Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

Handels in Getreide und Mühlen 
fabrilaten in Kraft mit der Maßgabe, 
daß die bis zu diesem Tage abgeschlossenen 
Geschäfte auch an diesem Tage abgewickelt 
sein müssen. Die „Freie Vereinigung an 
der Berliner Produktenbörse" hat deshalb 
unter Beiziehung von Juristen einen neuen 
Schlußschein für Termingeschäfte in Ge- 
treibe festgestellt, der den Anforderungen 
des neuen Börsengesetzes Rechnung trägt. 
Gleichzeitig hat sich eine ziemlich kräftige 
Hochbewegung der Getreidepreise eingestellt, 
die zwar in den letzten beiden Tagen einen 
Rückschlag erfuhr, deren weitere Entwick 
lung man also abwarten muß, deren 
Effekt aber doch eine namhafte Erholung 
der Preise ist. Diese beiden Umstände 
werden in der Presse lebhaft erörtert, 
wobei es nicht fehlt, daß die Interessenten die 
Steigerung der Getreidepreise mit dem 
Verbot des Terminhandels in Zusammen 
hang bringen. Bestünde ein solcher Zu 
sammenhang, so müßte der Impuls der 
Preissteigerung nothwendig von Deutsch 
land ausgegangen sein, was aber nach 
weislich nicht der Fall ist, denn an den 
anderen Börsen besteht der Zeithandel noch. 
Der Mangel des Termingeschäftes hat sich 
im Gegentheil bei uns insofern lähmend 
geltend gemacht, als die Berliner Notiz 
in den letzten Tagen merklich unter der 
Auslandsnotiz stand; die Preise in 
Deutschland konnten also der 
Entwicklung an den ausländischen 
Börsen nicht Folge leisten. Wäre 
das Verbot des Terminhandels Ursache 
der Preissteigerung, so müßte auch Roggen 
mehr gestiegen sein als Weizen, weil 
Roggen viel mehr vom deutschen Markt 
abhängig ist. Das gerade Gegentheil 
aber ist der Fall. Auch die Stetigkeit 
der Preisentwicklung ist nicht vorhanden, 
die man erwartete. Ueberhaupt wirft die 
gegenwärtigePreisentwicklung alle Theorien 
und alle unter so schweren Mühen aus 
geklügelten und propagirten Lehrmeinungen 
dieser Richtung wieder einmal unbarmher 
zig über den Haufens Die Preise steigen 
trotz des Silberslandes, sie steigen 
auch just nach der Ernte, wo nach der 
Ansicht der Interessenten doch ihr Tief 
stand eintreten müßte, weil der Handel 
in dieser Zeit den Bauern die Frucht an 
geblich billigst abnehmen will. Es zeigt 
stch eben wieder mit aller Deutlichkeit, daß 
Getreide ein Weltmarktartikel und 
als solcher abhängig von der statistischen 
sag: ist. Angebot und Nachfrage machen 
den Preis. Der Ausfall der Ernten und 
die Menge der vorhandenen Vorräthe sind 
entscheidend, alle Künstelei kann dagegen 
nicht aufkommen, sie kann nur den natür 
lichen Gang der Dinge erschweren. 
— Wie mehrere Blätter melden, besteht 
die Absicht, einen provisorischen 
Börsen.Ausschuß zu bilden, dem alle 
Angelegenheiten, die nach dem neuen 
Börsengesetz der Beschlußfassung des Bundes 
rathes überwiesen sind, zur Begutachtung 
vorgelegt werden sollen. Man dürfe er- 
warten, daß die Börsenorgane schon in 
diesen Tagen aufgefordert werden, für den 
provisorischen Ausschuß Mitglieder vorzu 
schlagen. Dasselbe gilt für die Landwirth- 
schaftskammern und für die Verbände 
der Industriellen. 
— In der gestrigen Sitzung der Bran- 
denburgischen Provinzialsynode 
lag eine Reihe von Anträgen zur Be 
schlußfassung vor, welche sich mit der Stel 
lungnahme der Kirche zum Duell 
befaßten. Die Antragsteller sprachen durch 
weg das schmerzliche Bedauern aus „über 
die noch immer fortdauernde, der göttlichen 
und menschlichen Ordnung ividersprechende, 
dem gesunden Rechtsgefühl des Volkes und 
dem christlichen Gewissen schweres Aerger 
niß bereitende Unsitte des Duells" und 
beantragten, daß die Provinzialsynode da 
hin wirken wolle, daß dem Duellunwesen 
Einhalt gethan, resp. ven Geistlichen An- 
Weisung gegeben werde, ivie sie sich beim 
Begräbniß im Duell Gefallener zu ver 
halten haben. Der Synodale A ii d r a e - 
Landsberg verweist darauf, daß die 
in neuester Zeit stattgefundenen Duelle 
große Aufregung in der Bevölkerung her 
vorgerufen hätten, weil in weiten Kreisen 
das Gefühl dafür vollständig geschwunden 
sei, daß das Duell Sünde sei. Das fünfte 
Gebot laute: „Du sollst nicht tobten"; 
danach gebe es keine Ausnahme, auch nicht 
durch falschen Ehrbegriff. Ein großer 
könnten weit wirksamer werden, als die 
Verweigerung einer kirchlichen Betheiligung 
an dem Begräbnisie. Der Kirche stehen 
noch andere Mittel zu Gebote, die Mittel 
der Predigt, des Altargebets und der Seel 
sorge sind auch geeignete Zuchtmittel, und 
von diesen Mitteln habe die Kirche bisher 
nicht genügend Gebrauch gemacht. Er 
bitte die Synode, sich auf folgenden An 
trag zu vereinigen: Provinzialsynode wolle 
erklären: 1. Das Duell ist Sünde. 2. 
Die Kirche hat die Aufgabe, mit allen 
Mitteln der Predigt, des Altargebets, der 
Seelsorge und gegebenen Falles auch der 
Kirchenzucht das Gewissen ihrer Glieder 
zu schärfen und immer weitere Kreise mit 
dem Bewußtsein zu durchdringen, daß das 
Duell gegen Gottes Gebot verstößt und 
daher verwerflich ist. Die Resolution wurde 
angenommen. 
— Ein württembergisches Blatt stellt 
tiefsinnige Betrachtungen über den sozial 
demokratischen Parteitag an 
und wirst dann folgende Frage auf: „Wenn 
man die Berichte über den letzten sozial 
demokratischen Parteitag aufmerksam von 
A. bis Z. durchgelesen hat, so schlägt man 
sich mit der Hand vor dem Kopf und fragt 
sich: Wie ist es möglich, daß diese Gesell 
schaff einen so großen Theil unserer deut 
sehen Volkes zu sasziniren und in ihren 
Bann zu schlagen vermag? Die Frage 
bleibt ungelöst." Bleibt sie wirklich un 
gelöst? Wir meinen, für jeden Berstän 
digen i st sie bereits gelöst. Ohne die 
freundliche Mitwirkung gewisser Kreise 
unter der Aera Bismarcks die Gewalt 
und Ausnahmepolitik in Anwendung zu 
bringen, ohne die Ausnahmepolitik bei ge 
wissen Gesetzen (Duell), bei denen man sich 
schlank über das Strafgesetzbuch hinweg- 
setzt, ohne die Ungerechtigkeit, gewisse Kreise 
zu bevorzugen auf Kosten der anderen, 
würde die Sozialdemokratie niemals 
einen so großen Theil des Volkes „fasci 
nirt" haben. 
— In Deutschland werden zu wenig 
Bücher gekauft, das ist die alte Klage 
sämmtlicher Verleger und Sortimenter. 
Man muß daher auf alle möglichen Mittel 
sinnen, den Käufer heranzuziehen und zu 
interessiren. Prämienbilder und Preis- 
räthsel sind abgethan, waren auch meist 
nur für Lieserungswerke und Zeitschriften 
anwendbar. Neuerlich ist nun eine Ver- 
lagshandlung in Hamburg auf eine sehr 
lukrative Idee verfallen. In einer 
Annonce sucht die Firma sprachgewandte 
Herren und Damen, die Proben von 
Uebersetzungen aus einem bestimmten, in 
der Anzeige genannten, von der Firma 
verlegten Werk in sämmtlichen lebenden 
Sprachen einreichen sollen. Der Preis 
des Buches ist fett gedruckt mit 2 Mk., auf 
Karton mit 3 Mk., angegeben. Welcher 
Uebersetzer oder welche Uebersetzerin kratzt 
nun nicht seine letzten zwei Mk. zusammen, 
um eventuell einen Auftrag, der mehrere 
Hundert einbringt, zu erhalten? Die 
Idee der Verlagshandlung ist trefflich, 
Tausende von armen Schriftstellern werden 
sich ein Exemplar des Werkes kaufen und 
nur zwanzig etwa erhalten einen Auftrag. 
Ein wahrhaft erleuchteter Kopf, der Herr 
Verleger. Hoffentlich ist er auch in der 
Lage, alle Uebersetzungen gewissenhaft zu 
prüfen. 8 
5417 Pfund Chokolade ist ein 
achtbarer Gewinn ohne Risiko. Ihn hat 
eine Modistin in Berlin, Frl. Heese, ge 
macht. Die Chokoladenfabrik von Andree 
Mauxion hatte einen Obelisken von Choko 
lade in Treptow ausgestellt, und der beste 
Schätzer seines Gewichts sollte ihn gewin 
nen. Frl. Heese hat dasselbe bis auf ein 
Pfund genau errathen. Zwischen drei 
Konkurrenten mußte das Loos entscheiden. 
350 000 Lösungen, zum Theil in Versen 
und in Zeichnungen, waren eingegangen. 
. - . . _ was der Hausdiener mit dem Bemerken, 
Krebsschaden sei es, daß die Duellanten das Geld gehöre seinem Chef, sehr euer 
wissen, daß sie die ihnen zudiktirte Strafe 
doch nicht abzubüßen brauchen, sondern 
ihnen sehr bald der größte Theil derselben 
erlassen wird. Die Vertreter der kirch 
gegen die göttlichen Gebote verstoße. Dem 
Antrage mehrerer Kreissynoden, den im 
Duell Gefallenen das kirchliche Begräbniß 
unter Mitwirkung der Geistlichen zu ver 
sagen, könne er sich jedoch nicht anschließen. 
Die einzelnen Fälle liegen unendlich ver 
schieden, so daß man sie nie verallgemeinern 
könne. Ein ganz geringer Prozentsatz der 
im Duell Fallenden sterbe sofort auf den, 
Kampsplatze, viele leben noch Stunden und 
Tage laug, und es sei ihnen noch Zeit 
zur Reue gegeben. Worte des Predigers 
am Grabe eines im Duell Gefallenen 
,,, Drei junge, kaum dem Knabenalter ent 
wachsene Burschen überfielen im Gemeinde- 
wäldchen von Zehlendorf bei Berlin den 
bei dem Kaufmann Mogwitz angestellten 
Hausdiener Emil Lange. Der ahnungs 
los seines Weges Gehende wurde von den 
drei mit Stöcken versehenen Burschen erst 
um etwas Brod, dann um Geld ange 
brochen. Als Lange sich anschickte, dem 
einen ein Zehn-Psennigstück zu schenken, 
und dabei in die Tasche langte und einiges 
Geld hervorholte, forderten die Burschen 
daß er ihnen die ganze Summe überlasse 
gisch ablehnte. Mit dem Ruf: „Was geht 
uns Dein Chef an!" stürzten sich die 
Burschen auf den Wehrlosen und warsen 
ihn zu Boden. Nur seiner Kraft hatte 
lichen Interessen haben die dringende es Lange zu verdanken, daß er sich wieder 
Pflicht, zu erklären, daß das Duellunwesen frei machen konnte. Blitzschnell sprang er 
auf, entwand sich seinen Angreifern und 
rannte durch die Haide nach der Alsen- 
'traße. Wohl eine Viertelstunde lang ver 
folgten ihn die drei Burschen, bis er in 
ein Restaurant an der Krummen Lanke 
flüchtete. Von den Räubern fehlt jede 
Spur. 
Aachen, 23. Okt. Vor mehreren Wochen 
wurde in der „Fraukf. Ztg." mitgetheilt, 
daß bei Zülpen der Jagdaufseher v an Lo o 
im Walde erschossen aufgefunden wor 
den sei. Man schrieb den Mord Wild 
dieben zu. Jetzt hat sich herausgestellt, 
daß der Mord von einem Jagd Hüter 
des Grafen v. A. verübt worden ist. Eine 
am Tage der That im Walde bei Zülpen 
mit Kräutersammeln beschäftigte Frau hat 
nämlich gestanden, daß sie gesehen hatte, 
wie nach einem auf van Loo abgegebenen 
Schuffe der Jagdhüter des Grafen v. A. 
auf den sterbend am Boden liegenden 
van Loo losstürzte und ihn mit einem 
Stock schlug, bis er todt war. Die Frau 
ist durch ihren Beichtvater veranlaßt 
worden, ihre Wahrnehmungen vor Gericht 
mitzutheilen, worauf dann der Mörder 
festgenommen wurde. 
Aus MySlowitz, 24. October, kommt 
folgende höchst merkwürdige Meldung: 
Russische Grenzbeamte konfiszirten eine 
Menge sogenannter Gigerlstöcke, die im 
Innern anarchistische Prokla 
m a t i o n e n enthielten. 
Mannheim, 23. Okt. (M o d e r n e F o l t e r.) 
Vor der hiesigen Strafkammer wurde heute 
gegen den Agenten Ludwig Klar von 
hier und die Prostituirte Marie Magdalene 
gen. Johanna Kohlstetter aus Gaggenau 
wegen schamloser Erpressungen, begangen 
an dem Lehramtspractikanten Dr/ Max 
Bodenheimer, verhandelt. Boden- 
heimer hatte die Kohlstetter im Mai d. I. 
auf der Straße kennen gelernt. Nach 
einigen Zusammenkünften nutzte die Dirne 
die Gutmüthigkeit des völlig unerfahrenen 
und geradezu naiven jungen Mannes 
bereits zu erfolgreichen Pumpversuchen 
aus. Ihr Logiswirth, Klar, ein durch 
und durch gerissener Patron, der schon 
eine Reihe von Jahren im Zuchthaus 
zugebracht hat, gab sich Anfangs als Bote 
für die Korrespondenz der Kohlstetter mit 
Bodenheimer, trat aber bald als selbst 
ständiger Acteur auf. Die Kohlstetter 
theilte Bodenheimer eines Tages mit, Klar 
habe einen Artikel, überschrieben: „Ein 
Sittenbild aus dem Mannheimer 
Lehrerkollegium", bereit liegen, den 
er in der „Bolksstimme", einem social 
demokratischen Blatte, veröffentlichen wolle 
und der ihre beiderseitigen Beziehungen 
blosstelle. Für die Zurücknahme des 
Artikels zahlte Bodenheimer dem Klar 
zuerst 92 Mark und dann, als dieser 
wiederholt mit der Veröffentlichung drohte, 
1000 Mark, schließlich erlangte der Er- 
presser durch die Drohung, es werde nun 
doch Alles an den Tag kommen, noch ein 
„Darlehen" von 1500 Mark. Die Kohl- 
stetter verlegte sich mehr auf Betrug. Sie 
schwindelte Bodenheimer vor, sie sei in 
einen Kuppeleiproceß verwickelt, der gegen 
den Wirth des Lokales schwebe, in dem 
sie öfters Zusammenkünfte veranstaltet 
hätten; dieserhalb werde sie vernommen 
und müsse ihn auch hineinziehen; dann 
wieder gab sie an, sie sei in Folgen von 
ihm und verlangte 10000 Mark Abfindung. 
Sie erhielt nach und nach gegen 1200 
Mark. All dieses Geld mußte Boden 
heimer, der vermögenslos ist, bei Ver 
wandten und Bekannten leihen, wobei er 
stets angab, wenn er das Geld nicht 
erhalte, so sei er verloren, er komme um 
sein Amt, er müsse sich erschießen. Ke' i 
guter Rath, die Sache anzuzeigen, nützte 
etwas, er war für keine vernünftige Zurede 
zugänglich, die Verzweiflung hatte ihm die 
klare Besinnung geraubt. Das gewissenlose 
Paar verfolgte sein Opfer woch .< und 
monatelang, kniefällig und unter Thränen 
bat der Gemarterte den Klar wiederholt, 
sie möchten ihn doch endlich in Ruhe 
lassen. Aber alles Bitten war bei diesen 
Menschen vergeblich. Das erpreßte Geld 
wurde verjubelt. Klar und seine Frau 
verbrachten im Luftkurort Schönthal bei 
Triberg in zehn Togen ca. 600 Mark; die 
Kohlstetter veranstaltete mit ihren Freunden 
Orgien und gesellschaftliche Ausritte, die 
über 100 Mark auf einen Tag kosteten. 
Als die Umtriebe Klar's schließlich doch 
durch einen Vigilanten der Kriminalbehörde 
bekannt wurden und diese Bodenheimer 
vorlud, stellte dieser auf Rath Klar's bei 
seiner Vernehmung durch den Untersuchungs 
richter auf seinen Eid in Abrede, von der 
Geschichte etwas zu wissen. Der Boden 
wurde ihm dann aber doch zu heiß, er 
flüchtete nach Luxemburg, von wo er kurze 
Zeit darauf freiwillig zurückkehrte und sich 
stellte. In der nächsten Schwurgerichts 
periode wird er sich wegen Meineid zu 
verantworten haben. Zweieinhalb Stunden 
lang dauerte heute die Erzählung der 
Leidensgeschichte des als Hauptzeuge Ver- 
nommenen. Die siebenstündige Verhandlung 
endete mit der bereits gemeldeten Ver- 
urtheilung Klar's zu zehn Jahren Zucht- 
yaus und der Kohlstetter zu fünf Jahren 
Gefängniß 
Mannheim, 23. Oktbb. Ein nicht un- 
interessanter MajestätsbeleidigungS-Prozeß, 
der mit der Freisprechung des Angeklagten 
endete, wurde heute vor der hies. Straf- 
kammer verhandelt. Der Knecht Heinrich 
Riedle von Gemmingen saß am 26. v. M 
angetrunken in der Wirthschaft „Zum 
Prinz Karl" in Neckargeniünd und warf 
mit rcnommistischen Redensarten um sich 
14. a. rief er: „Ich bin ein Sozialdemokrat, 
wir geniren uns nicht!" Der Wirth 
Beysel bemerkte ihm daraus: „Wenn ich 
Kaiser wär', ich würde so jungen Burschen 
tchon .den den Mund stopfen." — 
Riedle machte darauf eine Bemerkur- 
die zur Anklage führte. Riedle stand 
wegen dieses Ausdrucks heute vor den 
Schranken. Er wollte sich nicht mehr an 
die Aeußerung erinnern und bestritt, der 
sozialdemokratischen Partei anzugehören, 
er wiffe gar nicht, was für eine Bedeutung 
das Wort habe. Mit Rücksicht auf 
die Betrunkenheit des jungen Menschen 
und seine bisherige gute Führung, sowie 
in Erwägung, daß der Angeklagte die 
Aeußerung als Antwort auf die Bemerkung 
Beysels's, nur um etwas zu sagen, ge- 
braucht habe und sich in diesem Augenblick 
über den Sinn nicht klar gewesen sei, er 
kannte das Gericht aus Freisprechung. 
Aus München wird mitgetheilt: Eine 
pietätvolle gemeindliche Ehrung vollzog sich 
am Sonnabend, an welchem vor 100 Jahren 
Bayerns klassischer Dichter August Graf 
von Platen-Hallermünde zu Ansbach das 
Licht der Welt erblickt hat. An dem Eck- 
hause Nr. 24 an der Müller- und Thekla- 
straffe, in welchem der Dichter in den 
Jahren 1832—34 wohnte, und von wo 
aus er am 26. April 1834 seine letzte 
Reise nach Italien antrat, unter dessen 
sonnigem Himmel er zu Syrakus am 5. 
December 1835 in das allzu frühe lorbeer- 
umrauschte Grab sank, wurde Sonnabend- 
Vormittag die Gedenktafel enthüllt, welche 
der Magistrat München auf Anregung des 
Archivraths v. Destouches dem Dichter 
gewidmet hat. .Und eine weitere sinnige 
Ehrung wurde ven Manen des Dichters 
zu Theil, indem eine Münchener Dame, 
decen Eltern mit Platen und dessen Familie 
einer Zeit innig befreundet waren, die 
Gedenktafel mit lebendem Lorbeer schmücken 
ließ. 
Sein ganzes Vermögen hat der in 
Wiesbaden verstorbene Rentier: Felix 
Blumenthal der jüdischen Gemeinde zu 
Berlin hinterlassen. Bon der Erbschaft 
ind nur folgende Legate in Abzug zu 
bringen: 150 000 Mk. zum Umbau des 
Krankenhauses der Gemeinde; bis zur 
Fertigstellung sollen dieZinsen au Genesende 
vertheilt werden; ferner 30 00 Mk. für 
die Armenkommission und 20 60 Mk., für 
die Altersversorgungsanstalt. 
Süderled^ 25 Oc.. Einer seltenen 
Lebenskraft erfreut sich die Familie 
eines hiesigen Hofbesitzers. Bei der vor 
kurzem vollzogenen Taufe des erstgeborenen 
Töchterlcins konnten von dem Geistlichen 
als Tauszeugen einge. agen werden die 
Namen der Großmutt , Urgroßmutter und 
Ururgroßmutter des Kindes. Alle drei 
Frauen erfreuen sich einer trefflichen Ge- 
sundheit. 
Lübeck, 24. Oc.. In einer gestern Abend 
stattgesundenen öffentlichen Versammlung 
sollte der Streik über die hiesige Blech 
Emballage-Fabrik von Friedr. Ewers & Co 
oerh egt werden, weil die Arbeitgeber eine 
chon mehrere Jahre dort beschäftigte 
Arbeiterin entlassen hatten. Von den 
Ewers'schen Arbeitern we.c namentlich das 
weibliche Geschlecht zahlreich vertreten, 
während die männlichen Arbeiter vorgezogen 
hatten, nicht zu erscheinen. Man mußte 
also annehnien, daß die Männer nicht mit 
einer Arbeitseinstellung einverstanden seien. 
Verschiedene Redner riethen daher von dem 
Streik ab. Es wurde beschlossen, eine 
weitere Versammlung einzuberufen, in der 
nochmals die Angelegenheit berathen nw.den 
oll. Bei dem kläglichen Ende, den der 
Streik bei Thiel & Söhne für die Arbeiter 
nimmt, dürste den Ewers'schen Arbeitern 
der Muth zum Streiken vergangen sein. 
Ein schwarzes Reh — eine große 
Seltenheit — wurde dieser Tage au 
hannoverschem Gebiet geschossen. Der 
Schütze, ein Hamburger Geschäftsmann, 
Hut das seltene Wild dem naturhistorischen 
Museum in Hamburg zum Geschenk gemacht 
au, 
Provinzielles. 
26. Olt. In Neumünster findet 
am 8. Nov. der Parteitag der freisinnigen 
Partei statt. 
Kiel, 27. Oktober. Die am 11. und 
12. Noodr. hier vorzunehmenden Stadt- 
oerordnetenwahten beschäftigen be 
reits die Vereine. Es scheiden nach dem 
Turnus aus dem Stadtverordnetencollegium 
die Herren Geheimrath Sartori, Gewerbe- 
chuldirektor AyreuS, Rentner Dehnke und 
Schneider Heinzel aus. Die bisherigen 
Verhandlungen in den Vereinen haben 
gezeigt, daß eine starke Animosität gegen 
die Wiederwahl mehrerer dieser Herren 
vorhanden ist. Hauptsächlich wird betont, 
daß Männer in das Collegium gewählt 
werden müssen, die nicht gar zu gefügig 
große Summen für Pläne, wie z. B. die 
Vorarbeiten für das Wiker Hasenprojekt, 
die Aussleckung u. s. w. bewilligen. Sv 
hat denn der Hauseigenkhümerverein sich 
nur für die Wiederwahl von Dehnte 
entschieden und auch die Schlachcerinnung 
eigene Candidaren aufgestellt. Der Bürger- 
verein und der liberale Verein werden in 
den nächsten Tagen zu der Frage Stellung 
nehmen und es scheint, daß die Agitation 
eine sehr lebhafte werden wird. Durch 
die vor einigen Jahren erfolgte Erhöhung 
bes Wahlcensus wurde den meisten Ar 
beitern das communale Wahlrecht gcnom- 
me» und so erscheint es jetzt ausgeschlossen, 
daß der Schneider Heinzel, welcher ein 
eifriger Führer der hiesigen Socialisten ist, 
wiedergewählt werden wird. Mit ihm 
scheidet dann das letzte socialistische Mit 
glied aus dem Stadtverordnetencollegium 
aus. Ş (-J- N.") 
A. P. Sönksen, einer der bekanntesten 
schleswig - holsteinischen Veteranen, ist 
Freitag-Abend in Kiel gestorben. Seit dem 
Jahre 1849 bis in die Mitte der siebziger 
Jahre hat er in Kiel als Lehrer gewirkt 
und fast ebenso lange die „Schleswig- 
Holsteinische Schulzeitung" mit großem 
Geschick redigirt. Aus seiner pädagogischen 
Thätigkeit wurde Sönksen durch die politi 
schen Wirren herausgeriffen. Er gehörte 
der Gruppe demokratischer Männer an, 
welche unter der Führung Richard von 
Neergaards sich in engster Fühlung mit 
der süddeutschen Volkspartei befanden, die 
sich mit aller Kraft der Annektion unserer 
Provinz wiedersetzte. 
Das junge Mädchen aus Heide, welches 
in Berlin vermißt wurde, ist als Leiche 
in der dicht am Hause vorüberfließ-nden 
Spree gefunden worden; es liegt ein Un 
fall vor. 
=4= Heide, 25. Octbr. Der bisherige 
Pächter der an unserer Stadt gelegenen 
Sommcrwirthschaft „Ziegelhof", Herr G. 
Suhr, kaufte das einem Konsortium ge 
hörende genannte Gewese für die Summe 
von 58 500 Mk. Der Antritt wird zum 
1. November erfolgen. 
# Krempe, 25. Oct. Mittwoch fand im 
„Kremper Hof" Hierselbst das vom „Ge- 
meinnützigen Verein" veranstaltete Preis- 
turnen für Landschulen der Krempermarsch 
statt, zu welchem die Schulen aus Neuen 
brook, Süderau und Groß-Wisch erschienen 
waren. Die Preise bestanden aus Büchern 
vaterlandsgeschichtlichen Inhalts. Ein 
Preisturnen für Stadtschulen wird folgen. 
Die Fährverbindung zwischen Caroliuen- 
koog und Tönning ist wegen Beschädigung 
des Fährdampfers bis auf weiteres eingestellt. 
Nordstrand, 25. Okt. Hier wurde das 
Gewese des Hofbesitzers Wilhelm Carstenjen 
durch Feuer zerstört. Von dem Mo- 
biliar wurde fast gar nichts gerettet. Es 
ist dies seit dem 1. November bereits 
der 23. Br-and auf unserem kleinen Ei 
land. In fast allen Fällen vermuthet man 
als Entstehur.-gsursache böswillige Brand 
stiftung. Der größte Theil der durch Feuer 
geschädigten Bewohner ist bei der Hatt- 
stedter Gilde versichert. 
Friedrichstadt, 25. Okt. Den eifrigen 
B nühungen der Polizeibehörden ist es 
jetzt gelungen, den Thäter des aus die 
Frau des Chausseewarters Hüper aus Witz 
wort in der Nähe der Bahnstation Büttel 
in Eiderstedt verübten Anfalles in der 
Person des Arbeiters Johann Nehlsen in 
Nehm im Kirchspiele Lunden zu ermitteln. 
Der jetzt Flüchtige ist schon mehrfach vor 
bestraft. 
G Christiansholm, 26. Ott. Bon einem 
schwer. . Unfall wurde der Sohn des hies. 
Einwohners Lille betroffen. Derselbe 
wurde von einem von ihm geführten Füllen 
derart an den Kopf geschlagen, daß ihm 
der Schädel eingedrückt wurde. 
f© Umgegend Hoheawcsted't, 26. Okt. 
Bon der Rohheit und Nachlässigkeit, mit 
welcher manche Menschen ihre Thiere be- 
handeln, gab ein Händler am Sonnabend 
voriger Woche einen sprechenden Beweis. 
Am genannten Tage kam derselbe vom 
Wochenmarkt aus Rendsburg und hielt 
vor einer Wirthschaft in Remmels. Sein 
Pferd war über und über mit Schweiß 
bedeckt, weißer Schaum troff zur Erde. 
Das Thier mußte augenscheinlich entsetzlich 
abgejagt sein. Auf dem hinteren Theil 
des Wagens, welcher wohl kaum einen 
Quadratmeter Raum umfaßt, lagen zu 
sammengepfercht reichlich 20 Marktferkel 
über und untereinander. Eins dieser 
Thiere hatte ein Vorderbein so unglücklich 
über den Rand des Wagens hinauSgestreckl, 
das es vom Wagenrad geschleift wurde. 
Es war nicht imstande, das Bein zurück 
zuziehen; der Händler hatte während der 
Fahrt nicht darauf geachtet, kümmerte sich 
auch jetzt nicht darum. Bon mitleidigen 
Menschen wurde das halbtodte Thier aus 
seiner Lage befreit. Es wäre erwünscht, 
daß ihm für solches Treiben eine empfind 
liche Strafe zuerkannt würde. 
Hohn, 26. Oklbr. Eine Seltenheit 
ist gegenwärtig im Garten des Herrn 
Kaufmann Timm Hierselbst zu sehen. Dort 
blühten, zum zweiten Male die Himbeeren 
und tragen jetzt auch zum zweiten Male 
reife Früchte. 
— Rade, 26. Oktbr. Die Maul- und 
Klauenseuche in Ohe ist erloschen. Seitens 
des Landrathsamtes sind die angeordneten 
Sperrmaßregeln für die Gemeinde Ohe, 
mit Ausnahme der an Hoebeck grenzenden 
Gehöfte und Ländereien, aufgehoben. 
X Rendsburg, 27. Oct. Die städtischen 
Kollegien haben beschlossen, die Stelle eines 
Bürgermeisters für die hiesige Stadt mit 
einem pensionsfähigen Gehalt von 6000 
Mk. und einer Repräjentatiouszulage voü 
1000 Mk. für eine 12jährige Amtsperiodr 
zur Bewerbung demnächst auszuschreiben 
und liegt dieser Beschluß gegenwärtig dem 
Bezirksausschuß in Schleswig zur Genehmi 
gung vor. Die bevors^M^oe Neuwahl 
wird schon jetzt in weiMşş Kreisen 
Bürgerschaft lebhaft besprochen. 
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Letztere 
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