Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

Erscheint täglich. 
Aàburģer 
Wochenblatt. 
BezugsprrlS: 
BiertehLhrlich 2 Jt.—, frei ins Haus geliefert 
2 .M 15 Ķ 
für AuswärÜge, durch die Post bezogen 
2 Ji 25 »> 
tnd. Postprovision rc., jedoch ohne Besiellgeld. 
InicrtionSprciS: pro PetiizeUe 15 ê- 
AeLLestes und geleftnstrs KLatL im Kreise Rendsburg. 
Anzeigen für die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten. 
m stet Jahrgang. 
Bei Betriebsstörungen 
chgcnd welcher Art ist die regelmäßige Lieferung 
dieses Blattes vorbehalten. 
Ms Beilagen 
werden dem Blatt „Der Landivirth" sowie das 
Blatt „Diode und Heim" gratis beigegeben. 
3000 Abonnenten. 
Wo. 241. 
Mittwoch, öen 14. Hctober 
1896. 
Morgen-Berichte. 
Kiel, 13. Okt. Als vermutlicher Nach 
folger des Oberpräsidcnten von Schleswig 
Holstein wird in einigen Blättern der 
Klosterpropst Graf Reventlow in 
Preetz, bisheriger Provinziallcmdtagsmar- 
schall, genannt. Aus anderer Quelle er 
fahren wir, daß für den erledigten Posten 
in erster Linie der Landrath Graf 
Rantzau in Plön in Frage kommen soll 
Kiel, 13. Okt. Die hiesige Strafkammer 
verurtheilte heute den Studenten von 
Mallinckrodt wegen Duells mit 
dem Grafen Reventlow zu fünf 
Monaten Festung. Mallinckrodt hatte bei 
dem Zweikampf einen Schuß in den Unter 
leib erhalten. Gegen den Grafen Revent 
low» der Reserve-Offizier ist, wird vor dem 
Militairgcricht verhandelt werden. 
Berlin, 13. Okt. Wie die „Deutsche 
Tagesztg." erfährt, hat der Justizminister 
eine Verfügung erlassen, daß bei Strafe 
Vollstreckungen nicht nur die Interessen der 
Arbeitnehmer, sondern auch die der Arbeit 
geber und Dienstherren möglichst gewahrt 
werden sollen, so beispielsweise durch Rück 
fichrnahme auf die Erntezeit. 
Berlin, 13. Okt. Die „Köln. Ztg." 
sagt bei der Besprechung des gegenwärtig 
in der französischen Presse vorherrschenden 
Jubelsturms, dieser erinnere bedenklich an 
den voreiligen Siegestaumel vor dem letzten 
großen Kriege. Wir dürfen uns hierzu 
vielleicht die Anmerkung erlauben, daß der 
Dreibund in alter Krast besteht und vor 
dem Zweibund in keiner Weise die Flagge 
zu streichen braucht. Wer bei einer ernst 
lichen Kraftprobe den kürzeren ziehen werde 
sei außerordentlich fraglich. Eins habe 
der Dreibund dem Zweibund voraus, er 
würde für sich ohne Rückhalt die Anerken 
nung als ein Friedensbündniß verlangen 
können. Wir zweifeln nicht daran, daß 
die Abmachungen zwischen Rußland und 
Frankreich sich auf ein Desensivbündniß 
beschränken, ein Offenfivbündmß wäre viel 
leicht ein Anlaß zu dem Ruin ganz Europas, 
und vor allem dürfe man von dem russi 
schen Kaiser nicht voraussetzen, daß er 
eines solchen Frevels an den Völkern 
Europas fähig wäre. 
Gotha, 13. Oct. Sozialdemokratischer 
Parteitag, Bormittagssitzung. Als Gäste 
des Parteitages sind eingetroffen Schumeier- 
Wien und Vliegen-Holland. In der Dis- 
kussion über die Presse nimmt die „Neue 
Welt" den breitesten Raum ein. Die 
Abo. Frohme und Molkenbuhr richten An 
griffe gegen das Blatt, während Steiger, 
Schönlank und Schrank dasselbe vertheidigen. 
— Sehr -ausführlich wird auch die 
Rcdaktionsführung im „Vorwärts" einer 
Kritik unterzogen. Stadthagen und Antrik 
aus Berlin treten gegen Liebknecht als 
Chefredakteur auf; er brauche zuviel Bei 
hülfe in der Leitung des „Vorwärts". 
Stadthagen erklärt alsdann die Haltung 
des „Vorwärts" in Sachen Quarck für 
gerechtfertigt, bedauert aber lebhaft die 
Erklärung der Redakteure gegen Liebknecht. 
Liebknecht ergreift alsdann das Wort zu 
einer eingehenden Bertheidigungsrede. Die 
Agitation im Interesse der Partei ver 
hindere ihn, als Chefredakteur im gewöhn 
lichen Sinne thätig zn sein. Ein Haupt 
fehler liege auch darin, daß der „Vor- 
wärts" auch zugleich Lokalblatt sei. Als 
Zentralblatt könne es bei Streitigkeiten 
nicht maßgebendes Orakel sein. 
Frohme nimmt Stellung gegen die „Neue 
Welt" und deren Redakteur Edgar Steiger wegen 
seiner Polemik mit dem „Hamburger Echo". Wir 
sind keine Anstandsduseler; aber es ist doch un 
leugbar, daß die neue Richtung in mancher Be 
ziehung auf Abwege gerathen ist, die Geschmack 
und Anstand verletzten. Es gebe eine Art 
des Naturalismus, die im Schmutze watet 
und das sexuell Gemeinste und psychiatrisch 
Kränkste schildert. Die „Neue Welt" muß man 
sich jetzt erst immer sehr genau ansehen, bevor 
man sie den Kindern giebt. Die Redaktion 
Steiger hat das sexuell Gemeine in den 
Vordergrund gestellt und Schilderungen ge 
bracht, die allen Anstandsbegriffen Hohn sprechen. 
Mit anderen Rednern wendet sich auch B er ar d- 
Hamburg gegen die „Neue Welt". Der Roman 
von Hans Land „Der neue Gott" wird von 
manchen Genosten geradezu als eine Verhöhnung 
der Socialdemokratie aulgefaßt. Aber noch viel 
schlimmer ist bie ,,Mutter Berth a", in die 
Genosse Steiger sich ganz besonders verliebt hat. 
In einer einzigen Nummer komme der liebe 
Herrgott 48 Mal vor, in einer anderen Nummer 
noch 32 Mal. Man solle die „Neue Welt" am 
8 Seiten redvziren, zuinal sie ein Defizit von 
48 000 Mk. verursache. 
Steiger-Leipzig vertheidigt die „Reue 
Welt". Er habe nur langsam, vorsichtig und 
iacht in die Bahnen moderner Kunst einlenken 
wollen. Er habe doch in der „Neuen Well" 
nur diejenigen als Philister und Spießbürger 
bezeichnet, die von überspannten Köpfen, 
von Narren in der „Neuen Well" gesprochen 
hatten. Er habe nur das beste in der „Neuen 
Welt" bieten wollen, was die lebende Kunst 
hervorgebracht, welche dem Laster kein moralisches 
Mäntelchen umhängt. Man stehe aber noch 
immer auf dem Standvunkt des Traktätchen- 
'esens, das immer am Schluß einen gebesserten 
Menschen verlangt. Sie müssen sich am Ende 
kriegen. Heute habe man keine andere Kunst 
als die moderne. Man müsse die Arbciler erst 
für die moderne Kunst erziehen. Gerhart Haupt 
mann sei der größte lebende deutsche Dichter. 
Freilich gebe es Leute, die immer wollen, daß 
der Hauptheld der sogenannte Tug eudfatzke 
sei. Die Rede, welche in Tiradcn gipfelt über 
die Befreiung und Emporhcbung des 
Volkes (!) wird mit lebhaftem Beifall u. Hände 
klatschen begleitet. 
Wie beschränkt die Socialdemokraten die Land 
leute noch halten, bewies Dr. Adler-Halberstadt, 
der eine planmäßige Agitation unter dem 
Gesinde und den ländlichen Arbeitern 
behufs Abschaffung der Gesindeordnung empfiehlt. 
Außerdem müsse man versprechen unentgelt 
lichen Arzt und Apotheker, dann ver 
stehe der Landarbeiter die Socialdemokraten. 
Alan habe einen Anknüpfungspunkt, „und hat er 
uns erst einmal den kleinen Finger gegeben, so 
haben wir bald die ganze Hand." 
Gotha, 13. Okt. Die Abgeordneten 
Fischer, Auer und Schmidt griffen in sehr 
heftiger Weise die Redaktion und die 
Haltung des „Vorwärts" an, der zu keiner 
actuellen Frage Stellung nehme und den 
Anforderungen nicht genüge. Liebknecht 
sei sechs Monate in jedem Jahre verreist 
und daher als Chefredakteur ungeeignet. 
Liebknecht erklärt, der „Vorwärts" müsse 
den verschiedenen Strömungen in der Partei 
Rechnung tragen; eine Stellungnahme des 
Blattes zur bayrischen Streitfrage hätte 
mindestens eine vorübergehende Spaltung 
hervorgerufen; er (Liebknecht) sei gern 
bereit» freiwillig zurückzutreten, sobald 
Ersatz für ihn gefunden sei. 
Gotha, 13. Okt. Sozialdemokratischer 
Parteitag. Nachmittagssitzung. Die Dis 
kussion über die Presse wird zu Ende ge 
führt. Die Angriffe gegen Liebknecht und 
die Affaire Quarck werden des Näheren 
erörtert. Gegen Quarck ergreifen Bebel 
und Auer das Wort und letzterer erklärt, 
daß er der Verfasser der Vorwärts-Ariikel 
sei. Abg. Schmidt-Magdeburg richtet seine 
Angriffe gegen den Chefredakteur und Ab 
geordneten Liebknecht, von dem er wünsche, 
daß er sich auf sein Altentheil zurückziehen 
solle, da er in keiner Weise seinen Platz 
als Chefredakteur und Abgeordneter aus 
fülle. Auch die Abgg. Bebel und Auer 
tadeln die Thätigkeit Liebknechts als Chef 
redakteur. Der Abg. Liebknecht vertheidigt 
sich gegen die vorgebrachten Klagen sichtlich 
bewegt und erklärte, er würde gern einem 
Anderen Platz machen. Die Rede machte 
großen Eindruck auf die Anwesenden. Die 
Anträge gegen die „Neue Welt" wurden 
sämmtlich zurückgezogen. Schließlich ging 
der Parteitag zur Behandlung der Kaffen- 
Verhältnisse der Partei über. 
Strasrburg, 13. Okt. Das hiesige bischöf 
liche Gymnasium ist, wie die „Frkf. Ztg-" 
meldet, auf 8 Tage ges chlvssen worden, da 
mehr als 200 Schüler von einer Krank 
heit befallen sind, die sich in starkem Durch- 
fall und Kopfschmerz ohne Erbrechen äußert. 
Die Ursache der Krankheit ist noch nicht 
festgestellt. Die Direktion bestreitet mit 
aller Entschiedenheit, daß es sich um ào- 
lera nostras handelt. 
Paris» 13. Okt. Dem sozialistischen Ge- 
meinderath von Roanne, welcher den Russen- 
festlichkeiten ferngeblieben war, haben die 
republikanischen Mitglieder einen Protest 
überreicht, worin sie die Erklärung abgeben, 
sie würden künftighin den Sitzungen nicht 
mehr beiwohnen. 
Basel» 13. Okt. Gegen hundert im 
Canton Veltlin stationirte italienische Alpen 
jäger, welche nach Afrika abgehen sollten, 
desertirten znm größten Theile über die 
Schweizer Grenze. 
Musland. 
Außereuropäische Gebiete. 
New-Aork» 12. October. Präsident 
Cleveland hat gesprochen. An 
den Vorsitzenden der Chicagoer Liga für 
gutes Geld richtet er, nach telegraphischer 
Mittheilung aus New-Aork, das folgende 
Schreiben: 
Ich nehme so starken Antheil an dem 
Werk, das die amerikanische Liga für ge 
sundes Geld unternommen hat, daß ich 
alles thun möchte, ihre Anstrengungen zu 
unterstützen. Ich bedaure deshalb, daß ich 
Ihre Einladung ablehnen muß, eine An 
spräche an Ihre Liga vor der Wahl zu 
halten. Selbst wenn der Zwang meiner 
offiziellen Pflichten mich nicht davon aus 
schlösse. könnte ich es kaum als passend 
erachten, in den Wahlkampf einzutreten. 
Während es unmöglich ist für irgend einen 
meiner Mitbürger, den leisesten Zweifel 
an meiner Stellung gegenüber der Lebens 
frage zu hegen, die im Augenblick so tief 
gehend die Aufmerksamkeit der Nation auf 
sich zieht — das Werk, gesunde Wirth 
schaftliche Ideen zu fördern und die Vor 
schriften öffentlicher und privater 
Ehrlich k e i t einzuschärfen —, fühle 
ich doch, daß dies Werk gethan werden 
muß, ohne ein Eintreten von mir, wie 
Sie es mir vorschlagen. 
Grover Cleveland. 
Das offene Eintreten Clevelands gegen 
Bryan wird jedenfalls den Golddemokraten 
Tausende von Wählern zuführen. Die 
Wetten für Mac Kinley gegen Bryan 
Hallen sich nach dem „Herold" auf zwei 
einhalb gegen eins. Uebrigens ist es be 
zeichnend; daß auch der Präsident der 
Vereinigten Staaten genöthigt ist, darauf 
extra aufmerksam zu machen, daß auch heut 
zu Tage noch ehrlich am längsten währt. 
New-York, 13. Okt. Der Senator Quay 
veröffentlicht im Namen des nationalen 
republikanischen Komitees ein Schreiben, in 
welchem er erklärt, die Wahl Mac Kinley's 
zum Präsidenten und Hobart's zum Vice» 
Präsidenten als eine vollendete und ge> 
sicherte Thatsache zu betrachten. Mac 
Kinley werde 270 Wahlstimmen, Bryan 
110 erhalten. Sechs Staaten mit 67 
Stimmen seien zweifelhaft, doch sprächen 
alle Anzeichen dafür, daß diese 67 Stirn- 
men den Republikanern zufallen. Somit 
seien nach dem gegenwärtigen Stande 270 
Stimmen für Mac Kinley gesichert. 
FranķreiĢ. 
Die Galavorstellung, welche in der 
Pariser Großen Oper zu Ehren des russi 
schen Kaiscrpaares stattfand, ist mit der 
russischen Hymne eröffnet worden, wöbe: 
zur Verstärkung des Effektes Kanonen- 
schüsse (!) das Akkompagnement bildeten. 
Zur Ausführung dieses artilleristischen 
Knalleffektes dienen vier eigens konstrnirte 
Geschütze, welche wegen der taktmäßigen 
Genauigkeit, womit die Schüsse in die 
Musik einsallen müssen, durch elektrische 
Zündung mittelst eines Kabels abgefeuert 
werden. Zum ersten Male wurden diese 
musikalischen Kanonen schon vor drei Jahren 
benutzt, nämlich im October 1893, als der 
russische Admiral Avellan mit den Offizieren 
seiner Eskadre Paris besuchte. Auch damals 
wurde bei der Festvorstellung in der Großen 
Oper die russische Hymne mit der Beglei» 
tung von Kanonenschüssen gespielt. 
Anderthalb Millionen Francs 
soll dem Zaren der Aufenthalt in Parcs 
gekostet haben, eine Summe, wie sie noch 
kein Gast dort ausgegeben hat. Die 
gänzliche Renovirung des russischen Ge- 
sandschastshotels verlangte allein die Summe 
von 800000 Frcs. Das Personal der 
Gesandschaft erhielt reiche Geschenke, und 
außerdem übergab der Zar Nikolaus der 
seiner Abreise dem Intendanten des H auses 
10000 Frcs. zur Bertheilung an diejenigen 
Personen, die während seines Aufenthalts 
dienstlich zu thun hatten. Für die Ar» 
men in Paris überwies der Zar, wie 
schon mitgetheilt, 100000 Frss., dazu 
kommen die Dejeuners und Diners in der 
Gesandschaft. 
Nizza, 13. Okt. In der Billa Jenny 
bei Sant' Agata haben sich der 33 Jahre 
alte Professor Guten und seine 65 Jahre 
Aes Iehttà Sühn«. 
36 
Roman von Hippolyte Montan ban. 
„Noiret und ich," fügte Gabiron hinzu, „wir ge 
hören dem Gehein,Polizei - Bureau von Serpin und 
Compagnie an." 
„Welcher Art sind nun Ihre Beziehungen zu Herrn 
Bols?" 
„Er hat uns beanftragt, eine Person zu suchen, für 
welche er sich lebhaft interessiert; es ist eine diskrete 
Angelegenheit." 
„Sieht dieselbe in keinerlei Beziehung zu diesem 
Raubattentat?" 
„Ich glaube nicht." 
„Sie kennen die Uebelthäter nicht?" 
„Nein!" entgegnete Gabiron. 
„Was?" dachte Lork, welcher vom Nebenzimmer 
her jedes Wort vernahm, „was soll das bedeuten? Jetzt 
kennt er mich auf einmal nicht?" 
„Ich, Herr Kommissär habe einen der Verbrecher 
erkanntwarf jetzt Noiret ein. „Er ist ein entsprun 
gener Sträfling, welcher vor Jahren zwischen Charen- 
‘m und Saint Maur einen Mann ins Wasser gewor» 
,«n; ich habe damals ihn undseine beiden Gehilfen selbst 
verhaftet. Dieser wurde nur zu zwanzig Jahren Ga 
leere verurteilt und ist dem Bagno sehr rasch entflohen. 
Er heißt Jacques Seguin." 
„Und den anderen kennen Sie nicht?" 
„Nein!" 
„Was mag nach Ihrem Dafürhalten das Motiv 
zur That gewesen sein?" 
„Diebstahl: man wird in den Taschen eines der 
Ränder noch Goldstücke und 'Wertpapierefinden, welche 
xr dem Schreibtisch des Herrn Bols entnahm." 
Die Angabe erwies sich als richtig, und der Polizei- 
Kommissär fragte nun, ob er auch Herrn Bols über den 
Vorfa ll verhören könne, der Arzt aber erklärte jedoch der 
Sckwüchez,istand seines Patienten sei so bedenklich, daß 
»vrläufiq von jedem Verhör abgestanden werden müste. 
Daraufhin wurden die beiden Verbrecher vorge 
führt. 
„Wie heißtJhr?" forschte der Kominissär zu Colibri 
gelvcndet. 
„Weiß nicht." 
„Was thut Ihr?« . 
„Ich sehe Sie an und höre Ihnen zu." 
„Benehmt Euch anständig und beantwortet meine 
Fragen. Welches Handiverk betreibt Ihr?" 
„Gar keines." 
„Ihr seid ein Professionsdieb oder Schlimmeres 
noch. Wo wohnt Jl,r?" 
„Ueberall und nirgends " 
„Ihr wollt also nicht antworten? Doch man wird 
Euch zu zwingen wissen." 
„Ihr," zn Lork gewendet, „werdet wohl das Bei 
spiel Eueres Spießgesellen nachahmen und auch nicht 
antworten wollen?" 
„Kommt auf die Frage an, welche Sie stellen!" 
„Wer Ihr seid, wissen wir; Ihr heißt Jacques 
Seguin." 
„Das ist noch nicht bewiesen." 
„Bor acht Jahre» seit Ihr zu zwanzig Jahren Bagno 
verurteilt worocn, doch schon nach kurzer Zeit gelang 
es Euch, zn entspringen." 
„Sie sprechen von Jacques Seguin, nicht von mir." 
„Ihr leugnet, jener Seguin zn sei» ?" 
„Ich leugne es." 
„Wie heißt Ihr also?" 
„Das will ich nicht sagen." 
„Nun bis es Euch gelingt, das Gegenteil zu be 
weisen , seid Ihr in meinen Augen Jacques Seguin, 
der entiprnngene Sträfling. Ihr habt, nachdem Ihr 
durch die Stumme Einlaß erhalten, auf eine Taftl 
etwas geschrieben; die Worte sind leider ausgelöscht 
worden; wie lauteten sie?" 
„Daß mein Herr mich schicke." 
„Welchen Namen trägt dieser angebliche Herr?" 
„Marquis Lorme." 
„Wo lebt er?" 
„Ich weiß cs nicht, aber ich weiß, daß Bols ihn 
! kennt." 
â „Und den Brief, wer hat de» geschrieben?" 
„Ich!" 
„Hattet Ihr von allem Anfange an den Mord im 
Sinne?" 
„Nein!" 
„Der Brief spricht aber dafür!" 
„Wäre Herr Bols nicht zn Hause gewesen, so hät 
ten wir »ns mit Diebstahl begnügt." 
„Ihr wußtet also, daß Ihr bedeutende Geldsummen 
finden werdet; woher denn?" 
„Wir sahen gestern den Herrn Bols eine bedeutende 
Summe bei der Bank von Frankreich erheben." 
„Gehören Euch die Kleider, welche Ihr tragt?" 
„Ja" 
„Wo wohnt Ihr?" 
„Bei meinem Kameraden." 
„Ihr wißt aber, daß er sich geweigert hat, Aufschluß 
zu geben über seinen Aufenthalt?" 
„Wir können nicht mehr aussagen." 
„Führen Sie beide ab," befahl der Polizei-Kom 
missär." 
Eine Stunde später wurden Lork und Colibri vor 
deut Polizei-Präsidenten nochmals einem scharfen Ver 
hör unterzogen, das sich als ebenso ergebnislos erwies, 
worauf ninn stein einzelneZellen sperrte und die strengste 
Niiterfuchmig einzuleiten beschloß. 
Kanin hatte der Polizei - Kommissär sich entfernt, 
so erschien van Olten, doch Peter Bols hatte die Fähig 
keit des Sprechens verloren, er vcrinochte deni Freund 
nur mit beredtem Blick die Hand zn reichen und auf 
Gcbiron z>i weisen, seine Zunge war wie gelähmt. 
„Ich werde keinen Ihrer Befehle unbeachtet lassen," 
beeilte sich Gabiron zu versichern; ich werde Herrn v. 
Otten getreulich von allem Bericht erstatten. 
Diese Versicherung schien den Verwundeten offen 
bar zu beruhigen, denn er atmete erleichtert ans, und 
Gabiron trat mm mit dem Fremden in den Salon, wo 
er rückhaltslos sich mit ihm besprach und ihm von allem 
Geschehenen Mitteilung machte. 
„Ich kann nicht umhin zn glauben," schloß er seinen 
Bericht, daß Herr v.Sanzac der einzige Schuldige ist." 
„Aber mein Freund meint, daß der Baron v. Be 
von. . 
„Nun, der Herr Graf hat sich täuschen lassen." 
„Aber zu ivelchem Zlvecke sollte Sanzac Aurora 
entführt haben?" 
„Um sich an dem Grafen v. Lasso» zu rächen, sowie 
er auch derjenige ist, welcher den Grafen hat ermorden 
lasse» wollen. Welche Pläne der Herr Graf hat, »sets' 
ich nicht; Thatsache aber ist es, daß er mich ersucht hat, 
der Behörde gegenüber Schweigen zn belvahren." 
„Was kann er nur damit bezivecken toollen?" forscht» 
v. Otteil verwundert. 
„Ich weiß es nicht, da der Graf übrigens fühlte, 
daß er in Folge der erhaltenen Wunde und des Blut 
verlustes ernstlich erkrankenwerde, beauftragte er mich, 
ich möge an Sie die Bitte stellen, ihn in allem zu ver 
treten ; deshalb habe ich mir auch erlaubt, Sie mit dem 
Berichte über jede an sich geringfügige Einzelheit zu 
behelligen." 
Die beiden Herren sprachen noch lange Zeit zu- 
sammen und kamen endlich auch darin überein, daß 
an dem folgenden Morgen ein alter Studiengenosse des 
Grafen, der Arzt Albin, diesen besuchen solle, um in» 
Vereine mit dem behandelnden Arzte sein Gutachten 
über das Befinden des Grafen abzugeben. 
Otten begab sich denn auch noch im Laufe de» Ta 
ges zn Doktor Albin, welcher seit vielen Jahren nichts 
von dem Grafen von Laffon vernommen halte, und er 
zählte diesem die Ereignisse der letzten sechzehn Jahre, 
Der Doktor war nicht wenig überrascht. Seine erste 
Frage galt der Gräfin, die er ebenfalls gekannt, von 
der ihm aber v. Otten keinerlei Kunde zu geben ver 
mochte. 
Dann erkundigte er sich nach dem Kinde, von dessen 
Geburt er vernonnnen, und so gab ein Wort das an 
dere, bis Doktor Albin über alles und jede» vollstän 
dig im Klaren lvar. 
Trotz der lebhaften Sympathie, welche er für den 
Grasen empfand, konnte er doch nicht umhin, das Vor 
gehen desselben in vielem zu tadeln. 37,16*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.