|. Gegen
osten ab»
Bc 14.
èaschcn'
r 649.
von
chel
>t.
teur.
-ff..
sind zu
avillon
o;e.
stich zu
le-fcra.
'chcribl.
Ide,
rer,
ember)
Aus-
^ Zeit
nechte.
e con-
1
Eolbe,
jt.
lung
l.
zum
eierei
ochbl.
en
chaft,
stiges
Be.
liches
Etg.
rden.
nung
des
nuna
68.
ifrei.
ll.
ernen
'tage)
n.
3.
63.
f
orne.
1/15,
ls.
4.
r
I,_L
us 6
e.
l
nebst
s.
: die
tigeS
selbst
von
se.
: ein
4k
it
c.
in 1.
7,
r
tage.
■6.
Erscheint tägtich.
Meudsburger
Wocheablà
Bezugspreis:
Lierldjährlich 2 J(.—, frei ins Haus gdiejert
2 ^ 15 ch
für Auswärtige, durch die Post bezogen
2 Jt 25 è>
ted. Postprovision rc., jedoch ohne BcheLgeld.
JņscrtionSpreiS: pro Penlzeile 15 Ķ
Wo. 234.
Bei Betriebsstörungen
irgend welcher Art ist die rcgelmässtge Lieferung
dieses Blattes vorbehalten.
Anzeigen für die Tagesnummer werden dis 12 Uhr Mittags erbeten, wà ^ sà d°,
Blatt „Mode und Heim" gratis beigegeben.
Aeltestes und^ gelesenstes Klatt îrn Kreise Kendsbnrg.
lgesnummer werden bis 12 U
8Sster Jahrgang.
3000 Abonnenten.
Dienstag, den 6. Hctober
1896.
Morgen-Depeschen.
Berlin, 5. Oct. Wie die „Post" hört,
har heute Herr Dr. Schröder > Poggelow
an den Reichskanzler Fürsten Hohenlohe
ein Schreiben gerichtet, in dem er ihn
bittet, seinen Austritt aus dem Kolonial
rath zu genehmigen, da es ihm nicht mehr
möglich sei, sich an Berathungen des
Kolonialraths unter Vorsitz des Ministerial
direkiors Kayfer zu betheiligen.
Berlin, 5. Oktbr. Gestern Nachmittag
hat im Zoologischen Garten anläßlich des
Delegirtentages der nationalliberalen Partei
ein Festmahl stattgefunden. Die Reihe
der Toaste eröffnete Dr. Osann mit einem
Trinkspruch, in welchem der Kaiser als
der Träger des Einheitsgedankens gefeiert
wurde. Dr. Krause brachte einen Toast
auf den Großherzog von Baden aus,
Oberbürgermeister Kügler-Worms trank
auf das Wohl des Fürsten Bismarck. — Auf
ein Huldigungstelegramm an den Kaiser
lief heute Nachmittag eine Dankdepesche
des Kaisers ein; auch der Großherzvg von
Baden und Fürst Bismarck sandten auf
die an sie gerichteten Ergebenheitstelegramme
telegraphisch ihren Dank.
Berlin, 5. Okt. Bei der Konfiskation
der anarchistischen Wochenblätter „Sozialist"
nnd „Armer Konrad" sind auch die Ge
schäftsbücher des Verlegers beschlagnahmt
worden. Als neues Agitationsmittel
werden von anarchistischer Seite Bilder
vertrieben, mit dem Titel „Ein Abend in
der Gewerbeausstellung oder der Polizei-
kommissar" in Nöthen.
Loudon, 5 Oct. In der Nähe von
Garftang wars der Wind einen der
Pfosten um, die in regelmäßigen Abständen
längs der Bahnlinie die Entfernungen an
zeigen. Der Pfosten fiel auf das von
dem Zuge des Kaisers von Rußland nicht
benutzte Geleise. Er war schon vor dem
Passieren des kaiserlichen Zuges bei Seile
geschafft.
Cherbourg, 5. Oct. Die Einfahrt des
Geschwaders mit dem Zarenschiff „Polar-
stern" in den hiesigen Hafen erfolgte soeben
bei wolkenlosem Himmel.
Cherbourg, 5. Oct. Zehn Minuten vor
2 Uhr kündigten Kanenschüffe das Er-
scheinen des Geschwaders an. Die Schüsse
dauerten sort, bis das Geschwader vor dem
Arsenalhasen erschien. Allen Schiffen voran
fuhr der „Polarstern". Der „Standard"
blieb vor dem Arsenalhafen liegen, ebenso
die escortirenden Panzerschiffe. Auf dem
Vorderdeckdes „Polarstern" waren Matrosen
und Kadetten mit einer Musikkapelle auf
gestellt. Der Kapitän und die Offiziere
standen in Parade-Uniform auf der
Kommandobrücke. Vor dem Eingang in
die kaiserlichen Salons standen zwei Leib
kosaken. Der „Polarstern" fuhr langsam
ein; Fanfaren auf der äußersten Hafen-
front begrüßten ihn. Ein kleiner Dampfer
schlepper zog die Dacht zur Landungsstelle,
welches Manöver eine halbe Stunde
dauerte. Während dessen herrschte tiefes
Schweigen. Die Dacht lief derartig auf
der Landungsbrücke an, daß die Schiffs
treppe zerbrochen wurde. Das Krachen
des brechenden Holzes rief einige Auf
regung hervor. Sofort wurde eine neue
Treppe gezimmert, was wieder eine halbe
Stunde beanspruchte. Während alle
dem blieb der Zar unsichtbar. Der
Präsident der Republik, der den Groß-
kordon des Andreas < Ordens trug, begab
ich nun aus die Dacht, gefolgt von dem
Chef des Protokolldienstes, dem Minister
des Aeußern, der Diplomaten - Uniform
trug, dem Marineminister und zahlreichen
Offizieren. Als der Präsident das Schiff
betrat, erschien der Zar mit der Zarin im
kaiserlichen Salon.
Nach einer Meldung der Blätter ver
haftete die Polizei einen österreichischen
Unterthanen, in dessen Koffer ein Stemm-
eisen, ein Revolver und Blausäure gesunden
wurden. Der Mann wurde später wieder
reigelaffen. — Ein Zollwächter fand auf
einem Vorsprung eines Brückenpfeilers der
Eisenbahn in der Nähe des Kriegshafens
einen bombenähnlichen Gegenstand.
Wie die Behörden erklären, enthielt er
Pulverpatronen und war gänzlich unge
fährlich.
Wien, 5. Oct. Großes Aufsehen erregt
in hiesigen Geschäftskreisen die V e r h a f -
tung eines Chefs der Großhandlungs-
firma Fratelli de Maje. Die Geschäfts
räume sind behördlich gesperrt worden,
weil die übrigen drei Chefs flüchtig ge
worden sind. Die Firma, welche einen
ausgedehnten Handel mit türkischen Artikeln
unterhielt, soll stark verschuldet sein.
Dux, 5. Oct. Auf fast allen Schächten
des hiesigen Reviers haben die Ausständischen
die Arbeit bedingungslos wieder ausge-
nommen; in Brüx jedoch beharren die
Arbeiter noch im Ausstande.
Rotterdam, 4. Oltbr. Die Anarchisten
Wallace und Haines mußten freigelassen
werden, weil die Auslieferungsverträge
das Verbrechen der Bomben - Erzeugung
nicht vorsehen ! Wallace und Haines wer
den via Hamburg nach Amerika zurück
kehren.
Buluwayo, 5. Oktbr. Gestern explo
dirte hier das Pulvermagazin. E
sind etwa 25 Personen getödtet, darunter
5 Weiße, außerdem mehrere schwer ver
letzt. Gewaltige Felsblöcke haben sich los
gerissen, die Häuser sind stark erschüttert
und die Straßen mit Trümmern bedeckt.
Die Bevölkerung unterstützt die Verwun
deten. Das Gefängniß und die Stadthalle
sind zu Hospitälern benutzt.
Musland.
Auhereuropiiische Gebiete.
New-Dork, 5. Okt. Bryan setzt seine
Reise durch den Süden fort, wo er überall
sehr lebhaft begrüßt wird, doch machen
ich bei ihm Anzeichen von Erschöpfung
bemerkbar. Jede der beiden sich gegenüber
stehenden Parteien rechnet sicher auf den
Erfolg.
Frankreich.
Paris, 5. Okt. In der ganzen innern
Stadt war anläßlich der Zarenankunft
gestern Nachmittag eine außerordentlich
große Menschenmenge auf der Straße,
besonders in den Champs Clysöes war
ein Vorwärtsbewegen kaum möglich. — Auf
Antrag des Syndikus der Wechselmakler
hat der Finanzminister beschlossen, daß die
Börse Dienstag geschloffen bleibt.
Oefterretch-UngKra.
Wien, 5. Okt. Die gestrige erste Auf
sthrung von Smetana's komischer Oper
Die verkaufte Braut" im Ho
oper n-T h e a ter fand eine enthusiastische
Aufnahme. Das Haus war von einem
glänzenden Publikum dicht besetzt; in der
Hofloge saß der Erzherzog Eugen,
den Applaus des Publikums mischten sich
die stürmischen „V>borià"-Rufc (Bravo)
der in Massen erschienenen Czechen. Diese
demonstrirten lärmend während des ganzen
Abends, und nach dem populären Ducaten-
Duett im zweiten Akt brausten minuten
lange Beifallsstürme durch das Haus.
Die Czechen konnten ihrer Begeisterung
keinen Einhalt thun, und für den Sieg
ihres Landsmanns entfesselten sie einen
in den Räumen der Hofoper schon lange
nicht erlebten Lärm. Das ganze Publikum
wurde von diesem Enthusiasmus mitgerissen.
Die Szene mußte wiederholt unterbrochen
werden. Die Darstellung durch die Damen
Mark und Abendroth nnd die Herren
Schrötter und Hesch in
war mustergiltig, die
Szenirung glänzend.
den Hauptrollen
Ausstattung und
Inland.
Berlin, 5. Oct. Der jüngste Sohn
des Kaiserpaares, Prinz Joachim, ist
gestern erkrankt, so daß die Kaiserin
ihre Reise nach Hubertusstock vorläufig
ausgegeben hat. Der Prinz erwachte am
gestrigen Sonntag > Morgen mit Hals
schmerzen und Fieber, was die Kaiserin
so beunruhigte, daß sie, obwohl der Sonder-
zug schon bereit stand, von der Reise im
letzten Augenblick Abstand nahm. Das
Befinden des Prinzen hat sich indeß heute
gebessert. Die Kaiserin beabsichtigt, sich
morgen (Dienstag) noch nach Hubertusstock
zu begeben, doch ist eine definitive Ent
scheidung noch nicht getroffen worden
— Beim Kaiser waren am Freitag
der kommandirende General Finck von
Finckenstein und Oberpräsident von
Bismarck in Rominten als Gäste ge
laden. Es verlautet nach der „Voss.
Ztg.", daß die Börseng arten-Affäre
zur Sprache gekommen sei; Landeshaupt
mann vonBrandtwar gleichfalls geladen
Gegen Zwangsinnungen hat sich
Fürst Bismarck erklärt. Der „Hamb.
Korr." erinnert daran, daß Fürst Bis
marck im April vorigen Jahres bei dem
Gratulativnsempfang der Innungen klipp
und klar erklärt hat: Wir können Zwangs
Innungen heut zu Tage nicht mehr
in die Wirklichkeit bringen.
— Wie zuverlässig verlautet, soll der
preußische Landtag kurz nach dem
Zusammentritt des Reichstages Mitte
November einberufen werden.
Berlin, 5. Octbr. Die Delegirtcn der
nationalliberalen Partei traten
gestern zur zweiten Sitzung zusammen.
Ueber die Gesetzgebung im Interesse des
gewerblichen Mittelstandes, insbesondere die
Handwerks-Organisation und die Regelung
des Lehrlingswesens, erstattete Geh. Hof
rath Prof. Dr. Meyer > Heidelberg einen
eingehenden Bericht und befürwortete die
Resolution des Central - Vorstandes. An
dieses Referat knüpfte sich eine lebhafte,
dreistündige Debatte. Bei der Abstimmung
wurden die Anträge, von der Zwangs-
organisation einen Theil zu
retten, a b g e l e h n t und die Resolu-
tion des Centralvorftandes mit großer
Mehrheit genehmigt..,-
rws-KHüßu. .isnwixe r-
Des IeyMitts Snßns.
Roman von H i p p o l y t e M o II t a u b a n. 30
Der Mann, welcher in Colibris Wagen saß, sprang
zur Erde und öffnete das Thor. Langsam fuhr mm
der Wagen eine düstere Allee entlang, bis vor das
Wohnhaus, von dem man zwei Fenster beleuchtet sah.
Die Bewohner des Hanse? hatten den Wagen offen
bar erwartet, denn die Hausthür wurde sofort geöffnet
-lud ein Manu mit einer Laterne erschien auf der Schwelle.
Der Insasse des zweiten Wagens, in welchem loir
den Grafen v. Sanzac wieder erkenne», ging sofort ans
de,: Mann mit der Laterne zu. „Ich sehe, daß Sie uns
erwartet haben."
„Seit drei Tagen."
„Wo ist die Pockennarbige?
„Sie schließ t dcn Thurm ans, doch kann sie nur die
obere Tbür offnen, das Gehennnw des OeffnenS der
Unteren Thür haben Sie uns nicht
„Weil ich es selbst nicht kenne. Hat Dem Weib alles
gethan, wie ich es ihr befohlen?"
„Ja wohl."
„Dann ist der Käsig also bereit?
„Ja, bis auf Raum und Licht wäre er gar nicht so
"Inzwischen hatte Colibri sich zu Lork gesellt, beide
harrten der Befehle des Grafen; dieser niawte emÄ
chen und verbarg sich hinter einem Baumstamm,
von dem jungen Mädchen nicht gesehen zu werden. .
Der Wagenschlag wurde geöffnet und Aurora sa-rea
aus der Betäubung empor, in ivelche sie versallen war;
bei,,, Anblick der ihr vollständig fremden Männer stieg
sie einen lauten Angstschrei aus.
„Nun, Fräulein," sprach Lork mit rauher Stimme,
„wir sind an Ort und Stelle, Da Sie vermutlich nickst
dir Nacht im Wagen zubringen wollen, bitte ich. '»‘J;
m folgen " Das arme Mädchen drückte sich ängstlich
tu die äußerste Wagenecke.
„Wir müssen Gewalt brauchen," murmelte Lork, zu
Kolibri geivandt; er stieg in den Wagen und saßle den
îîrm des Mädchens.
was »volle» Sie von mir?" rief „Geh' zil Deinem Kameraden, draußen an, Ei'en
list er." sprach der G a> zu Lork, „ich liabe now mit
Cocasse zu reden, folge Dir aber in zehn Minuten."
Lork that. wie ihm geheißen, während ' Cocasse und
sein Wem dir Befehle des Grase» cntgegcmiamneil.
Sic sollen da? nur e Mädchen kehr rücksichtsvoll
bchmdeln; das Weib sib als ihre Dienerin ansehen,
nnd liebevolle Fürsorge für ihre junge Herrin an den
„Lassen Sie mich;
Aurora.
Komm mir her, mein Täubchen!" und ohne weitere
Ui'istäilde faßte Lork das Mädebeii um die Mitte und
schleppte es ans dein Wagen heraus.
Ans ein abermaliges Zeichen des Grasen steckte man
ihr nun gewaltsam einen Knebel in den Mn d, u»i sie
am Schreien zu verhindern und trug sie in das Hans.
Aurora regte sich nicht mehr, das Haupt ivar zurückgc-
sunke», sie >var ohnmächtig.
Der Mann mit der Öaiente, Cocasse, schritt voran.
Durch mehrere Zimmer schreitend, gelangten sie end
lich in einen mittelgroßen Raum, tvelcher, seit Jahren
unbewohnt, zugleich als Wohn- und Arbeitszimmer
gedient haben mochte.
Ans dem Kaminsimms stand eine kunstvoll gearbei
tete antike Brouce-Uhr. Alle Zeitungen nnd Bücher
lagen umher; die Damastmöbel waren verblaßt; durch
eine schmal- Oeffnung gelangte man von diese»! Ge
mach in einen erke, artigen, finsteren Nauni, in welchem
ein Bett und ein Stuhl stand und der nur durch das
andere Gemach erhellt wurde.
Die würdige Gattin des Cocasse befand sich in die
sem Gelasse; bei dem Geräusch der herannahenden
Schritte wandte sie sich hastig um. „Ist six tot?"
forschte sie, ans das blaffe Antlitz Auroras weisend.
„Ich iveiß nicht, so viel aber steht fest, daß sie sich
nicht rührt." entgegnete Lork. * ' 1 *
„Legt sie auf's Bett."
Lork beeilte sich, dem Geheiße Folge zu leisten
Das Weib trat nun ganz nahe derbe, und stieß ei-
nen Ras der Ueberraschnng aus: „Wie hübsch sie ist "
„Das geht Dich nichts an." brummte Cvcaffe.
„Starre sie nicht so an, Hits lieber, sic wieder zum Be
wußtsein zu erwecken.« Nach einigen Minuten schien
denn auch thatsächlich wieder Leben in den j«»aen Kör
per z» kommen; sie begann sich zu regen.
„So, jetzt lassen wir sie allein: rasch, kommt'"
Sie ließen das Licht in dem Gemach, schlossen sorg
fältig die Geheimthür und gingen in die ebenerdigen
Näuinlichkeite», wo der Graf ihrer bereits harrte.
««rawKSBs iKsuvzammuim
Tag leg-'a.
Nachdem der Gra
dem Weib ein
ras einsame
Goldstück in die
Hans und suchte
Hans g-'drückt, verließ er
seine Mitschuldigen ans.
„Wir haben hier nichts mehr zu suchen, laßt uns
nach Paris zurückzukehren. Du,.Colibri,.sollst mich şah-
rcn; was aber saugen wir mit dem anderen Wage» au?"
„Lork könnte ihn morgen samt den Pferden ver-
kaiisen, und den Erlös einstecken."
„Um gewisi der Polizei in die Hände zu laufen.
Einfaltspinsel. Nein, Lork, auch Du mußt nach Paris
zurückkehren, und dort in einer von hier recht entgegen
gesetzte» Richtung, Wagen und Pferde sich selbst über
lassen ; zu allem lleberflusse kann mau noch im Wagen
kitten Zettel mit dem Namen der Eigentümerin liegen
lassen." Aurora war in einem der beiden Seiteutürme
eingesperrt worden, ivelche dem Han je einen sestungs-
artigen Anstrich verliehen; der eine dieser Türme, je
ner, in welchem Aurora sich befand, hieß der Falken-
turm, der andere ivurde der Damenturm genannt.
Einige Minuten, nachdem Aurora uub das Ehe
paar Cocasse das Gemach verlassen hatten, schlug Au
rora die Augen auf. Entsetzt um sich blickend, richtete
sie sich empor.
„Wo bin ick? O, mein Gatt, wo bin ich?" klagte sie.
Der düstere Raum übte einen nuheiinliche» Ein
druck ans sie ans. Sie sprang von ihrem Lager, sie ta
stete an der Wand umher, doch der schmale Eingang
in das Nebengeiiiach war von den Unholden so geschickt
geschlossen worden, daß auch nicht der leiseste Finger
zeig daraus hinwies, man könne da hinatts.
Aurora begriff, daß sie eingesperrt sei; aber wes
halb ? von wem ? zu welchem Zweck? Sie gedachle ih-
Die heutige Sitzung begann bereits um
9 Uhr Vormittags. Reichstags- und Land
tagsabgeordneter Dr. Friedberg-Halle a. S.
erstattete einen eingehenden Bericht über
das Thema: „Abwehr rückschrittlicher Be
strebungen auf dem Gebiete von Kirche
und Schule." Der Referent befürwortete
den Resolutionsantrag desCentralvorstandes,
der nach längerer Debatte angenommen
wurde.
Ueber die Währungsfrage referirte
Geh. Con'merzienrath Dr. v. Oechelhäuser-
Dessau. Der Parteitag stimmte dem Re
solutionsantrag des Centralvorstandes zu:
Die uationalliberale Partei tritt ein für
die Aufrechterhaltung der be-
währten Reichsgoldwährung."
Zuletzt wurde die vom Vorstande vor
geschlagene Resolution angenommen. -
Dieselbe lautet folgendermaßen:
Der nationalliberale Delegirtentag
hält es unter den gegenwärtigen politi-
schen Verhältnissen für besonders noth
wendig, die alten Grundsätze zu betonen
Das Vaterland über der Partei; das
allgemeine Wohl über allen Sonder
interessen; Unabhängigkeit nach rechts
und links wie gegenüber der Regierung;
volle Wahrung der konstitutionellen
Rechte; Bekämpfung jedes Rückschritts
und beharrliches Streben nach stetiger
Fortentwickelung aller Einrichtungen des
öffentlichen Lebens; entschlossene Ver
tretung alles dessen, was die Macht und
Sicherheit des Reiches und der Schutz
des Deutschthums gegen Uebergriffe und
Anmaßungen, sei es von welcher Seite
immer, fordert; kräftiges Eintreten für
alle berechtigten Wünsche und Beschwerden
des Volkes.
Die nationalliberale Partei bewahrt
auf wirthschaftlichem Gebiete ihren
Charakter als Mittelpartei und muß
daher Forderungen zurückweisen, welche
in einseitiger Berücksichtigung der Inter
essen eines Berufsstandes andere für den
Staat gleich wichtige Berufsstände em
pfindlich zu schädigen oder die Grund
lagen unserer Volkswirthschaft umzu
stoßen geeignet sind. Derartigen Bestre
bungen entgegenzutreten, erachtet die
nationalliberale Partei für ihre Pflicht,
aber ebenso für die Pflicht jeder das
Staatswohl allein zur Norm nehmenden
Regierung.
Es waren etwa 500 Delegirte aus 181
Reichstagswahlbezirken anwesend.
An den nationalliberalen Partei-
res Vaters, ihrer Mutter, ihrer Erzieherin, auch des
Baron v. Be won. Sie iah sich im Geiste für iinm.-r ge
trennt veil jenen, ivelche ihrem Herze» teuer lva en
mid in ihrer Verzweiflung schien ihr der Tod weit er*
wümchter, als hier lebendig begraben zu verschmachten.
Schluchzend sank sie ans den einzigen Stuhl, weiden
ihr Gefängnis enthielt. Sie klagte, sie weinte, sie betete,
sie rief „ach ihrem Vater.
So mochten zehn Minuten etwa vergangen sein, da
vernahm sie leiies Geräusch, gewahrte sie, wie plötzlich
die vermeintliche Mauer auseinauderivich. sah sie° die
Gestalt einer Frau wie aus dem Baden gewachsen vor
sich erstehen. „Ein Weib," murmelte sie.
Es war Frau Cocasse, ivelche ihr Spei'-e brachte.
Diese bestand in einer Tasse Bouillon und einem Stück
Fleisch. Regungslos, mit gekreuzten Armen musterte
Aurora die Fremde. Sie möchte fünfzig Jahre zählen,
war klein und von geradezu abschreckender Magerkeit;
ihr Antlitz war von Blatternarben entstellt, die'Augen
waren gtanzlvs, der Mund wies nur einzelne große
Zähne auf.
Trotz dieser abschreckenden Häßlichkeit des Weibes,
empfand Aurora keine Furcht. „Liebe Frau, sageit Sie
mir, von wem wurde ich hierhergebracht?" forschte sie. ,
„Bon einer Person, deren Namen ich Ihne» nicht
nennen dars."
„Wie weit sind ivir von Paris?"
„Ettoa vier Meilen."
Weshalb hat man mich denn hierhergebracht."
„Wie ich vermute, will man Ihren Vater zwingen,
za einer Verbindung sein Jawort zu geben, welche,
derselbe abhold ist."
„Aurora horchte gespannt auf und das Weid be
merkte es.
„Ihr Geliebter hat einen vertrauten Freund, der
auch ^hnen wohl will; dieser nun hat es sich in den '
Kops gefitzt, Ihre» Vater zu zwingen, daß er seine Ein« '
will,gang zu Ihr» ehelichen Verbindung gebe. Des-,
halb allein sind Sie hier. Sie sehen also wohl, daß Sie
nichts zu befürchten haben, und es sich einzig und allein i
u»> Ihr Glück handelt.« 37.16* \