Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

hinweg und gegen dessen Willen un 
ter der Zustimmung des Herrschers wichtige 
Entscheidungen traf. Daß der Minister 
nicht in der Lage war, die Geschäfte des 
Kabinets zu kontrolliren, hatte hauptsäch 
lich darin seinen Grund, daß, wie früher 
schon wiederholt, so auch jetzt an der Spitze 
des Militärkabinets ein Officier steht, der 
als „ Generaladjutant" zur nächsten 
Umgebung des Kaisers gehört und deshalb 
einen ganz anderen Einfluß hat, als ein 
bloßer Abtheilungschef des Kriegsministe 
riums. Macht ein solcher Mann seinen 
Einfluß in vollem Maße geltend und 
widerstrebt dem Träger der Verantwort 
lichkeit, so ist der Zwiespalt da, der noth 
wendiger Weise zu einer Krisis führen 
muß, falls der Minister sich nicht einer 
unverantwortlichen Stelle unterordnen und 
für deren Anordnungen haftbar machen 
lasten will. Kommen dazu noch persön 
liche Differenzen, wie sie zwischen 
Bronsart und Hahnke, dem Chef des 
Militärkabinets, vorhanden gewesen sein 
sollen, so ist keine andere Lösung des 
Konflikts möglich, als der Rücktritt eines 
der beiden Männer; diesmal hat der 
Minister den Platz geräumt. 
Berlin, 17. August. Der neue Kriegs 
minister Generallieutenant von Goßler 
ist am 29. September 1841 in Weißenfels 
geboren und der jüngere Bruder des 
früheren Cultusministers und jetzigen Ober 
Präsidenten von Westpreußen. Er trat im 
Jahre 1860 in das Grenadier-Regiment 
Nr. 1 in Königsberg i. Pr. ein und wurde 
1861 Seconde-Lieutenant. Nachdem er 
von 1866—69 die Kriegsakademie besucht, 
führte er im Feldzug 1870/71 als Haupt 
mann eine Compagnie des Thüringischen 
Jnfanterie-Regiments Nr. 95 und wurde 
noch im Jahre 1871 zum Kriegsministerium 
commandirt,. in welcher Stellung er bis 
1873 verblieb. Kaum drei Jahre war 
er dann als Compagnie-Chef im Grenadier- 
Regiment Nr. 2 in Stettin thätig, worauf 
er unter Beförderung zum Major in's 
Kriegsministerium versetzt wurde, in welchem 
er zuerst als Decernent, dann als Chef 
der ersten Armee-Abtheilung thätig war. 
Am 4. August 1888 wurde er zum Oberst 
befördert. In dieser Charge ernannte ihn 
der Kaiser am 15. Oktober 1889 zum 
Commandeur des 3. Garde-Regiments zu 
Fuß, dem er aber schon am 14. Februar 
1891 à la suite gestellt wurde, als er mit 
der Führung der 43. Jnfanterie-Brigade 
(Kassel) beauftragt ward. Am 16. Mai 
1891 erfolgte seine Beförderung zum 
Generalmajor und in demselben Jahre 
seine Ernennung zum Director des All- 
gemeinen Kriegs-Departements im Kriegs 
ministerium und stellvertretenden Bevoll 
mächtigten zum Bundesrath. In dieser 
Stellung blieb Herr von Goßler, bis er 
am 27. Januar 1895 unter Beförderung 
zum Generallieutenant zum Commandeur 
der 25. (Großherzoglich hessischen) Division 
ernannt wurde. 
Berlin, 17. August. Ueber die Stellung 
des neuen Kriegsministers v. Goßler zur 
Reform der Militärst ra fp r o ce ß - 
vrdnung verlautet, daß derselbe in 
Uebereinstimmung mit dem Reichskanzler 
sich befindet. Sonach würde seine Er 
nennung Ş als ein günstiges Symptom für 
die Entwickelung dieser Frageaufzufassen sein. 
. — Den „Leipz. N. N." wird aus Ber- 
lin geschrieben: „Eine ähnliche Differenz 
wie zwischen dem Kriegsminister und 
dem General von Hahnke, besteht auch 
zwischen dem Marine chef Hollmann 
und dem Chef des Marinekabi nets 
Freiherrn von Senden-Bibran. Es ist 
seiner Zeit erzählt und niemals in wirk 
lich glaubhafter Weise bestritten worden, 
daß Herr von Senden-Bibran den Auf 
trag erhalten habe, einen Plan zur Ver 
mehrung der Flotte aufzustellen. In der 
Budgetcommission des Reichstages ist diese 
Sache zur Sprache gekommen, und Herr 
Hollmann hat sich dagegen verwahrt, daß 
es ernstere Meinungsverschiedenheiten in 
der angedeuteten Richtung gebe. Aber 
volle Beruhigung wurde durch die da- 
malige Behandlung der Angelegenheit 
nicht verbreitet, und es wäre schon mög 
lich, daß auch diese Fragen jetzt wieder 
mehr in den Vordergrund getreten sind." 
Berlin, 17. August. Während von 
mehreren Seiten mit aller Bestimmtheit 
behauptet wird, der Rücktritt Wiß- 
m a n n' s sei leider unvermeidlich, da so 
wohl Gesundheitsrücksichten wie sachliche 
Differenzen in Betracht kämen, wird der 
„Nordh. Ztg." aus Lauterburg i. H. ge- 
chrieben: „Major v. Wißmann, der seit 
Anfang Juli mit Familie bei seiner hier 
wohnenden Mutter Aufenthalt genommen 
hat, befindet sich seit Freitag voriger Mache 
auf Reisen. Wahrscheinlich wird er auch 
nach Berlin reisen, wo dann wohl die 
Intscheidung über seine fernere Zukunft 
nllen wird. Vorläufig ist auf Grund 
icherer Informationen die Meldung von 
deinem Rücktritt als Gouverneur 
von Ostafrika als verfrüht und gründ 
los zu betrachten. Freilich ist es That- 
ache, daß Major von Wißmann für die 
Zukunft einen passenden Landsitz zu erwcr- 
den sucht, das schließt jedoch nicht aus, 
daß er trotzdem wieder auf seinen Posten 
nach Afrika zurückgekehrt." 
Berlin, 17. August. Daß das Gesetz 
zur Bekämpfung des unlauteren 
Wettbewerbes auch in solchen Kreisen, 
an die man bei Erlaß des Gesetzes sicher 
nicht gedacht hat, wohlthätig und versitt 
lichend wirkt, beweist folgende Mittheilung: 
„Mit Hilfe des Gesetzes wider den un 
lauteren Wettbewerb beabsichtigen auch die 
Schausteller gegen die unreellen Elemente 
in ihrem Stande, welche das Gewerbe 
zur Förderung der Unsittlichkeit, 
des Hazardspiels usw. benützen, mit 
aller Schärfe vorzugehen. Der Verein 
reisender Schausteller und Berufsgenossen 
hat seinen Vorstand beauftragt, das dies 
bezügliche Material zu sammeln." 
Beim Haschen nach einer Taube hat der 
9jährige Knabe Max Koch am Freitag in 
Berlin einen jähen Tod gefunden. 
Der Knabe war von der Brandenburg- 
traße aus auf das Dach eines Seiten 
flügels des Hauses Gitschiuerstraße 81 ge 
klettert, um eine ihm entflogene Taube 
die dort in der Dachrinne saß, zu ergreifen 
Bei diesem gefährlichen Spaziergang ver 
lor er das Gleichgewicht und stürzte aus 
der Höhe des 6. Stockwerks auf den 
Hof hinab. Der Tod trat auf der 
Stelle ein. 
Berlin, 17. August. Die neue Ziehung 
der Ausstellungs-Lotterie wird. da 
die umfassenden Vorbereitungen sogleich in 
Angriff genommen wurden, Ende dieser 
Woche, spätestens Montag, den 24. d. M., 
ihren Anfang nehmen. Der Betriebs 
inspektor hat den Antrag gestellt, daß dem 
Gewinner des Haupttreffers der ungiltigen 
Ziehung als Entschädigung für die Ent- 
täuschung 100 Freiloose aus die neue 
Ziehung bewilligt werden. 
Die fünf „Brutapparate" in der 
Lion'schen Kinderbrutanstalt in der Berliner 
Gewerbeausstellung sind jetzt sämmtlich 
besetzt; zu den bisher vorhandenen zwei 
Pärchen (zwei Knaben und zwei Mädchen) 
hat sich am Montag noch ein fünfter 
Sprößling gesellt. Weil das Ersuchen um 
Aufnahme von schwächlich geborenen Kindern 
nicht nachläßt, hat sich Lion veranlaßt 
gesehen, weitere Brutapparate zu beschaffen. 
Sie sind bereits unterwegs und werden, 
da die Räumlichkeiten des Pavillons die 
Aufstellung von weiteren Brutkästen nicht 
gestatten, an Aerzte und Anstalten verliehen 
werden. 
- Der Antheil, den Deutschlan d an 
der Einwanderung in die Vereinig- 
ten Staaten von Nordamerika hat, ist 
in den letzten Jahren beständig zurück- 
gegangen. Allerdings ist die Zahl der in 
den Vereinigten Staaten angekommenen 
Einwanderer überhaupt in den letzten drei 
Jahren wesentlich geringer gewesen, als in 
den früheren Jahren, indem sie von 547060 
Personen im Jahre 1892 auf 488 776 in 
1893 und 248 982 in 1894 zurückging, 
doch zeigte das Jahr 1895 mit 324 330 
Einwanderern schon wieder eine Steigerung. 
Trotz derselben ist aber auch im Jahre 
1895 die Zahl der deutschen Einwanderer 
eine geringe gewesen. Wahrend Deutsch- 
land noch im Jahre 1893 mit 89 603 und 
im Jahre 1894 mit 40436 Personen unter 
den Ursprungsländern der Einwanderer 
in die Vereinigten Staaten an zweiter 
Stelle, hinter England, rangirte, wurde 
die Zahl der deutschen Einwanderer im 
Jahre 1895 auch von derjenigen der 
österreichisch-ungarischen, der russischen und 
der italienischen Einwanderer nicht un 
wesentlich übertroffen. 
Die Rettungsmedaille am Bande verlieh 
der Kaiser dem Posteleven Franz Bellardi 
in Görlitz. B. hatte am 25. Juli, als 
er noch Primaner war, die dreijährige 
Tochter des Mühleninspectors Pförtner in 
Deutsch-Ossig vom Tode des Ertrin 
kens gerettet, nicht achtend der Gefahr, 
vom Wasser in das Werk der Mühle ge 
zogen zu werden. 
Breslau, 17. Aug. Der Verbandstag 
des Centralverbandes deutscher 
Bäckerinnungen wurde heute von dem 
Obermeister Bernardt-Berlin mit einem 
dreifachen Hoch auf den Kaiser eröffnet. 
Der Handelsminister Brefeld hatte die 
Geh. Oberregierungs-Räthe Dr. Sieffert 
u. Dr. Wilhelmi entsandt; auch der Ober- 
Präsident, der Regierungspräsident, der 
Polizeipräsident und die städtischen Behör 
den waren durch Deputationen vertreten. 
Geh. Oberregierungsrath Dr. Sieffert gab 
die Versicherung ab, daß der Handels 
minister das größte Interesse an den 
Verhandlungen nehme und besten Erfolg 
wünsche; die anderen Regierungs- und 
städtischen Vertreter begrüßten den Ver- 
iandstag in demselben Sinne. Die Ver 
sammlung beschäftigte sich hierauf mit dem 
Maximal-Arbeitstag und faßte ein 
stimmig eine Resolution, in der Protest 
gegen die Verordnung des Bundesrathes 
betr. die Regelung der Arbeitszeit 
:n den Bäckereien erhoben und der 
Vorstand des Centralverbandes beauftragt 
wird, mit allen gesetzlichen Mitteln dahin 
zu wirken, daß die Verordnung wieder 
aufgehoben wird. 
„Lachende Erben" werden in Berbis- 
dors bei Hirschberg gesucht. Dort verstarb 
im vorgerückten Alter ein Hausbesitzer, 
dessen Verhältnisse von Allen, die ihn 
kannten, als höchst ungünstige beurtheilt 
wurden. Er lebte äußerst sparsam, da er, 
wie es schien, nur mit Pfennigen zu 
rechnen hatte. Nachdem er jetzt die' Augen 
Im Banne dunkler Gew alten. 
Roman von Elfried v. Hohenstein. 46 
„Wenn ich auch kein romantisch angelegter Mann 
bin, so ist mir doch so viel klar geworden, daß ihr 
beide, Du und Richard, nicht mehr von einander 
lassen könnt. Also führt doch keine Komödie auf, die 
für solche Charaktere gar nicht paßt. Richard wird von 
niemand beargivöhnt werden, nach dem Gelde zu stre 
ben, und Dir kann es keiner verdenken, wenn Du 
einem echten, rechten Mann von dem Schlage derer, die 
man heutzutage wie Diogenes mit der Laterne suchen 
muß, Deine Hand reichst." 
„Onkel, Du vergißt wohl, daß ich ihm dann volle 
Aufrichtigkeit schuldig wäre!" rief das Mädchen, dessen 
Wangen im dunkelsten Rot erglühten. 
„Ich vergesse gar nichts." erwiderte er ärgerlich, 
„aber. wer Verstand im Kopf und ein Herz in der Brust 
hat, kann Dich doch nicht für den Fehltritt Deines Va 
ters verantwortlich machen. Sage ihm doch alles, oder 
meinetwegen will ich es thun, Iveun . . ." 
„Nun und nimmermehr I" fuhr sie auf. „Daß ich 
Richard liebe, soll nicht geleugnet werden. Wie in dem 
Märchen ein^ Fe<s sich plötzlich öffnet und ungeahnte 
Schätze erblicken läßt, so erschloß sich meinem Verständ 
nis seine Seele, und wie er mir sein innerstes Sein 
nicht verbergen kann, so muß ich ihn, das meine offen 
baren ; doch damit sind ivir anch an der Grenze des uns 
beschiedenen Glückes angelangt. ^Das Geständnis, wel- 
ches ich ihm machen müßte, fommt nie über meine Lip 
pen! ^ Hörst Du Onkel? nie! Und solltest Du spreche», 
so würde ich in einen verborgene» Winkel der weiten 
Welt fliehen, so würdest Du mich zwingen, auf den 
Schutz Deines Hauses zu verzichten." 
„Na, na, na! Nur nicht gleich obenhinaus!" 
murrte Norton, „Ich halte meine Zunge schon im Zaum. 
Tu bist ja alt genug, um zu wissen, was Du zu thun 
hast. Es ivar ein wohlgemeinter Rat, nichts weiter. 
Aber wissen möchte ich, was Dir eigentlich die Ruhe 
wieder zu geben vermag?" 
geschlossen hatte, untersuchte man seinen 
Nachlaß, da er, soweit bekannt, keine 
Erben hinterlassen hat. Hierbei entdeckte 
man zur größten Ueberraschung auf dem 
Hausboden eine Kiste, die an Pfandbriefen 
und anderen Werthpapieren gegen 21,000 
Mark und über 10,000 Mark in Hundert 
markscheinen sowie in Goldstücken "enthielt. 
Die letzteren hatte der sparsame Mann in 
Zündholzschächtelchen verpackt. Demnächst 
wird an die unbekannten Erben der gericht- 
liche Aufruf zur Empfangnahme der auf- 
gesparten Gelder ergehen, 
Fulda, 17. Aug. Zu der am 19. Aug., 
früh 9 Uhr, beginnenden Bischofs-Eon- 
ferenz werden morgen die Erzbischöfe 
von Köln und von Posen-Gnesen hier ein 
treffen, ferner der Fürstbischof von Breslau, 
der Armeebischof von Berlin und die 
Bischöfe von Ermeland, Mainz, Limburg, 
Trier, Münster, Paderborn und Kulm. 
Der Erzbischof von Freiburg, sowie die 
Bischöfe von Osnabrück und Hildesheim 
werden nicht erscheinen. 
Cassel, 17. August. Der jugendlichen 
Geigenkünstlerin Adelheid Nissen, einer 
geborenen Schleswig-Holsteinerin, welche 
vor Kurzem die hohe Ehre hatte, im 
Schlosse zu Wilhelmshöhe zu spielen, 
wurde Sonnabend im Auftrage Ihrer 
Majestät der Kaiserin eine Broche 
mit Brillanten überbracht. 
Schönebeck, 13. Aug. Einem unabseh 
baren Unglück ist gestern unsere Stadt 
entgangen. Der in der Nacht von Leipzig 
kommende Eilgüterzug fuhr auf dem Güter 
bahnhof auf Güterwagen, die der eine 
Stunde vorher angekommene Staßfurter 
Güterzug abgehängt hatte. Mehrere Wagen 
des Eilgüterzuges thürmten sich aufeinander. 
In diesem Zuge befanden sich nun zwei 
Wagen mit 400 Centner Dynamit. 
Wäre der Zug mit voller Kraft auf die 
Wagen gefahren, oder wäre sonst ein 
Umstand dazu getreten, was hätte geschehen 
können? 
Kempten, 17. August. Gestern ver 
unglückte beim Abstieg vom Hochvogel der 
waktische Arzt Bischof aus Augsburg, 
als er über eine sogenannte Schneebrücke 
hinwegging und dabei durchbrach. B. stürzte 
in den unten fließenden Bach und blieb 
ofort todt. 
Straßburg, 17. August. Der „Straßb. 
Post" zufolge überschritten am 8. August 
10—12 französische Soldaten 
vom 5. Jägerbataillon zu Fuß zwischen 
der Schlucht und dem Sulzerweg die Grenze, 
drangen in die auf deutschem Gebiete be 
ändliche Molkerei Schupfern ein und ent 
wendeten aus derselben einen Reserve- 
Militärrock, den sie nach Frankreich mit 
nahmen. Gegen die Soldaten ist Unter 
suchung eingeleitet. 
Wiesdorf, 16. August. Folgendes Un 
glück ereignete sich in den Neubauten der 
Firma Bayer Hierselbst. Ein Gerüst, aus 
welchem vier Maurer beschäftigt waren, 
brach plötzlich zusammen, und die Maurer 
stürzten vom zweiten Stock herab in den 
Keller. Durch die nachfolgenden Stein- 
und Mörtelkübel wurden alle vier schw er 
verletzt. Zwei von ihnen erhielten 
Schädelbrüche. 
Emden, 17. August. Gestern spielte ein 
achtjähriger Knabe zwischen den Schienen 
der nach der Küste führenden Bahn. Hier 
bei zwängte er sich den Fuß an einer 
Eisenstange dermaßen fest, daß es unmög 
lich war, sich wieder frei zu machen. Im 
nächsten Augenblick mußte ein Perssnenzug 
die Stelle passiren, wo der Knabe, laut 
Hülfe rufend, sich befand. Niemand ver- 
„Soll ich es Dir sagen?" rief sie mit unnatürlich 
glänzenden Augen. 
„Ich wäre wirklich neugierig, e§ zu erfahren." 
„Nun denn! Mache mich zur Besitzerin von Grüimn! 
Dann wird das Bewußtsein, meinen Feind so tief gede- 
mütigt zu haben, wie er mich einst demütigte, eine Ent 
schädigung bieten." 
„öd ? Ein ziemlich trauriger Ersah für das, was 
Dü hiugiebst. Aber unmöglich wäre eS nicht, daß ich 
Deiuen Wunsch erfüllen könnte. Im Schlosse herrscht 
eine ^ gar traurige Wirtschaft. Also meine Hand darauf, 
soweit es an mir liegt, soll alles geschehen, was Dir 
die Pforten des alten Ahnenschlosses öffnen kann " 
„Di, schwörst es mir?" 
„Ach Unsinn! Nur keine hochtrabende Redensarten! 
Wenn ein Mann, >vie ich, sein Wort gegeben hat, so 
bedarf es keiner Verschreibnng und keines Ndes Zur 
Eigentümerin von Grill,au vermag ich Dich vielleicht 
zu machen, zu einer glücklichen Iran nicht. Doch das 
ist Deine Sache. Thue was Du willst." 
Der Winter war bereits wieder m's Land gezogen 
und Norton, den die Unterredn,rg mit seiner Nichte doch 
etwas erregt hatte, ließ den Schlià «chmmren und 
fuhr fori. Er hielt selbst die Zügel mit sch«. Hand und 
aüiuete behaglich vie kalte, schneidende Luft "am, als 
Plötzlich die Worte: „Thoutas, alter Jnuqe, das neune 
ich aber Glück, daß Du mk so in den Ne-g läufst oder 
vielnichr fährst!" an sein Ohr drangen. 
Er wandte de» Kopf und erblickte ei;»e Mietskiltsche, 
die offenbar von der Bahn kain und mit Gepäck bela 
den ivar. ^ AnS den, geöffnete» Fenster lchnte sich ein 
Mann mit rotein Gesicht, sowie derben Zèiģen imd winkte 
ihm zu. 
„Was, Du bist es, Jack?" rief Norton, aus dem 
Schlitten ipringend. „Dich glaubte ich tief int Innern 
Amerikas aus Deiner Farm." 
„Dorthin kehre ich natürlich wieder zurück; aber seine 
alten Freunde will man doch einmal sehen, und da ich 
überhaupt auch Geschäfte in Deutschland zu erledigen 
habe, so wollte ich Dich besuchen und fragen, ob ich ans 
einige Zeit Unterkunft beiDir finden kan». MeinSchwie- 
mochte das Kind aus seiner schrecklichen 
Lage zu befreien. Als man eben den Zug 
herankommen hörte, rief ein Arbeiter dem 
Knaben zu, er sollte sich flach aus vie 
Erde legen; kaum hatt? dieser den Rath 
befolgt, so brauste der Zug vorüber 
Der Führer hatte die Situation sofort 
überschaut, er konnte jedoch nicht rechtzeitig 
mehr den Zug zum Halten bringen, und 
so fuhr derselbe über den Knaben weg, 
den man einige Augenblicke später unver 
sehrt von den Schienen aufhob. Bei 
dem Publikum, welches Zeuge dieser auf 
regenden Scene war, entstand eine allge 
meine Freude über diese wunderbare 
Rettung. Dem Knaben soll das Haar in 
Folge des überstirndenen Schreckens weiß 
geworden sein. 
Hannover, 17. Aug. Auf dem Kloster- 
gut Marienwerder hat eine große Feuers, 
brun st gewüthet. 37 Ochsen sind ver- 
brannt. Man vermuthet, daß Brand- 
stiftuiig verliegt. 
Eine tragikomische Szene spielte sich auf 
dem Bahnhöfe in Hannover ab. Die Ehe 
frau eines Kölner Schneidermeisters war 
ihrem Ehegatten mit dem ganzen Vermögen 
durchgebrannt. Sie hat den Persouenzug 
benutzt, der betrogene Gemahl aber bestieg 
den v-Zug und konnte dadurch die Aus- 
reißerin auf dem hiesigen Bahnhof in 
Empfang nehmen. Die Bahnpolizei inter- 
venirte zu beiderseitiger Zufriedenheit. „Er" 
erhielt sein Geld wieder und vampfte da- 
mit nach Köln zurück, während „Sie" in 
anderer Richtung weiterfuhr. 
Die ziemlich lebhafte Wahl eines Bürger- 
Meisters in Mölln hatte folgendes Resultat : 
Gewählt wurde Bürgermeister a. D. Oetken 
in Jever, früher Bürgermeister in Wilhelms- 
haven, mit 180 Stimmen. 
Hamburg, 17. August. Auf einer im 
hiesigen Hafen angekommenen chilenischen 
Bark wurde ein Steward aus Neufund 
land, der von seinem Kapitän beschuldigt 
wird, Gift zwischen an Bord gebrauchte 
Getränke gemischt zu haben, bei der Ab 
musterung verhaftet. Beschlagnahmt 
wurden die Effekten des Steward, unter 
denen man ein Pulver fand, sowie zwei 
Fläschchen mit einer angeblich vergüteten 
Essenz. 
Eine Lasterhöhle schlimmster Art ist in 
der Wexstraße zu Hamburg von der dortigen 
Polizeibehörde aufgehoben worden. Die 
Inhaberin derselben wird beschuldigt, ihre 
eigene Tochter zu Unsittlichkeiten verleitet 
und überhaupt der schweren Kuppelei Bor- 
chub geleistet zu haben. Mehrere noch im 
mgendlichen und schulpflichtigen Alter 
tehende Mädchen, die dort verkehrten, 
ind wegen gewerbsmäßig betriebener Un 
zucht in Haft genommen worden. Außer 
dem sollen angesehene Persönlichkeiten in 
ver schmutzigen Affaire verwickelt sein 
Hamburg, 17. August. Gutem Ber- 
nehmen nach soll sich die Hamburg- 
Amerikanische Packetschifffahrts-Gesellschaft 
mit dem Norddeutschen Lloyd in Bremen 
dahin geeinigt haben, von der der Handels- 
rhederei ertheilten Erlaubniß, wenn der 
das Schiff führende Kapitän Reserveoffizier 
der Marine ist, das eiserne Kreuz in 
der Handelsflagge führen zu dürfen, 
zunächst keinen Gebrauch zu machen. 
Als Hauptgrund wird angeführt, daß ge 
rade vie vier Kapitäne der Schnelldampfer 
der Hamburg-Amerikanischen Gesellschaft 
nicht Reserveoffiziere sind, also die bevor 
zugte Flagge nicht führen dürften. 
Altona, 17. August. Herr Margarine- 
fabrikant Mohr veröffentlicht zur Abwehr 
gersohu bewirtschaftet dieFarm schon unterdessen. Kannst 
Du mich wo unterbringen? Biel Platz braurhe ichnicht " 
„Em ganzes Stockwerk steht Dir zur Verfügung," 
versicherte Thomas lachend. „Komm zu mir in den 
Ş^àeņ und lasse Deine Koffer allein fahren." 
Johnson folgte der Einladung, wurde aber 
plötzlich etwas einsilbig und antwortete ans alle Fra- 
gen^ des Freundes so zerstreut, wie jemand, der nicht 
weiß, ans ivelche Weise er es anfangen soll, Ordnung 
tu seine Gedanken zu bringen. 
„Nun, was hast Du eigentlich?" forschte Norton 
nach einiger Zeit. „Wenn Dir etwas auf dem Herzen 
liegt, daun schnell herunter damit!" 
»Höre, Thomas, ich habe eine frohe Neuigkeit für 
Dich." antlvortete der andere. „Ich wollte sie Dir zivar 
erst später mitteilen, aber Du kennst meine schivache 
Seite, ich bin nun einmal ein alter Schlvätzer, der den 
Mund nicht zu halten versteht." 
„Also zur Sache!" 
Der Farmer zog einen Brief hervor, hielt ihn in 
die Höhe und sagte: „Jeniand hat mich gebeten. Dir 
das zuzustellen. Nun rare einmal, was driuneu steht!" 
„Jetzthöreauf! Bin ich denn ein kleines Kind?" ries 
Norton, ungeduldig nachdem Schreiben greifend. Doch 
kaum hatte er cs geöffnet und durchgelesen, als sein 
Gesicht beinahe schön wurde, so verklärte und veredelte 
es der Schimmer wärmster Freude. 
„Harry, mein Sohn ..," stammelte er, „Şroïiir«* 
sichrer eines großen Handlnngshauses in Bremen ge 
worden . . und hier die ehrenden Zeugnisse! Jack wie 
kommt es, daß Du . . daß er Dir die Nachricht und den 
für mich bestimmten Brief schickte?" 
„Je nun, das ist sehr einfach. Du wolltest in Dei 
nem gerechte» Zorn nichts mehr von ihm wissen; aber 
ich liebe es, bedächtig zu Werke zu gehen, und hielt 
Dernen Sohn trotz seiner Fehlerrnimer füreiiien Pracht- 
burschen. Deshalb sieg ich ihn nicht aus den Augen, 
und er wußte, daß er einen ehrlichen, aber strengen 
Freund an mir hatte. Wie ich gehofft, so kam es. Der 
leichtsinnige Junge wurde ein tüchtiger Mann, dem 
nun zu seinem Micke nichts fehlt, als die Verzeihung 
seines Vaters." J 
„Jack, das verzeße ich Dir nie!" 
„Na, Dir hàge« ja Thränen »n den Willi 
ng"' Nur nicht sentimental werden! Solche Riihr- 
ncht leiden!" ries Ich«,son, indem 
tx Wahrhaft wutend mit dem großen, à»àn, seidenen 
Taschentuch über die eigenen Auge« fuhr. „Das ist 
lächerlich, albern, «„männlich ..." " ' 
^„"àg-re Dich nicht, Aller," truuberte Norton, 
ļf? e HŞ ergreifend und schüttelnd. „Wir zweiver- 
şiĢn uns sch«,, »,,d wissen, was >vir v->« einander zu 
halten haben, und heute hast Du mir so viel gegeben, 
daß ein Menschenalter nicht hinreicht, Dir dafür zu 
danken." , 
In diesem Moment slog cm eleganter Schlitten, in 
welchem Waldenburg und Marowsky saßen, an ihnen 
vorüber. 
„Alle Wetter, den sollte ich doch kennen!» murmelte 
Johnson, dem Polen nachsehend. 
„Wohl schwerlich," nieinte Norton. „Das ist ein 
reicher Gutsbesitzer Namens v. Mar»>vsky. Du irrst 
„Und ich sage Dir, daß ich mich nicht irre," be- 
harrte Jack, warf dann einen rasche,, Blick ans d-n 
Kirtscher und näherte, seine Sliunne mn Flüsterton 
dämpfend, di- Lippen dem Ohre Thomas' * 1 
»Ach was ! Daş kann ja gar „icht sei« i» ries dieser 
erstaunt und zweifelnd, nachdem er eine jedenfalls 
überraschende Mitteilung empchnņ f “ 
ÏS fJnJ ì? în ®ï‘pena man bisher gar nichts ge- 
,-ì 4 A»®?; ffjs 
SÄ®, wö* b “ m “' - W 
der wid 
daß er in 
Wettbl 
Schreibe 
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Fabrik g 
bericht i 
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gewesen 
Meister, 
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wie sie 
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Di? in 
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