Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

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89ster Jahrgang. 
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Blatt „Mode und Heim" gratis beigegeben. 
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Wo. 249. 
Ireitag, den 23. Hctober 
1896. 
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Morgen-Berichte 
. Ztzehoc, 22. Oct. Eben traf die Erlaub 
luļj zur Abhaltung des großen 
Ochsenmarktes am 28. October hier 
ein. 
Berlin, 22. Okt. Schon vom frühen 
^àŗgen ab liefen heute im Neuen Palais 
zahlreiche kostbare Blumenspenden, brief 
uche und telegraphische Glückwünsche für 
sie Kaiserin ein. Bei der Ankunft des 
Ķaiscrpaares auf der Wildparkstation, 
welche früh 8 Uhr erfolgte, wurde das 
selbe von den fünf ältesten Prinzen em 
vfangen Um 11 Uhr Vormittags fand 
bei der Kaiserin die Gratulation zum Ge 
burtstage seitens des engsten Familien 
kreises und der nächsten Umgebung statt. 
Später folgte eine Familien-Frühstückstafel, 
an der auch Prinz Heinrich von Preußen 
und Prinz Christian zu Schleswig-Holstein, 
welche wie die beiden Westen Söhne des 
Kaiserpaares heute früh im Neuen Palais 
eingetroffen sind, theilnahmen. Abends 
um 8 Uhr fand in der Jaspis-Gallerie 
°^s Neuen Palais ein großes Diner statt, 
^..àŗlin, 22. Okt. In Bestätigung früherer 
Mittheilungen wird der „Nordd. Allgem. 
o*S;'' geschrieben, daß Professor Knackfuß- 
Kasfel zur Zeit mit Vorarbeiten für ein 
neues Historienbild beschäftigt ist, dessen 
Thema er vom Kaiser empfing. Der land 
schaftliche Hintergrund des Gemäldes, das 
einen Vorgang aus der deutschen Geschichte 
darstellt, ist Italien. Der Künstler gedenkt, 
die dazu nothwendigen Studien an Ort 
und Stelle in diesem Winter auszuführen. 
Darmstadt, 22. Octbr. Zum Empfange 
der heute Mittag hier eingetroffenen Kaiserin 
Friedrich waren ans dem Bahnhöfe das 
Zarenpaar und alle übrigen Fürstlichkeiten 
erschienen. Nach . der sehr herzlichen Be- 
grüßung begaben sich die hohen Herrschaften 
nach dem Neuen Palais. Die Rückreise 
der Kaiserin Friedrich nach Cronberg er 
folgte heute Nachmittag. 
... Berlin, 22. Okt. Wie die „Post" er- 
fahrt, ^ ist ģ das angeblich setzt aufgesundene 
„Schriftstück aus dem 15. Jahrhundert" 
langst bekannt. Doch es haben hier im 
-äse der Zeit die mannigfaltiosten Besitz. 
Veränderungen stattgefunden. ES sei nur 
an die Thatsache erinnert, daß z. B. der 
Lustgarten, der früher Eigenthum der 
Krone war, zu Anfang dieses Jahr 
hunderts in den Besitz der Stadtqemeinde 
Übergegangen ist. 
Berlin, 22. Okt. Die Verfolgung des 
Mörders Bruno Werner hat bisher noch 
zu keinem Resultate geführt. — Um die 
weiteren Theilnehmer an dem Morde des 
Jnstizraths Levy zu ergreifen, wurden 
wiederholt polizeiliche Razzias in Lokalen, 
Herbergen und Volksküchen, wo öfters 
Personen zweifelhaften Charakters ver 
kehren, vorgenommen. Alle Personen ohne 
genügende Ausweispapiere wurden sistirt. 
In einer im Zentrum gelegenen Volksküche 
nahmen 2 Polizeilieutenants und 25 Schutz, 
leute 60 Personen fest. 
Köln, 22. Octbr. Die „Köln. Ztg." 
verbreitet sich in einem längeren Artikel 
unter Hinweis auf die Karlsruher Vorgänge 
über die Standesehre der Offiziere und 
meint, es müsse sorgfältig geprüft werden, 
ob nicht die Standesehre der Offiziere 
unbeschadet ihrer Tradition durch andere 
Mittel gewahrt werden könne als durch 
die der mit schrecklichen Folgen verbundenen 
Selbsthülfe mit der Waffe. 
Madrid, 22. Okt. Einem offiziellen 
Telegramm aus Manilla zufolge ist die 
dritte Kompagnie der Militärsträflinge, 
welche in Port Viktoria arbeiten, auf 
rührerifch geworden. Mehrere andere 
Truppen - Abtheilungen mußten ebenfalls 
entwaffnet werden, da man eine Aus 
dehnung der Revolte befürchtet. 
Wien, 22. Okt. Der „N. Fr. Pr." 
wird aus Paris gemeldet: In hiesigen 
diplomatischen Kreisen wird der Begegnung 
des Zaren mir Kaiser Wilhelm größere 
Bedeutung für die Orienlfrage beigelegt 
Es könne als sicher gelten, daß die euro 
päischen Mächte sich geeinigt haben, unter 
Aufrechterhaltung des staatsrechtlichen status 
quo in der Türkei für die Herstellung ge 
ordneter Zustände im ottomanischen Reich 
und für die Sicherheit der Christen einzu 
treten. Die Verwirklichung der von den 
Mächten gefaßten Beschlüsse hängt von 
der Entschiedenheit der Sprache ab, welche 
die Vertreter Rußlands am goldnen Horn 
als Organ des geeinigten Europas führen 
werden. Von einer Aktion mit anderen 
Mitteln, etwa der Ertheilung eines Man 
dats an Rußland zum Einmarsch, sei nicht 
die Rede. Denn im Falle eines solchen 
Mandats an Rußland, in die Türkei ein- 
zumarschiren, verlange Rußland die Ge 
nehmigung, die Dardanellen mit seinen 
Schiffen zu passiren. Man nehme in Paris 
an, daß die Begegnung des Zaren mit 
Kaiser Wilhelm auf die Haltung des 
russischen Botschafters in Konstantinopel 
im Yildizkiosk nicht ohne Einfluß sein 
werde und daß der Sultan den Vor 
stellungen Nelidow's nicht werde wider 
stehen können. 
Paris, 22. Octbr. Aus eine -an viele 
hervorragende Personen des Auslandes 
vom „Figaro" gerichtete Rundfrage über 
die franco-russische Allianz und darüber, 
ob der Friede von langer Dauer sein werde, 
schrieb Professor Virchow-Berlin unter dem 
15. d. Mts.: Er könne nur antworten, 
daß er keine Meinung habe, da er nicht 
wisse, ob eine Allianz bestehe, und welche 
Verpflichtungen Rußland und Frankreich 
gegenseitig eingegangen seien. In Deutsch 
land sei man allgemein überzeugt, daß ein 
Vertrag wirklich existirt, der gegen Deutsch 
land gerichtet sei. Indeß bezweifele er 
Virchow, daß Rußland solche Pläne be 
günstige. Er habe vielmehr Grund zu der 
Annahme, daß zwischen beiden Staaten 
Dispositionen bestehen. Die Interessen 
beider Staaten beruhten auf Gebieten, die 
vollständig unabhängig seien. Die Grenz- 
beziehungen seien geregelt. Bei einem etwas 
guten Willen dürfte der Friede von langer 
Dauer sein. Er, Virchow, habe diese 
Meinung um so mehr, als er soeben ans 
Rußland zurückgekehrt sei und daselbst eine 
freundliche Aufnahme gefunden habe. Wenn 
Frankreich einen neuen Krieg wolle, so 
liege es nur an ihm. 
Largcntiêre, 22. Okt. Der Blitz schlug 
in das Maristenkloster in Lablachüre. 
Der Prior wurde getödtet, ein Kloster 
bruder schwer verletzt. 
New-Iork, 22. Oktbr. Der Dampfer 
„Arago" auf der Fahrt nach San Frau 
cisco scheiterie an der Küste von Oregeon. 
Die gesainmte Mannschaft ertrank. 
Jugendliche Berörecher. 
In Triest tödtet ein dreizehn 
jähriger Knabe seine eigene Groß 
mutter, ein zwölfjähriger Knabe 
raubt am Postschalter in Berlin einer 
Dame einen Hundertmarkschein, zwei Ober 
'ekundaner in Posen duelliren sich, 
während in Turin ein Primaner sich mit 
einem Professor dueüirt und diesem einen 
chweren Kopfhieb beibringt, ein sieb 
zehnjähriger Arbeitsbursche wird zu 
6 Monaten Gefängniß verurtheilt, weil er 
mit einer Bande gleichalteriger Genossen 
Damen aus der Straße die Kleider mit 
Schweselsäure begießt. Endlich erdolcht 
ein s e ch s z e h n j ä h r i g e r den Justiz 
rath Levy in Berlin und sein siebzehn 
jähriger Komplice macht einen schweren 
Der Mitler vor» Moksßeinr. 
Roman von Graf EugenHaussonville. 4 
Îï„m4?°,f ^ Anen sagen," entgegnete Molsheim 
ein ^ Ew'ual in di- Schublade und brachte 
tin/ C n ? mŅaprere zum Vorschein, das mit 
h ņî'L.àn Bändchen zu,anunengeschnütt war. „Se- 
9<!i Sie dlese Briefe? Lesen Sie gefälligst " 
schert 5 i t,b Aîefe von einer Frauenhand in deüt- 
die ge chneben, sagte Mandant, nachdem er 
vbeIÄ'Wncke ub-rflog-n hatte. „Soviel ich mir bei 
Betrachtung daraus entnehmen kann, 
^şirdt hier eine Schwester an ihren Bruder. Ich ^ 
Dreader nichts Auffälliges darin." se 
wundert mich nicht; mir aber erscheint das 
verdächtig. ^4 habe es eine ganze 
widert- studiert, ehe ich zu Bettging,« «= 
hab-,, o- olsheim. die Briefe zurücknehmend. „Wir 
h.,i ,, er drei Briefe, aus Paris nach Berlin geschrie- 
hat'bi k ş zwar am 11. 13. und 15. April. Lnblinsky 
betr^ ».ben am 12., 14. und 16. empfangen. Und nun 
fslltin- r 1 Şie einmal die einzelnen Worte recht sorg- 
ïidb nF,’ sind sämtlich in deutscher Schrift, gelegent- 
keit m gat die Schreiberin anscheinend aus Nachlässig- 
dentk ^Vergeßlichkeit oder Unwissenheit an Stelle eines 
spi-lt'".Buchstaben einen lateinischen gesetzt, zum Bei» 
ui dem Worte „Montag," welches anstatt 
Mordversuch auf dessen.Ehefrau, während 
Altersgenossen inzwischen „Schmiere stehen " 
Giebt das zu denken oder nicht? 
Ein Berliner Blatt ist leicht mit seinem 
Recept als Heilmittel gegen diese Erschei 
nungen fertig; es empfiehlt für jugendliche 
Verbrecher schwerere Strafen gesetzlich fest 
zustellen, als dies nach dem heutigen Straf 
gesetzbuch möglich sei. Das ist dasselbe, 
als ob man dem Unkraut auf dem Ernte- 
felde die Köpfe abschneidet und die Wurzeln 
stehen läßt. Allerdings ist die Lücke im 
Strafgesetzbuch, daß Mörder bis zum Alter 
von 17 Jahren weder zum Tode noch zur 
Zuchthausstrafe, vielmehr nur zu einer 
Gefängnißstrafe verurtheilt werden können 
angesichts des gegenwärtigen grausigen 
Mordes doppelt empfindlich. Man steht 
angesichts dessen, was bisher über die 
Mörder des Justizraths Levy verlautete, 
vor einem dunkeln, unheimlichen Räthsel. 
Wie konnteder Halberwachsene, derzwar nicht 
ein Musterknabe gewesen zu sein scheint, 
aber Verbrecherneigungen nicht bekundet 
hat, zum Mordgesellen, zum Anstifter einer 
btuttriesenden That werden? Woher hat 
er den traurigen Verbrechermuth genommen, 
den Dolch gegen den wehrlosen Greis zu 
zücken oder eine andere Hand zum Dolch 
stoße zu führen? In dem, was über den 
Ledensgang des Anstifters bekannt geworden 
ist, finden wir nur die leise Spur einer 
Erklärung, und zwar in den Worten: 
„Er hat viel Böses gelesen". Richt er, 
aber der Umgang, den er suchte, machte 
einen unheimlichen Eindruck. Was den 
halbreifen Burschen zum Mörder und 
Messerhelden gemacht hat, ist die V e r 
führung, die in den großen Städten 
ihr unheimliches Gewerbe am erfolgreich 
sten treibt, und die unbeaufsichtigte Lektüre, 
die junge Seelen vergiftet und verdirbt. 
Wieviel mag die nicht scharf genug zu ver- 
urtheilende Art einer gewissen Presse, die 
Berbrechen als Sensationsstücke in der 
Weise'eines Schauerromans zu verarbeiten, 
dazu beigetragen haben, in der entpfäng- 
lichen Einbildungskraft des Buben den 
dämmernden Gedanken zum ausgearbeiteten 
Entschlüsse durchreifen zu lassen! Wer die 
Darstellung des neuesten Mordes, wie sie 
mehrere Sensationsblätter gebracht haben, 
lesen mußte, der ahnt, wie solche Lektüre 
Verbrecher heranbilden kann. Es ist eine 
ungeheuer schwere Verantwortung, die die 
Presse ans sich lädt, wenn sie. statt flam- 
nienden Zorn gegen das Verbrechen zu er 
regen, nur den Sensationskitzel mit ihrer 
Darstellung weckt und pflegt. Aber selbst 
die schlechteste Lektüre hätte nicht so ent 
setzliche Saat reifen lassen können, wenn 
nicht der Boden dazu bereitet gewesen 
wäre. Die Schreckensthat ist vereinzelt, 
die Verrohung unserer her 
anwachsenden Jugend ist — Gott 
sci's geklagt! — eine allgemeine 
Erscheinung. Sie blickt uns entgegen 
aus den wüsten, glanzlosen Augen der 
halbwüchsigen Burschen und Dirnen, sie 
äußert sich in dem hochmuthverzerrten Ant 
litz duellwüthiger Lasten, sie äußert sich 
als Mißachtung aller Autorität, als trotziges 
Aufbäumen gegen den Gehorsamszwang, 
als frühreifer Hang zu Ausschweifungen 
aller Art. Diese jugendliche Verrohung 
ist der sprechende unheimliche Beweis der 
Wahrheit des Satzes, daß Berstandes- 
bildung ohne Herzens bildung nicht 
bildet, sondern v e r bildet. Jetzt schaut 
man wohl voll tiefen Entsetzens auf die 
blutigen Zeugen solcher falschen Bildung, 
aber wie bald ist der Eindruck verwischt 
und vergessen, und man sonnt sich wieder 
in dem bleichen, verzerrten Glanze der 
modernen Ver- und Afterbildung. Wenn 
man sich doch zu der Erkenntniß aufraffen 
wollte, daß nichts anderes helfen kann als 
Rückkehr zur Zucht! Unsere Jugend 
muß wieder aufwachsen in der heiligen 
Zucht des Gottesglaubens, der durch eine 
falsche Wissenschaft den Leuten ans dem 
Herzen gerissen ist, in der heilsamen Strenge 
des Elternhauses, die nicht nur erziehend, 
pudern auch abschreckend wirkt. Das 
haben die Mordbuben wohl nicht gewußt, daß 
die Strafe für ihre That nur mehrjähriges 
Gefängniß sein werde. Ihre Jugend aber 
schützt sie vor dem Zuchthanse und vorder 
Todesstrafe. Wer den Wehrlosen mit dem 
doppelt geschliffenen Messer kaltblütig zu 
überfallen vermag, der handelt wie ein 
Unmensch und verdient logischerweise den 
Tod. Aber an den Lebenden soll sich die 
Umkehr offenbaren, sonst wehe uns und 
dem kommenden Geschlecht! 
ein lateinisches „a" enthält. Beachten wir nun 
-e latklttischen Buchstaben . . ." 
dieselben Worte und Sätze!" rief Man- 
^och, Sie irren sich schon wieder einmal," 
KiIu,Molsh-im. „Wir haben hier nicht etwa mit 
Jeß.E "zu thun, sondern mit geschulten Verschwörern, 
hat das einen lateinischen Bucbstaben enthält, 
eines & „bestimmte Bedeutung und bildet einen Teil 
' Satzes." 
vas"â°?,îst Kauderwälsch für mich," sagte Mandont, 
-olatt aus den Tisch werfend. 
ft« "nch nicht," antwortete Molsheim. „Dieletz- 
erden Reihen des letzten Briefes sind mir ganz 
verständlich: „Endgültige Weisungen mir nach roten 
Rosenknospen. Koinnre' sofort!" Der Brief ist am 16. 
in Berlin angelangt und an demselben Tage ist Lub- 
linsky nach hier abreist." 
„Hm," sagte Mandont nachdenklich. „Und das 
Ganze?" 
„DaS Ganze ist sehr schwer zu enträtseln, weil 
wir's nicht vollständig vor uns haben. Es müssen noch 
mehr Briefe, an andere Leute geschrieben, vorhanden 
sein, welche die fchlenden Wörter enthalten." 
„Sie meinen also, daß irgendivo noch mehr Briefe 
dieser Art stecken?" ' 
„Ich bin davon überzeugt, und ehe wir die nicht 
erlangt haben, wird all unser Raten uns nicht iveit 
führen. Es erscheint mir nicht unwahrscheinlich, üaß 
am 12. und 14. noch zwei andere Briefe an eine andere 
Adresse nach Berlin abgesandt worden sind. Die bei 
den Verschwörer haben dann ihre Schreiben verglichen 
und daraus ersehen, daß man sie nach Paris beorderte. 
Darauf sind sie am 16. abgereist, wie Ihnen ja auch 
die Berliner Behörde kundgegeben hat. Auf diese Weise 
ļà>tt sich eine Ergänzung der fehlenden Wörter denken. 
Den ersten Satz habe ich mir übrigens so ziemlich zu 
rechtgelegt. Urteilen Sie gefälligst." 
Er reichte dem Präfeklen ein anderes Blatt Papier, 
darauf stand zu lesen: „Montag, Mittivoch und Sonn- 
aoeiid bei trockenem Wetter, zwischen ztvei und vier 
Uhr nachmlttags, spielt unser (Opfer, Bekannter, Prinz) 
rin Botanischen Garten geivöhnlich Verstecken." 
™ Mandant schob das Papier zurück. „Das ist ein 
BUrtmaßeii aufs Geratewohl, dar mir denn doch ziem- 
Spott^"^ erscheint," sagte er mit unverhohlenem 
"Şie sind schnell bei der Hand mit Ihrem Urteil, 
was rch Ihnen jedoch nicht übelnehmen kann. Meine 
Annahme muß in der That sehr gewagt erscheinen ich 
bin jedoch in der Lage, dieselbe einigermaßen begrün 
den zn können. Hören Sie zu. Als Adjutant deö'kom- 
mandierenden Generals der Pariser Truppen hatte ich 
gestern dem Kaiser persönlich eine Meldung zu über- 
Nttsland. 
Aicherenropäische Gebiete. 
New Jork, 19. Oktbr. Der Leiter des 
Wahlfeldzugs Mc Kinley's, Mark 
Hanna, hat den großartigen Vorschlag 
gemacht, daß Jeder, der für Gut-Geld 
stimmen wolle, am 31. Okt. (dem letzten 
Sonnabend vor dem Wahltage), entweder 
WW>ļleine amerikaniscke Flagge 
eine 
bringen. Se Majestät empfing mich ganz ohne Cere- 
inoniell, gleichsam im Schoße der Familie. Die dienst 
liche Angelegenheit war soeben beendet, als der kaiser 
liche Prinz in's Zimmer kam und seinem Vater einen 
Strauß prächtiger Rosen zeigte. „Sieh, Papa," rief er, 
„die schönen Blumen hat sie mir geschenkt!" „Sie?" 
wiederholte der Kaiser. „Wer ist sie?" „O, das schöne 
freundliche Blumenmädchen, D» weißt doch, mit der 
ich jetzt so oft spiele," antwortete der Prinz. Der Kai 
ser lachte. „Unser Louis wird bereits ei» Mann," sagte 
er. „Er ist erst dreizehn Jahre alt und hat schon «in 
Liebesverhältnis, wie's scheint. Parbleu! Er schlägt 
nicht aus der Art." Ich näherte mich dem Prinzen und 
bat ihn, mir doch auch den schönen Strauß zu zeigen. 
„Hier, Herr von Mölsheim," sagte der kleine Kavalier 
in seiner liebenswürdigen Weise. „Kennen Sie das 
schöne Bluiiiemiiädcheit nicht? Sie begegnet mir, so oft 
ich in den Botanischen Garten komme, und ist so lieb und 
gut zu mir. daß ich mich freu«, wenn ich sie von wei- 
tein schon sehe. Der Kaiser hörte lächelnd zu. „Ja, ja." 
nickte er, „sie haben ihn alle lieb, meinen Knaben, bis 
in die Vorstadt Saint Germain." 
„Aber bester Herr von Molsheim.* knurrte Herr 
Mandont, „was hat diese Anekdote mit der Enträtsel 
ung dec Briefe der Verschlvörer zu thun?" 
Der würdige Beamte war innerlich von Neid er 
füllt, da ihm noch niemals der Vorzug zuteil gewor 
den war, von dem Kaiser in so vertraulicher Weise em 
pfangen zu werden. 
„Das sollen Sie sogleich hören," entgegnete Mols 
heim ruhig. „An dem Rosenstrauß, den der kaiserliche 
Prinz von^ dem Blumenmädchen empfangen halte, be 
fand sich eine zierliche Karte. Ans dieļer standen die 
Worte: „Ans Ehrfurcht und Liebe." Die Haitdschrist 
aber war dieselbe, ^ die Sie hier in diesen Briese», und 
zwar in den lateinischen Buchstaben geschriebene» Wor 
ten der Datierung derselben, sehen." 
„Sapperment!" 
„Außerdem aber erzählte mir der Prinz.* fuhr 
Molsheim fort, „daß das hübsche Blumenmädchen ihn 
auch cm neues Spiel gelehrt habe, das Versteckspicl." 
Der Präfekt saß eine Weile sprachlos. Dann sagte 
er: „Man muß sofort der Kaiserin Mitleilung machen." 
^ „Im Gegenteil, ich werde Ihrer Majestät kein Wort 
davon sagen. Die hohe Frau würde sich nur unnötig 
ängstigen und zugleich so außergeivöhnliche Vorsichts 
maßregeln treffen, daß die Verschwörer Verdacht schöp. 
sen und stch zurückziehen würden, um ihren Biordan» 
schlag aus eine gelegenere Zeit zu verschieden. Die einzig 
sichere Rettung des Prinzen besteht in der Ergrelfuua 
und Bestrafung aller in diesem mörderischen Plan ein 
geweihten Personen." 
„Sie werden Ihrer Majestät kein Wort davon sa» 
gen; das können Sie halten, wie sie wollen, mein Herr 
Kapitän. Ich aber kenne meine Pflicht, und von mir 
soll vle Kaiserin noch an diesem Morgen alles verneh 
men. Stößt dem Knaben etwas zu, dann bin ich ein 
geschlagener Dlann. Ihre Logik hört sich ganz gut an, 
aber ein so alter Polizeiman». wie ich, läßt sich dadurch 
nicht ködern." 
„Nehmen Sie mir's nicht übel, HecrMandont, aber 
Sie werden der Kaiserin nichts sagen." 
, „Nehmen Sie mir's nicht übel, Herr von Mols- 
heuN'ş«aber ich werde von hier ans zu Ihrer Majestät 
«Das werden Sie unterlassen, denn ich verbiete e» 
Ihne» l" 
„Sie vergesse» sich, Kapitän. Eine solche Sprache 
Par^Ņ" "ìch* gegen den Chef der Geheimpolizei von 
„Das sind Sie gegenwärtig nicht mehr." 
„Was!?" Dieses Wort klang wie ein Wutschrei. 
„Sie sind mein Untergebener." 
»Ihr Untergebener! ?" 
„Mein Untergebener. Als Sie vorhin das Doku 
ment unterzeichneten, welches mir die Untersuchungs 
jache gegen Hermann Rimes übertrug, stellten Sie sich 
unter meinen Befehl." 
«Sie träumen, junger Mann!" <.,,16*
	        
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