Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

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J 
êìe Subvention von je 25 OOO fl. für das 
Jubiläum des Wiener Regiments der 
Deutschmeister und für die Decorirung der 
Stadt bei der Ankunft des Zaren. Es 
heißt in der Resolution, daß die Arbeiter 
gegen solche mißbräuchliche Verwendung 
von Communalgeldern und gegen die 
Ehrung des Zaren protestiren und ihre 
proletarischen Brüder in Rußland ihrer 
Sympathien beim Kampf gegen den Ab> 
solutismus versichern. Die Redner in 
allen Versammlungen ergingen sich in 
heftigen Ausfällen gegen den Zaren und 
protestirten dagegen, daß er bei seiner 
Ankunft in Wien namens der Bewohner 
der Stadt begrüßt werde. Zwei Ver- 
sammlungen wurden deshalb aufgelöst, 
worüber ein großer Tumult entstand. Die 
Wache mußte einschreiten und die Säle 
räumen. In einer dritten Versammlung 
wurde der Protest gegen den Zaren nicht 
zur Abstimmung zugelassen, worauf die 
Versammlung rief: „Wir protestiren doch 
gegen den Zaren!" 
Schweiz. 
Ein mächtiger Felskopf oberhalb 
Kalpetran im Zerwattthal drohte schon seit 
langem mit Einsturz. Als die Lage im 
vergangenen Jahre bedrohlicher wurde, 
berief man Prof. Heim von Zürich, auf 
dessen Anordnung wurde das Dörfchen 
Emd, das von der Felsenkuppe bedroht 
war, vollständig geräumt und Wachtposten 
wurden aufgestellt, die telephonisch mit dem 
Thale verbunden waren, um jede bedroh 
liche Veränderung rechtzeitig zu melden, 
und ein ganzes Beobachtungssystem einge- 
richtet. Als nun in der Nacht zum Frei 
tag starke Gewitter niedergegangen waren, 
begann der Felskopf sich bedenklich zu 
neigen, Freitag stürzten einzelne Steine 
als Vorboten des Hauptsturzes nieder. 
Nachdem es in der Nacht zum Sonnabend 
abermals heftig geregnet hatte, erfolgte 
endlich der erwartete Absturz. Der 
Felskopf sprang über die Bahnlinie und 
die Visp hinweg auf das andere Ufer, 
ohne irgend welche Beschädigung anzurichten. 
Die Bahnlinie blieb vollkommen unberührt. 
Angesichts des sicher zu erwartenden Ab- 
sturzes war der letzte Abendzug eingestellt 
worden. Im übrigen hat der zur Zeit 
sehr rege Verkehr auf der Zermatter Bahn 
keinerlei Unterbrechung erfahren. Die Be 
völkerung athmet auf, da nun der ge- 
fürchtete Felssturz erfolgt ist, ohne irgend 
welches Unheil zu stiften. 
Inland. 
Berlin, 11. August. Ein kleiner Unfall 
ist der Kaiserin, wie erst nachträglich be 
kannt geworden ist, auf ihrer letzten Reise 
passirt. Während der Festfahrt ereignete 
sich nämlich in Ruhrort auf dem Schiff 
das Mißgeschick, daß ein Tisch umstürzte 
und der Kaiserin auf die Füße fiel. Die 
Schmerzen, welche die hohe Frau empfand, 
waren anfänglich nicht gering, und eine 
Zeit lang schien es zweifelhaft, ob es ihr 
möglich sein würde, den weiteren an 
strengenden Rundgang des Programms 
durchzuführen. Ihre Willensstärke und 
Pflichttreue trugen aber den Sieg davon; 
wenn sie schon mehrere Male ihr leb 
haftes Bedauern darüber geäußert hatte, 
daß es dem Kaiser nicht vergönnt gewesen 
sei, den Patriotismus der niederrheinischen 
Bewohner kennen zu lernen, so wollte sie 
selbst keine Anstrengungen scheuen, um die 
durch das Fernbleiben ihres hohen Gemahls 
getrübte Festfreude wieder herzustellen. 
Und glänzend ist ihr dies gelungen! Ueberall 
sind ihr die Herzen entgegengeflogen. 
Berlin, 11. August. Die Krisenge, 
rüchte sind mit der Rückkehr des Reichs 
kanzlers von Wilhelmshöhe ziemlich ver 
stummt. Fürst Hohenlohe scheint darauf 
zu rechnen, noch längere Zeit in feiner 
Wohnung in der Wilhelmstraße zu bleiben; 
denn er läßt jetzt die Beleuchtung nach 
seinem Geschmack umändern. In der 
„Magdebg. Ztg." wird überhaupt bestritten, 
daß wegen der Reform des Militär- 
strafverfahrens eine Krisis in der 
letzten Zeit bestanden habe. Die Bedenken 
des Kaisers gegen die geplante Abänderung 
des Strafverfahrens seien schon im Früh 
jahr ganz gering gewesen. Als der Reichs 
kanzler am 18. Mai die bekannte Er- 
klärung abgab, dürste er der Zu st immun g 
des Kaisers wohl schon sicher gewesen 
sein. Auch die „Kreuzztg." nimmt an, 
daß Fürst Hohenlohe in der Lage sein 
werde, den versprochenen Entwurf im 
Herbst dem Bundesrath zur Beschlußfassung 
vorzulegen. Auch der „Hamb. Corr." 
meldet, daß die Reise des Reichskanzlers 
nach Wilhelmshöhe nicht durch die Frage 
der Reform der Militärstrafprozeßordnung 
veranlaßt worden ist. Der Kaiser habe 
die Reise nach dem Niederrhein allerdings 
aufgegeben, um den Fürsten Hohenlohe zu 
sich zu berufen, aber lediglich deshalb, 
weil die verschiedenen schwebenden aus- 
wärtigen Fragen erörtert werden sollten. 
— Der Handelsminister Brefeld hat der 
„Franks. Ztg." zufolge an die Halberstädter 
Handelskammer einen Erlaß gerichtet, dem 
zufolge die Kammer mit der Verwaltung, 
Leitung und Beaufsichtigung der geplanten 
kaufmännischen Fachschulen in 
den größeren Städten des Bezirks beauf 
tragt wird, und der Staat nicht nur 
dauernd ein Drittel aller erforderlichen 
Jahreszuschüsfe, sondern auch Mittel aus 
Staatsfonds für die erstmalige volle Ein 
richtung aller Schulen, für die Ausbildung 
der Lehrer und andere Aufwendungen 
übernimmt. Es darf hieraus wohl auf die 
Absicht des Handelsministers geschloffen 
werden, den Handelskammern überhaupt 
die Oberleitung der kaufmännischen Fach 
schulen zu übertragen. 
- Eine Petition an den Bundesrath 
haben Frauen Leipzigs zu Gunsten des 
Acht-Uhr-Ladenschlusses gerichtet. 
Dieselbe hat 1603 Unterschriften erhalten 
und ist von Frauen aller Stände unter 
zeichnet worden. Eine diesbezügliche Sta 
tistik vermerkt 133 Frauen von Professoren, 
Juristen, Aerzten rc., höheren Beamten, 
Künstlern und Lehrern, 94 Frauen von 
Fabrikanten, Buchhändlern u. Kaufleuten, 
sowie selbstständigen Geschäftsinhabern, 
116 Lehrerinnen und Künstlerinnen, 17 
Haushälterinnen. 140 weibliche Handels 
angestellte, 95 Frauen von Handwerkern 
und Unterbeamten, 280 Arbeiterinnen und 
Arbeiterfrauen und 726 Frauen ohne An. 
gäbe des Standes oder Berufes. 
— Die Angelegenheit des deutschen 
Militärinstrukteurs Krause in 
China, der, wie bekannt, unlängst in 
Nanking von chinesischen Soldaten arg 
gemißhandelt wurde, ist jetzt geschlichtet 
worden. Die chinesische Regierung zahlt 
ihm 25 000 Mk. und verzichtet auf seine 
weitere zweijährige Dienstzeit. 
— Eine für GastWirthe wichtige 
Entscheidung ist neuerdings vom Kam 
mergericht gefällt worden. Nach derselben 
kann nicht der Gastwirth wegen ruhestören- 
den Lärms in seinen- Lokale bestraft wer. 
den, wenn dieser Lärm durch seine Gäste 
verursacht worden ist. Letztere bleiben 
vielmehr dieserhalb verantwortlich. 
— Der Reichstagsabgeordnete Ahl - 
wardt hat aus Amerika die Nachricht 
nach Berlin gelangen lassen, daß er im 
Herbst nach Deutschland kommen werde. 
In Ahlwardt nahestehenden Kreisen will 
man jedoch wissen, daß sein Besuch nur 
von kurzer Dauer sein wird. Zunächst 
wird er in Berlin mehrere öffentliche Bor 
träge über die Erfolge seiner antisemitischen 
Agitation in Amerika halten, dann aber 
auch die Angelegenheit wegen seines Reichs- 
tagsmandats regeln, d. h. das Mandat 
niederlegen. 
Berlin, H. August. Wie erinnerlich, 
waren der Bergmann Schröder und Ge 
nossen in Essen wegen Meineids in einer 
Prozeßverhandlung verurtheilt worden, die 
nach Ansicht Vieler die Schuld der 
Angeklagten nicht zweifellos festgestellt hat. 
Es werden jetzt Anstrengungen gemacht, 
die Wiederaufnahme des Verfahrens herbei 
zuführen. Wie verlautet, wird die Ange 
legenheit auch im Landtage oder Reichs- 
tage zur Sprache kommen. 
Berlin, 10. August. Der Arbeiter- 
ängerbund von Berlin und Umgegend 
^eierte am Sonntag unter Betheiligung 
von großen Massen — die Zahl wird auf 
40000 geschätzt — in der Pichelsdorser 
Brauerei bei Spandau sein Sommerfest. 
Zur Bewältigung des Verkehrs hatte die 
Eisenbahnverwaltung von Berlin aus gegen 
50 Sönderzüge eingelegt; außerdem waren 
viele Hundert Kremser, zahlreiche Dampfer 
in Bewegung, um die Theilnehmer hin- 
und zurückzubesördern. Dem Militär war 
mr den Sonntag der Besuch von Pichels 
dorf überhaupt untersagt. 
Berlin, 10. Aug. Der e r st e Pfleg 
ling für die Lion'sche Kinderbrut- 
anstatt in der Gewerbeausstellung ist 
am Sonntag-Nachmittag in dem dazu be- 
stimmten Pavillon abgeliefert worden. Es 
ist dies ein am 5. d. M. in der Charitee 
geborenes Kind, das von der noch jugend 
lichen Mutter mit 7'/ 2 Monaten zur Welt 
gebracht wurde. Es wog bei der Geburt 
nicht ganz 2 Kilogr., während das Normal 
gewicht eines Neugeborenen ans 3,500 
Kilogr. angenommen wird. Die ihm vom 
Arzt verordnete Temperatur von 32 Grad 
Reaumur im sein säuberlichen Brutkasten 
soll ihm nun das ersetzen, was ihm am 
„Normalen" fehlt. Vorläufig wird das 
Kind (ein Junge) mit verdünnter Kuhmilch 
ernährt. Die Eröffnung des Pavillons 
erfolgte alsbald nach Einlieferung des 
Kindes. Bis Abends 9 Uhr hatte der 
Pavillon etwa 900 Besucher. 
Berlin, 10. August. Zur Reise Prof. 
Mendel's nach St. Petersburg erfährt die 
„Frkf. Ztg." von competenter Seite, daß 
Prof. Mendel nicht an das russische 
Hoflager, sondern zu dem in Zarskoje 
Selo weilenden reichen St. Petersburger 
Kaufmann Alexander Kokorew berufen 
wurde. Kokorew .ist seit nahezu zwanzig 
Jahren nervenleidend und hat die Manie, 
jeden Monat eine andere Autorität zu 
consultiren. Außer den russischen Aerzten 
hat er von deutschen Autoritäten auf dem 
Gebiete der Nervenkrankheiten im Laufe 
dieses Jahres schon Gerhardt, Leyden, 
Eulenburg, Schweninger, Erlenmeyer und 
jetzt Mendel an sein Krankenlager citirt 
und jeder der Aerzte erhielt 20 000 Mk. 
als Honorar. 
Der bekannte Ingenieur Otto Lilienthal 
in Berlin, der die Vervollkommnung des 
von ihm aufgestellten Flugsystems zu seinem 
Lebenszweck gemacht hatte, ist bei einem 
Flugversuche in Rhinow (Mark Branden 
burg) abgestürzt und in der kgl. Klinik in 
Berlin seinen Leiden erlegen. Der Zu 
stand war von vornherein hoffnungslos, 
da die Wirbelsäule gebrochen war. 
Ein großer Brillanteudiebstahl ist 
in Groß-Lichterfelde verübt worden. Dem 
Capitän z. S. a. D. Frhrn. v. Rössing 
hat man zwischen 4 u. 7 Uhr aus seinem 
Landhause (Jägerstraße 4) Brillanten und 
Schmucksachen anderer Art im Werthe von 
mindestens 10 000 Mk. gestohlen. 
In der Angelegenheit der Thorner 
L a n d e s verrathssache wird gemeldet, 
daß die Akten bereits an den Oberreichs, 
anwalt in Leipzig abgegangen sind. Die 
Untersuchung scheint aber noch weitere 
Ausdehnung anzunehmen, denn seit gestern 
weilt der Criminalcommissar von Tausch 
aus Berlin wieder in Thorn. 
Bromberg, 10. August. Der Regie- 
rungspräsident zu Bromberg hat durch 
Polizeioerordnung die Verwendung von 
Kindern, die das schulpflichtige Alter 
noch nicht erreicht haben oder noch nicht 
aus der Schule entlassen sind, zu öffent 
lichen Schaustellungen irgend welcher 
Art, insbesondere auch zu Theatervorstel- 
lungen, bei Strafe verboten. Für theatra 
lische Vorstellungen kann die Ortspolizei 
behörde nach Anhörung der Schulbehörde 
in einzelnen Fällen Ausnahmen gestatten. 
Das furchtbare Unwetter, daß vor 
mehreren Tagen in der Provinz Posen 
wüthete, hat erhebliche Opfer ge 
fordert. Durch die herabfallenden Hagel- 
stücke sind etwa ein Dutzend Knechte und 
Mägde auf dem Lande ganz erheblich ver- 
mundet worden. In Mechlin, Tesin und 
Sroczewo zerstörte der Sturm mehrere 
Stallungen, wobei 30 Stück Rindvieh er 
schlagen wurden. In Konärski und 
Dombrowka wurden drei Windmühlen 
umgestürzt und zertrümmert. In Kalei, 
Chronstowo und Umgegend fand man aus 
den Feldern viel erschlagenes Wild, so 
unter anderm 60 Rehe, etwa 100 Hasen, 
140 Rebhühner und eine Anzahl Hirsche. 
In den Kreisen Schrimm, Schroda u. s. w. 
sind zahlreiche Störche und Reiher durch 
den Hagelschlag getödtet worden. Ein 
Glück ist es, daß die Rvggenernte schon 
vollständig hereingebracht war. 
Aachen, 11. Aug. Auf der Grube „Anna" 
bei Kohlscheid wurden heute zwei Berg 
leute durch Herabstürzen von Gesteins 
massen getödtet. 
Bor einiger Zeit wurde in Solingen 
ein Mann in Polizeistrafe genommen, weil 
dessen Kind zu Kaisers Geburtstag 
die Schule versäumt, d. h. an der patriotischen 
Schulfeier nicht theilgenommen hatte. Der 
Vater erhob gegen diesen Strafbefehl Ein 
spruch, indem er betonte, Kaisers Geburts 
tag sei ein schulfreier Tag, und an einem 
solchen brauche sein Kind die Schule nicht 
zu besuchen, am allerwenigsten aber dürfe 
man ihn zwingen, sein Kind an einer 
patriotischen Kundgebung, die nicht im 
Rahmen des Schulunterrichts liege, theil 
nehmen zu lassen. Das Schöffengericht 
von Solingen theilte diese Ansicht und 
hob den Strafbefehl der Polizeibehörde 
als unbegründet auf. Hiergegen legte nun 
der Amtsanwalt Berufung ein, und die 
Folge davon war, daß sich die Strafkammer 
in Elberfeld mit der Sache befaßte, die 
das erstinstanzliche Urtheil aufhob und den 
Mann zu der im Strafbefehl festgesetzten 
Strafe verurtheilte und zwar in Ueber 
einstimmung mit einem Gutachten der 
königlichen Regierung zu Düsseldorf, das 
aus Anlaß dieses Spezialfalles von der 
Anklagebehörde eingeholt worden war. In 
diesem wurde unter anderem ausgeführt: 
Die Schule habe sich keineswegs auf den 
Unterricht zu beschränken, zu ihren Auf- 
gaben gehöre auch die Erziehung und 
Bildung des Charakters. Die Schule 
solle der Jugend insbesondere patriotische 
Gefühle einimpfen, und dazu würden vor- 
zugsweifediepatriotischenGedenktage benutzt. 
München, 10. August. Wie der „Voss. 
Ztg." von hier geschrieben wird, hat der 
Kriegsminister die Anordnung getroffen, 
daß fortan sämmtliche Verhandlungen, die 
von den Militärgerichten anberaumt 
werden, an einer dem Publikum zugäng- 
lichen Stelle an den Kasernen angeschlagen 
werden. 
Einen werthvollen Fund machte die 
Frau des Fischers Meßmer in Konstanz, 
sie erstand aus dem Nachlasse der dort 
verstorbenen Wittwe des Rechtsanwalts 
Molter verschiedenes Bettzeug. Bei Oefs- 
nung eines Kopfpolsters fand sie zu ihrer 
Ueberraschung Werthpapiere im Betrage 
von 26000 Mark, bestehend in Stadt 
obligationen von Konstanz und Ueberlingen, 
sowie in Sparkassenbüchern von Ueber- 
lingen, Salem und Heiligenberg. Der 
Nachlaßpfleger, dem die Frau von dem 
Funde Anzeige erstattete, theilte ihr mit, 
daß dies das Geld sei, welches die Erb 
lasserin dem Armensonds vermacht habe 
und das seit einiger Zeit vergeblich gesucht 
wurde. 
Jena, 11. August. Auf dem Verbands- 
tag derThüringer Gewerbevereine, 
auf dem 50 Vereine mit 9000 Mitgliedern 
vertreten waren, wurde energisch die Ein 
schränkung der Gefängnißarbeit verlangt 
und eine Resolution in diesem Sinne an 
die Regierung beschlossen. Sodann wurde 
der neue Gesetzentwurf über die Or 
ganisation des Handwerkes kritisch 
beleuchtet und von den Rechtsanwälten 
Dr. Zeiße-Jena und Mardersteig-Weimar 
als das traurigste Produkt bezeichnet, das 
je aus dem Schooßc des Ministeriums 
für Handel und Gewerbe hervorgegangen 
sei. Die Gewerbevereine nahmen energisch 
Stellung gegen Zwangsinnungen und 
beschlossen, eine kräftige Agitation gegen 
den Entwurf ins Leben zu rufen. 
Meiningen, 11. Aug. Das Ministerium 
richtet vom 1. September ab in Verbindung 
mit dem Regierungsblatt einen unentgelt 
lichen Stellen- und Arbeitsnachweis 
für das ganze Herzogthum ein. 
Die Reichstags-Ersatzwahl in 
Schlettstadt hat ein überraschendes Resultat 
geliefert: Der klerikale Kandidat Spies, 
Mitglied des Landesausschusses, ist mit 
8150 Stimmen gewählt worden. Sein 
Gegner, Kreisdirektor Pöhlmann (Hospitant 
der conservativen Partei) erhielt 5327 
Stimmen. Bei den allgemeinen Wahlen 
im Jahre 1893 hatte Pöhlmann 6686 
erhalten, während auf den protestlerischen 
Kandidaten nur 4865 Stimmen fielen uns 
außerdem 175 socialdemokratische und 79 
zersplitterte Stimmen abgegeben wurden. 
Da der Wahlbezirk etwa 15 500 Wahl 
berechtigte hat, von denen 13 787 zur 
Wahlurne gingen, so war die Betheiligung 
diesmal eine ungewöhnlich starke. Der 
frühere Bürgermeister von Schlettstadt, 
Spies, dessen Wahl von den Protestlern 
aufs eifrigste unterstützt wurde, hat gegen 
1893 also über 3000 Stimmen gewonnen, 
während der bisherige Vertreter ves Wahl 
kreises, Pöhlmann, dessen Mandat bekannt- 
lich vom Reichstage wegen Wahlunregel 
mäßigkeiten für ungültig erklärt worden 
war, über 1400 Stimmen verloren hat. 
Ein eigenthümlicher Kirchen schmuck 
ist in der neuen Garnisonkirche in Hannover 
Im Manne dunkler Gewalten. 
Roman von Elfried v. Hohenstein. 37 
„Auf der Rückkehr nach Moosburg kommen wir 
dort vorüber, und er wird sich dann wieder zu uns 
gesellen. — Ist es Ihnen unangenehm, wenn das Kind 
neben Johann sitzen bleibt, bis wir das Häuschen er 
reichen, wo ich es einstweilen unterbringen will? Dann 
iļaņn es so lange hier bleiben und später geholt wer 
den." 
,,Jch habe nichts dagegen, wenn fie mitfährt," er 
widerte Melanie, sich leicht in den Wagen schwingend, 
der in kaum zehn Minuten den betreffenden Gasthof 
erreichte; Norton ließ sich den Vorfall erzählen, ver 
barg aber seine Meinung unter dem gewöhnliche» „Hm! 
Hm!" und berichtete dann über den abgeschlossenen 
Ankauf. An einem kleinen Bauernhause, das dicht am 
Gehölz zwischen Blumenau und Moosbnrg lag und 
von beiden Gütern gleich weit entfernt war, ließ Reck 
halten, sprang ab, übergab das Kind einer gutmütig 
aussehenden älteren Frau, mit welcher er einige Worte 
wechselte, geleitete hierauf Norton und dessen Nichte 
nach Moosburg zurück und nahm Abschied von ihnen. 
Am nächsten Tage führten ihn geschäftliche Ange- 
legcuheiten schon zu ziemlich früher Stunde in ein be 
nachbartes Dorf. Er hatte sich diesmal nicht des Ge 
fährtes bedient, und auf dem Rückwege dachte er daran, 
seinen Schützling zusehen. Mit dem Gemeindevorsteher 
und dem Ähafer Martin war bereits am verfloffeneu 
Abend ein Abkommen getroffen ivorden. Man freute 
sich, der Last, für den Sprößling eines gesunkenen 
Elternpaares sorgen zu müssen, überhoben zu sein. 
Als Reck das Hänschen betrat, fand er es leer. 
Die Bäuerin mähte vermutlich in der Nähe Gras für 
ihre Ziegen. Aber wo war das Kind ? Sollten die Worte 
der Alten: „Ach, die Lene ist ja doch nicht zu halte», 
dir klettert aus dem Fenster und läuft davon," sich 
schon so bald bewahrheitet haben? 
Freilich, die Kleine hatte keine Silbe auf alles 
freundliche Zureden erwidert nnd immer nur scheu und 
finster nach der Thür gesehen, als harre sie des Augen 
blickes, wo eS ihr gelingen würde, hinaus zu schlüpfen. 
Sie war wie ein ängstliches, gehetztes Tier gewesen, 
das sich in einen Winkel verkriecht und instinktiv die 
erste Gelegenheit zu entfliehen ergreift, und mochte aus 
Geivohnheit in daS alte Elend, in den Schmutz, aus dem 
er sie ziehen wollte, zurückgekehrt sein. 
In die Nähe der geöffneten Küchenthür kommend, 
von welcher mehrere Stufen in das verwilderte Gärt 
chen hinab führten, wich Richard erst mit einer Geberde 
der Ueberraschung zurück, blieb aber dann, gefesselt von 
der Eigenart des Anblickes, der sich ihm darbot, un 
willkürlich stehen. Auf einer alten eingesunkenen Stein 
bank, die fast versank zwischen Grün und bunten Blu 
men, faß-Melanie und sprach bald laut und eindring 
lich, bald sanft und flüsternd zu dem verivahrlosten 
Kinde, das ihr nicht antwortete. Die Hoffährtige konnte 
Töne von berückender Weichheit anschlage», süß und 
schmeichelnd und leise vibrierend. Und wer hätte ge 
glaubt, daß der schroffe, stolze, düstere Ausdruck, der ihrer 
Schönheit einen unheimlichen Charakter gab, in solche 
Freundlichkeit und Milde sich umzuwandeln vermöge. 
Aus den schtvarzen, sonst so durchdringenden und 
befehlenden Augen leuchtete mitleidige Zärtlichkeit, 
und doch gehörte nicht geringe Geduld dazu, immer wie 
der dieselben ermunternden Worte zu tviederholen, 
während Lene sich so tief ivie möglich in das Gebüsch 
hinein drückte und den Mund, an dessen Winkeln sich 
jetzi schon zwei tiefe Falten hinabzogen, die das Kin 
dergesicht fast alt erscheinen ließen, nicht öffnete. Der 
Blick des Mädchens hing freilich so erstaunt, als ent 
hüllte sich ihm ein Wunder, an dem schönen lächelnden 
Gesicht, und endlich legte es halb furchtsam, halb wi 
derwillig die braunen Finger in die schon so oft ver 
gebens dargereichte Hand. 
Reck verharrte noch an derselben Stelle und be 
trachtete mit Staunen und Rührung dieses herzer- 
quickeude Bild echt weiblicher Barmherzigkeit. Er hatte 
immer die Achseln gezuckt und unwillig den Kopf ge 
schüttelt, ivenn man Melanie ein Rätselwesen nannte. 
Für ihn war fie bisher nichts weiter als ein wunder 
bar schönes, aber selbstsüchtiges, prunkliebendes und 
herzloses Weib gewesen, das mit kaltem Hochmut auf 
der glänzenden, blumenbestreuten Bahn des Reich 
tums ivandelt und so ruhig, wie über einen weichen, 
kostbaren Teppich, auch über das Glück eines Menschen 
hinweg schreiten und es, ohne mit einer Wimper zu 
zucken, zertreten würde. Und nun zeigte sie sich ihm 
ganz anders, und ohne Berechnung, ohne Koketterie. 
Wie losgelöst von der Welt des Glanzes, in der sie 
sich sonst bewegte, wie angeweht von dem Ernste einer 
großen, heiligen Aufgabe, erschien sie ihm. Er fühlte 
Beschämung über sein harte» und doch so oberfläch 
liches Urteil; es war ihm zu Mute, als müßte er ihr 
etwas abbitten. Während er stand und, den Blick nicht 
von ihr wenden konnte, bemerkte sie plötzlich, daß man 
sie beobachtete, sprang aus und warf den Kopf wieder 
so stolz zurück, lote es ihre Gewohnheit war, ivenn sie 
jemand mit rücksichtsloser Offenheit andeuten wollte, 
daß seine Gegenwart ihr unerwünscht und lästig sei. 
Ihre Augen hatten sekundenlang den früherm stolzen, 
abweisenden Ausdruck. 
„Verzeihung, daß mein unerwartetes Erscheinen 
Sie in der Ausübung eines guten Werkes unterbrach," 
entschuldigte sich Richard ziemlich linkisch, indem er 
grüßend näher trat. 
„Eines guten Werkes?" lachte fie spöttisch. „Ich 
vertrieb mir die Zeit, indem ich die Wildkatze zu bän 
digen versilchte." 
„Es thut mir leid, gekommen zu sein," wiederholte 
er etwas kurz und wirklich Bedauern empfindend, daß 
sie den Zauber dieser Stunde fetbļt zerstörte. „Welche 
Gründe Sie auch herführten, entschuldigen Sie mein 
unerwartetes Erscheinen." 
Melanie stieg die kleine wackelige Steintreppe hin 
auf. Er folgte ihr. In der Stube blieb sie stehen und 
blickte zurück. Seltsani nahmen sich die beiden hohen, 
imposanten Gestalten in dem kleinen, niederen Gciuach 
mit dem großen, grünen Kachelofen und der alten 
Schwarzwälderuhr aus. 
„Taute Beate wartet im Gehölz «uffmich," jagte das 
zur Anw 
Aussehen 
figürliche 
in der L 
füdwestlic 
der Bau! 
gestellt! : 
der Kai 
Amalekit 
»Dieweil 
siegte Js 
trägt dil 
kanzler (5 
den reck 
stützende« 
ist der ! 
diese. 
Mädchen. „Sie will Ihnen helfen, in Schwerin ei» 
passendes Unterkommen für die Kleine zusuchen." 
Reck nickte nachdenklich. „Das ist sehr gütig von 
Frau Limpert. Sir wird eher als ich das Rechte finde» 
und, indein sie eine gute Wahl trifft, dem Kind die 
größte Wohlthat eriveisen " 
„Vielleicht wäre es eine viel größere Wohlthat, şie 
ihrem Schicksal, ihrem Stumpfsinn und ihrer trotzigen 
Verbitterung zu überlassen." 
„Diese Worte stehen nicht im Einklang mit der be- 
wundernngswürdigen Geduld, welch« Sie soeben b«. 
wiesen und die nur aus einein Gefühle echten, schönen 
Mitleids hervorgehen konnte." ... 
„Aber es ist ein übel angebrachtes, thörichtes Mit 
leid, wenn man sich bemüht, jemand aus eine Stufe 
zu heben, von welcher aus er sein Elend deutlich über 
sehen kann. Ja, wenn sie nicht als denkendes, empfin 
dendes Wesen weiter existieren müßte. Ist jhx erst 
klar geworden, welche»« sumpf sie entstammt, dann 
wird sie von diesen Erinnerungen, wie von einer wü 
tenden Meute, durch die Welt gehetzt «verden nnd, 
etvig auf der Flucht vor der Schande i£>rer Eltern, 
dieses Schreckgespenst immer und überall wieder finden. 
Ein solches Erbe ist ein Nepusgewand, das sich nicht 
abstreifen läßt." 
Als Richard sie überrascht und fragend ansah, 
glaubte er i» ihren Augen eine Geschichte unaussprech 
lichen Leides zu lesen. Melanie hatte sich in eine Erre 
gung hineingeredet, d«e er kaum begriff, und ver 
stummte nm« plötzlich, wie jemand, der fühlt, daß er 
sich in unverantwortlicher Weise fortreißen ließ. 
„Wenn unsere Ansichten auch auseinander gehen, st» 
bleiben «vir doch in gewissem Sinne Bimdesgenoffen." 
sagte sie nach längerem Schiveigen viel ruhiger, „und 
da das sogenannte Rettnugswcrk einmal veschloffeae 
Sache ist. muffen Sie mir gestatten, mich ebenfalls 
daran zu beteiligen." 
Sie reichte siting ihre Hand, die er mit «varmem. 
festem Druck umschloß, dann traten sie aus dein Hause 
und gingen Frau Limpert, die langsam naher kam. 
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