folgen sollte, der wesentlich langsamer als
der Schnellzug fährt. Nach Görlitz zu
sollte des Kaisers Sonderzug voranfahren
und der Zug der Manövergäste ihm folgen.
In dem Augenblicke, in dem der heran
nahende Schnellzug gemeldet wurde, verab
schiedete sich der Kaiser von König Albert
und war eben im Begriff, seinen Salon-
wagen zu besteigen, als der Schnellzug
einlief und trotz Bremsen und Kontredampf
auf den kaiserlichen Sonderzug auffuhr,
dessen schwere Maschinen rückwärts pressend,
wobei die zweite Maschine des Kaiserzuges
durch einen klaffenden Tenderriß, dem das
Wasser unaufhaltsam entströmte, dienst
unfähig wurde. König Albert sah den
Anprall noch und winkte dem neben dem
Kaiserzuge stehenden Kaiser Wilhelm II.
lebhaft zu, während sein Zug schon lang
sam ausfuhr. Inzwischen fuhr auch der
Hofzug mit den Manövergästen ein, dessen
Insassen natürlich auch sofort auf den
Unfall aufmerksam wurden, der ja glück
licherweise ohne weiteren Schaden verlaufen
war, als daß die Maschine des Kaiserzuges
defekt geworden war. Es dauerte vierzig
Minuten, ehe die Maschine ausgesetzt und
eine Ersatzmaschine an ihre Stelle geschafft
worden war. Der Kaiserzug fuhr dann
langsam aus Löbsu aus und hat die Fahrt
bis Siegersdors — wie das übrigens meist
der Fall ist — nur mit 60 Kilometer
Stundengeschwindigkeit zurückgelegt. Der
schwere kaiserliche Zug wird nur auf be
sonderen Befehl mit höherer Geschwindigkeit
gefahren, für die Nachtfahrten werden
sogar nur 50 Kilometer in der Stunde
gefahren."
Es stimmt dieser Bericht also mit dem
von uns gestern gegebenen Bericht im
Wesentlichen völlig überein.
— Zu dem Geburtstag der Tochter
unseres Kaiserpaares am gestrigen
Sonntag fand Nachmittags eine große
Kindergesellschaft im Marmor-Palais bei
Potsdam statt, bei welcher die Kapelle des
zweiten Garde-Regiments zu Fuß konzertirte.
Die kleine Prinzessin Viktoria Luise machte
selbst die Honneurs und bewirthete höchst
eigenhändig die Musikanten mit Kaffee und
Kuchen. Einen recht glücklichen Tag hatte
dabei ein Leicrkastenmann, der zufällig im
Wildpark umherzog. Die kleinen Gäste
wollten tanzen; im jedoch die Hornmusik
zu rauschend war, ließ der Kaiser umher
schicken, ob irgendwo ein Leierkasten auf
zutreiben sei. Das Glück wollte es, daß
einer der Bedienten den erwähnten Leier-
kastenmann fand, und nun mußte der nichts
weniger als salonfähige Italiener im Saal
vor der Kindergesellschaft erscheinen, um
auf directen Wunsch des Kaisers alles zu
spielen, was er auf der „Walze" habe.
N-'ch den Klängen der „Ganzen kleinen
Frau" und ähnlicher Lieder tanzten und
sangen die Geladenen, bis die Zeit zum
Aufbruch nahte. Der Kaiser, der sich über
diesen improvisirten Hofball köstlich amüsirte
und über die Erweiterung der musikalischen
Kenntnisse seiner jüngsten Kinder herzlich
lachte, ließ dem Drehorgelspieler ein Honorar
von 150 Mark reichen.
Berlin, 14. Sept. Das Gerücht, daß
General von Hahnke, der Chef des
Militärkabinetts, aus seiner bisherigen
Stellung ausscheiden und als comman-
dirender General an die Spitze des 4. Armee
corps treten werde, ist nach dem „Lok.-
Anz." in jeder Beziehung unbegründet.
Der Kaiser sprach in der Rede bei der
Parade auf dem Tempelhoser Felde an die
höheren Offiziere direct aus, daß er dem
wohlverdienten General sein Vertrauen
gegenüber den verdächtigenden Angriffen,
die er anläßlich der Verabschiedung des
Kriegsministers von Bronsart erlitten,
durch die Ernennung zum Chef des aus
gezeichneten Grenadier - Regiments Prinz
Karl von Preußen zu erkennen geben wolle.
Der Kaiser betonte auch, daß er sich das
Recht, selbst zu bestimmen, wen er in
irgend einer Angelegenheit um seine
Meinung fragen wolle, nicht nehmen lasse.
— Freiherr v. Kotzehat von der Festung
Glatz aus das Gesuch an den Kaiser ge
richtet, ihn von seinem Amt als Cere-
monienmeister zu entbinden. Der Kaiser
hat dieses Gesuch bewilligt, dagegen bleibt
Herr o. Kotze Kammerherr und Rittmeister
der Reserve.
— Ein neuer Jnfanteriehelm wird
gegenwärtig vom 3. Bataillon des 9.
bayerischen Infanterieregiments im Manöver
getragen. Spitze und Wappen sind aus
Aluminium und kleiner als bei den bis
herigen Helmen; das Gewicht des Ganzen
soll das der Feldmütze kaum überschreiten,
Daß auf den Krupp 'sch en Werken
ein Verrath von Fabrikgeheim
nissen vorgekommen und infolge dessen
alle Ausländer entlassen worden sind,
wird von der Firma Krupp den „Berliner
Neuesten Nachrichten" als vollständig un
begründet bezeichnet.
Berlin, 12. Septbr. Die Stadt
verordnetenversammlung beschäftigte
sich gestern mit der alten Konsistorialordnung,
auf Grund deren die hiesige Kirchengemeinde
die Stadt Berlin zum Bau von Kirchen
heranziehe. Neuerdings sind für zwei
Kirchen insgesammt hier 173,000 Mk. ver
langt und vom Magistrat unter Vorbehalt
gezahlt worden, nachdem mit der Zwangs
vollstreckung gedroht worden ist. Der
Magistrat verlangte die Genehmigung dieser
Maßnahmen. Man erkannte zwar an,
daß der Magistrat die Rechte der Stadt
gewahrt habe; einzelne Redner vertraten
aber den Standpunkt, daß der Magistrat
die Zahlung unter allen Umständen hätte
verweigern, es auf die Zwangsvollstreckung
hätte ankommen lassen und namentlich auf
Vergleichsverhandlungen mit den Kirchen
behörden hätte verzichten sollen.
Berlin, 14. Septbr. Ein bekannter
Trabersports man, der Engros-
schlüchter Schmidt, ist dem „Berl. Tgbl."
zufolge gestern wegen der Beschuldigung
der Entführung einer Minder
jährigen verhaftet worden. Bei dem
letzten Trabrennen auf der Rennbahn in
Westend wurde zu allgemeiner Ueber-
raschung der Rennfahrer Heidegger von
einem Hamburger Kriminalschutzmann ver
haftet; es stellte sich aber bald heraus,
daß diese Verhaftung zu Unrecht geschehen
war. Schmidt hatte unter Heidegger's
Namen in Hamburg ein minderjähriges
Mädchen kennen gelernt, das ihn nach
Berlin begleitete, hier aber dann von ihm
im Stich gelassen wurde. Gegen Kaution
wurde Schmidt später wieder auf freien
Fuß gesetzt. (Wir haben über diesen Vor
fall schon berichtet.)
Berlin, 14. September. Das sonnige
Wetter des letzten Sonntags hat der Aus
stellung einen Massenbesuch gebracht, der
die betrübten Aussteller und Inhaber von
Lokalen und sonstigen Bergnügungsanstalten
reichlich für die vorausgegangenen Unbilden
entschädigt haben dürfte. Außer dem
schönen Wetter bewirkte den gewaltigen
Zustrom von Besuchern auch die Einrich-
ung des „kombinirten Marktages". Leider
hatte diese an Wochentagen sehr schätzens-
werthe Einrichtung am Sonntag den er
heblichen Nachtheil, daß sämmtliche Spezial
ausstellungen in geradezu gefährlicher Weise
überfüllt waren. In der Kolonialausstel-
lung mußte die Tembe, wie das Neger-
dorf, zeitweise gesperrt werden. In Alt-
Berlin kam es zu unerquicklichen Szenen.
Am Spandauer Thor war stundenlang ein
so arges Gedränge, daß Frauen ohn
m ä ch t i g w u r d e n , Kinder unten
auf dem Boden zu liegen kamen
undGefahr liefen, todtgetreten
zu werden. In dem nahe befindlichen
Restaurant „Zum Klosterstübl" wurde die
Kaffeeküche gestürmt, Stöcke und Schirme
zerbrochen und zerfetzte Kleidungsstücke vor
gefunden. Das Bier war in vielen
Restaurants gänzlich ausgegangen. Die
Unfallstation wurde 14 Mal in An-
spruch genommen. Unter den „Patienten"
befand sich ein Banquier aus Stettin, der
sich auf der Stufenbahn durch eigene Un
vorsichtigkeit Kontusionen an den Beinen
zugezogen hatte. Einen Gradmesser für
den ungeheuren Massenverkehr dürfte das
im Packetfahrt-Pavillon ausliegende Buch
Wo treffen wir uns?" bieten. Dasselbe
hatte die während der ganzen Ausstellungs
zeit noch nicht erreichte Zahl von rund
350 Eintragungen zu verzeichnen.
In dem Zuge Eisenach-Berlin entstand,
bald nachdem der Zug die Station Apolda
verlassen hatte, dadurch Feuer, daß ein
Spirituskocher, auf,dem eine mitfahrende
Dame Cacao kochen wollte, umfiel. Der
brennende Spiritus ergoß sich über einen
Reisekorb und den Fußboden, beide in
Flammen setzend. Die Kleider einer Frau,
welche das Feuer mit den Füßen dämpfen
wollte, fingen an sofort zu brennen, und
nur mit Mühe gelang es der Gefährdeten,
die an ihrem Körper emporzüngelnden
Flammen zu tilgen. Von einem Mit
reisenden war inzwischen die Nothbremse
in Thätigkeit gesetzt worden, worauf der
Zug hielt und das Feuer gelöscht wurde.
In einem Anfall von Geistesstörung
verübte in Memel der 66jährige Faktor
Berthe einen entsetzlichen Selbstmord. Er
begoß sich mit Petroleum und zündete es
an. Er erlitt so fürchterliche Brand-
wunden, daß er auf dem Transport nach
dem Krankenhause starb.
BreSkau, 14. Septbr. Zum Comman
danten von Breslau ist der Generalmajor
v. Alvensleben, Commandeur der 2. Garde-
Jnfanterie-Brigade, ernannt worden.
Aus Siegersdorf, wohin der Kaiser sich
zur Jagd begab, erfährt die „Frkf. Ztg.",
daß in der letzten Nacht von böswilliger
Hand sämmtliche E i n l a p p u n g e n
durchschnitten worden und die ein
gelappten Hirsche ausgebrochen sind.
Posen, 14. Sept. Nach einer Meldung
des „Pos. Tgbl." ist dem kommandirenden
General des 5. Armeecorps, v. Seeckt,
vom Kaiser der Schwarze Adlerorden und
vom Zaren der Weiße Adlerorden ver
liehen worden.
Die in Frankfurt a. M. verhafteten
Räthselschwindler haben mit Erfolg auf
die Dummheit spekulirt. Die aufgegebenen
„Preisräthsel" waren von der Art: „Meine
erste ist ein Bindewort, die zweite ein
Geldstück, das Ganze ist ein großer Mann,
für Deutschland hat er viel gethan." Den
Einsendern richtiger Lösungen wurde eine
goldene Uhr als Prämie in Aussicht gestellt,
falls sie eine Mark in Briefmarken zur
Bestreitung der Portokosten der Lösung'
beifügen würden, den Einsendern unrichti
ger Lösungen sollten die Briefmarken
zurückgesandt werden. In der Wohnung
der Gauner wurden ganze Stöße von
Briefschaften, die Lösungen solcher Räthsel
enthielten, aufgefunden. Schätzungsweise
sind aus dem Schwindelunternehmen in
dem Monat etwa 1000 bis 1200 Mark
erzielt worden.
Leipzig, 13. Sept. In der Fehse'schen
Bierpantschangelegenheit beschloß
eine stark besuchte Versammlung des
Vereins Leipziger Gastwirthe, daß in den
Tagesblättern eine öffentliche Erklärung
gegen den Ausspruch Fehse's, daß „Andere
es auch so machten", zu erlassen sei.
Leipzig, 14. Sept. Gegen die Eonsum-
vereine geht man im Königreich
Sachsen jetzt heftig vor. Nachdem die 2.
Ständekammer vorgeschlagen hatte, den
städtischen Gemeinwesen die Be
steuerung der Consumvereine anheim
zugeben, haben sich einige von diesen, wie
Burgstädt, Waldheim rc. sofort daran ge
macht, die Consumvereine mit einer drei
prozentigen Umsatzsteuer zu beglücken. Der
Kreisausschuß bestätigte diese Regulative
mit der Einschränkung, daß nur 2 pCt.
vom Erlöse der Consumvereine als Orts-
steuern erhoben werden dürfen. Eine ganze
Reihe von Städten dürfte diese Bestätigung
zum Anlaß nehmen, auch ihrerseits mit
einer gleichen Steuer vorzugehen.
Die Kgl. Amtshauptmannschaft Zwickau
hat die von einer Familie begehrte Ein
tragung des Namens „Marx" als Vorname
ihres neugeborenen,Sohnes in die Register
nicht genehmigt.
In der Schillerstraße in München ver
übte am Freitag ein stellenloser Kellner
ein Attentat aus einen Kriminal-
Gendarm, indem er zweimal auf ihn
schoß. Der Gendarm feuerte ebenfalls
und verletzte den Angreifer schwer durch
einen Schuß in die Kehle.
Kaiserslautern, 13. Sept. Der „Pfalz.
Kur." fordert alle süddeutschen National-
lieberalen auf, auf dem Berliner (Delegirten-
tage folgender Parole zu folgen:
„In der wirthschaftlichen Kraft
unseres Bauernst a ndes liegt der
Schwerpunkt der nationalen Kraft
Deutschlands." „National" sind wir
also in des Wortes ganzer Bedeutung,
wenn wir in energischer und zielbewußter
Arbeit die berechtigten Interessen unserer
landwirthschaftlichen Bevölkerung vertreten.
Die Bezeichnung „liberal' für uns zu
beanspruchen, haben wir ein vollwichtiges
Recht, weil wir frei sind von Dogmen,
Parteiprinzipien, und — den Blick aus
das große Ganze gerichtet — den that
sächlichen Verhältnissen und den durch sie
bedingten Anforderungen Rechnung tragen,
unbekümmert um die Anfeindungen von
links und rechts."
Bayreuth, 14 Septbr. Frau Cosima
Wagner bezieht, wie bei den jüngsten
Verhandlungen der internationalen Schrift
steller-Association in Bern französischerseits
erwähnt wurde, an Tantiemen etwa 60
bis 70 000 Frcs. ans Frankreich; für den
„Lohengrin" allein habe sie bisher 100000
Francs von dort erhalten. —
Hameln, 13. Sept. Während eines
starken Gewitters hat der Blitz die 20
Minuten von hier entfernte Wintersche
Papierfabrik getroffen. Die Vorraths
schuppen find ein Raub der Flammen
geworden. Der Schaden beträgt gegen
200,000 Mark. Dem günstigen Winde
und dem Eingreifen der benachbarten
Feuerwehr ist es zu danken, daß das
Fabrikgebäude verschont geblieben ist und
gegen 300 Arbeiter nicht brodlos ge
worden sind.
Die St. L oren z-Apotheke in Lübeck
fstxssnx
ist von dem bisherigen Besitzer Herrn
Siegfried Mühsam vor einigen Tagen an
einen Apotheker aus Cassel sicherem Ver
nehmen nach für die Summe von 300000
Mark verkauft worden.
Hamburg, 14. Sept. Ein Mensch, der
vom Gewinnglück förmlich verfolgt war,
war der hiesige Friedhofsaufseher Lüt
gens. Er gewann im Jahre 1886 auf
ein Hamburger Loos 105000 JL, auf ein
Braunschweiger Loos 55 000 JL und auf
ein Köln-Mindener Loos 12000 Jk, dazu
erbte er in dem gleichen Jahre noch
50 000 M Was machte der Mann nun
mit dem Gelde? Er stürzte sich in
Differenzgeschäfte, kaufte für Millionen
Spekulationspapiere und gerieth dann in
Konkurs. Das Ende war eine Anklage
wegen Bankerotts, welche ihn
dieser Tage vor die hiesige Strafkammer
führte. Das Gericht oerurtheilte ihn zu
einer Gefängnißstrase von 1 Tag.
'4rroî»m-iteAes.
Der Hofbesitzer Herr Ziese auf Bredel-
hof, eine wegen seiner Verdienste um die
Landwirthschaft bekannte Persönlichkeit, ist,
wie die „F. R." melden, von der Land-
wirthschafts-Kammer zum Viehzucht-
Inspektor für unsere Provinz ernannt
worden, Herr Ziese übernimmt sein neues
Amt bereits am 1. Oktober d. I., behält
aber vorläufig seinen Wohnsitz aus Bredel-
Hof. Der Posten eines Biehzuchiinspektors
wird mit einem Gehalt von 3000 Mark
dotirt, außerdem erhält der Inhaber an
Reisekosten die Summe von 1000 Mk.
Reichstags-Abgeordneter G. Thomsen-
Z eunhusen reist in den nächsten Tagen nach
Pest, um den Verhandlungen der inter
nationalen Friedensliga beizuwohnen.
Kiel, 9. Sept. Zum Zarenbesuch meldet
die „Voss. Ztg." noch nachträglich: Ab
gesehen von den officiellen Persönlichkeiten
ist der Zar hier höchstens von einem paar
hundert Menschen gesehen worden, da er
das königliche Schloß nur auf dem
Wasserwege betreten und verlassen hat.
„Die endlosen Hurrahs der dichtgedrängten
Menschenmassen" (von denen der officiöse
Bericht des „Wölfischen Tel.-Bureaus" zu
melden wußte.) gehören der kühnsten
Reporterphantasie an. Es wäre viel
richtiger zu sagen: „Der Zar ist in
Kiel gewesen, aber Niemand hat ihn gesehen.
Kiel, 13. Septbr. Das nächste große
Brillant-Feuerwerk auf dem Aus
stellungsplatze findet am Mittwoch,
den 16. September, statt und verspricht
als ganz neues und interessantes Schaustück
das Kyffhüuser-Denkmal, welches in einer
Höhe von 100 und einer Breite von 120
Fuß von der englischen Pyrotechnikerfirma
C. T. Brock & Co. eigens für die
Schleswig - Holsteinische Landesausstellung
angefertigt ist. Genau dem Original nach-
gebildet, ist das Bild dieses Denkmals in
dem prächtigsten Brillant- und Farben
feuer ausgeführt in einer bisher nicht ge
sehenen Pracht und Fülle. Im klebrigen
ist das Mittwochs-Programm mit den
glänzendsten Nummern pyrotechnischer
Leistungen gefüllt, welche die renommirte
Londoner Firma zu leisten im Stande ist.
Prachtstücke wie das Gromatrop, die sechs
gleichzeitig drehenden Räder, die Terrasse
mit Fontaine», humoristische Schaustücke
wie der unermüdliche Flickschuster und die
tanzenden Männer, dazu das an jedem
Mittwochabend reicher und prächtiger aus
gestattete Luftfeuerwerk sind geeignet, den
Besuch der Ausstellung nach wie vor zu
einem überaus lohnenden zu machen.
Hinweisen wollen wir bei dieser Gelegen-
„Nun, thue was Dir gut dünkt; ich habe Dir nur
angedeutet, was ich an Deiner Stelle thun würde.
Wenn ich mich für Aurora interessiere, so geschieht es
um Deinetwillen; doch wozu uns streiten, sobald Du,
ein Lebemann der Pariser Salons, plötzlich die Be
denken eines Tugeudhelden hegst, können wir uns nicht
verstehen." 14
„Du bist herbe, lieber Freund. Ich habe mir schon
selbst gesagt, daß Aurora nicht in Belvedere eingekerkert
bleiben kann, aber sie dem Vater entführen ..."
„Und ist es nicht gewissenlos, sie in dieser Weise
verkommen zu lassen."
„Ich sehe leider ein, daß Du im Rechte bist.*
„Nun denn, laß uns handeln."
Befriedigung leuchtete aus den Augen des Grafen.
„Man könnte sie ja in einem Haufe unterbringen,
wo idr jedwede Pflege zugewendet würde, und nach
Jahresfrist..."
„Lieber Freund, das ist ja Deine Sache; was Du
weiter mit ihr thust, geht mich nichts an," lachte der
Graf sardonisch.
„Die Kleine weiß absolut gar nichts vom Leben,
ihre Erziehung muß erst vervollständigt werden."
„In acbt Tagen muß Deine Angebetete ihrem Ge
fängnis entflogen sein."
„Aber wie das anstellen?"
„Die einfachsten Mittel sind immer die geratsam-
sten: Du wirst ihr schreiben."
„Aber wie soll ich den Brief in ihre Hände gelan
gen lassen?"
„Nichts ist einfacher: sie ist oftmals allein im Gar-,
ten, Tu kennst die Stellen, an welchen sie sich gewöhn
lich auszuhalten pflegt, und kletterst über die Mauer;
sic sieht Dich. Du legst Schweigen gebietend den Fin
ger auf den Mund und wirfst ihr den Brief zu!"
„Und wenn nun der Vater den Brief sieht?"
„Mein Freund, mau sieht, daß Da die Frauen im
allgemeinen nicht kennst, selbst die unschuldigsten werden
schlau, sobald die Liebe dabei im Spiel ist. Wenn Au
rora Deinen Brief nicht vernichtet, sobald sie ihn ge
lesen, wird sie doch Mittel finden, ihn den Blicken ihres
Vaters und der Stummen zu entziehen. In diesem
Briefe aber wirst Du ihr sagen, zu welcher Stünde sie
die Gartenpforte öffnen müsse."
„Und wenn sie nun nicht kommt?"
„Sie liebt Dich, sie wird kommen; wir werden eine
Nachtstunde wählen, um kein Aufsehen zu erregen; ein
mit vier kräftigeuPferden bespannierWagen muß unserer
in der Nähe harren. Es dürfte aber klug sein, lieber
Adrian, wenn wir schon heute Champigneule verlassen
und nach Circourt zurückkehren; übermorgen fahren wir
dann nach Paris, um dort alle nötigen Vorkehrungen
zu treffen. Es ist Mitternacht, gehen wir zu Bette!"
Noch ein Händedruck und die beiden Freunde trenn
ten sich für die Nacht.
14.
Wir gehen dent Herbst entgegen; die schönen Tage
werden immer seltener; der Nachtfrost hat die Schmet
terlinge schon aus dem Garten vertrieben, die Blätter
fallen zur Erde, die Blumen welken dahin.
Aurora sitzt auf einer Gartenbauk, ihr Vater steht in
einiger Entferuung und spricht mit dem Freunde, welchen
ernachBelvedere gebracht. DeralteHerrhattebefürchtet,
daß die Gesundheit seiner Tochter ernstlich angegriffen
sei, aber nach einem Tag der Unruhe haben seine Sor
gen sich als gänzlich unbegründet eriviesen.
Traurig ist das junge Mädchen aber doch, das läßt
sich nicht in Abrede stellen; regungslos, das Haupt tief
aus die Brust geneigt, die Hände gefaltet, so sitzt sie,
träumerisch vor sich hinstarrend. Von Zeit zu Zeit hebt
sie den Blick empor, blickt de» Vater an und ein mattes
Lächeln umspielt daun wohl ihre Lippen. Neben ihr auf
der Bank lieg! ein Album mit verschiedenen Ansichten,
sie denkt aber gar nicht daran, dasselbe anzublicken.
Wie bereits bemerkt, befinden sich ihr Vater
und der Fremde in äußerst lebhaftem Gespräch. Der
Vater hatte eben gesprochen. Er schien sehr erregt, da
von legie der rasche Atem Zeugnis ab. Große Schweiß
tropfen perlten auf seiner Stirne, feine Augen blitzten,
der Ansdruck derselben war düster
Sein Zuhörer schien ebenfalls tiefbewegt. Thränen
perlten langsam über seine Wangen nieder; konvulsi
visches Zucken durchbebte seinen Körper. „Entsetzlich,"
murmelte er.
Der Vater fuhr fort: „Deinetwegen, lieber Wil
helm, habe ich die Asche der Vergangenheit wieder auf
gewühlt, habe ich die Wunden meiner Seele bloß ge
legt. Ich konnte, ich durfte meinem einzigen, meinem
besten Freunde nichts vorenthalten."
„Ich danke Dir, Paul! Ja, ich bin Deines Ver
trauens wert, und Du hast wohl daran gethan, mir
Dein Unglück nicht zu verbergen."
„Die Jahre sind dahin geschwunden, ich bin alt und
grau geworden, aber der Schmerz ist immer gleich ge
blieben. Ich habe gelitten, entsetzlich gelitten. Zum
Glück hatte meine Tochter . .
„Ja, Deine Tochter, Deine Lticie," unterbrach ihn
Wilhelm vvn Otten, „laß uns von ihr sprechen!"
„Für sie habe ich gelebt! Sie ist lange Jahre hin
durch krank gewesen, ich verzweifelte daran, sie jemals
genesen zu sehen. Aber Gott war barmherzig, er ließ
mir mein Kind."
Otten warf einen mitleidigen Blick auf das junge
Mädchen, dann-wandte er sich an den Freund. „In
wessen Obhut gabst Du das Kind, als Du es Deiner
pflichtvergessenen Gattin genommen?"
„In dem Jahre vor meiner Ehe hatte ich, Italien
durchstreifend, mich einige Wochen in dem Fischerdorfe
Livardia aufgehalten; der schlichte Fischer, bei welchem
ich wohnte, war einem braven Weibe vermählt, er hatte
ein Kind, beweinte aber den Tod eines kleinen sechs
jährigen Mädchens, das er kurz vor nieiner Ankunft
verloren. Es waren brave, einfache Leute, die kein an
deres Streben kannten, als sich rechtschaffen durch's
Leben zu schlagen. Ich fühlte mich wohl in ihrer Mitte,
man überhäufte mich mit Aufmerksanikeit. und als ich
sie verließ, mußte ich ihnen versprechen, bei einem spä
teren Aufenthalt in Italien sie wieder zu besuchen.
Jener braven Leute entsann ich niich nun, ihnen wollte
ich meine kleine Lucie anvertrauen, wenigstens während
der ersten Jahre ihres zartesten Kindesalters. Am
frühen Morgen machte ich mich somit auf den Weg nach
Livardia. Die Fischersleute freuten sich unbeschreiblich
des Wiedersehens, sie waren außer sich vor Glück, als
ich ihnen sagte, das kleine Mädchen, welches mich be
gleite, sei mein Töchterlein, das ihrer Obhut anvertraut
werden solle. „Ich werde sie lieben, wie ich meine kleine
Carlotta geliebt, die jetzt bei den En«ln weilt," ver
sicherte mir die brave Padrona. Ich «vergab dem Ehe
paar einen Betrag, welcher längere Zeit reichlich für
die Bedürfuiffe meiner Kleinen auslangen mußte, und
blieb selbst vierzehn Tage in Livardia. Doch trotzdem
ich den ganzen Tag über mich an der Liebenswürdigkeit
meiner kleinen Lucie erfreute, wollten die traurigen Ge-^
danken, ioelche mich unausgesetzt beschäftigten, nidjt’
weichen; überdies fragte das Kind beständig nach der
Mutter und es war dies eine Qual, welche auf di«'
Dauer zu ertragen ich mich unfähig fühlte. Ich mußte
ankämpfen gegen das Leid, welches mich zu verzehren
drohte, ich mußte mich gewaltsam aufrütteln, mich zer
streuen, um andere Gedanken in meiner Seele wachzu
rufen; dazu war das beste Mittel, unausgesetzt zu reisen.
Ich that es. Während der drei Jahre, welche meine
Tochter in Livardia verblieb, durchwanderte ich mehr««
Male ganz Europa, Frankreich ausgenommen.
Natürlich kehrte ich oft nach Livardia zurück; dank
der sorgfältigen Pflege, welche man ihr widmete, stärkte
Lucies Gesundheit sich merklich, das Kind wuchs heran
und entwickelte sich körperlich in geradezu erstaunlicher
Weise. Hatte ichmichauihremWohlergehen, anihrcrZärt-
lichkeit mehrere Tage laug geweidet, so ergriff ich den
Waiiderstab von neuem, ich fühlte mich wohl, aber mein
Wille war nicht stark genug, die dunklen Bilder zu ban
nen, welche mich Dämonen gleich verfolgten."
„Sie quälen Dich heute noch," bemerkte van Otten
traurig.
„Ja, aber jetzt bietet das Glück, welches mir meine
Tochter gewährt, reichliche Entschädigung; wenn ich sie
ansehe, wenn ich khr zuhöre, wenn ich ihr Lächeln ge
wahre, bin ich glücklich."
(Fortsetzung folgt.) 37.16*
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Bo
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suck
Ha
Ab
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mit
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