie besorgt ihrem Sohne 
dre Hauswirtschaft und hilft ihm in ihrer freien Zeit 
auchbci der Rosenkultrir. Wir sind Deutsche," fuhr 
sie fort, „und als solche gewohnt hart zu arbeiten." 
Die Mästdentemvayl 
in den Bereinigten Staateil. 
Der 3. November ist der große Tag, 
dem die Vereinigten Staaten von Nord- 
amerika, ja die ganze übrige Welt mit 
außerordentlicher Spannung schon seit lange 
entgegensehen. Wie viel von dem Ergeb- 
nisse der an diesem Tage in den Vereinig 
ten Staaten stattfindenden Präsidentenwahl 
abhängt, geht wohl am besten daraus her 
vor, daß der hohe Bankdiskontosatz, der 
jetzt auf dem Handel und der Industrie 
der bedeutendsten Staaten auch der alten 
Welt lastet, sowie die vollständige Stagna 
tion an den Börsen Englands, Deutsch 
lands usw. hauptsächlich auf die durch die 
nordamerikanische Präsidentenwahl aufge 
worfenen Fragen zurückzuführen sind. 
Formell fällt die Entscheidung am 3. No 
vember noch nicht. Denn das Volk hat 
nicht den Bundespräsidenten, sondern nur 
die Wahlmänner zu wählen. In Wirk 
lichkeit aber entscheidet für gewöhnlich schon 
die Volksabstimmung, und nur wenn das 
Zünglein der Waage etwas schwankt, ist 
Dank der die Wahl regulirenden Bestim 
mungen der Bundesverfassung allerlei 
Machenschaften und Schiebungen Thür und 
Thor geöffnet. Und wo die Entscheidung 
sich um Milliarden dreht und zur Herbei 
führung einer günstigen Entscheidung auf 
beiden Seiten sehr viele Millionen geopfert 
werden, kann man sich denken, daß es an 
Machenschaften nicht fehlen wird, wenn das 
Ergebniß nicht für die eine oder sür die 
andere Seite schon am 3, November ein 
überwältigendes ist. In Amerika ist be 
kanntlich der Dollar „allmächtig", und nie 
mals so, als wenn es sich um Dollars 
handelt. Und das ist dieses Mal wie noch 
nie und nirgends zuvor der Fall, 
Der einst allmächtige immer mehr zu 
rückgegangene König Silber steht unmittel 
bar vor der Entscheidungsschlacht, die für seine 
Macht an den Wahltischen auf dem 
kolossalen Ländergebiete der Vereinigten 
Staaten von Nordamerika geschlagen werden 
soll. Und diese Schlacht scheint schon ent 
schieden zu sein, noch ehe sie geschlagen. 
König Silber wird die zurückersehnte Macht 
nicht wiedergewinnen, was ein wahres 
Glück wäre, da diese Herrlichkeit doch nicht 
von Dauer sein könnte und diese kurze 
Episode selbst durch den wirthschaftlichen 
Untergang von Millionen erkauft werden 
müßte. 
Das Blatt hat sich sehr zum Nachtheile 
des Silber-Kandidaten Bryan gewendet, 
der erst sehr viele Chancen hatte, weil die 
Scheingründe der über solche subtile Fragen 
des Finanzwesens ja zu urtheilen nicht 
'ähigen Menge imponirt hatten. Zur 
rechten Zeit aber besannen sich die einsich 
tigen »nv die dem ganzen Lande, ja der 
ganzen zivilisirten Welt von einer Unglück- 
lichen Präsidentenwahl drohenden Gefahr 
„Das letztere sieht nian Ihnen nicht an." sagte 
der Kapà, indem er einen lächelnden Blick ans ihre 
kleinen weißen Hände ivarf, die nachlässig mit der 
letzten übriggebliebenen Rosenkirospe spielten, da er ihr 
zuvorkommend den Korb abgenommen hatte. „Und wer 
ist Lamla?" 
„Lanila ist unsere Katze/' lautete die Antivort. 
Während des kurzen Ganges arbeiteten seine Ge 
danken unaufhörlich; er sagte sich, daß das Mädchen 
rhu an derGartenpforte jedenfalls verabschieden Ivürde, 
zugleich aber faßte er auch den Entschluß, unter allen 
Umstände» einen Blick in das Innere des Hauses zu 
werfen. I» dieser Absicht schritt er, als die Pforte 
erreicht !var, schnell durch dieselbe hindurch und aus 
das Haus zu. 
Das Mädchen eilte ihm nach und ergriff seinen 
Arm. „Wo ivolleil Sie hin, Herr von Molsheim?" 
fragte sie in ängstlicher Erregung. 
„Nur den Korb in's Haus setzen," erividerte er 
ihre Züge musternd, die ihm jetzt älter erschienen als 
zuvor, so daß er sie nuiimehr auf z>vei- oder dreiund- 
rwanzig Jahre schützte. „Auch ich bin eigentlich deut- 
jcher Abkunft, aber doch Franzose genug, um nicht zu 
gestatten, daß eine junge Dame in meiner Gegenwart 
ihren Korb selber trägt, und sei die Strecke auch noch 
so kurz. Allßerdem würde es mir eine Freude sei» 
wenn Sie mich Ihrer Großmutter vorstellen woll 
ten." 
„Das darf Nichtsein, Herr von Mölsheim! Ich 
muß Sw dringend bitten ..." 
Es war zu spät. Molsheim hatte bereits das HauS 
betreten, r-eii Korb niedergesetzt und einen schnellen 
und geübten Bl ck um sich geworfen. Eine Treppe führte 
zum oberen Stockwerk und, durch eine offene Thür 
überschaute er ein. Wohnzimmer, welches eine Einrich- 
tii!>g hatte, die Man in der Wohnung eines Blumen-- 
gartuers nicht vorausgesetzt hätre. 
„Sie haben hier einen ganz niedlichen kleinen Käfig." 
ag'.e^er, indem er ach lächelnd zu seiner Begleiterin 
zurückwendete, in deren Augen jetzt ein düsteres Feuer 
aufleuchtete. 
î'^'k/st unrecht von Ihnen, Herr von Mölsheim/ 
flüsterte sie mit zuckenden Sippen. „War eä auch la« 
valiermagig, meine Bitten so gar nicht zu berücksichti. 
gen? Lehen Sie nicht, wie ich zittere, vor Furcht, 
daß mein Vormund Sie hier überraschen könnte?" 
„Nun, nun, gegen den kann ich mich noch schützen, 
wenn eê sein muß," sagte er. w 
Ģiäì'î» ķt aber beschämte ihn ein wenig. „Auch 
mich ? flüsterte ste; „auch mich? August ist so jä£ 
zornig!" ' * r 
Sie hatte dies kaum über ihre Lippen gebracht, 
als der Gegenstand ihrer Furcht persönlich erschien. 
Die Gartenpforte flog krachend aus und die mächtige 
Gestalt des Mannes in der Blouse kam mit wuchtige» 
schritten auf dem Kiespfade des Gartens heran 
„Da ist ja noch einer von der Sorte!" ries er im 
breitestem Schweizer-Deutsch. „Wo zum Teufel kom mt 
denn der her?" Damit ging er drohend auf den Sa- 
Pltan loS. 
Louise aber sprang ihm entgegen, und eS entspann 
sich eine reise und eifrige Unterhaltung zwischen dem 
ehemaligen Professor der athletischen Künste' und sei 
nem Mündel. Trotz aller Anstrengung vermochte der 
Kapitän nichts davon zu verstehen, ausgenommen die 
Worte „VornehmerHerr" und „Einfluß"; wovon aber 
auch die Rede sein mochte, jedenfalls diente dieses kurze 
Zwiegespräch dazu, den Ahleien, der mindestens seine 
sechs Fuß maß und dabei eine ganz immense Schul- 
terbreite hatte, etwas sanftmütiger zu stimmen. Möls 
heim gewahrte sogar, daß derselbe daS junge Frauen 
zimmer mit so zärtlichen Blicken betrachtete, wie sie 
mit seiner Eigenschaft als Vormund kaum in Einklang 
zu bringen warm. 
Gleich darauf kam Louise mit dem athletischen Gärt- 
nersmanii heran. „Erlauben Sie mir, Herr von Mols- 
aelm," sagte sie, „Ihnen meinen Bormuiid,Herrn August
	        
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