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Wo. 223.
Mittwoch, öen 23. September
1896.
Morgen-Depeschen.
Berlin, 22. Sept. Der Entwurf der
tikuen Militärstrafprozeßordnung unterliegt,
ivle die „Staatsbürgerztg." hört, gegen
wärtig in, Kriegsministerium einer noch-
'Eigen Durchsicht. Der Grundsatz der
Mündlichkeit wird, wie das Blatt weiter
"'iährt, ohne jede Einschränkung zur An-
krkenniing gelangen, dagegen wird die
àssenttichkeit durch die Rücksicht aus das
wilitärische Interesse beschränkt sein. Be-
«ussmäßige Civilvertheidiger bleiben nach
>vie vor ausgeschlossen, ebenso bleibt dem
Kaiser als dem allerhöchsten Kriegsherrn
das Recht der Urtheilsbestätigung vorbe
halten. Bezüglich des Vorverfahrens
sollen zu Gunsten des Angeklagten im
wesentlichen dieselben Cautelen geschaffen
werden, wiê sie der Civilstrafprozeß nach
Annahme der dem Reichstage vorliegenden
Novelle enthalten wird. Aus diesem
Grunde wird der Entwurf auch erst nach
Erledigung jener Novelle dem Reichstage
zugehen.
Berlin, 22. Sept. In der Nachmittags-
Ichuiig des Internatianalen Frauen-
^llgressxz wurde die Zulassung der
»rauen zum Studium behandelt. Frau
w Preuschen-Berlin beklagte die Schwierig
st des Studiums der Schönen Künste.
Fräulein Dr. Schirmacher-Paris erwartet
wgensreiche Folgen von dem Universitäts
şiudiun, der Frauen und ermahnte die Eon
^witglieder, in den Reformvorschlägen
,'wt die natürliche Stellung des Weibes
mgeiiüber dem Manne zu vergessen. Frau
crajewska aus Bosnien gab ein Bild
ihres dortigen Wirkens als Aerztin.
Berlin, 22 Septbr. Der internationale
nranenkongreß beschäftigte sich heute zu
wichst mit der Kleiderreform, und es wurde
wkauulen Bühnenkünstlerinnen empfohlen,
wit der Reform den Anfang zu machen.
Dann mm be die Sittlichkeitsfrage erörtert
und ein Appell an die Frauenvereine aller
winder gerichtet, auf dem Petitionswege
. eine Reform der Sittlichkeiisgesetze
""Zutreten. An dieser Diskussion betheiligte
sich >l. A. auch Oberstlieutenant v. Egidy
•V'etite Boriuitļag unternahmen etwa 100
Wheilnehiuer am Kongreß eine» Ausflug
uuch Marienfelde und Friedenau zur Be-
slchtiguug einiger Jnstituie.
Berlin, 22. Sept. Noch in dieser
wwche werden die sozialdemokratischen
Frauen zwei Versammlungen abhalten, i»
denen die Gründe, die sie vom inter
nationalen Frauencongreß fernhalten, aus-
führlich debattirt werden sollen. An
die Theilnehmerinnen des internationalen
Franencongresses sollen besondere Einla
dungen zum Besuche dieser Versammlungen
ergehen.
Berlin, 22. Sept. Die Aeltesten der
Berliner Kaufmannschaft haben auf Antrag
aus Interessentenkreisen beschlossen, den
Handelsminister um die schleunige Veran-
lassung von Schritten bei der russischen-
Regierung zu ersuchen, um diese zur Zurück-
nähme der neuesten Zollmaßregeln oder
doch mindestens zum Zugeständniß billiger
Uebergangsbestimmungen zu bewegen.
Hamburg, 22. Sept. Dem „Corresp."
zufolge haben in der Angelegenheit des
Schiedsspruches über die Delagoabahn die
beiden Sachverständigen dem Gerichtshöfe
eine Liste von Namen überreicht, aus
welcher ein dritter Sachverständiger berufen
wird. Ende August begiebt sich einer der
Sachverständigen nach der Delagoabai.
Der Bericht wird im November erstattet
werden. Bald darauf erfolgt dann der
Schiedsspruch.
Stettin, 22. Sept. Der Anarchist
Machner aus Mainz, ivelcher gestern hier
verhaftet wurde, ist heute wieder freige
lassen worden.
München, 22. Sept. Aus Berchtesgaden
wird gemeldet, daß daselbst zwei Touristen,
der Bankadjunkt Lindner aus Nürnberg
und ein Herr aus Pest, die den Hochkönig
besteigen wollten, seit dem 20. d. Mts.
vermißt werden. Es herrscht die Ansicht,
daß beide Herren verunglückt sind.
Wien, 22. Sept. Gegen den Grafen
Chotek wurde ein Attentatsversuch unter
nommen, als er bei seinem Gute in der
Nähe von Neusatz vorübersuhr. Vermuth-
lich einer seiner Arbeiter schoß nämlich
mit einer Flinte auf den Grafen, wobei
jedoch nur das Wagenfenster zertrümmert
wurde; der Graf blieb unverletzt.
Warschau, 22. Sept. General Drago-
niirow wird im Aufträge des Zaren der
Degradirung von 11 Officieren des 35.
Draģonn Regiments in Miendzyborzu bei-
wohnen.
L»»t>»ii, 22. Sept. linier den Salut-
schüsscn der Kaiialflotte ist der Zar heute
Vormittag 10 llhr aus der Rhede von
Leith eiiigetrosten.
Rom, 22. Septbr. Sämmtliche Polizei-
beamte in Frascati sind wegen der fort
gesetzt im Albaner Gebirge vorkommenden
Raubansälle ihres Amtes entsetzt worden.
Paris, 22. Septbr. Der amerikanische
Gesandte wurde von dem Anarchisten
Tynan brieflich uni energischen Beistand
ersucht. Tynan versichert in dem Briefe,
daß er sich absolut nicht mit der europäischen
Politik befaßt habe und lediglich als
Tourist nach Europa gekommen sei.
Paris, 22. Septbr. Eine Tochter von
Charles Jörome Napoleon, eines Enkels
des ehemaligen Königs von Westfalen, hat
sich hier mit einem Grafen Hatzfeldt verlobt.
Ncwyork, 22. Septbr. Gouverneur
Culberson von Texas holte Bismarck's
Ansicht über den Wahlkamps ein. Bismarck
erklärte, ein unabhängiges Vorgehen
Amerikas werde zweifellos den inter
nationalen Bimetallismus herbei
führen.
Ausland.
Außereuropäische Gebiete.
Die „Times" bemerken: Es sei kaum
zu bezweifeln, daß Rußland mit Japan
ein Uebereinkommen betreffend Korea ab-
geschlossen habe. England brauche darüber
kein Mißfallen zu empfinden; man glaube,
Rußland und Japan hätten sich dahin
geeinigt, ein gemeinsames Protectorat über
Korea auszuüben, bei dem Rußland dem
Wesen nach die ehemalige Stellung Chinas
einnehme. Man erwarte, daß der König
die russische Botschaft verlassen und feier
lich in den Palast zurückkehren werde.
Das Uebereinkommen werde gleichzeitig
mit der Räumung Koreas seitens der
Japaner in Kraft treten. Die „Times"
betrachten das Uebereinkommen als einen
großen diplomatischen Sieg Rußlands.
Rußland erhalte dadurch einen bestimmen-
den Einfluß auf die koreanischen Angelegen-
heiten, während Japan nur ein nomineller
Antheil überlassen bleibe.
Lcadville, 22. Sept. Dreitausend aus
ständige Arbeiter der Silberminen, welche
mit Flinten bewaffnet waren und Dyna
mit mit sich führten, griffen die Emmett-
Mine» in Colorado an. Fünf Mann
wurde» gelobtet, viele verwundet und viel
Hab und Gut zerstört. In ganz Colo-
radv ist die Milz aufgeboten.
Rußland
Den „Dinier" wird aus Sebastopol ge
meldet, daß ein Theil der russischen Schwarz-
meer-Flotte von Sebastopol abgesegelt ist.
Sie erhielt den Befehl, auf ein Telegramm
des Konstantinopeler Botschafters hin sich
sofort mit dem Rest des Geschwaders zu
vereinigen und direkt nach dem Bosporus
zu segeln. Die Schwarzmeer-Flotte und
die Truppen Südrußlands sind in kriegs
bereiten Zustand gesetzt.
England.
London, 22. Septbr. Bei der Ankunst
des Zarenpaares in Leith werden vom
Hafen aus bis zum Bahnhof die Truppen
eines Regiments Hochländer Spalier bilden.
Auf der ca. 400 Meter langen Strecke
werden zur Ueberwachung 300 Polizei
agenten vertheilt sein. In Ballater ver
läßt das Zarenpaar den Sonderzug und
fährt zu Wagen nach Schloß Balmoral.
Auch die letztere Strecke ist von Truppen
und Polizeikonstablern stark besetzt. Die
Umgebung des Schlosses Balmoral soll
abgesperrt werden.
Bei einer Versammlung der Constitutional
Association in Liverpool erklärte das offen
bar inspirirte conservative Parlaments-
Mitglied Sir Arthur Forwood, Salisbury
habe erst den Mächten vereinte Maßregeln
gegen die Türkei vorgeschlagen und auf
die Weigerung Rußlands, Deutschlands
und Oesterreichs das alleinige Vorgehen
Englands angeboten, wogegen aber diese
Mächte energisch opponirten. Frankreich
würde sich ihnen wohl noch anschließen.
Türkei.
In Skutari wurden nach dem „B. T."
anßer Bomben, Dynamit und Revolvern
in einer armenischen Kirche auch 900
Manchestergewehre, eine Liste zahlreicher
Verschwörer und eine Liste aller Armenier
in Konstantinopel, die zur Revolution frei
willig oder vom Comitee gezwungen Gelder
gegeben haben, beschlagnahmt.
Oesterreich-Ungarn.
In Agram erfolgte ein Erdstoß mit
unterirdischem donnerähnlichem Getöse
Bekanntlich lvurde Agram im November
1881 durch Erdbeben theilweise zerstört.
In Käriithen sind infolge der zahlreichen
Regengüsse mehrere Seeen ausgetreten.
Wien, 22. Sept. Der christlich-sociale
Arbeiterverein hielt in der Vorstadt
Margarethen eine öffentliche Vvllsver-
fanimlung ab, bei ivelcher es zu große»
Det»oustratio»c» der Socialde»>okrate» kam,
ivelchen die Christlich-Socialen de» Zutritt
zu der Versammlung verwehrte». Zahl
reiche Arbeiter wurden verwundet. Die
Polizei zerstreute die Demonstranten,
welche hieraus, 300 Mann stark, eine
Versammlung im Freien abhielten und
gegen das Vorgehen der Christlich-So
cialen protestirten.
Ans Krakau wird gemeldet : Während
der österreichischen Manöver in Galizien
wurde bei Przemysl ein russischer Oberst
Andreas Petrowicz Kurtanow, der in
Bauerntracht die Festungswerke von Or-
zechowice aufnehmen wollte, von Gen
darmen verhaftet und nunmehr nach
Durchführung der Untersuchung über die
Grenze gebracht. — Aus Petersburg
wird berichtet, daß im transkaspischen Ge
biete die Pest ausgebrochen ist. In Merw
sind bereits viele Personen der Seuche
erlegen. Unter der Bevölkerung herrscht
große Panik.
Belgien.
Brüssel, 21. Sept. Zur Förderung der
Reiselust führt die belgische Bahnver-
waltung ein neues Abonnement für Rei
sende 3. Klasse ein. Wer 25 Fr. bezahlt,
kann für ein ganzes Jahr mit allen Zügen
auf dem stattlichen Bahnnetze entweder
zehn Reisen hin und zurück oder zlvanzig
einfache Reisen machen.
Frankreich.
Paris, 22. Sept. In Algier wurden
wegen schwerer Mißhandlung einiger
Zuaven drei russische Matrosen von dem
dort stationirten Geschwader verhaftet.
Schweiz.
Flora Gaß, bekannt durch ihre
früheren Beziehungen zum Freiherrn von
Hammerstein, gab, wie der L.-A. meldet,
eine Gastrolle vor dem Baseler Straf
gericht. Sie hatte sich wegen vollendeten
und versuchten Betruges zu verantworten.
Am 21. August hatte sie bei einem Gärtner
meister per Telephon einen Blumenkorb
im Werthe von 8 Fr. und am 28. August
einen Lorbeerkranz mit Schleife im Werthe
von 28 Fr. bestellt und den Auftrag er
theilt, die Gegenstände in einem Laden
abzugeben. Die Aufträge wurden ohne
Namensnennung ertheilt, sodaß der Gärtner
amichnien mußte, die Bestellung sei von
der Ladeninhaberin erfolgt. Als diese
sich weigerte, zu zahlen, mußte die richtige
Bestellerin ansfindig gemacht werden. Die
Recherche» führten auf Flora Gaß. Sie
bestritt, ihren Namen dem Gärtner ver
heimlich! zu haben, und betheuerte ihre
Unschuld. Der Staatsanivall beantragte
eine Gesängnißstrase von drei Tagen und
Zahlung aller Kosten. Als dieser Antrag
begründet wurde, brach die Angeklagte in
lautes Weinen aus und war auf das
dringendste Zureden der Richter nicht zu
beruhigen. Während des ganzen Plaidoyer«
ihres Anwaltes, der Freisprechung be-
Aes IieHltritls Sühne.
Roman von Hippolyte Montauban. 20
»Die Liebe ist eine charmante Zuthat im Leben, aber
as Elend, welches, allein getragen,schon unangenehm ist,
wird geradezu cnt'etzlich, wenn wir es mit einer Frau
«ns zur Seite erdulden. Adrian, keine Thorheit. D-in
^bensschiff ist dem Scheitern »ahe. Du nttißt es wie-
auf hohe See bringen. Heirate Fräulein Latradc,
9kb ihr den Titel Baronin und nimm als Gegenleist-
ihr Heiratsgnt. Wenn Du Deine Aurora eben
«scht vergessen kannst, so wahre ihr Andenken. Wenn
sie wiederfinden, bist Du reich, dann niache sie zu
seiner Geliebten, da sie Deine Frau wird nicht sein
onnen. Deine Frau giebt Dir Geld, Deine Geliebte
Heute bend stelle ich Dich Herrn Lairadk vor."
«Aber. .
«Kein Aber, kommst Du?',
x^ich komme."
» i. ^«zwischen war es zwei Uhr geworden. Der Graf
sich, umzugehen, Adrian schloß sich ihm an; bei
« -Mnlerien trennten sie sich.
L?« gehst also zu Salomon," sprach der Graf.
Adrian begab sich wirklich zu Josef Salomon.
^ . Salomon, ein alter Mann mit geröteten Wangen
«o scharf blickenden Augen empfing, den jungen Mann
"gewöhnlich xecht höflich.
î Ohne lange Vorrede setzte ihni Adrian die Ursache
"Nies Besuches auseinander.
Ņaron," entgegnete Salomon, „ich bedauere
ä,^fyAnen nicht in der gewünschten Weise dienen
ļ>err Salomon, Sie verweigern mir die
^lbtgtausend Franken. Ich verspreche Ihnen, daß es
«°"n letztes Anlehnt ist.«
«Ich leihe überhaupt kein Geld mehr, Herr Baron."
àe junge Mann erblaßte. „Herr Salomon," stam-
oe> a "mit unsicherer Stimme, „biete ich Ihnen keine
8 «"gruben Garantien mehr?"
à/'Ņh' das ist es nicht; ich kenne den Stand Ihres
Imogens vielleicht besser als Sie selbst; ein jeder
Bankier kann Ihnen ohne alles Risiko noch hundert
tausend Franken leihen. Sie luävett verloren, wenn
Sie Ihren Grund und Bvden verkaufen müßten, aber
so weit sind Sie noch nicht."
Fast ohne es zu wollen, dachte der junge Mann an
Fräulein Lalrade.
„Herr Salomon," sprach er, „ich habe die Wahr
heit gesprochen, als ich Ihnen vorhin sagte, es sei mein
letztes Anlehen, ich werde nächstens heiraten."
„Thun Sie das, ich wünsche Ihnen Glück."
„Sie geben mir also bffê Geld, dessen ich dringend
bedarf?"
„Ich hatte bereits die Ehre, dem Herrn Baron zu
antworten, daß ich kein Geld mehr ansleihe. Ich bin
alt und müde, ich fühle, daß der Augenblick gekommen
ist, in welchem ich mich zur Ruhe setzen soll."
„Jst's möglich?"
„Meine Worte sind so buchstäblich wahr, daß Sie
nicht mehr mein Schuldner sind."
„Was soll das heißen?"
„Sie wissen, daß. wenn ein Geschäftsmann sich zu
rückzieht, er einen Nachfolger sucht, welchem er seine
Waaren und seine Klientel abtreten kann. Nun denn,
auch ich habe dies gethan."
„Sie haben also meine Schuldscheine an einen an
deren abgetreten? Daun bin ich verloren I" rief der
junge Mann entsetzt.
„Wieso?"
»Weil mein neuer Gläubiger die sofortige Rück-
zahlung fordern wird."
»Herr Baron, Sie haben gar keine Ursache zu er
schrecken; Ihr Gläubiger wird warten, wie ich gewartet
habe. Ueberdies, was liegt Ihnen daran, wenn er in
einem Jahre oder in sechs Monaten auf Rückzahlung
drängt; bis dahin sind Sie verheiratet, und das Hei
ratsgut Ihrer Frau wird Sie' zum unumschränkten
Herrn Ihrer Güter machen."
„Wie heißt der Mattn, dem Sie meine Schuldscheine
verkauften?"
„Sie werden eS sonderbar finden, wen» ichjrS Ihnen
sage, ich weiß el nicht."
j „Sie wissen es nicht?"
„Die Angelegenheit ist durch einen Mittelsmann -
verhandelt worden."
„Das ist in der That sonderbar, aber eines Tages
werde ich diese geheimnisvolle Persönlichkeit doch wohl
kennen lernen. Jedensalls muß ich bis heute abend un
bedingt zwanztgtansend Franken auftreiben."
„Eine Spielschuld?"
„Ja, nun verstehen Sie, nicht wahr? Können Sie
mir keinen Rat geben?"
Während einiger Minuten sann Salomo» nach, dann
sprach ec: „Sie könnten sich an einen alten Freund von
mir wenden, gelveienen Bankier, der sich ins Privat
leben zurückgezogen."
„Wie heißt er?"
Salomon nahm eine Bleiseder zur Hand und schrieb
rasch auf ein Blatt Papier: Peter Bols, Roschcrstraße
53. „Ich glaube, der wird bereit sein, Sie aus der
Verlegenheit zu helfen."
„Er kennt mich nicht, Herr Salomon, wollen Sie
mir nicht ein Empfehlungsschreiben mitgeben?"
„Hier haben Sie meine Karte, Herr Baron, das
wird genügen."
Der Baron erhob sich und Salomon geleitete ihn
unter tiefen Bücklingen bis zur letzten Tļsiiîr.
Der junge Mann mietete einen Wagen und ließ
sich nach der Roscherstraße fahren.
, „Sanzac hat recht," dachteer, „wemrich nicht voll
ständig zu Grunde gehen will, muß ich heiraten, und
so bin ich denn gezionngen, meinen Titel der Tochter
dieses Handlangers zu verkaufen." Während er so vor
sich hiitsann, durchzuckte ihn mit nie geahnter Gewalt
die Erinnerung an Atirora.
Der Wagen hielt an und der Baron trat in einen
schlecht gepflasterten Hof.
Er zog die Glocke an der schweren eisernen Thür
ihin gegenüber. „Herr Peter Bols?" fragteer, als am
Portal sich eine Mumiengestalt zeigte.
„Wohnt im ersten Stock, die Treppnrechts hinauf!"
„Ich danke!" und Adrian that, wie ihm geheißen.
Nachdem er oben ebenfalls geläutet,, wurde ihm die
Thür von einem Manne mit glatt rasiertem Gesicht und
weißer Kravatte geöffnet; unfehlbar ein Bedienter.
„Herr Bols zu sprechen?"
„Darf ich um den Namen bitten?"
„Melden Sie den Baron v. Brrvon ünd sagen Sie,
daß ich von Herrn Salomon komme."
Die Physiognomie des Dieners ließ erraten, daß
man den Baron erwartet habe. „Darf ich bitten, mir
zu folgen?"
Er führte Adrian in ein spärlich erleuchteter Bor-
zimmer und bat ihn, sich einen Augenblick zu gedulden,
ivoranf er sich entfernte. Der Diener durchschritt einen
Saal und pochte dreimal an eine verschlossene Thür,
dann trat er ein. Peter Bols oder richtiger der Graf
Lafson saß in einem Sessel, sein fragender Blick richtete
sich ans den Eintretenden. „Er ist's," sprach dieser.
„Endlich!" ries der Graf sich erhebend. Er hatte
weder das lange, weiße Haar, noch den Bart, welchen
wir sonst an ihm gewöhnt, das Antlitz war gleich dem
jenigen seines Dieners glattrasiert, das Haupthaar kurz
geschoren.
Der Diener war Theodor, sein einstiger Haushof
meister ; da der Graf eines verläßlichen Mannes be
durfte, hatte er diesem daS Amt de» Kammerdiener»
übertragen.
Adrian mochte etwa eine Viertelstunde im Borzim
mer geiBiivtet haben und fing an, einige Ungeduld zu
verspüren, als der Diener erschien und ihn aufforderte,
ihni zu Herrn Lasso» zu folgen.
Er führte ihn in einen ebenfalls n«r spärlich er
leuchteten und sehr einfach möblierten Salon. B»r
einem mit Schriften überladenen Schreibtisch saß ein
Mann, zweifelsohne Herr Peter Bols, er war in einen
langen Schlafrock gehüllt und trug einen roten, etwas
ins Graue hinüber spielenden Bart, kurzgeschnitteneS
Kopfhaar und auf der Nase eine goldene Brille, deren
dunkle Gläser die Farbe der Augen nicht erkennen
ließen. 37,16*
Unmöglich hätte der Baron in dieser sonderbaren
Erscheinting Auroras Vater wieder erkennen können,
welchen er auch nur flüchtig und bei NaM gesehen.