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Aenüsburger M Wochenblatt
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nummer werden bis 12 11
GNsLer Jahrgang. «-
Mo. 155.
Montag, den 6. Zuti
1896.
Morgen-Depeschen.
Berlin, 4. Juli. Der àşier 1st heute
in Kopervik (Norwegen) eingetroffen,
â« Bord der „Hohenzollern" Ist .Alles
«vht.
Ņ 4. Juli. Prinz Heinrich von
putzen ist in Kiel wieder eingetroffen
k>Nb Gemahlin tonnte ihn auf seiner
fîetie nach Wilhelmshafen nicht begleiten,
weil fix einem freudigen Familienereigniß
entgegensieht.
Berlrn, 4. Juli. Die „Post" schreibt
zu der Blättermeldung, laut welcher der
Kriegsminister Bronfart von Schellendorfs
Demission eingereicht habe: daß General
^vnfart von Schellendorff schon seit
Sonaten den Wunsch hegte, von seinem
"Habenden Amte sich in's Privatleben
^rückziehen zu können, ist bekannt. Darüber
ob der Kriegsnlinister, .der gegen-
°rtig auf Urlaub.auf seinem Gute Marien-
şA weilt, die einleitenden Schritte zu
wrnem Rücktritt .jetzt wirklich unternommen
hoben wir Bestimmtes nicht.erfahren
wnnen.
Berlin, 4. Juli. Im Prozesse gegen
ehemaligen Direktor der Rheinisch,
^estfüjjfchen Bank, Hermann Friedmann,
, wtet Las .Urtheil.auf 6 Jahre Zuchthaus
and 6 Jahre Ehrverlust, sowie auf.Ein-
^khung der gefälschten Aktien,
st4. Juli. Der Inhaber des hie-
ien Getreidekommissionsgefchäfts Gebr
Hermann, Michael Zuckermann, .hat sich
ichosfen. angeblich.wegen bedeutender Ber-
! 'm Termingeschäft.
A "o^â'ļin, 4. Juli. Der Börsenmakler
^Nton Blumenthal ist, der „Staatsbürger-
zufolge, unter Hinterlassung zahl-
lcher L-chulden und Börsendifierenzen
stuchiig geworden.
Wilhelmshaven, 4. Juli. Etwa 40
^cann vom 2. Seebataillon und zwei
Matrosen vsn der Artillerie-Abtheilung
und von einer Aug en kr a n kh e it be-
worden. Die große Kaserne wurde
ļ^halb geräumt und wird desinstcirt. I
.Hamburg, 4. Juli. Die mit 9 Wanst
do'ĢL. Hamburger Brigg „Augusts
jşi Danzig nach Plymouth unterwegs,
kirck^ş ^ner Bank in der Mähe von TÄn-
^ gestrandet. Nachrichten über die
ästAnschaft fehlen.
4. Juli. Bei der heutigen
^..ĢStagsersatzwahl im Kreise Löwenberg
Belten nach dem bisher festgestellten
3372*°* Ģraf v. Nostiz-Zobten (cons.)
' Rector Julius Kopsch-Berlin (freis.
Volkspartei) 3356, Schneider Nixdorf.
Görlitz (Socdem.) !13 Stimmen. Wahr-
scheinlich kommt es zur Stichwahl zwischen
dem Grafen Nostiz und dem Rector Kopsch.
Greifswald, 4. Juli. Der Bürgermeister
Helfritz ist heute Nacht am Herzschlage
gestorben.
London, 4. Juli. Der „Times" wird
aus Berlin gemeldet, man nehme an, daß
Deutschland von China nicht, wie erhofft,
Politische oder finanzielle Vortheileerlangen
wird. Man will jedoch andererseits wissen,
daß der chinesischeBicekönig Li-hung-Tschang
in Deutschland drei Kriegsschiffe bestellt
und Deutschland die Erlaubniß zur Er-
richtung einer Kohlenstation in den chinesischen
Gewässern in Aussicht gestellt habe.
London, 4. Juli. Wie aus Shanghai
gemeldet wird, beginnt in den östlichen und
westlichen Provinzen Chinas wieder die
Fremdenhetze. In den Provinzen Kiangst
und Schantung ist ein Aufstand ausgebrochen.
In letzterer Provinz wurden viele ein
geborene Christen und angeblich auch ein
deutscher katholischer Missionar getödtet.
Einige französische Missionen sind zerstört
worden.
London, 4. Juli. Eine Pocken-
epidemie ist in Gloucester ausgebrochen
und nimmt täglich an Ausdehnung zu.
Bisher sind mehr als 2000 Krankheitsfälle
festgestellt worden.
Brüssel, 4. Juli. Ans Boma wird dem
Soir" telegraphic, daß der Leiter der
belgischen Faktorei in Doulu, Namens
Beaumont, von unter seinem Befehl stehen
den Eingeborenen ermordet und aufgefressen
worden ist. Der Belgier Bohn, der gegen
die Aufständischen mit bewaffneter Macht
vorging, wurde gleich beim ersten Angriff
verwundet und war gezwungen, den Wück-
zug anzutreten.
Petersburg, 4. Juli. Das Zarenpaar
ist heute Vormittag hier eingetroffen. Die
Straßen waren festlich geschmückt. Auf
der Fahrt zur Kaşankathedrale brachte das
äußerst zahlreiche Publikum dem Kaiser-
paar stürmische Ovationen dar. — Das
Unwohlsein des Zaren, das von vecschie-
denen Blättern als besorgnißerrcgendge-!
schildert wurde, ist nach Mittheilung Lev
russischen Botschaft nicht ernstlich.
Newyork, 4. Juli. Wie a»s Wilkesbarrp
iPennsylvanien) gemeldet wird, sind die
Arbeiter, welche mit der Aufsuchung fee-r:
infolge des Einsturzes einer Gallerte ver-!
schütteten Bergleute beschäftigt sind, noch!
etwa 700 Fuß vom Hauptpunkte des @tn= ;
sturzes entfernt. Man befürchtet, daß nach
einer Woche, wenn die Rettungsarbeiten
beendet sind, alle Bergleute als Leichen
herausbefördert werden.
Zur Angelegenheit
tu Kotze-Freiherr v. Schrader
veröffentlicht der „L.-Ä." folgendes:
Eine vermuthlich zur Ehrenrettung des
Ceremonienmeisters von Kotze erlassene
Streitschrift reconstruirt noch einmal mit
großer Schärfe den anonymen Briefskandal,
faßt alle Ereignisse von der plötzlichen Ber-
Haftung von Kotze's bis zum Tode von
Schrader's zusammen und charakterisirt an
den anonymen Briefen deren Schreiber,
wobei sie zu -dem Schluffe kommt, daß ein
Herr und eine Dame bei der Abfassung
zusammen gewirkt haben müssen. Biele
über die seiner Zeit so sensationelle An
gelegenheit bereits bekannt gewordene Mit
theilnngen find mit neuen Informationen
gemischt, über deren Richtigkeit allerdings
noch Erhebungen anzustellen sein werden.
Zu denken giebt die Ankündigung des
pseudonymen Autors, daß mit dem' Tode
des.Freiherrn von Schrader die Sache noch
nicht zum Austrag gebracht sei. „Die
Parteien stehen sich noch unversöhnt und
unversöhnlich gegenüber. Die Familie von
Kotze will eine unbedingte Genugthuung
für die ihr zugefügte schwere Beleidigung
erkämpfen. Es hat jedoch den Anschein,
als ob dies auf gütlichem Wege nicht
möglich sein werde."
Es wird mit aller Bestimmtheit
ausgesprochen, daß die in Betracht kommende
männliche Person das unbedingte Vertrauen
hoher militairischer Personen und Hof-
chargen besessen habe und daß die Mit
vevfasserin eine Dame „mit einem sittlichen
Defect in der Vergangenheit" war. Als
eine Stichprobe aus der Broschüre möge
Folgendes dienen :
„Die Polizei wurde, während Herr von
che im Gefängniß saß, benachrichtigt,
man möge im „Boudoir" einer getvissen
Aristokratin „ein Geheimfach öffnen, in
demselben werde man Briefe finden, in
denen -der Name des -anonymen Autors
genannt -sei. " Die Polizei hat diese Wahr-
nehmung bestätigt gefunden."
Der Verfasser der Broschüre zieht drei
Kreise, innerhalb deren der oder die Brief-
schreiber ermittelt werden müssen.
Der erste Kreis befaßt sich mit der
Generation der älteren Hosleute. Der
An« den Wanden erlöst.
Rmmn von Ewald August König. -25
sie »'(Läßt Dich auch wieder einmal hier sehen ?"
sollte heute zu Dir kommen, um mich
lew»ņ erkundigen das Kind ist mir an's Herz
achsen, rch weiß wir das selbst nicht zu erklären."
- ïtn'u sl ü n , e ^3 e ^ es Dm wie mir," erwiderte der
indem er sich auf einen Stuhl niederließ und
,vei „neu forschenden Bück den jungen Mann
àd Mw üeb^sem, wenn Du das Mädchen
"şi besuchen willst, -och wnre längst einmal gekom-
ê °ber Du glaubst nicht, welchen Anger ich jetzt des
.'des wegen gehabt habe, dre Hetzereien der Frau Ber-
"^hvf haben reiche Früchte getragen."
--Rost hat sich noch immer nicht beruhigt?«
it-'Şie scheint jetzt Vernunft annehmen zu wollen,
C ich traue der Ruhe nicht, sie tst die Ruhe eines
J 51 ® und auf einen plötzlichen Ausbruch bin ich
n. Lieber Gott, meine Kinder sollen ja keineswegs
u l kommen und von ihrer Seite ist es unvernünf-
ly "sir so schroff entgegenzutreten, ich setze meinen
Y) doch durch."
îgLtsiNd da es ein gutes Werk ist, kann Dir das Nw-
t nehmen," nickte seine Schwester. „Die Rost
hä gereizt, aber sonst ein herzensgutes Geschöpf,
’’nn Ufe ķ' sie wird im Laufe der Zeit Anna liebge-
M und Dir dann alle Borwürfe abbitten."
"ff-ir wollen das hoffen."
>n>"d Du hast nun eine neue Haushälterin gefim-
^ "Jawohl. Ein ganzes Dutzend hätte ich haben kön-
>ß'iR w aufrichtig gestanden, Hcrmine, fürchte ich doch,
£ Frau Bergerhof noch vermissen werde."
darfst sie nicht wiedcriiehmen —"
«'îiili 11 ' min ’ ba ? 'ch ja auch ein, und was ein
te ändern ist, 2-arin finde ich mich auch; aber
IW 1 #'., eun 8 e Unannehmlichkeiten werden mir nicht.
Y* bleiben." ’
ffe'Vi? hat damit immer zu kämpfen, Friedrich, sie
lwy ertragen, wenn mau sich nur gcdickden will."
»Ja,
. ja, Du hast sie auch," sagte der Stadtrath mit
einem bedeutungsvolle« Blick auf den jungen Mann,
der ihm bei dieser Bemerkung ernst und voll insAntlitz
schaute. „Ich hätte nicht solange geschwiegen und mich
geduldet."
„Gilt das mir, Onkel?" fragte Walter ruhig.
„Wenn Du Dich getroffen fühlst —"
„Nein, jetzt nicht mehr; die Zeiten, in denen ich
solchen Borwurf hinnehmen mußte, sind vorbei. Du
hast mich offen einen Müßiggänger genannt und mir
oft Arbeiten zngemuthet, die ich nur mit Widerwillen
verrichtet haben würde, aber unthätig bin ich doch nie
gewesen. Hier sind die Resultate meiner Arbeiten, ich
habe einen Roman aus dem Leben geschrieben und die
Redaktion eines bedeutenden Blattes hat schon mit dem
Abdruck desselben begonnen. Hier sind Beweise; lies
diese Briefe, man bewilligt mir ein nanihasteS Honorar
und bittet mich um neue Beiträge; nun ist meine Exi
stenz gesichert und ich darf auf eine glänzende Jahres
einnahme rechnen."
Der Stadtrath blickte den jungen Mann starr an,
dann nahm er die Zeitungen und Briefe auf. die Wal
ter auf den Tisch gelegt hatte, indeß der leuchtende
Blick seiner Schwester voll stolzer Befriedigung auf dem
Sohne ruhte.
„Das wäre, sagte er nach einer Weile, und ans
jedem Zuge seines Gesichts sprach wachsendes Erstau
nen ; „ich fange an, Respekt vor Dir zu bekommen, aber
Du hättest das früher sagen sollen, würdest Dir man
chen Vorwurf dadurch erspart haben."
„Darüber denke ich anders," erwiderte Walter. „Oft
hat das Gestäudniß mir auf der Stirn geschwebt, wenn
die Mutter mir Vorwürfe machte, aber immer wieder
drängte ich cs zurück. Ich konnte nicht vorauswissen,
ob mein Roman angenoinmen und honorirt wurde, und
stand der Erfolg mir nicht zur Seite, dann durfte ich
von Euch nur Spott erwarten. Daß ich das vermeiden
wollte, daß ich schwieg, bis ich ein günstiges Resultat
vorlegen konnte, das darf mir Niemand verargen. Jetzt
hat aller Spott ein Ende, ich werde auf der mit Glück
betretenen Bahn weiterschreiten und trage die Ueber- !
jineite Kreis schließt den Thäter enger ein,
indem er ihn als einen „alten Hofmann"
bezeichnet, der auf das Intimste mit den
Eltern der obenerwähnten Aristokratin ver
kehrte. Der dritte Kreis endlich weist als
besonderen Punkt eine Unterredung ans,
die ohne Zeugen zwischen dem Kaiser und
dem Fürsten Hohenlohe stattfand, und von
der die verdächtige Person Kenntniß hatte.
Mrrsļand.
Jtalie«.
Rom, 4. Juli. Die „Köln. Ztg." schreibt:
Der durch seine Franzosenfreundlichkeit
bekannte italienische radicale Deputirte
Cavallotti erklärt in dem vorwiegend
französische Politik treibenden Mailänder
„Secolo", er habe jüngst in der Kammer
nur deshalb für di Rudini gestimmt, weil
dieser den Dreibund in seiner jetzigen Fassung
für unbefriedigend bezeichnet habe.
Cavallotti stellt also hier für seine Zwecke
die Fassung der Rede des Ministerpräsi
denten di Rudini wieder her, die inzwischen
amtlich durch die „Agenzia Stefani" be
richtigt worden ist. Die Auslassung
Cavallotti's hat in den weitesten politischen
Kreisen eine für den italienischen Abgeord
nete« ebenso ungewohnte wie persönlich
schmeichelhafte Beachtung gesunden. Letztere
wird darauf zurückgeführt, daß Cavallotti
neuerdings als ernsthafter Ministercandidat
bezeichnet wird, um dem Ministerpräsidenten
di Rudini die Unterstützung der Radicalcn
zu erhalten und künftig ihm die Mosaik
mehrheit im Parlamente zu sichern.
Türkei.
In Konstantinopel werden demnächst vier
Hochzeiten in den dortigen Hofkreisen statt
finden. Die zu vermählenden Damen sind
eine Tochter des Sultans und eine andere
kaiserliche Prinzessin, sowie zwei junge,
vornehme, im Palais aufgewachsene Damen.
Das Merkwürdige hierbei ist, daß die be
treffenden Männer noch nicht bestimmt sind,
doch ist es beinah sicher, daß der eine der
zweite Sohn des Ghazi Osman Pascha,
der andere der älteste Sohn des Scheikh-
ul-Jslam ist.
England.
London 4. Juli. Wie die Blätter
melden, hat sich das Befinden Henry
Stanley's verschlechtert.
Oe H erreich -Ungarn.
Brünn, 4. Juli. In Wsetin erkrankte
eine Hoch zeit sgcsetk s ch aft von 48 Per-
s onen unter B e r g i f t u n g s > S y m p t o me n.
Mehrere genasen, viele sind noch leidend.
Hühner, welche vom Hochzeitskuchen fraßen,
verendeten.
Wien, 4. Juli. Im Gemeinderathe
beantragten die Antisemiten die Errichtung
einer Wiener Stadtbank und Abschaffung
sämmtlicher Konsumvereine.
Ein fürchterlicher Vorfall wird uns aus
Trschitz (Mähren) gemeldet: Die Gattin
des dortigen Malzfabrikanten Czepek war
mit ihrem einjährigen, im Kinderwagen
ruhenden Kinde in den Wald gegangen,
als ihr plötzlich ein Strolch entgegentrat
und zehn Gulden forderte. Die Frau gab
ihm ihre ganze Baarschaft von drei Gulden,
worauf der Strolch noch mehr forderte.
Er warf Frau Czepek zu Boden, ergriff
sodann das Kind bei dessen Füßen und
schlug es vor den Augen der verzweifelten
Mutter mit den Kops gegen einen Baum
stamm, bis das arme Kind eine Leiche
war. Der Verbrecher entfloh.
Inland.
Berlin, 4. Juli. Prinz Ludwig von
Bayern hat eine Einladung des Kaisers
ilhelm zur Theilnahme an den dies«
jährigen Kaisermanöoern angenommen, was
als ein weiterer Beweis für die Fortdauer
der herzlichen Beziehungen zwischen den
Höfen von Berlin und München gelten
kann.
— Für das Duell hat der General-
lieutenant z. D. v. Boguslawski eine
Broschüre erscheinen lassen. Der Verfasser
macht nur insofern der entgegenstehenden
Auffassung Zugeständnisse, als er empfiehlt,
die Freiheit des Willens gerade in Ehren
sachen nicht zu sehr einzuschränken, nicht
schematisch zu verfahren, sondern den
Grund des Verhaltens des Betreffenden
recht genau zu prüfen, ehe man urtheilt.
Man könne „sich wohl den Fall denken,
daß ein Mann vom feinsten Ehrgefühl
und Anhänger der Standessitte als be
leidigter Ehemann oder Vater auf eine
Herausforderung des Beleidigers aus be
sonderen Gründen verzichtet. Man höre
diese Gründe, oder wenn er sie nicht offen
baren will, richte man sein Urtheil nach
der Meinung, die man von seiner Persön
lichkeit, seinem Charakter hat." — (Grade
damit wird doch mittelbar zugegeben, wie
haltlos der Boden ist, auf welchem sich
die Vertheidigung des Duells bewegt.)
Berlin, 4. Juli. Die „Voss. Ztg." will
wissen, daß die Reichskommission für
zengung in mir, daß man mich einst zu den Besten der
Nation zählen wird."
Frau Berger nickte zustimmend, aber der alte .Herr
wiegte mit bedenklicher Miene das Haupt. „Nur nicht
so hoch hinaussagte er warnend; „die Selbstiiber-
schätzung ist eine Klippe, an der schon manches Talent
scheiterte. Jawohl, das soll wobl sein. Na, mich freut's,
Hcrmine, daß diese Sorge von Dir genommen ist, und
ich will Dir und Deinem Sohne wünschen, daß Deine
Hoffnungen sich erfüllen mögen."
Er war von seinem Sitze aufgestanden, mit wohl
wollendem Lächeln reichte er seinem Reffen die Hand.
„Den Roman werde ich natürlich noch lesen," sichrer
fort; „Du hast wohl die Güte mir dann und wann die
Zeitungen zu bringen. Die Anna spricht oft von Dir,
Du hast bei ihr einen großen Stein im Brett."
„Und sie bei mir ebenfalls," unterbrach Walter ihn;
„ich habe das Kind in der ersten Minute lieb gewonnen.
Ich komme heute noch mit der Mutter, wenn Du es er
laubst."
„Natürlich," nickte der Stadtrath; „mir und auch
dem Kinde wird's Freude machen."
In heiterer Stimmung verließ er das kleine Haus.
Er wußte, daß er in ihm zwei glückliche Menschen zu
rückließ, die ihm nahe standen, und deren Zukunft ihm
ost ernste Sorge bereitet hatte. Und in dieser heiteren
Stimmung befand er sich noch, als er das Haus des
Amerikaners betrat.
Der Kammerdiener führte ihn in das Cabinet sei
nes Herrn und einige Minuten später stand der Ameri
kaner ihm gegenüber.
„Was verschafft mir heute wieder die Ehre?" fragte
Hartmann in kühlem Tone. „Ich glaubte nach unserer
letzten Unterredung dieser Ehre nicht mehr gewürdigt
zu werden."
„Seit jenem Tage ist Manches vorgefallen, wor
über ich mir von Ihnen Aufschluß erbitten könnte," er-
widerte der Stadtrath, seine Ruhe bewahrend. „Herr
Bollheim hat unter nichtigen Vorwänden meinen Sohn
gezwungen, seine Entlaffuug zu fordern; ich irre wohl
nicht, wenn ich vermuthe, vatz dies m ^yrein Äuftraae
geschehen ist."
Ein ironisches Lächeln glitt über das gebräunte
Antlitz des Amerikaners. „Habe ich mir doch gleich ge
dacht, daß dieser Verdacht auf mich fallen würde," sagte
er achselzuckend. „Ich nehme kein Interesse an Ihrem
Sohne, mein Herr, suchen Sie die Gründe der Ent-
laffung in andern Ursachen, mich küimnert diese Ange
legenheit weiter nicht."
„Ich will auch nicht näher darauf zurückkommen,
dre späteren Ereignisse werden vielleicht lehren, daß
dieser Bruch nur im Interesse ineines Sohnes lag."
„Was wollen Sie damit sagen?" fragte Hartmann
rasch.
„Sie werden mir erlauben, daß ich meine Vermuth
ungen für mich behalte," erwiderte der alte Herr in iro
nischem Tone; „übrigens ist mein Sohn so gestellt, daß
er die schnelle Entlassung leicht verschmerzen kann. Er
hat sich bereits mit seinem Bruder affocirt und von mir
ein Kapital erhalten, das die Beiden in den Stand setzt,
das Geschäft auszudehnen."
„Einer großen Ausdehnung wird der Cigarrenhan
del wohl nicht fähig sein," spottete der Anicrikaiirr.
„Sie kennen das Geschäft nicht, sonst würde Ihr
Urtheil anders lauten. Der Cigarrenhandel ist nur
Nebensache, das Hauptgeschäft besteht in einem groß
artigen Tabakhandel. Mein Sohn bezieht die Rohtabake
direkt von den Pflanzern, er verkauft sie wieder in gro
ßen Posten an dir Fabriken und da ihm neben einem
fast unbeschränkten Credit genügende Fonds zur Ber-
fügung stehen, so brailche ich wohl nicht hinzuzufügen,
daß dieses Geschäft einen sehr bedeutenden Gewinn ab
wirft."
„Möglich," erwiderte Hartmann lakonisch; „aber
mich interessirt das nicht." 25,16*
Dem Stadtrath stieg das Blut in den Kopf, sein
Gesicht färbte sich immer dunkler und es kostete ihn
große Mühe, seinen Groll zurückzudrängen. „Ich muß
auf unsere erste Unterredung noch einmal zurückkom
men sagte er mit einer Entschiedenheit, die keinen
Widerspruch duldete; „Sie deuteten damals aus die