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Wo. 241.
Mittwoch, öen 14. Hctober
1896.
Morgen-Berichte.
Kiel, 13. Okt. Als vermutlicher Nach
folger des Oberpräsidcnten von Schleswig
Holstein wird in einigen Blättern der
Klosterpropst Graf Reventlow in
Preetz, bisheriger Provinziallcmdtagsmar-
schall, genannt. Aus anderer Quelle er
fahren wir, daß für den erledigten Posten
in erster Linie der Landrath Graf
Rantzau in Plön in Frage kommen soll
Kiel, 13. Okt. Die hiesige Strafkammer
verurtheilte heute den Studenten von
Mallinckrodt wegen Duells mit
dem Grafen Reventlow zu fünf
Monaten Festung. Mallinckrodt hatte bei
dem Zweikampf einen Schuß in den Unter
leib erhalten. Gegen den Grafen Revent
low» der Reserve-Offizier ist, wird vor dem
Militairgcricht verhandelt werden.
Berlin, 13. Okt. Wie die „Deutsche
Tagesztg." erfährt, hat der Justizminister
eine Verfügung erlassen, daß bei Strafe
Vollstreckungen nicht nur die Interessen der
Arbeitnehmer, sondern auch die der Arbeit
geber und Dienstherren möglichst gewahrt
werden sollen, so beispielsweise durch Rück
fichrnahme auf die Erntezeit.
Berlin, 13. Okt. Die „Köln. Ztg."
sagt bei der Besprechung des gegenwärtig
in der französischen Presse vorherrschenden
Jubelsturms, dieser erinnere bedenklich an
den voreiligen Siegestaumel vor dem letzten
großen Kriege. Wir dürfen uns hierzu
vielleicht die Anmerkung erlauben, daß der
Dreibund in alter Krast besteht und vor
dem Zweibund in keiner Weise die Flagge
zu streichen braucht. Wer bei einer ernst
lichen Kraftprobe den kürzeren ziehen werde
sei außerordentlich fraglich. Eins habe
der Dreibund dem Zweibund voraus, er
würde für sich ohne Rückhalt die Anerken
nung als ein Friedensbündniß verlangen
können. Wir zweifeln nicht daran, daß
die Abmachungen zwischen Rußland und
Frankreich sich auf ein Desensivbündniß
beschränken, ein Offenfivbündmß wäre viel
leicht ein Anlaß zu dem Ruin ganz Europas,
und vor allem dürfe man von dem russi
schen Kaiser nicht voraussetzen, daß er
eines solchen Frevels an den Völkern
Europas fähig wäre.
Gotha, 13. Oct. Sozialdemokratischer
Parteitag, Bormittagssitzung. Als Gäste
des Parteitages sind eingetroffen Schumeier-
Wien und Vliegen-Holland. In der Dis-
kussion über die Presse nimmt die „Neue
Welt" den breitesten Raum ein. Die
Abo. Frohme und Molkenbuhr richten An
griffe gegen das Blatt, während Steiger,
Schönlank und Schrank dasselbe vertheidigen.
— Sehr -ausführlich wird auch die
Rcdaktionsführung im „Vorwärts" einer
Kritik unterzogen. Stadthagen und Antrik
aus Berlin treten gegen Liebknecht als
Chefredakteur auf; er brauche zuviel Bei
hülfe in der Leitung des „Vorwärts".
Stadthagen erklärt alsdann die Haltung
des „Vorwärts" in Sachen Quarck für
gerechtfertigt, bedauert aber lebhaft die
Erklärung der Redakteure gegen Liebknecht.
Liebknecht ergreift alsdann das Wort zu
einer eingehenden Bertheidigungsrede. Die
Agitation im Interesse der Partei ver
hindere ihn, als Chefredakteur im gewöhn
lichen Sinne thätig zn sein. Ein Haupt
fehler liege auch darin, daß der „Vor-
wärts" auch zugleich Lokalblatt sei. Als
Zentralblatt könne es bei Streitigkeiten
nicht maßgebendes Orakel sein.
Frohme nimmt Stellung gegen die „Neue
Welt" und deren Redakteur Edgar Steiger wegen
seiner Polemik mit dem „Hamburger Echo". Wir
sind keine Anstandsduseler; aber es ist doch un
leugbar, daß die neue Richtung in mancher Be
ziehung auf Abwege gerathen ist, die Geschmack
und Anstand verletzten. Es gebe eine Art
des Naturalismus, die im Schmutze watet
und das sexuell Gemeinste und psychiatrisch
Kränkste schildert. Die „Neue Welt" muß man
sich jetzt erst immer sehr genau ansehen, bevor
man sie den Kindern giebt. Die Redaktion
Steiger hat das sexuell Gemeine in den
Vordergrund gestellt und Schilderungen ge
bracht, die allen Anstandsbegriffen Hohn sprechen.
Mit anderen Rednern wendet sich auch B er ar d-
Hamburg gegen die „Neue Welt". Der Roman
von Hans Land „Der neue Gott" wird von
manchen Genosten geradezu als eine Verhöhnung
der Socialdemokratie aulgefaßt. Aber noch viel
schlimmer ist bie ,,Mutter Berth a", in die
Genosse Steiger sich ganz besonders verliebt hat.
In einer einzigen Nummer komme der liebe
Herrgott 48 Mal vor, in einer anderen Nummer
noch 32 Mal. Man solle die „Neue Welt" am
8 Seiten redvziren, zuinal sie ein Defizit von
48 000 Mk. verursache.
Steiger-Leipzig vertheidigt die „Reue
Welt". Er habe nur langsam, vorsichtig und
iacht in die Bahnen moderner Kunst einlenken
wollen. Er habe doch in der „Neuen Well"
nur diejenigen als Philister und Spießbürger
bezeichnet, die von überspannten Köpfen,
von Narren in der „Neuen Well" gesprochen
hatten. Er habe nur das beste in der „Neuen
Welt" bieten wollen, was die lebende Kunst
hervorgebracht, welche dem Laster kein moralisches
Mäntelchen umhängt. Man stehe aber noch
immer auf dem Standvunkt des Traktätchen-
'esens, das immer am Schluß einen gebesserten
Menschen verlangt. Sie müssen sich am Ende
kriegen. Heute habe man keine andere Kunst
als die moderne. Man müsse die Arbciler erst
für die moderne Kunst erziehen. Gerhart Haupt
mann sei der größte lebende deutsche Dichter.
Freilich gebe es Leute, die immer wollen, daß
der Hauptheld der sogenannte Tug eudfatzke
sei. Die Rede, welche in Tiradcn gipfelt über
die Befreiung und Emporhcbung des
Volkes (!) wird mit lebhaftem Beifall u. Hände
klatschen begleitet.
Wie beschränkt die Socialdemokraten die Land
leute noch halten, bewies Dr. Adler-Halberstadt,
der eine planmäßige Agitation unter dem
Gesinde und den ländlichen Arbeitern
behufs Abschaffung der Gesindeordnung empfiehlt.
Außerdem müsse man versprechen unentgelt
lichen Arzt und Apotheker, dann ver
stehe der Landarbeiter die Socialdemokraten.
Alan habe einen Anknüpfungspunkt, „und hat er
uns erst einmal den kleinen Finger gegeben, so
haben wir bald die ganze Hand."
Gotha, 13. Okt. Die Abgeordneten
Fischer, Auer und Schmidt griffen in sehr
heftiger Weise die Redaktion und die
Haltung des „Vorwärts" an, der zu keiner
actuellen Frage Stellung nehme und den
Anforderungen nicht genüge. Liebknecht
sei sechs Monate in jedem Jahre verreist
und daher als Chefredakteur ungeeignet.
Liebknecht erklärt, der „Vorwärts" müsse
den verschiedenen Strömungen in der Partei
Rechnung tragen; eine Stellungnahme des
Blattes zur bayrischen Streitfrage hätte
mindestens eine vorübergehende Spaltung
hervorgerufen; er (Liebknecht) sei gern
bereit» freiwillig zurückzutreten, sobald
Ersatz für ihn gefunden sei.
Gotha, 13. Okt. Sozialdemokratischer
Parteitag. Nachmittagssitzung. Die Dis
kussion über die Presse wird zu Ende ge
führt. Die Angriffe gegen Liebknecht und
die Affaire Quarck werden des Näheren
erörtert. Gegen Quarck ergreifen Bebel
und Auer das Wort und letzterer erklärt,
daß er der Verfasser der Vorwärts-Ariikel
sei. Abg. Schmidt-Magdeburg richtet seine
Angriffe gegen den Chefredakteur und Ab
geordneten Liebknecht, von dem er wünsche,
daß er sich auf sein Altentheil zurückziehen
solle, da er in keiner Weise seinen Platz
als Chefredakteur und Abgeordneter aus
fülle. Auch die Abgg. Bebel und Auer
tadeln die Thätigkeit Liebknechts als Chef
redakteur. Der Abg. Liebknecht vertheidigt
sich gegen die vorgebrachten Klagen sichtlich
bewegt und erklärte, er würde gern einem
Anderen Platz machen. Die Rede machte
großen Eindruck auf die Anwesenden. Die
Anträge gegen die „Neue Welt" wurden
sämmtlich zurückgezogen. Schließlich ging
der Parteitag zur Behandlung der Kaffen-
Verhältnisse der Partei über.
Strasrburg, 13. Okt. Das hiesige bischöf
liche Gymnasium ist, wie die „Frkf. Ztg-"
meldet, auf 8 Tage ges chlvssen worden, da
mehr als 200 Schüler von einer Krank
heit befallen sind, die sich in starkem Durch-
fall und Kopfschmerz ohne Erbrechen äußert.
Die Ursache der Krankheit ist noch nicht
festgestellt. Die Direktion bestreitet mit
aller Entschiedenheit, daß es sich um ào-
lera nostras handelt.
Paris» 13. Okt. Dem sozialistischen Ge-
meinderath von Roanne, welcher den Russen-
festlichkeiten ferngeblieben war, haben die
republikanischen Mitglieder einen Protest
überreicht, worin sie die Erklärung abgeben,
sie würden künftighin den Sitzungen nicht
mehr beiwohnen.
Basel» 13. Okt. Gegen hundert im
Canton Veltlin stationirte italienische Alpen
jäger, welche nach Afrika abgehen sollten,
desertirten znm größten Theile über die
Schweizer Grenze.
Musland.
Außereuropäische Gebiete.
New-Aork» 12. October. Präsident
Cleveland hat gesprochen. An
den Vorsitzenden der Chicagoer Liga für
gutes Geld richtet er, nach telegraphischer
Mittheilung aus New-Aork, das folgende
Schreiben:
Ich nehme so starken Antheil an dem
Werk, das die amerikanische Liga für ge
sundes Geld unternommen hat, daß ich
alles thun möchte, ihre Anstrengungen zu
unterstützen. Ich bedaure deshalb, daß ich
Ihre Einladung ablehnen muß, eine An
spräche an Ihre Liga vor der Wahl zu
halten. Selbst wenn der Zwang meiner
offiziellen Pflichten mich nicht davon aus
schlösse. könnte ich es kaum als passend
erachten, in den Wahlkampf einzutreten.
Während es unmöglich ist für irgend einen
meiner Mitbürger, den leisesten Zweifel
an meiner Stellung gegenüber der Lebens
frage zu hegen, die im Augenblick so tief
gehend die Aufmerksamkeit der Nation auf
sich zieht — das Werk, gesunde Wirth
schaftliche Ideen zu fördern und die Vor
schriften öffentlicher und privater
Ehrlich k e i t einzuschärfen —, fühle
ich doch, daß dies Werk gethan werden
muß, ohne ein Eintreten von mir, wie
Sie es mir vorschlagen.
Grover Cleveland.
Das offene Eintreten Clevelands gegen
Bryan wird jedenfalls den Golddemokraten
Tausende von Wählern zuführen. Die
Wetten für Mac Kinley gegen Bryan
Hallen sich nach dem „Herold" auf zwei
einhalb gegen eins. Uebrigens ist es be
zeichnend; daß auch der Präsident der
Vereinigten Staaten genöthigt ist, darauf
extra aufmerksam zu machen, daß auch heut
zu Tage noch ehrlich am längsten währt.
New-York, 13. Okt. Der Senator Quay
veröffentlicht im Namen des nationalen
republikanischen Komitees ein Schreiben, in
welchem er erklärt, die Wahl Mac Kinley's
zum Präsidenten und Hobart's zum Vice»
Präsidenten als eine vollendete und ge>
sicherte Thatsache zu betrachten. Mac
Kinley werde 270 Wahlstimmen, Bryan
110 erhalten. Sechs Staaten mit 67
Stimmen seien zweifelhaft, doch sprächen
alle Anzeichen dafür, daß diese 67 Stirn-
men den Republikanern zufallen. Somit
seien nach dem gegenwärtigen Stande 270
Stimmen für Mac Kinley gesichert.
FranķreiĢ.
Die Galavorstellung, welche in der
Pariser Großen Oper zu Ehren des russi
schen Kaiscrpaares stattfand, ist mit der
russischen Hymne eröffnet worden, wöbe:
zur Verstärkung des Effektes Kanonen-
schüsse (!) das Akkompagnement bildeten.
Zur Ausführung dieses artilleristischen
Knalleffektes dienen vier eigens konstrnirte
Geschütze, welche wegen der taktmäßigen
Genauigkeit, womit die Schüsse in die
Musik einsallen müssen, durch elektrische
Zündung mittelst eines Kabels abgefeuert
werden. Zum ersten Male wurden diese
musikalischen Kanonen schon vor drei Jahren
benutzt, nämlich im October 1893, als der
russische Admiral Avellan mit den Offizieren
seiner Eskadre Paris besuchte. Auch damals
wurde bei der Festvorstellung in der Großen
Oper die russische Hymne mit der Beglei»
tung von Kanonenschüssen gespielt.
Anderthalb Millionen Francs
soll dem Zaren der Aufenthalt in Parcs
gekostet haben, eine Summe, wie sie noch
kein Gast dort ausgegeben hat. Die
gänzliche Renovirung des russischen Ge-
sandschastshotels verlangte allein die Summe
von 800000 Frcs. Das Personal der
Gesandschaft erhielt reiche Geschenke, und
außerdem übergab der Zar Nikolaus der
seiner Abreise dem Intendanten des H auses
10000 Frcs. zur Bertheilung an diejenigen
Personen, die während seines Aufenthalts
dienstlich zu thun hatten. Für die Ar»
men in Paris überwies der Zar, wie
schon mitgetheilt, 100000 Frss., dazu
kommen die Dejeuners und Diners in der
Gesandschaft.
Nizza, 13. Okt. In der Billa Jenny
bei Sant' Agata haben sich der 33 Jahre
alte Professor Guten und seine 65 Jahre
Aes Iehttà Sühn«.
36
Roman von Hippolyte Montan ban.
„Noiret und ich," fügte Gabiron hinzu, „wir ge
hören dem Gehein,Polizei - Bureau von Serpin und
Compagnie an."
„Welcher Art sind nun Ihre Beziehungen zu Herrn
Bols?"
„Er hat uns beanftragt, eine Person zu suchen, für
welche er sich lebhaft interessiert; es ist eine diskrete
Angelegenheit."
„Sieht dieselbe in keinerlei Beziehung zu diesem
Raubattentat?"
„Ich glaube nicht."
„Sie kennen die Uebelthäter nicht?"
„Nein!" entgegnete Gabiron.
„Was?" dachte Lork, welcher vom Nebenzimmer
her jedes Wort vernahm, „was soll das bedeuten? Jetzt
kennt er mich auf einmal nicht?"
„Ich, Herr Kommissär habe einen der Verbrecher
erkanntwarf jetzt Noiret ein. „Er ist ein entsprun
gener Sträfling, welcher vor Jahren zwischen Charen-
‘m und Saint Maur einen Mann ins Wasser gewor»
,«n; ich habe damals ihn undseine beiden Gehilfen selbst
verhaftet. Dieser wurde nur zu zwanzig Jahren Ga
leere verurteilt und ist dem Bagno sehr rasch entflohen.
Er heißt Jacques Seguin."
„Und den anderen kennen Sie nicht?"
„Nein!"
„Was mag nach Ihrem Dafürhalten das Motiv
zur That gewesen sein?"
„Diebstahl: man wird in den Taschen eines der
Ränder noch Goldstücke und 'Wertpapierefinden, welche
xr dem Schreibtisch des Herrn Bols entnahm."
Die Angabe erwies sich als richtig, und der Polizei-
Kommissär fragte nun, ob er auch Herrn Bols über den
Vorfa ll verhören könne, der Arzt aber erklärte jedoch der
Sckwüchez,istand seines Patienten sei so bedenklich, daß
»vrläufiq von jedem Verhör abgestanden werden müste.
Daraufhin wurden die beiden Verbrecher vorge
führt.
„Wie heißtJhr?" forschte der Kominissär zu Colibri
gelvcndet.
„Weiß nicht."
„Was thut Ihr?« .
„Ich sehe Sie an und höre Ihnen zu."
„Benehmt Euch anständig und beantwortet meine
Fragen. Welches Handiverk betreibt Ihr?"
„Gar keines."
„Ihr seid ein Professionsdieb oder Schlimmeres
noch. Wo wohnt Jl,r?"
„Ueberall und nirgends "
„Ihr wollt also nicht antworten? Doch man wird
Euch zu zwingen wissen."
„Ihr," zn Lork gewendet, „werdet wohl das Bei
spiel Eueres Spießgesellen nachahmen und auch nicht
antworten wollen?"
„Kommt auf die Frage an, welche Sie stellen!"
„Wer Ihr seid, wissen wir; Ihr heißt Jacques
Seguin."
„Das ist noch nicht bewiesen."
„Bor acht Jahre» seit Ihr zu zwanzig Jahren Bagno
verurteilt worocn, doch schon nach kurzer Zeit gelang
es Euch, zn entspringen."
„Sie sprechen von Jacques Seguin, nicht von mir."
„Ihr leugnet, jener Seguin zn sei» ?"
„Ich leugne es."
„Wie heißt Ihr also?"
„Das will ich nicht sagen."
„Nun bis es Euch gelingt, das Gegenteil zu be
weisen , seid Ihr in meinen Augen Jacques Seguin,
der entiprnngene Sträfling. Ihr habt, nachdem Ihr
durch die Stumme Einlaß erhalten, auf eine Taftl
etwas geschrieben; die Worte sind leider ausgelöscht
worden; wie lauteten sie?"
„Daß mein Herr mich schicke."
„Welchen Namen trägt dieser angebliche Herr?"
„Marquis Lorme."
„Wo lebt er?"
„Ich weiß cs nicht, aber ich weiß, daß Bols ihn
! kennt."
â „Und den Brief, wer hat de» geschrieben?"
„Ich!"
„Hattet Ihr von allem Anfange an den Mord im
Sinne?"
„Nein!"
„Der Brief spricht aber dafür!"
„Wäre Herr Bols nicht zn Hause gewesen, so hät
ten wir »ns mit Diebstahl begnügt."
„Ihr wußtet also, daß Ihr bedeutende Geldsummen
finden werdet; woher denn?"
„Wir sahen gestern den Herrn Bols eine bedeutende
Summe bei der Bank von Frankreich erheben."
„Gehören Euch die Kleider, welche Ihr tragt?"
„Ja"
„Wo wohnt Ihr?"
„Bei meinem Kameraden."
„Ihr wißt aber, daß er sich geweigert hat, Aufschluß
zu geben über seinen Aufenthalt?"
„Wir können nicht mehr aussagen."
„Führen Sie beide ab," befahl der Polizei-Kom
missär."
Eine Stunde später wurden Lork und Colibri vor
deut Polizei-Präsidenten nochmals einem scharfen Ver
hör unterzogen, das sich als ebenso ergebnislos erwies,
worauf ninn stein einzelneZellen sperrte und die strengste
Niiterfuchmig einzuleiten beschloß.
Kanin hatte der Polizei - Kommissär sich entfernt,
so erschien van Olten, doch Peter Bols hatte die Fähig
keit des Sprechens verloren, er vcrinochte deni Freund
nur mit beredtem Blick die Hand zn reichen und auf
Gcbiron z>i weisen, seine Zunge war wie gelähmt.
„Ich werde keinen Ihrer Befehle unbeachtet lassen,"
beeilte sich Gabiron zu versichern; ich werde Herrn v.
Otten getreulich von allem Bericht erstatten.
Diese Versicherung schien den Verwundeten offen
bar zu beruhigen, denn er atmete erleichtert ans, und
Gabiron trat mm mit dem Fremden in den Salon, wo
er rückhaltslos sich mit ihm besprach und ihm von allem
Geschehenen Mitteilung machte.
„Ich kann nicht umhin zn glauben," schloß er seinen
Bericht, daß Herr v.Sanzac der einzige Schuldige ist."
„Aber mein Freund meint, daß der Baron v. Be
von. .
„Nun, der Herr Graf hat sich täuschen lassen."
„Aber zu ivelchem Zlvecke sollte Sanzac Aurora
entführt haben?"
„Um sich an dem Grafen v. Lasso» zu rächen, sowie
er auch derjenige ist, welcher den Grafen hat ermorden
lasse» wollen. Welche Pläne der Herr Graf hat, »sets'
ich nicht; Thatsache aber ist es, daß er mich ersucht hat,
der Behörde gegenüber Schweigen zn belvahren."
„Was kann er nur damit bezivecken toollen?" forscht»
v. Otteil verwundert.
„Ich weiß es nicht, da der Graf übrigens fühlte,
daß er in Folge der erhaltenen Wunde und des Blut
verlustes ernstlich erkrankenwerde, beauftragte er mich,
ich möge an Sie die Bitte stellen, ihn in allem zu ver
treten ; deshalb habe ich mir auch erlaubt, Sie mit dem
Berichte über jede an sich geringfügige Einzelheit zu
behelligen."
Die beiden Herren sprachen noch lange Zeit zu-
sammen und kamen endlich auch darin überein, daß
an dem folgenden Morgen ein alter Studiengenosse des
Grafen, der Arzt Albin, diesen besuchen solle, um in»
Vereine mit dem behandelnden Arzte sein Gutachten
über das Befinden des Grafen abzugeben.
Otten begab sich denn auch noch im Laufe de» Ta
ges zn Doktor Albin, welcher seit vielen Jahren nichts
von dem Grafen von Laffon vernommen halte, und er
zählte diesem die Ereignisse der letzten sechzehn Jahre,
Der Doktor war nicht wenig überrascht. Seine erste
Frage galt der Gräfin, die er ebenfalls gekannt, von
der ihm aber v. Otten keinerlei Kunde zu geben ver
mochte.
Dann erkundigte er sich nach dem Kinde, von dessen
Geburt er vernonnnen, und so gab ein Wort das an
dere, bis Doktor Albin über alles und jede» vollstän
dig im Klaren lvar.
Trotz der lebhaften Sympathie, welche er für den
Grasen empfand, konnte er doch nicht umhin, das Vor
gehen desselben in vielem zu tadeln. 37,16*