Blatt.
Zweites
^Uen-sburger M Wochenblatt
X r o. 2Ä8.
Sonnabend, den 10. Mober
18V«.
Emanzipation der Frauen täglich neues.
Das Allerletzte ist die Entführung
eines jungen Mannes. Herr Julian
Slaugther hieß der schüchtern errölhende
Bräutigam, Fräulein Anna Pickering die
zu Bridgeport ansässige Braut. Die Dome
ist jung, schön und reich, aber Herr Julian
leidet an einem Herzfehler und sein Herr
Papa hat dem 35jährigen Manne das
Heirathen untersagt. Zu Morristown in
New-Jersey wurde der junge Mann im
oälerlichen Hause unter der Obhut einer
Krankenpflegerin bewacht. Aber Fräulein
Pickering ivar auf der Lauer, und eines
Tages, nachdem der grausam-zärtliche
Schwiegervater in spe sich nach New-Aork
begeben, fuhr sie vor das Haus, ließ den
Bräutigam trotz des wüthenden Protestes
der Wärterin heraustragen, fuhr mit ihm
zu einem Geistliche» und wurde ohne
Verzug getraut. Der Herzfehler soll sich
schon jetzt bedeutend gebessert haben.
Oesterreich-Ungarn.
Von einem netten Früchtl berichten
Wiener Blätter aus Dürnkrut: Der
siebzehnjährige Ernst Erika, Sohn
eines Gastwirths, besuchte in Wien ein
Gymnasium und brachte stets die besten
Zeugnisse nach Hause. Sonnabend kam
er ivieder ins ellerlicke Haus zu Besuch
und begab sich kurz nach seiner Ankunst
auf den Hausboden, wo er sich eine Kugel
in die Schläfe jagte und todt blieb. Ein
zurückgelassenes Schreiben an seine Eltern
klärte das Motiv des Selbmordes auf.
Siika hatte seit drei Jahren das
Gymnasium nicht besucht, in Wien ge-
bummelt und ein Liebesverhältniß
unterhalten; die Zeugnisse, die er nach
Hause brachte, waren alle gefälscht
und von einem Kollegen ausgestellt. Da
sich dieser nun weigerte, die Fälschungen
fortzusetzen, machte Srika aus Furcht vor
Strafe seinem Leben ein Ende.
Inland.
Die gerichtl iche Eidesformel in
Plakatform ist eine neue Erscheinung
in, Kriminalgerichtsgebäude zu Berlin.
Während der Sitzungen der 146 Abtheilung
des Schöffengerichts erscheint am Kopfe
des gerichtlichen
schwöre bei Gott dem Allmächtigen und
Allwissenden, daß ich
die reine Wahrheit sagen, nichts ver
schweigen und nichts hinzusetzen werde.
So wahr mir Gott helfe." Dasselbe
Plakat prangt auf dem Zeugentisch, und
wenn ein Zeuge den Eid leisten soll, so
geschieht es nicht wie sonst durch Nach
sprechen der Worte des Vorsitzenden; dieser nehmigt wird. So Bitte Höflichs um Ant-
hat vielmehr die Form gewählt, den Zeugen wort wenn es Sein Kan» das ich doch
zu sagen: ^„Erheben Sie die rechte Hand nicht zu Lange rum irren thue."
* ‘ ' ‘ Pößneck, 5. Oktbr. Eine wunderbare
„Wahrnung" befindet sich auf einem Kar
Ausland.
Außereuropäische Gebiete. m u ^ ^
Amerika bringt die fortschreitende ^d'llsen Sie^laut'äb,"was'dM 'gedruckt
steht." In der Abtheilung werden Poti „ „ ļlUļ uu ,
zeiübertretungen verhandelt und wird etwa toffelfelde in der Nähe von Ranis. Die
fünszig Mal täglich geschworen. Da mag selbe lautet: „Das Ausrupfen oder Stehlen
wegen die neue Form der Ziegen und Gänß-Weiber auf meisten
Gruntstück seit der Blüde bis jetzt Cirka
.. „ „2 Centner Kartoffel. Ich beanthrage keine
nicht entgegen steht; eine andere Frage Bollizei Strafe ich werde mihr Mühe geben
der Zeitersparniß
der Eidesleistung
mal ihr 8 163
ganz praktisch sein, zu
der Strafprozeßordnung
der Termintafel ein Plakat, welches die in Danzig aus die Herberge
mit großen Buchstaben gedruckten Worte Nr. . . . und Habe Hier auch
Eides enthält: „Ich so Bitte ich Höflichs die Hochlöbliche
aber ist. ob der jetzt vielfach in die öffent
liche Debatte gezogene Eid vor Gericht
hierdurch au Ansehen gewinnt.
An den Magistrat von Berlin ist,
wie in dem neuesten Heft der Monatszeit
schrist „Brandenburgia" mitgetheilt wird,
von einem Bewohner der Stadt das sonder-
bare Ansinnen gerichtet worden, in einer
Berliner Straße die Hausnummer 13
ausfallen zu lassen, weil sie Unglück be
deute I Der Magistrat hat es natürlich
abgelehnt, hierüber bei dem Polizeipräsidium
vorstellig zu werden. Anders denkt man,
so wird weiter ausgeführt, über diesen
Aberglauben in Frankfurt a. M., wo das
Ausfallen der Hausnummer 13 gestattet
ist, ebenso in England und Frankreich,
der Schweiz und Italien, wo auf Nr. 12
Nr. 12 bi» und dann 14 folgt. Es geht
nichts über den Hokuspokus des Aber-
glaubens!
Daß die Polizei von manchen Menschen
auch als H e i r a t h s v e r m i t telun gs-
bureau betrachtet wird, beweist folgender
amüsante Brief, der dieser Tage aus Danzig
an die Polizeiverwaltung in Elbing ge
langte: „Ich Ersuche die Hochlöbliche
Polizei in Elbing in diese Sache da ich
in Verhöltniß mit die Olga N. N. Bin
und auch Willnns Bin, die Fräulein Olga
N. N. zu Heirathen und da ich auch gehört
Habe, daß Sie jetzt in Elbing sein soll,
So bitte ich Höflichst die Hochlöbliche
Polizei in Elbing, ob das nicht Sein Kann
da ich wo in oder Bei Elbing in Arbeit
Kommen kann, um da auch Bekannt zu
werden und denn auch mit die Freilein
Olga. Und da ich Bäckergeselle bin, So
Bitte ich die Hochlöbliche Polizei zu Elbing,
ob das nicht Sein kann, daß ich da wo
in Arbeit kommen Kann. Aber ich habe
So kein Reisegeld und Bitte Höflichs das
vielleicht derselbe Meister oder Herr das
reisegeld Schicken möchte und ich bin Hier
- - - gaffe
Schulden
Polizei zu Elbing, ob das Sein Kann,
nach bestem Wissen das ich da, wo nich All zu Schwer ist,
wo ich doch was verdiene. Und Bitte
Höflichs, ob das Sein Kann, das auch die
Freilein Olga Willens ist mir anzunehmen,
wenn ich da wo Arbeite. Da ich Schon
Par mal geschrieben Habe denn ich wußte
nicht wo Sie wahr und ob das Auch ge-
denselben zu Ertappen kleig an meinen
Gruntstück gehörig ap zu Straffen. Ihn
Peischen behäld ein jeder Grundbesitzer
sein Eigenthum, mehr Ordnung Ich habbe
mihr die Kartoffel theier gekauft Kauft
eich welche ihr fres Banthe ich meine die
Spitzbuben."
Von Strolchen überfallen wurde
in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag
der Strausberger Amtsdiener P u h l m a n n
auf einem Patrouillengange zwischen der
Stadt und dem an der Wriezener Chaussee
gelegenen „Gasthof zur Sappe". 8—10
junge Burschen griffen ihn hinterlistig an
und richteten ihn mit Messern derart zu,
daß er, aus vielen Wunden blutend, liegen
blieb. Sonntag früh starb Puhlmann.
Fünf von den Thätern sind bereits ver
haftet, es sollen dies Schuhmachergesellen
sein, die theils in Strausberg, theils in
Wittendorf arbeiten. Der Getödtete hinter-
läßt eine Frau und vier Kinder.
Leipzig, 9. Okt. Bei einem Frl. W.
hier wohnte ein Postsekretär, in den sich
die Schwester der Wirthin verliebte. Als
der Beamte von der Liebebedürstigkeit der
Damen wußte, zog er aus, und wird
seitdem in geradezu fürchterlicher Art auf
Schritt und Tritt verfolgt, bei seiner vor
gesetzten Behörde wegen angeblich sozial
demokratischer Umtriebe denuncirt u. s. tu.,
so daß P. wiederholt wegen Beleidigung
gegen die Damen geklagt hat. Wegen
Verdachts, in der Angelegenheit einen
Zeugenmeineid geleistet zu haben, sitzen
bereits ein Mädchen und zwei Frauen in
Untersuchungshaft, die Frau hat bereits
gestanden. Jetzt wurde das eine Fräulein
W. zu drei, das andere zu zwei Wochen
Haft verurtheilt, und Mcineidsprozesse
werden nachfolgen.
Wie kürzlich gemeldet, wurde einem
Schüler des Konservatoriums in Stuttgart
während seiner Ferienreise eine Gua rneri-
Violine im Werthe von 20000 Mk. aus
der Wohnung gestohlen. Der Dieb scheint
jetzt entdeckt Das königliche Landgericht
Stuttgart erläßt wegen Entwendung der
Geige einen Steckbrief gegen den flüchtigen
23 Jahre alten, verheiratheten Kaufmann
Wilhelm Janda aus Stuttgart.
Ein heiteres Mißverständniß ist
dieser Tage in einem Münchener Vororte
passirt. Dort kam in das Hans eines
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Des Icļjttriļts Sühne.
Roman von Hippolyte Montauban. S3
Frau von Montpont war weben von einer Spazier
fahrt nach Hanse zurückgekehrt. Der Graf teilte ihr die
Entführnngsgeschichte ausführlich mit; sie vermochte
das Entsetzlickie kaum zu fassen. Beide besprachen zusam
men alle Möglichkeiten, ftimniten aber endlich doch
darin überein, daß Adrian der Urheber sein müsse, daß
aber jedenfalls der Graf ihn beraten haben müsse.
Der Graf bat nun die Dame, durch die Freunde
Adrians, von denen sie ja doch einige kennen mußte,
wenn irgend möglich, denAusenthaltsort Adrians aus
zukundschaften. ocrtvaute ļ- ten Freunde Vervons sind der
älteste Sobn des Grafen von Charnicille und Gaston
v. Limans; ich werde sofort an beide schreiben; mein
Diener soll morgen früh die Briefe hintragen und die
Antwort mitbringen." Der Graf dankte rn warmen
Worten seiner alten Freundin und entfernte sich.
Am folgenden Tage schon -rh.elt er .». Lauft des
Morgens nachstehenden Brief: „Mein lieber Graf!
Leider hab- ich'nichts in Erfahn.ng bringen können;
der Sohn des Grafen v. Charnicille sowohl als Gaston
v. Limans sind verreist; beide scheinen zusammen sort-
gereist zu sein, wohin weiß man nicht. Der atte Herr
v.Charineille mutmaßt, daß sein Sohn eine alle Tante
in der Nähe von Manbenge besucht habe und daß lein
Freund Gaston ihn begleite. Eigentümlich dankt »nr
der Umstand, daß die beiden Freunde seit jenem Abend
nbtvesend sind, an welchem der Baron Aurora entfuhrt
bat. Rechnen Sic bald aus meine Hilfe; was in meinen
Kräften steht, werde ich nicht ermangeln zu thun. Vsh
beklage Sie ans ganzer Seele, armer Freund, und suhle
Ihren Schmerz mit Ihnen. Ihre alte Freundin Mar
quise v. Montpont." ,
Dieser Brief seiner alten Freundin bereitete dem
Griffen eine neue Enttäuschung; unwillkürlich fragte
er sich wieder, ob nicht doch etwa seine Frau bei der
Entführung Auroras die Hand mit im Spiele gehabt
haben könne, und Gabiron bestärkte diesen Verdacht,
indem er die Frage auswarf, ob die entlassene Erzieherin
vielleicht um den Aufenthalt des Fräuleins ivisse.
Der Geheimpolizist beschloß, sich Gewißheit zu ver
schaffen und begab sich morgens um zehn Uhr nach der
Davys-Straße. „Wohnt hier Frau Durand?" fragte
er die Portierin des Hauses Nr. 6.
„Jawohl!"
„Ich wünsche sie zuspreche», da ich ihr eine Mit
teilung machen muß."
„Nicht möglich."
„Ah, ist sie ans? Wird sie bald wiederkehren?"
„Das weiß ich ebenso wenig wie Sie. Kommen Sie
heute abend ivieder oder morgen. Fra» Durand hat
die letzte Nacht nicht im Hause zugebracht und das ist
ihr noch niemals geschehen, seit sie bei uns wohnt.
Gestern um zwei Uhr nachmittags ist ein altes, blatter
narbiges, häßliches Baueruwcib hier vor dem Hanse
aus einem Wagen gestiegen und hat nach Madame
Durand gefragt; nach einer haben Stunde sind sie dann
zusammen wieder die Treppe herabgekommen, Frau
Durand ist mit der Fremden fortgefahren und seither
habe ich nichts von ihr gesehen oder gehört."
Gabiron verriet mit keinem Laut, wie lebhaft ihn
diese Nachricht interessiere. „Gut, ich werde wieder
kommen."
„Will der Herr mir nicht seinen Namen nennen,
damit ich Frau Durand denselben mitteilen kann, wenn
sie wiederkommen sollte?"
„Nicht nötig, ich habe nicht die Ehre, die Dame zu
kennen. Ans Wiedersehen, Madame." Und Gabiron trat
hinaus ans die Straße.
„Schon wieder ein Frauenzimmer, das verschwindet.
Es ist wirklich rätselhaft," inurinelle er vor sich hin.
Er fühlte sich jedoch verpflichtet, dem Grafen hiervon
Mitteilung zu machen. Fünf Personen verschwunden,
nein sechs: Aurora, daun der Baron v. Vervon, zwei
seiner Freunde, darauf der Graf v. Sa» ;ac, und nun
gar noch die Erzieherin! — Mar das nicht befremdend?
37.
Wir haben die Gräfin von Lasson verlassen, wäh
rend sie sprachlos, von Schrecken gelähmt, Herrn von
-Mt Lerbrentenversicherung zur Erhöhung des Einkommens, besonders auch zur Ablösung von
Abnahmen, Altcntheilc.r und dergl. Kapitalvcrsicherung (für Aussteuer, Militärdienst,
Studium). Sparkaffe. Gezahlte Rente» 1895: 3 440 000 m Vermögen: 95 Mill. Md
Prospekte und nähere Auskunft " " >-
bei Hern
Ylte vtenten 1895: 3 440 000 Mk. Vermögen: 95 Mill. Mk.
Heinrieli Speck in Mintn. Sntnnit. 418.
«8iuemsaejuäMraiaHx am——— — , - - 1 .....
Şanzac anstarrte, welcher aus der Schwelle des Ge
maches erschien, in welches Frau Cocasse sie geführt.
Dieser hatte die Thür hinter sich geschlossen, und
loar ganz nahe an die junge Frau herangetreten, seine
glühenden Blicke ans sie richtend.
Da fand sie mit einem Male ihre ganze Entschlossen
heit wieder; stolz richtete sie sich empor, um sich vor
einer Gefahr zu schützen, tvelche sie bis nun noch nicht
gekannt.„Elender,erbärmlicher Verrat," riefsiemit zorn
bebender Stimme, „jetzt verstehe ich alles. Eine Falle
ist's, die mir gelegt wurde, und ich bin thöricht ins Netz
gelaufen. Was wollen Sie von mir, mein Herr! Herab
mit der Maske, zeigen Sie sich doch endlich so, wie Sie
wirklich sind, in Ihrer ganzen Erbärmlichkeit."
Ein sonderbares Lächeln umspielte die Lippen des
Grafen, er trat noch näher an die Gräfin heran, diese
wich zurück.
.„Ich war ans diesen Zorncsausbruch gefaßt," sprach
er, ftet-s mit dem gleichen Lächeln, „er überrascht mich
mithin gar nicht. Doch gestatten Sie mir zu bemerken,
daß Sie Unrecht daran thun, sich von Ihre»! Zorne
hinreißen zu lassen. Die Gräfin von Lasson weiß recht
wohl, daß sie von mir nichts zu befürchten hat, daß ich,
lveit entfernt, ihr Böses zufügen zu wollen, mich glück
lich schätzen würde, mein Blut für sie zu vergießen."
Die junge Frau zuckte verächtlich die Achseln.
„Ich hade allerdings eine List angewandt, um Sie
hierherzulocken," fuhr er fort, „und ich leugne gar
nicht, daß mich das Gelingen derselben befriedigt."
„Ach, eine innere Stimme sagt eS mir, daß man
in dieser Wildnis, in diesem entlegenen, einsamen Hause
meine Tochter eingekerkert hat.
.„Ja, Ihre Tochter ist hier; der Brief, welchen Sie
erhielten, er war wirklich von ihr. Sie sehen mithin,
daß man Sie nicht gänzlich täuschte."
„Und Sie — Sie, der Graf v. Sanzac, haben sie
geraubt. Nun, so haben Sie doch lvenigsteiis den Mut,
dieses einzugestcheil."
„Nun je denn; auf meinen Befehl wenigstens ist
diese Eistführuug in Scene gesetzt worden."
»Und zu welchem Zlveck?
. „Später werde ich in der Lage sein, Ihre Frage
niit aller Ausführlichkeit zu beantworten; für den Mo-
ment genüge Ihnen zu wissen, daß ich im Interesse
mehrerer Personen gehandelt habe, in dem Ihren. m
demjenigen Ihrer Tochter und des Baron v. Vervon."
„Und in dem Ihren, ohne Zweifel?" bemerkte die
Grüfili mit beißender Ironie.
„Indem ich mich mit dem Glücke anderer befasse,
fördere ich das meine."
„Ich will den Versuch nicht wagen, Ihre Absich
ten zu erraten, doch Sie werden sich gezwungen sehen,
anderen Rechenschaft abzulegen! Meine Tochter hal mir
geschrieben, meine Tochter hat nnch gerufen, mein Herr!
Werde ich sie sehen? Räumt man mir das Recht ein,
sie zu sprechen?"
„Das hängt von Umstäîlden ab!"
„Wieso? Wozu wäre ich denn sollst wohl hier, niein
Herr?"
„Das sollen Sie ans unserem Gespräche erfahern."
„Nun, so reden Sie, ich höre!"
„Was wir uns zu sagen haben, dürfte lätigere Zeit
erhelschen; ich fordere Sie auf, Platz zu nehmen!"
„Ich bin nicht müde!"
„Nun da ich mir keinen Mangel an Höflichkeit zn
schulden kommen lassen will, so bleibe auch ich stehen.
Fräulein von Lasson, welche unter meiner Obhut hier
in diesem Hause weilt, ist ein reizendes Mädchen, und
ich bm weit entfernt, sie anzufeinden. Trotz aller Für-
sorge, mit welcher man sie umgiebt, kann sie sich hier
m dieser Einöde nicht so behaglich fühlen, wie in ihren
eleganten Räumen am Boulevard Haußmann. Es steht
mithln außer Frage, daß sie, gezwungen länger zu ver
weilen, sich hier langweilen würde. Das will ich nicht,
ri» Gegenteil, ich möchte ihr so rasch als möglich ihre
Freiheit wiedergeben."
„Unter welchen Bedingungen?" forschte die Gräfin
mißtrauisch.
„Es bestehen deren mehrere; vl» allem muß ich ihr
Glück gesichert wiffen."
„Ich verstehe nicht.. .*
«Sie sollen sogleich verstehen lernen!" 37,18*