Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

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Wo. 217. 
Mittwoch, Sen 16. September 
1896. 
Morgen-Depeschen. 
Berlin, 15. Sept. Gegenüber einer 
anderweitigen Meldung wird der „Deutschen 
Tagesztg" mitgetheilt, daß der Kaiser bei 
der Herbstparade auf dem Tempelhoser 
Felde allerdings in sehr warmen Aus 
drücken die Verdienste des Herrn von 
Hahnke hervorgehoben habe, daß er aber 
irgend welche politische Anspielungen 
nicht gemacht habe. Im besonderen sei 
die Aeußerung, daß der Kaiser sich nicht 
das Recht nehmen lasse, um Rath zu 
fragen, wen er wolle, entweder gänzlich 
mißverstanden oder vollkommen aus der 
Luft gegriffen. 
Berlin, 15. Septbr. Der „Deutschen 
Warte" zufolge hat sich der bis vor Kurzem 
beim Polizeipräsidium zu Posen angestellt 
gewesene Regierungsaffeffor v. Puttkamer 
erschossen. 
Berlin, 15. Sept. In der Gewerbe 
ausstellung ist gestern Abend der Astronom 
Prof. G. Oppenheim von einem Blutsturz 
befallen worden und bald daraus gestorben. 
Hamburg, 15. Septbr. Der englische 
Agitator Tom Mann ist heute Mittag hier 
verhaftet worden. Tom Mann wollte heute 
Abend in einer Hafenarbeiter-Versammlung 
sprechen. 
Worms, 14. Sept. Das Strafverfahren 
gegen den Fabrikanten Mohr in Altona 
wegen Vergehens gegen § 10 des Gesetzes 
über den unlauteren Wettbewerb, ist durch 
Beschluß der Gr. Staatsanwaltschaft ein 
gestellt worden, da der betr. Schlosser 
meister, der um Mittheilung über Fabrik- 
geheimnisse angegangen worden sein soll, 
nicht, wie anfänglich behauptet wurde, auch 
Werksührer oder dergl. der Horchheimer 
Fabrik ist, der 8 10 des erwähnten Ge 
setzes aber verlangt, daß Derjenige, der 
um solche Mittheilungen angegangen wird, 
Angestellter oder Arbeiter des betr. Ge 
schäfts sein muß. 
Wien, 15. Septbr. In Pariser diplo 
matischen Kreisen herrscht, wie der „N 
Fr. Pr." von dort gemeldet wird, über 
die Stimmung in Konstantinopel große Be 
unruhigung. Allgemein wird die schwierige 
Situation der Mächte betont, welche selbst 
in dem Falle einer Einigung über die be 
treffenden Maßregeln befürchten, daß, bevor 
diese Maßregeln zum Schutze der Europäer 
in der Türkei durchgeführt werden könnten, 
die europäische und noch mehr die asiatische 
Türkei der Schauplatz von Szenen sein 
könnte, gegen welche die bisherigen 
Schreckensthaten der zur Verzweiflung ge 
triebenen Muselmänner unbedeutend zu 
nennen wären. 
Rotterdam, 15. Septbr. Im Ganzen 
wurden dreizehn Koffer beschlagnahmt, 
welche Eigenthum der beiden Anarchisten 
Wallace und Haines waren. Die in den 
Koffern befindlichen Bomben sind nach 
einem bisher in Europa gänzlich unbe 
kannten System angefertigt. Den 
Anarchisten ist es gelungen, im Momente 
der Verhastung einen großen Theil ihrer 
Korrespondenz zu vernichten. 
Paris, 15. Sept. Aus Boulogne sur 
mer wird gemeldet, der dortige Polizei- 
commissar habe mit Unterstützung eng 
lischer Polizisten die Verhaftung des 
irischen Feniers Tynan vorgenommen, 
welcher kein Anderer sei, als der viel 
genannte Urheber eines der Attentate 
vom Phönixpark, denen im Jahre 
1882 Lord Cavendish und Burke zum 
Opfer gefallen sind. Die englischen Poli 
zisten, welche auf den verzweifelten Wider 
tand Tynan's gefaßt waren, traten, mit 
Revolvern bewaffnet, in das Zimmer des 
Feniers, welcher noch im Bette lag und 
Io verblüfft war, daß er sich ruhig fest 
nehmen ließ. Tynan, welcher nach dem 
Attentat nach Nordamerika flüchtete, war 
kürzlich nach Paris zurückgekehrt und stand 
angeblich im Begriffe, sich nach Irland 
einzuschiffen. Die Auslieferungsverhand 
lungen sollen bereits im Zuge sein. 
Paris, 15. Septbr. Offiziös wird be 
hauptet, das Anarchistenkomplott sei aus 
schließlich gegen England gerichtet gewesen. 
Tynan wurde heule in Boulogne verhört; 
er ist geständig, Verschwörer zu sein, be 
streitet jedoch jede Absicht, ein Attentat 
verüben zu wollen. Gegen seine Verhaftung 
erhebt er Protest. In Amerika sei er 
mehrmals verhaftet gewesen, aber als 
politischer Gefangener jedesmal wieder 
freigelassen worden. Bei seiner Verhaftung 
trug er 1400 Frcs. bei sich; den englischen 
Detektivs rief er zu: „Die Engländer 
haben mich noch nicht." 
London, 15. September. Die in Paris 
verhafteten Anarchisten haben ein Attentat 
gegen den Zaren während seiner Anwesen 
heit in England beabsichtigt. Das Alten 
tat sollte bei der Einschiffung des Zaren 
nach Cherbourg zur Ausführung gelangen 
Der Plan wurde der Polizei durch Ver 
rath bekannt. Bisher sind 6 Anarchisten 
verhaftet. 
London, 15. Septbr. Sämmtliche hie 
igen Blätter behandeln ausführlich die 
Verhaftung der Anarchisten in Antwerpen 
und Boulogne und bestätigen die bereits 
bekannten Details über die Entdeckung 
einer Bomben fabrik in Antwerpen. — Zu 
der Verhaftung eines Anarchisten in Glas 
gow wird gemeldet, daß derselbe im Hotel 
Doria festgenommen wurde. Er erklärte, 
nichts mitden übrigen verhafteten Anarchisten 
gemein zu haben. Aus vorgefundenen 
Schriftstücken jedoch ist ersichtlich, daß dies 
doch der Fall ist. 
Paris, 15. Sept. Bezüglich des dem 
nächst beginnenden Prozesses gegen Arton 
chreiben die Blätter, daß Arton, in der 
Hoffnung sich die Nachsicht der Geschwore 
nen zu gewinnen, sensationelle Enthüllungen 
über gewisse Persönlichkeiten machen werde, 
auf deren Einfluß und Schutz er vergebens 
gezählt habe. 
Preßburg, 15. Sept. Die behördliche 
Schließung der israelitischen Volksschule 
yierselbst erregt großes Aufsehen. Dem 
nächst sollen auch die Rabdinatsschule und 
die Talmudschule gesperrt werden. 
New-Iork, 15. Sept. Bei den Staats 
wählen in Maine haben die Demokraten 
trotz starker Agitation einen großen Verlust 
erlitten. Die Republikaner erzielten eine 
Majorität von 50 000 Stimmen. Es ist 
also der republikanische Kandidat Powers 
zum Gouverneur gewählt worden. 
Ausland. 
ÄutzereAroPäische Gebiete. 
Ncw-Iork, 15. Sept. Der republikanische 
Kandlvat Powers ist mit einer Mehrheit 
von 50 000 Stimmen zum Gouverneur 
des Staates Maine gewählt worden 
Diese Majorität wurde zum Theil durch 
die Enthaltung der demokratischen Wähler 
erzielt. Das Resultat wird als sehr be 
dentsam angesehen, weil Maine derjenige 
Staat ist, dem Sewall, der demokratische 
Candidat für dieBicepräsidentschaft,angehört 
Newyork, 14. Septbr. In keinem Lande 
der Welt hat der Glaube an die Möglich 
keit der Besserung der Verbrecher so tiefe 
Wurzeln gefaßt, wie in den Vereinigten 
Staaten. Die Behandlung der Sträflinge 
ist deshalb ganz anders geworden, als in 
den europäischen Anstalten. Am weitesten 
hat man die neue Lehre im„Reformatorium" 
des Staates Massachusetts in Concord ge 
trieben, trotzdem sich eine Anzahl der 
gefährlichsten Verbrecher in dieserBesserungs 
anstatt befinden. Fünf Jahre Freiheits 
berauöung bildet das Maximum. Bei 
guter Aufführung kann die Strafe auf elf 
Monate herabgesetzt werden. Während der 
Haft erhalten die Sträflinge zweimal die 
Woche von Professoren und Geistlichen 
Vorträge über Politik, National 
ökonomie, Religion und andere Gegen- 
tände des allgemeinen Wissens. Es wird 
ihnen Zeichenunterricht gegeben und sie 
werden selbst in der Musik ausgebildet. 
Sie lernen modelliren und in Holz, Eisen 
und Stein arbeiten. Es giebt sogar einen 
Debattirclub, einen naturwissen- 
chaftlichen und einen literarischen 
Verein, sowie einen Athletenclub in der 
Besserungsanstalt von Concord. Mit dem 
Resormatorinm ist eine 100 Acres große 
Farm verbunden, welche von den Sträf 
lingen gebaut wird. Eine von diesen ge 
djrtebene, gesetzte und gedruckte Zeitung 
giebt Aufschluß über die Vorkommnisse 
im Resormatorinm. Die Geschichte klingt 
wie ein Roman, ist aber buchstäblich wahr 
und es fehlt nur noch, daß die Sträflinge 
auf Staatskosten Extra-Pflege, bestehend 
in guten Diners mit alten Weinsorten zur 
Auswahl in der „Besterungsanstalt" 
empfangen.. 
Im klassischen Lande des Radfahrsports, 
in Amerika, hat man eine Beobachtung 
gemacht, die vielleicht geeignet ist, manche 
Damen von der Ausübung dieses Sports 
zurückzuhalten. Was keine Ermahnung 
besorgter Eltern oder vorsorglicher Aerzte 
zu Wege gebracht hat, wird vielleicht die 
Thatsache bewirken, daß die Da menhand 
in ihrer Hautfarbe und in ihrer 
Form unter dem Einfluß des Rad 
fahrens Einbuße leidet. Die Um 
wandlung der Hand ist so typisch, daß sie 
bei den Aerzten schon unter dem Namen 
„Radfahrerhand" bekannt ist. Merkmale 
der „Radfahrerhand" sind folgende: Die 
Wölbung wird flach nach Art des Platt 
süßes, sie wird breiter nach den Seiten, 
plump und formlos, die Finger werden 
krumm. Die Umwandlung ist die Folge 
des festen Umfasiens der Handgriffe der 
Maschine. Die Damen, welche auf die 
aristokratisch feinen Umriffe und die Zart 
heit ihrer Hände Werth legen, werden 
also das Radfahren einstellen. 
Dänemark. 
Kopenhagen, 15. Sept. Die wenigen 
Tage, die Zar N i c o l a u s im Schlosse 
Vernstorff bisher verbracht, haben schon 
gezeigt, daß er in seiner Lebensweise einen 
völligen Gegensatz zu seinem Vater bildet 
Während Alexander 111. den Aufenthalt im 
Freien vor Allem liebte und seine Um 
gebung durch die langen Spaziergänge, die 
er immer zu Fuß unternahm, und oft drei 
bis vier Stunden dauerten, in Erstaunen 
etzte, verbringt sein Sohn fast den ganzen 
Tag in seinem Arbeitszimmer, mit Lesen 
und Schreiben beschäftigt. Alle körperlichen 
Uebungen, worin der Zar Alexander ein 
Meister war, sind ihm fremd, cr liebt 
weder Jagen noch Reiten, geht nur selten 
pazieren und fährt oder radelt am liebsten. 
Auch seine äußere Erscheinung bildet den 
größten Gegensatz zu der seines Vaters. 
Der Zar Alexander 111. überragte mit seiner 
Hünengestalt seine ganze Umgebung, wäh 
rend der jetzige Zar mit seiner kleinen 
Figur und seinem fast schüchternen Auf 
treten den Eindruck eines bescheidenen 
Kleinbürgers macht. Wenn der Zar des 
Lesens müde ist, spielt er mit feinem Kinde 
oder unterhält sich mit seinen Verwandten. 
Das idyllische Leben, das er in Vernstorff 
ührt, wird doch einmal täglich unterbrochen, 
wenn der Kurier aus St. Petersburg mit 
Briefen und Depeschen ankommt. Dann 
begiebt der Zar sich wieder nach seinem 
Arbeitszimmer und befaßt sich mehrere 
Stunden nur mit Regierungsangelegm- 
heiten. Jeden Abend verbringt er eine 
Stunde, gewöhnlich von 9 bis 10, mit 
Billardspielen und Punkt 11 Uhr geht er 
zu Bett. 
Ein Kopcnhagener Kunstkenner fand 
dieser Tage bei einem Trödler ein altes 
Gemälde, das ihm sehr gefiel, und das er 
für 5 Kronen kaufte. Als er es zu Hause 
näher untersuchte, entdeckte er zu seiner 
Freude, daß es ein echtes Bild des 
berühmten holländischen Meisters Franz 
Hals sei. Der bekannte Mäcen, Brauer 
Carl Jacobsen, hat das Bild für eine 
bedeutende Summe (50000 Kronen) ge 
kauft und wird es seiner Glyptothek ein 
verleiben. 
Belgien. 
In Lüttich wurden drei Einbrecher ver 
haftet Es entpuppte sich der eine als ein 
früherer Unterofficier Brunear, gegenwärtig 
Inhaber eines großen Schuhwaarengeschäfts 
in Charleroi, der andere ein Brüsseler 
Buchmacher Namens Bilquin. Man fand 
bei ihnen eine Menge der sinnreichsten 
Diebeswerkzeugc. 
Dem „B. T." wird aus Brüssel be 
richtet : Der Haupt-Anhaltspunkt der 
Polizei dafür, daß die in Rotterdam aus 
genommene An archistenb ande that- 
Jes Jetzltritls Sützne. 
Roman von Hippolyte Montauban. 15 
„Gleicht sie ihrer Mutter?" 
„Nein, das ist meine größte Genugthuung!" 
„Hast Du mir gar nichts zu sagen in Bezug auf die 
Sräfin von Lasson?" 
Eine Wolke lagerte sich auf die Stirne des Grafen, 
ils er begann: „Als ich vernahm, daß sie den Mann 
»erlassen, welcher sich zwischen sie und mich gedrängt, 
iberkam mich ein mitleidiges Gefühl bei dem Gedanken, 
»aß die Mutter meines Kindes einer trostlosen Zukunft 
inhenngegeben sei, ja vielleicht aus Not dem Laster in 
Sie Arme fallen könnte. Ich beschloß, ihr ein Kapital 
ļur Verfügung zu stellen. In diesem Sinne schrieb ich 
meinem Rechtsbeistand Corvin, und bat ihn den Auf 
enthaltsort der Gräfin zu erkunden. Monatelang suchte 
er sie vergeblich, bis sie einesTages ganzttch unerwartet 
bei ihm eintrat. „ , 
Corvin glaubte zuerst, daß sie, von Not getrieben, 
sich endlich entschlossen habe, ihn aufzusuchen ^ aber er 
irrte sich, denn sie schlug mein Anerbieten aus. 
„Ah — sie schlug es aus! Weshalb aber hat sieden 
Notar aufgesucht?" 
„Sie wollte ihn bitte«, von mir die Erlaubnis zu 
erwirken, daß sie ihr Kind wenigstens zeitweise sahe! 
„Und Du bist unerbittlich gewesen? Du hast der 
armen Mutter ihr Kind nicht ein einziges Mal zuge 
führt? Und doch wäre eS ihr ein Trost gewesen, in ihrem 
namenlosen Elend." 
„Wilhelm," stieß der Graf mit heiserer Stimme 
hervor, „ich habe geschworen, daß sie ihre Tochter nim 
mer wiedersehen solle!" 
»Paul, Du bist fürchterlich!" 
»Ich bin nur gerecht! Nutzlos ist's, ihre Berteidig- 
brech^ Übernehmen; ich werde mein Gelöbnis nicht 
»Weißt Du nicht, wo sie weilt?" 
, »>;ch ahne es nicht! Sie hat sich bei Herrn Corvin 
me mehr blicken lassen." 
«Vielleicht lebt sie nicht mehr!" 
„Das tväre ei» Segen für sie, für mich, für mein 
Kind." 
Nach eine Pause fuhr der Graf fort: „Die Liebe 
zu Lucie war das einzige Gefühl, welches mein Herz 
noch betvegte; sie ist mein Himmel auf Erden. Ich un 
terrichtete meine Tochter: lehrte sie lese», schreiben, 
rechnen. Doch ich Ivill nicht behaupten, daß sic leicht 
auffasse; ich brachte ihr auch etwas Weltgeschichte, Geo 
graphie und Botanik bei; sie hat ausgesprochenes Mu- 
siktalcnt, daS ich nach Kräften ausbildete. 
Sie war elf Jahre alt, als sie plötzlich einer apa 
thischen Lethargie verfiel, welche niich äußerst beun 
ruhigte. Ich hatte lange und sorgsam Medizin studiert 
und trotzdem wollte es mir nicht gelinge» die Ursache 
ihres Uebels zu entdecken. Jeder Frenide hätte das Kind 
für blödsinnig halten müssen. 
Ich dachte, daß Luftwechsel von günstigein Einfluß 
ans meine teuere Lucic sein könne und traf sofort alle 
nötigen Anstalten. Ich entließ nieine Dienerschaft mit 
Ausnahme Francescas, die dem Kinde grenzeillos er 
geben war; ich übergab die Schlüssel des Hauses dem 
Eigentümer, und wir reisten ab. 
Schon ehe ich Paris verlasse», hatte ich meinen Na 
men abgelegt; man kannte mich nur unter dem Namen 
Peter Bols, ebenso hatte ich meiner Tochter den Ra 
inen Aurora gcgebeil. Wir reisten drei Monate lang. 
Es hatte den Anschein, als ob die Apathie aus Auroras 
Wesen weiche, als ob sie sich kräftige, erhole, doch dies 
war nur von kurzer Dauer, bald verfiel sie tvieder in 
den früheren Zustand. Wir waren am Genfer Sec, zwei 
Meilen von Lausanne entfernt, rs schien Aurora dort 
zugefallen, und ich beschloß daher, bleibenden Aufent 
halt in jener Gegend zu nehmen; ich mietete abermals 
eine entlegene Billa und mir lebten dort zufrieden und 
in tiefster Zurückgezogenheit. Francesca ivar unsere 
einzige Bedienung/ ich selbst pflegte den Garten. Drei 
Jahre vergingen, und dank meiner aufopfernden Pflege 
genaß Aurora endlich. 
Durch den Notar Corvin erstand ich dann Belvedere 
und nahmen wir hier unseren Aufenthalt. Damals war 
der ganze Garten, welchen Du jetzt vor Dir siehst, eine 
Wüstenei, das Haus aber eine baufällige Ruine. Seit 
ztvei Jahren leben wir hier im tiefsten Frieden." 
„Gestatte mir," sprach van Otten, „noch eine Frage, 
Du redetest von dem Grafen von Sanzac, Du sagtest, 
daß jener Mensch Dein Feind gewesen; wodurch wurde 
jene Feindschaft ursprünglich hervorgerufen?" 
„Obschon es mir widerstrebt, von diesem Schurken 
zu sprechen, so will ich doch Deine Frage beantworten. 
Du sollst ihn kennen lernen, jenen Elenden, der mir 
nieinen teuersten Besik geraubt: mein Weib, und mit 
mir meine und nieines Kindes Ehre! Drei Jahre vor 
meiner Verheiratung erhielt ich eines Morgens den 
Besuch eines jungen Mannes von eleganter Erschein 
ung, von vornehmemWesen, vonsympathischemAeußern; 
er gefiel mir sofort und ich empfing ihn freundlich. 
Kurz zuvor nach Paris gekommen, um seine Stu 
dien zu beenden, führte er sich bei mir ein mittelst eines 
Empfehlungsbriefs eines mir befreundeten Rechts- 
anlvalts iit Auch, in welchem dieser mich bat, den Jüng 
ling init Rat und That an die Hand zu gehen. Dieser 
sympathische junge Mann war der Graf von Sanzac; 
leider entdeckte ich nicht, welch' verderbliche Eigenschaf 
ten die einnehmende Hülle barg. Alles an ihm war Lüge 
und Verstellung; sein Blick, sein Lächeln, jedes Wort 
das von seinen Lippen floß, nichts als Berechnung, er 
schien nur geschaffen, um Menschen zu hintergehen. 
Dainals war ich nicht der Skeptiker von heute. Der 
Gras verstand es, rasch mein Zutrauen zu geivinneil. 
Wie Du weißt, lebte ich äußerst znriickgezogen, nur 
meinen wissenschaftlichen Arbeiten; der Graf wurde 
mein Freund; er besuchte mich häufig, und fast inimer 
behielt ich ihn dann zum Frühstück oder zu Tisch bei 
mir. Er sagte mir, daß er emsig seinen Studien nach 
gehe. Ich glaubte ihm. Ich ahnte nicht, daß der Graf 
sich in den tollsten Strudel des Pariser Lebens gestürzt, 
daß er die Nächte in witdesten Orgien feierte. 
Mehrere Geldbeträge, welche er mir nach und nach 
entlehnte, hätten mir die Augen öffnen sollen, aber ich 
war von stupider Leichtgläubigkeit, und so kain es, daß 
er mir zwanzigtauscnd Franken entlehnte. Ich hatte 
ihn überdies selbst in verschiedene der besten Kreise 
unserer Weltstadt eingeführt. Er war bei mir wie zu 
Hause. 
Eines Tages öffnete ich eine Cassette, in welcher 
ich sorgsam alle meine Juwelen verschlossen hatte, die 
meiner Mutter gehörten; ich erbebte, denn ich erkannte 
sofort, daß eine fremde Hand in den Gegenständen um- 
hergewühlt haben müßte: ein Brillant-Schmuck, der 
einen Wert von mindestens sechzigtausend Franken be 
saß, war verschwunden. Starr vor Ueberraschimg stand 
ich da. Wer konnte mich bestohlen haben? Mein Ver 
trauen in den Grafen von Sanzac war so groß, daß eS 
mir gar nicht in den Sinn kam, er könne der Schuldige 
sein. Der Schmuck war und blieb verschwunden, wer 
konnte ihn mir gestohlen haben?" 
Eine Stunde nach der Entdeckung des Verlustes 
befand ich mich im Bureau des Versatzanites, denn ich 
vermutete, daß der Dieb sich scheuen werde, seine Beute 
bei einem Goldarbeiter zu verkaufen und sie deshalb 
lieber versetze. Meine Vermutung bestätigte sich als 
richtig; der Direktor erklärte, daß dort der Schmuck 
vorhanden sei. „Herr Graf," fragte er, „kennen Si« 
einen Menschen, welcher sich Graf von Sanzac nennt?" 
„Gewiß, er ist mein Freund." 
„Ah," rief er stirnriinzelnd, „die Diamanten wür 
den von diesem Jhretn Freunde versetzt." 
„Unmöglich!" stammelte ich verblüfft. 
„Es ist kein Irrtum möglich. Sie werden doch de» 
sauberen Herrn sofort verhaften lassen?" 
„Neiil," rief ich, „ich werde mich damit begnügen 
ihn aus meinem Hanse zu weisen." 
„Und Ihre Juwelen?" 
„Ich werde sie sofort einlösen." 
„Damit das Bersatzaint sie Ihnen aber ausliefert, 
muß der Versatzschein vorgelegt werden, diesen hat der 
Dieb, wenn cr ihn nicht schon an irgend einen Hehler 
verkauft hat." 37.16* 
„Gut — ich werde mir den Schein verschaffen." 
Ich sah den Grasen nicht mehr an jenem Tage; am 
folgenden Morgen kam er gegen elf Uhr zu mir; sehr 
ruhig, mich wohl hütend, die Hand zu berühren, welche 
er mir bot, ließ ich ihn in mein Arbeitskabinett treten.
	        
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