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ŅierìŞhrlich 2 Ji.—, frei ins Haus «liefert
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für Auswärtige, durch die Post bezogen
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Ir,ci. Postprovision K. f jedoch ohne Bestellgeld.
ZnsertioiiSprcis: pro PetitzeUe 15 Ş-
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dieses Blattes vorbehalten.
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werden dem Blatt „Der Landwirth" sowie das
Blatt „Mode und Heim" gratis beigegebm.
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No. 252.
Mittwoch, öen 28. Hctober
1896.
Rsndsbnrger
Wochenblatt.
Gelesenstes u. verbreitetstes
Blatt im Kreise Rendsburg und
dessen Umgebung.
Für die Monate November und
December eröffnen wir ein besonderes
Abonnement aus das täglich erscheinende
„Reudsburger Wochenblatt" zum Preise
von 1.50 Mark für Rendsburg und 1.80
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Das „Reudsburger Wochenblatt"
wird nachweislich lt. amtlicher Postliste in
119 Postorteii, im Kreise Rendsburg in
den zu diesen Postorten gehörenden
Dörfern und Ortschaften, gelesen.
Das „Reudsburger Wochenblatt", in
allen Kreisen der städtischen und
ländlichen Bevölkerung seit8« Jahren
austs Beste eingeführt, ist das ivirk-
samste Organ für alle Insertionen.
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Morgen-Berichte.
Berlin, 27. Okt. Der „Reichsanzeiger
schreibt: „Bei der öffentlichen Besprechung
der jüngsten „Enthüllungen" der „Hamb.
Rachr." über die deutsch-russischen Be
ziehungen bis 1890 trat vielfach der
Wunsch hervor, die Regierung möge auch
ihrerseits das Wort zur Sache ergreifen.
Der „Reichsanzeiger" ist zu der Er-
klärung ermächtigt, daß dies nicht geschehen
wird. Diplomatische Vorgänge der von
den „Hamburger Nachrichten" erwähnten
Art gehören ihrer Natur nach zu den
strengsten Staatsgeheimnissen, sie gewissen-
hast zu wahren, beruht aus einer inter-
nationalen Pflicht, deren Verletzung eine
Schädigung wichtiger Staarsinteresten be-
dingen würde.
Die kaiserliche Regierung muß daher
auf jede Klarstellung verzichten und sie
wird jenen Auslassungen gegenüber weder
Miches berichtigen noch unvollständiges
ergänzen in der Ueberzeugung, daß die
Zuversicht in die Aufrichtigkeit und die
Vertragstreue der deutschen Politik bei
anderen Mächten zu fest begründet ist, als
daß sie durch derartige „Enthüllungen"
erschüttert werden könnte."
Köln, 27. Oktober. Die „Köln. Ztg."
schreibt in Bezug auf die Behauptungen
der „Hamb. Nachr.", man vermöge nicht
zu erkennen, welchen vernünftigen Zwecken
die nachträglich gehässigen Angriffe gegen
den Grafen Caprivi dienen sollen. Jeder
ruhig denkende Mensch habe nur eine
Empfindung, die der Anerkennung dafür,
daß Graf Caprivi in strenger Beachtung
der bewährten und wohlbegründeten Ueber
lieferung der preußischen Beamten und
Offiziere es verschmähe, auf derartig ein
seitige Enthüllungen, wie Bismarck während
seiner Amtsthätigkeit es ähnlich geahndet
haben würde, wie den Arnimffchen Ber
trauensbruch, auch nur ein Wort zu er
widern. Bei dieser vornehmen Zurück,
Haltung des ritterlichen Generals sei es
ausgeschlossen, daß einseitig und tendenziös
gefärbte Darstellungen über Vorgänge, die
abgeschlossen hinter uns liegen, zur Auf
klärung der Wahrheit führen; desgleichen
erscheint cs ausgeschlossen, daß die Preß
treibereien die gegenwärtige Regierung
veranlassen können, die geheime Geschichte
früherer Jahre aufzudecken.
London, 27. Okt. Die Londoner
Blätter besprechen die Enthüllungen der
„Hamburger Nachrichten" und stellen die
deutsche Politik, insbesondere diejenige
Bismarcks, als wortbrüchig hin. Die
Blätter erhoffen, daß die Berliner offi
zwse Presse recht bald de» Bismarck'schen
Schreibereien entgegentreten wird.
Daily Mail erhebt gegen Deutschland die
unglaublichsten Angriffe und sagt von einer
Annäherung Englands an Deutschland
könne keine Rede sein.
Paris, 28. Okt. Die Pariser Blätter
reproduzieren die Angriffe der englischen
Blätter gegen Deutschland und betonen,
England sei deshalb so erbittert, weil
Deutschland der russisch-sranzösischen Allianz
näher komme. Die Politik Bismarcks sei
die gewesen, Oesterreich über Bord zu
werfen und mit Rußland vereint gegen
England zu ziehen.
München, 27. Oct. Heute Nacht wurden
in einer hiesigen Straße mehrere Gen-
darmen von einer Schaar halbwüchsiger
Burschen angegriffen. Einer der Gen-
darmen wurde durch Messerstiche schwer
verletzt. Als die Burschen sich anschickten
die Gendarmen mit Steinen zu bewerfen,
gab ein Gendarm einen Revolverschuß
ab, wodurch ein Bursche tödtlich getroffen
wurde.
Berlin, 27. Oct. Der Rektor der Ber
liner Universität Prof. Dr. Brunner hat
einen im sozialwisienschaftlichen Studenten
verein zu Berlin in Aussicht genommenen
Bortrag des Fräulein Helene Lange über
„intellektuelle Grenzlinien zwischen Mann
und Frau" verboten. Diese Verwaltungs
maßregel des Rektors Dr. Brunner erregt
in studentischen Kreisen großes Aufsehen.
Berlin, 27. Oct. Gegen den Bankier
Gustav Mosler aus Berlin wurde heute
wegen fahrlässiger Tödtung verhandelt.
Mosler hatte am 8. Februar d. I. das
Unglück, aus der Jagd den Förster Con
rad todtzuschießen. Das Gericht erkannte
auf Freisprechung, da es zur Ueberzeugung
kam, eine strafbare Fahrlässigkeit liege
nicht vor.
Berlin, 28. Okt. Einer Blättermeldung
zufolge soll am 8. und 9. November in
Dresden eine große Delegirten-Bersamm-
lung der konservativen Partei stattfinden,
an welcher Vertreter aus ganz Deutschland
theilnehmen werden.
Berlin, 27. Okt. In einem Groß
geschäft wurde gestern der erste Buchhalter
und Prokurist S. verhaftet. Wie ver
lautet, hat er noch eine Strafe von einem
halben Jahr Gefängniß zu verbüßen,
wozu er vor etwa 4 Jahren wegen Unter
schlagung verurtheilt worden war.
Posen, 27. Okt. In Tirschtiegel sind
gestern 18 mit Getreide gefüllte Scheunen
abgebrannt. Man vermuthet Brand
stiftung.
Chicago, 27. Okt. Das große Getreide-
lagerhaus der Pacific-Company ist mit
1 100 000 Scheffel Getreide niedergebrannt.
Der Schaden wird auf 1 500 000 Dollar-
geschätzt.
eter Miller von ZKolsHeim.
Roman von Graf Eugen Haufsonville. 9
«K cttşş"kaum eine Minute in dem Becher
á ft' âen «m? âu seinem Gaste wendete.
"Herr von Mol-he.m," sagte er, „Sie waren so gütig
Evesen, mir heute nacht Ihre» Namen ,u nennen
»d N„ àļ.»»j, ; ss
ìabti™ U!!b m,r şķ' um sich zu mir bemüht
»Gewiß. Mein Kommen hat zwei Ursachen Die
^şie ist der Wunsch, zu erfahren, wie Sie sich nach
em Herumbalgen mit dem Raubgesindel von beute
"acht befinden."
, '.O, ich danke Ihnen. Ich suhle mich noch ein we.
■3 steif im Rücken und auch das Handgelenk schmerzt
„."noch, sonst aber hat es nichts ans sich. Und der
Grund?"
.. »Ist dieser!« Mit diesen Worten überreichte Mols-
jgļļfcm Polen das Päkchen Briefe mit der Geheim.
.„».Ļublinsky war im Begriff, einen Freudenschrei aus.
* ' Ģş' àm er bezwang sich.
«Ah!" rief er, „Sie also haben sie gefunden!«
Als ich gestern abend von Ihnen ging, fand
Päkchen auf der Straße. Ich hätte sie Ihnen
rF"ch zurückgegeben, aber Ihre Hausthür war be
tn f Erschlossen. So kam ich denn heute morgen, um
ikhen, ob die Papiere etwa Ihnen gehörten."
Ek^"-?''^Pv^erc find mein und ich bin Ihnen zügröß-
5 Zanke verpflichtet," antworte!- Lublinsky. »Es
dva ??efc von meiner Schwester, die mir sehr wcrt-
® u Franzosen bewahren nur die Briefe ihrer
drehten auf, Wir Polen aber thun dies auch mit
"kn^von unseren Schwestern."
»Ihre Schivester ist also nicht hier?«
tzk''Ņeln, aber sic war hier, als sie diese Brieşe schrieb,
in 5°nwartig ist sie. . verreist. . aber ich erwarte sie
tzj. Ģ? «ner Woche. . es können auch zwei werden.
'"Uffen mich entschuldigen, wenn ich ntich mit mn-
Auslarrd.
Außereuropäische Gebiete.
Chile. Die deutschen Offiziere,
welche im vorigen Jahre in chilenische
Dienste getreten sind, scheinen sich in
ihren Stellungen durchaus nicht wohl zu
ühlen. Wie das „B. T." einem Privat
briefe aus Valparaiso, datirt vom
21. September d. I., entnimmt, haben sie
äm mtlich ihre auf zwei Jahre laufenden
o n t r a k t e mit der chilenischen Regierung
gekündigt.
ner Mahlzeit beeile. Ich muß aber sogleich ivieder
fortgehen."
Damit stellte er das Geschirr auf dem Tisch zurecht
und machte sich mit Hast über sein Frühstück her, ob
gleich er es vorher, als er die Brief,: noch nicht ivieder
hatte, keinesivegs so eilig gehabt zu haben schien.
Als Molsheim dies beiiîerkte, hielt er es sür gut,
ihn ruhig gewähren zu lassen und nur sein Thun zu
beobachten. Er erhob sich daher und sagte: „Da ich
nunmehr meine Mission hier bei Ihnen erfüllt habe,
will auch ich nun gehen und mich nieiuen eigene» An
gelegenheiten widmen. Adieu."
„Adieu, lieber Freund !" rief der Pole herzlich.
„Nochnials meinen Dank. Ich habe nun wenigstens
ivieder einmal mit einem menschlichem Wesen plau
dern können, ein Luxus, der mir seit meiner Abreise
von Berlin versagt geivcsen ist."
„Sie müssen übrigens früher schon einmal in Paris
gewesen sein, da Sie unser Französisch so gut sprechen."
.... »Das kommt daher, weil meine Mutter eine Fran
zösin gewesen ist; mein Vater war ein Deutsch-Pole.
Aus meinen, Namen. Hermann Nimes, geht allerdings
weder das eine noch das andere hervor."
Sehr richtig, indessen könnte man aber doch er-
warten, daß Sie Bekannte oder Verwandte von müt-
terl'îr Seite in Paris hätten."
'st nicht der Fall. Ich bin weder schon cin-
mal hier gewesen, noch habe ich hier Freunde oder Be-
rannte, bin ganz urplötzlich von Berlin hierher
gekommen, Werl ich, im Vertrauen gesagt, eine chemische
Entdeckung zu machen im Begriffe bin. Dan,it wird
Geld zuverdienen sein. sageichIhnen. Bor einigen Ta-
gen nun merkte ich in Berlin, daß ein Freund von mir,
auch em Che,nà mir dieses Verfahren abzulauschen
suchte. W,e die Verhältnisse lagen, wäre ihm das auch
gelungen, wenn ich nicht nach Paris geflohen wäre "
Mitdiesen WorienschloßcrhinterMolsheimdie Thür zu
Während der Kapitän die Treppe hinunterging,
mußte er sich gestehen, daß sein Besuch in der Wohnung
des Polen ihm keine Aufschlüsse gebracht hatte, es seien
denn die, daß Nimes-Lublinsky sehr froh gewesen war,
New-Aork, 25. Oct. Der „Nciv-Pork
Herald" gab heute sein übliches, gewöhn
lich zuverlässiges Wahlprognostikon,
basirt auf unparteiischen Berichten aus
allen Staaten. Danach erscheint Mc.
Kinley's Wahl mit großer Mehrheit ab
solut sicher. Kentucky scheint für Gutgeld
gewonnen.
Der Hungerkünstler Dr. Tauner,
wohl einer der ersten und berühmtesten
gewerbsmäßigen „Hungerkünstler" dessen
Name schon vor ein paar Jahrzehnten in
Amerika und Europa viel genannt wurde,
und der loiederholt selbst die Aerztewelt
in Erstaunen setzende Proben von „Hunger
kunst" gegeben, fand, wie ein Telegramm
des New-Iork-Herald meldet, einen jähen
Tod bei dem Brande einer Ziegelei in
Cleveland (im Staate Ohio). — Dr.
Tanner versuchte sich übrigens in ver
schiedenen Berufszweigen. Lange handelte
er mit Patent-Medicinen, Geheimmitteln
rc. Dann, nach Scheidung von seiner
Frau, ging er im Jahre 1885 nach New-
Mexiko und errichtete dort ein — Findel
haus! Da dieses sich nicht rcntirte, warf
er sich naturgemäß wieder auf's Hungern.
1891 forderte er den auch in Berlin
wohlbekannten Succi zu einem Hunger-
Wettkampf heraus, doch letzterer reagirte
nicht darauf.
Frankreich.
Paris, 27. Okt. Die Erbitterung der
in ihren Lokal-Interessen geschädigten Be
völkerung von Carmaux führte dort bereits
zu stärksten Demonstrationen gegen die
Schöpfer der Fabrik in Aldi. Jaars
wurden Bratäpfel an den Kopf geworfen,
während er mit Stentorstimme die Car
magnole anstimmte. Nachdem Revolver
und Messerkämpfe während des Meetings
schon mehrere Opfer gefordert — drei
Personen ivurden schwer verwundet — er
wiesen sich vie Gendarmerie und der Kvm
miffar, welche die Versammlung ausgelöst
hatten, als wahre Vorsehung. Jaurès und
Genossen beglückwünschten sich vertraulich
wegen dieser Wendung, protestirten aber
öffentlich laut.
England.
Vorgestern Mittag gab es in London
einen mit Gewitter verbundenen
Hagelsturnn Die Körner waren ziem
lich .groß. Seit neun Wochen hat es
jetzt fast. täglich geregnet. Dem Hagel
wetter ging ein starker Sturm voraus,
der besonders in der Grafschaft Kent vielen
Schaden angerichtet hat. Im Aermelkanal
sarasas!
In
ivar das Gewitter furchtbar. Die Post
dampfer verspäteten sich sämmtlich
Dover wurden mehrere Krahne umgeweht.
Belgien.
In Brüssel erregte gestern in der Rue
de la Loi die Festnahme eines deut-
scheu Barons, der in der Brüsseler
Lebewelt sich eines großen Ansehens er
freute, großes Aufsehen. Er hatte ein
Prächtiges Haus inne, trat sehr fein aus
und ist mit einem belgischen General ver
wandt. Auf Ansuchen der Staatsanwalt»
schaff in Mainz, wo der Baron um
fangreiche Schwindeleien verübt hat, er
folgte seine Festnahme behufs Auslieferung
an Deutschland.
Dänemark.
Kopenhagen, 27. Okt. Der Kassirer
des hiesigen Anarchistenclubs, der
Berg older Peter Jensen, wurde hier am
Sonnabend in Orstedt Park verhaftet in
dem Augenblick, als er von einem Knaben
20 Kronen entgegennahm, die auf gefälschte
Sparmarken in der Danske Sparmarker
Kasse erhoben waren. Die Kasse ist in
letzter Zeit wiederholt ähnlichen Fälschungen
mit bedeutenden Beträgen zum Opfer ge
fallen. Der Verhaftete gestand, Spar
marken im Betrage von 5000 Kronen ge
fälscht zu haben, angeblich um dem
anarchistischen Club Agitationsmittel zu
verschaffen.
Inland.
- Dem „Dresd. Journal" zufolge hat
der König von Sachsen zum Schiedsge
richt für die Entscheidung der
Lippeschen Thronfolgefrage den
Präsidenten des Reichsgerichts v. Oehl-
schläger, die Senatspräsidenteu Dr. Bing»
ner, Dr. Petersen, sowie die Reichsgerichts-
räthe Dr. Bötge, Müller und Ege be-
rufen.
Berlin, 27. Okt. Nach der heutigen
Audienz des Gouverneurs v. W i ß m a n n
bei dem Reichskanzler ist die Frage
entschieden, daß Herr v. Wißmann nicht
ni ehr nach Afrika zurückgeht,
nachdem er die Gründe für seinen Wunsch,
hier zu bleiben, entwickelt hat. Es wird
demnach die Amtsentlaffung desselben er-
folgen müssen. Als ebenso sicher ist die
Thatsache zu betrachten, daß die Spitze in
Deutsch-Ostafrika eine Zivil -Berwal-
t u n g , nicht wie bisher eine Militär-Ber-
waltung bilden wird. Die Personalsrage
kehl erst in zweiter Linie.
seine Briefe wieder zu bekommen, und daß er bis jetzt
drei iveiße Rosciiknospen erhalten batte.
Unten im Hausflur traf er Tarbes, der ihm be
richtete, daß Duval, der deui Polen vorhin ans dessen
Spaziergang gefolgt war, ihm drüben in der Wein
stube seine Mitteilungen machen iverde. Molsheim be
gab sich in das bezeichnete Lokal.
Der Bericht des alten Duval war kurz und präcis.
Er war dem Verdächtigen bis zuin Boulevard gefolgt,
ivobci ihm nur aufgefallen war, daß derselbe viel schnel
ler als gewöhnlich ging, also offenbar in Eile zu sein
schien. Der Pole ivar in den Boulevard Montmartre
eingebogen und sodann direkt auf den, dem Theater
gegenüber belcgerien Kiosk zugegangen, wo er wieder
eine Roseiikuospe gekauft hatte. Zucsteich mit dem Gelde
dafür hatte er einen Brief auf den Zahltisch gelegt,
den die Verkäuferin sodann auf einem hinter ihr be
findlichen Brett versteckte.
„Hat sie den Brief nicht aufgemacht?"
»Nein, Herr Kapitän."
„Schön. Ich werde den Brief zn erlangen suchen.
Sw bleiben hier itnb folgen dem Polen, wenn . .
Er konnte feinen Satz nicht vollenden, denn Duval
hatte sich, ohne ein Wort zn sagen, erhoben und war
hinausgegangen. Schon wollte Molsheim darüber zor
nig werden, da aber wurde er plötzlich aufmerksam, denn
Nimes eilte, so schnell er laufen konnte, die Straße
hinunter, in einiger Entfernung gefolgt von dem alten
Duval. Als der Pole über den Straßendamm bog,
wartete Molsheims eine neue Ikeberraschuiig. Der ver
dächtige Chemiker hatte seine bisherige Gewohnheit auf
gegeben und trug jetzt statt einer iveißen eine rote Ro-
sei'.knospe im Knopfloch.
Als ihm die beiden aus den Augen waren, machte
Molsheim sich auf den Heimweg nach seiner Wohnung,
wo er um diese Zeit den Geheimagenten Lyon erlvar-
ten konnte, der den Blumenkiosk beobachtet hatte. Der
alte Tarbes blieb in der Akazieiistraße zurück, um hier
das Haus Nummer 55 im Auge zu behalten.
Zu Hause angelangt, fand Molsheim ein Schreiben
von Lhon vor, worin der Beamte das folgende meldete:
Hermann Nimes hatte um 10 Uhr 25 Minuten einen
Brief in dem Kiosk abgegeben und war dann ivieder
nach Hanse geeilt, ohne seinen gewöhnlichen Spazier
gang zu machen. Der Brief befand sich in einein gel
ben umschlage. Lyon hatte dies genau sehen können,
als die Verkänferin denselben hinter sich auf ein
Brett legte. Er hatte versuche» wollen, sich des Briefes
zu bemächtigen; als aber nach einiger Zeit die Gele-
genheit hierzu sich darbot, war der Brief verschwunden
gewesen, obgleich inzivischen niemand Blumen gekauft
hatte und nur der Eigentümer und die etwa sechzehn
jährige Verkäuferin in dem Kiosk gewesen waren.
Der Name des Eigentümers war August Laube:
er hatte das Geschäft vor ungefähr vier Wochen käuf.
lich erworben; zu demselben gehörten auch einige Gär»
ten und Gewächshäuser in Passy, wo die meisten der
Blumen, die in dem Kiosk zum Verkauf kanien, ge
züchtet wurden. So oft der Pole feine Rosenknospen
daselbst gekauft hatte, war auch der Eigentümer zuge
gen gewesen.
Heute früh aber war NimeS eine halbe Stand-
zeitiger als sonst gekommen und so geschah es, daß Laube
noch nicht anwesend war, als derselbe seine Roscnknospe
erstand. Diesmal war es eine rote geivesen. Als er die-
selbe empfing, bemächtigte sich seinereine sichtliche Auf.
regung und in aller Hast trat er wieder den Rück-
weg an.
„Hier haben wir die Erklärung dafür, daß er mich
beinahe in seiner Wohnung überrascht," murmelte Mols-
heim.
In diesem Augenblick ließ sich der junge Pall an
melden. „Sie sind erstaunt, mich hier zu sehen, Herr
Kapitän," sagte derselbe. „Sie meinten gewiß, daß auch
rch nicht mehr und nicht weniger thun würde, als Sie
mir befohlen haben. Darin aber kennen Sie mich noch
nicht. Im Gegensatz zu jenen alten maschinenmäßigen
Beamten haben Sie mich mit Ihrem Vertrauen be
ehrt, Herr von Mölsheim. Demzufolge fühle ich mich
auch veranlaßt, mehr zu thun, als die Instruktion mir
aufgikbt. 4L,16*