Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

des Bezirks enthaltenden Liste an den 
Physikus ins Auge gefaßt. Auch wird 
erwogen, ob nicht jeder solche Geistes 
kranke alljährlich mindestens einmal durch 
den Physikus ärztlich zu untersuchen sei. 
— In Sachen der Bäckerei-Ver 
ordnung hatte sich ein Bäckermeister an 
das Ministerium für Handel und Gewerbe 
gewandt, um im Interesse aller Bäcker- 
meister Auskunft über die zweifelhaften 
Fragen zu erhalten, ob das Backen von 
im ersten Zustande fertiger Waare, wie 
Kuchen, den die Hausfrauen zu bringen 
pflegen, zu den gelegentlichen Dienstleistungen 
gehört oder nicht, und zweitens, ob der 
UnterrichtderFach- und Fortbildungs 
schule in denselben Stunden, die in die 
Zeit der Ruhepause fallen, gesetzlich zu- 
lässig ist. Die Auskunft lautete dahin, 
daß das Kuchenbacken für die Hausfrauen 
als gelegentliche Dienstleistung im Sinne 
der Bäckerei-Verordnung nicht anerkannt 
werden könne. Da der Meister die Be 
stellung erst annehme resp. das Backen zu 
gestatten habe und auch die Garantie 
übernehme, gleichviel wer den Verdienst 
nimmt, so falle diese Arbeitsleistung unter 
Herstellung von Waare und sei nur in 
einer Arbeitsschicht gestattet. Ein 
Zuwiderhandeln hiergegen seitens der Werk 
führer oder Gesellen sei eine Rechtsfrage, 
über welche der Richter zu entscheiden 
habe. — Betreffs der Schulfrage wurde 
folgende Erklärung gegeben: Der Lehr- 
ling ist nach § 227 der Gewerbeordnung 
der väterlichen Zucht des Meisters unter 
worfen. Es bleibt demselben unbenommen, 
den Lehrling nach wie vor zur Schule 
zu schicken. In der Verordnung ist nicht 
gesagt, daß der Lehrling die Stunden der 
Ruhe im Bette oder in der Kneipe zu 
bringen soll. Die Schule gehört zu seiner 
Ausbildung; nur soll er im Gewerbe 
betrieb über die Zeit nicht beschäftigt 
werden. 
— Nach dem vom preußischen Abge 
ordnetenhause ausgesprochenen Wunsche 
sollen künftig auch die Lehrer bei Dienst 
reisen zu amtlichen Conferenzen ange 
messene Vergütungen aus der Staatskasse 
erhalten. Die Mittel dazu dürften bereits 
in den nächsten Etat eingestellt werden 
es ergiebt sich das aus den gegenwärtig 
auf Anordnung des Unterrichtsministers 
vorzunehmenden Ermittelungen darüber, 
welcher Mehraufwand für die Staatskasse 
sich durch die Ausführung jener Resolution 
ergeben würde. Die Regierungen sollen 
in der nächsten Zeit ihre Vorschläge über 
den Bedarf einreichen. 
— Um Eisenbahnunfällen bei 
falscher Weichenstellung vorzubeugen, war 
seitens des Vereins deutscher Eisenbahnen 
eine Preisausschreibung erfolgt, nach welcher 
ein Apparat prämiirt resp. patentirt 
werden soll, welcher anzeigt, daß ein in 
den Bahnhof einfahrender Zug ungetrennt, 
d. h. mit wirklichem Schlußwagen, die 
Markirzeichen der Weichen durchfahren 
hat. Einen solchen Apparat hat der 
Eisenbahn-Assistent Rackow in Stargard 
i. P. erfunden, und die mit demselben in 
Gegenwart mehrerer höheren technischen 
Eisenbahnbeamten vorgenommenen Proben 
haben sich bewährt. Die Prüfung eines 
Apparates, durch welchen das Zusammen 
stoßen zweier Züge auf einem Geleise 
verhütet werden soll, steht noch aus; auch 
dieser Apparat ist eine Erfindung des 
Herrn Rackow. 
In Folge der Hitzschläge in Königsberg 
i. Pr. hat der dortige Magistrat sich ver 
anlaßt gesehen, auf den städtischen Bauten rc. 
warmen und kalten Kaffee an die 
Arbeiter gratis und in reichlichen Portionen 
verabreichen zu lassen, um die in der 
Sonnengluth Arbeitenden von dem Genuß 
von Spirituosen abzuhalten und so 
Dissenterieansällen vorzubeugen. Im Ganzen 
ind in Königsberg 23 Todesfälle in Folge 
von Hitzschlag vorgekommen. 
Posen, 4. August. Die Ehefrau eines 
m Treptow an der Rega wohnenden 
attlers, die sich seit einigen Wochen bei 
ihrer Mutter in Schwerin an der Warthe 
aufhielt, wurde von ihrem Ehemann, der 
iu Schwerin eingetroffen war und sie ver- 
gebens aufforderte, zu ihm zurückzukehren, 
durch einen Schuß in die linke Brustseite 
lebensgefährlich verletzt, dann sprang der 
Attentäter in die Warthe und ertrank. 
Wegen Verdachts des Verraths mili 
tärischer Geheimnisse ist vor vier 
Wochen in Metz ein Sergeant des 16. Pio 
nierbataillons Namens Jaretscheck verhaftet 
worden. Wie die „Metzer Ztg." nunmehr 
berichtet, war der Genannte Schreiber aus 
der Festungsinspection und soll verschiedene 
Pläne entwendet haben. Er stellte selbst 
Empfangsanzeigen aus, als seien die Pläne 
an Offiziere verabfolgt worden. Anfragen 
bei den angeblichen Entlehnern haben die 
Fälschung zur Entdeckung gebracht. 
« Erlangen ist laut Regimentsbefehl 
ein Soldat mit 14 Tagen Mittelarrest be> 
straft worden, weil er in Uniform auf der 
Heimfahrt nach Erlangen in einem Eisen 
bahncoupee erklärte, er sei Sozialdemo 
krat, welche Aeußerung Aergerniß erregte 
Ein P i st o l e n d u e l l fand im April 
rm Reichswald bei Fürth zwischen dem 
cand. med. Wilhelm Plitt aus München 
und dem stad. med. Alfred Rascher aus 
Neudorf bei Straßburg statt. Als Waffe 
dienten gezogene Pistolen. Als Bedingung 
galt einmaliger Kugelwechsel auf 10 Sprung 
schritt Distanz. Verletzt wurde keiner der 
Duellanten! Urtheil: je 3 Monat Festung. 
Gegen die Thierquälerei des 
Taubenschießens in dem hoch 
aristokratischen Seebad Heiligendamm geht 
die Staatsanwaltschaft jetzt vor. Beim 
jüngsten Taubenschießen in Heiligendamm 
ließ der Staalsanwalt durch den Gendarmen 
die Namen der Mitschießenden, durchweg 
Aristokraten und Sportsleute, feststellen 
Am nächsten Tag erhielten alle Vorladungen 
wegen Thierquälerei, darunter auch der 
Großherzog von Mecklenburg, 
der als Graf Schwerin am Taubenschießen 
theilgenommen hatte. 
In Koburg fand am Sonnabend und 
Sonntag die Hauptversammlung des 25. Ab 
geordnetentages des Deutschen Krieger 
bund es unter dem Vorsitz des Generals 
z. D. v. Spitz statt. Aus dem von Pro- 
fessor Westphal erstatteten Jahresbericht 
ergiebt sich, daß der Kriegerbund am 
1. April d. I. 10163 Vereine mit 
864 478 Mitgliedern zählt, was eine Zu 
nähme von 113 712 Mitgliedern gegen 
das Vorjahr ergiebt. Die Gesammtkosten 
des Kyffhäuser - Denkmals werden au : 
1 200 000 Mk. veranschlagt. Zu Ehren 
Mitgliedern des Bundes wurden Herzog 
Nikolaus von Württemberg und General 
lieutenant z. D. v. Renthe-Fink ernannt 
Sonnabend fand ein Festkommers statt 
Der Festzug am Sonntag verregnete. 
Großes Aufsehen erregt in Dorsschellen 
berg bei Flöha die Verhaftung des Kantors 
Meißner, der dringend verdächtig ist, seit 
Jahren an Schulmädchen Sittlichkeits 
verbrechen verübt zu haben. Meißner 
steht im Alter von einigen 50 Jahren. 
Hamburg, 3. August. Hier ging das 
Pferd einer Droschke durch, welche einen 
Herrn und eine Dame vom Helgoländer 
Dampfer abgeholt hatte. Bei Steinhöft 
wurde der Wagen in die Elbe geschleudert. 
Beide Insassen ertranken, der Kutscher 
wurde gerettet, erlitt jedoch einen doppelten 
Beinbruch. Die Ertrunkenen sind aus 
Prag. 
BrovinHi-Mes. 
Kiel, 4. August. Die kaiserliche Jacht 
„Hohenzollern" wird im September nach 
der Nordsee dampfen, wo der Kaiser die 
Haupt- und Schlußmanöver der Marine 
abzunehmen beabsichtigt. 
Durch den Untergang des Kanonenbootes 
„Iltis" ist auch eine Bürgersfamilie in 
Itzehoe in größten Kummer versetzt worden. 
Bei dem Unglücksfall ist nämlich auch ein 
Bruder des an der Jtzehoer Knaben 
bürgerschule angestellten Lehrers Herrn 
Gieseler, der Zahlmeisterapplikant Martin 
Gieseler, gebürtig aus Eilenburg, ein 
Opfer seines Berufes geworden. 
4- Itzehoe, 4. Aug. Es vergeht kein 
Tag, wo nicht neue Fälle betr. Ausbruch 
der Maul - undKlauenseuche zur 
Anmeldung gelangen. Nunmehr ist der 
Ausbruch dieser Seuche auch an der Beiden- 
lether Fähre festgestellt und dieselbe infolge 
dessen für den Wagen- und Fußverkehr 
gesperrt worden. 
Oldesloe, 3. August. Zu dem hier am 
16. d. Mts. auf dem Exercierplatze an der 
Obertrave stattfindenden Rennen sind 
75 Anmeldungen mit 50 verschiedenen 
Pferden erfolgt. Unter den Angemeldeten 
befindet sich auch Tepper Laski. Im Gegen, 
atze zu den früheren Rennen sind diesmal 
zahlreiche werthvolle 3—4jährige Rennpferde 
genannt. Da auch eine größere Zahl von 
Anmeldungen von Officieren der Wands 
decker und Schleswiger Husaren vorliegt, 
o ist alle Aussicht vorhanden, daß das 
Rennen sich zu einem interessanten gestalten 
wird. 
Neumiruster, 3. Aug. Selbstmord beging 
am Sonnabend-Abend der Arbeiter Hinrich 
Brandt von hier, indem er sich auf die 
Eisenbahnschienen legte und von dem Zuge 
überfahren ließ. Von einem Bahnwärter 
wurde die Leiche gefunden. Der Kops war 
vom Rumpfe getrennt und lag 2 Meter 
von letzterem entfernt. 
Husum, 3. August. Bei der gestrigen 
irchenvisitation Hierselbst wurden 
durch den Generalsuperintendenten D. Kaftan 
die Kandidaten Schmidtputt aus dem Kirch 
spiel Uetersen, der Adjunkt des Pröpsten 
Holm in Hütten wird, und der Kandidat 
Schmidt aus Schwenstrup auf Alsen, welcher 
zum Pastor in Modder (Kreis Hadersleben) 
ernannt ist, ordinirt. 
An die unrechte Adresse kam der Lotterie 
kollekteur G. in Braunschweig, der den 
Premierlieutenant Keller in Flensburg 
zum Spielen in der mecklenburgischen 
Lotterie aufforderte. Der Premierlieute 
nant Keller ist nämlich identisch mit dem — 
Staatsanwalt Keller, der selbstverständ 
lich die Bestrafung des Kollekteurs herbei 
führen mußte. Letzterer kam mit 30 Mk. 
Geldbuße davon. 
Flensburg, 3. Aug. Der Aus stand 
auf der Schiffswerft scheint sich in 
die Länge ziehen zu wollen. Der Director 
Bauer hat einem Mitgliede der Streik- 
Commission erklärt, daß die Werft, bevor 
die Lohnlisten fertiggestellt wären, über 
haupt nicht geneigt sei, in Unterhandlungen 
zu treten. Nach dem Beschluß der Werft 
arbeiter, auf Erhöhung des Stundenlohnes 
um 2 Pfg. für alle 1500 Arbeiter und 
Verkürzung der Arbeitszeit um eine halbe 
Stunde, dazu eine anderthalbstündige 
Mittagspause im Sommer und eine Stunde 
im Winter zu bestehen, ist ein Ende des 
Ausstandes vorerst nicht zu erwarten. 
: 2 Pfg. pro Stunde und pro Mann 
würden bei einer zehnstündigen Arbeitszeit 
u. einem Arbeiterbestande von 1500 Mann 
eine tägliche Mehrausgabe von 300 Mark 
erfordern. Darauf wird die Verwaltung 
der Werft sich wohl schwerlich einlassen. 
Wegen versuchter Brandstiftung 
wurde der Gastwirth L. in Schleswig ver 
haftet. Derselbe hatte auf dem Boden 
Zeines Pferdestalles, welcher voll Heu und 
Stroh war, verschiedene Sachen mit Petro 
leum und Theer getränkt, dieselben mit 
einem gleichfalls mit Petroleum übergosseuen 
Torfkorb und einer Decke bedeckt und in 
der Mitte ein ziemlich dickes Stearinlicht 
befestigt, sodaß, wenn selbiges bis auf einen 
kleinen Rest niedergebrannt wäre, das 
Gebäude unbedingt in Flammen aufgehen 
mußte. Der Knecht des L., welcher auf 
der Suche nach Eiern war, kam hierbei 
auch nach dem sonst wenig betretenen 
Bodenräume und machte der Polizeibehörde 
gleich von seiner Entdeckung Mittheilung 
Dieselbe hat den L., welcher seit dem 27. 
v. M. sich bei Verwandten aufgehalten 
hat, bei seiner Rückkehr sofort verhaftet, 
und räumte derselbe bei seiner Vernehmung 
auch gleich ein, beabsichtigt zu haben, sein 
Gewese, welches zu 35 000 Mk. versichert 
ist, in Flammen aufgehen zu lasten, da er 
sich seiner schlechten Lage wegen sonst nicht 
zu helfen wußte. Mitschuldige will er nicht 
gehabt haben. 
-I- Albersdorf, 4. August. Der hiesige 
Briefträger Siedle gerieth auf dem am 
Sonntag abgehaltenen Waldfest mit einem 
Arbeiter in Streit. Gestern Morgen wurde 
nun der Briefträger in seinem Garten 
erstochen aufgefunden. Die Polizei hat 
bereits in dieser Sache eine Verhaftung 
vorgenommen. 
0 Hohn, 4. Aug. Der hiesige Apotheker 
Herr Erdmann verkaufte seine Apotheke 
an einen Herrn Quack aus der Rhein 
Provinz. Der Antritt erfolgt zum 1. October 
Fockbek, 4. August. Das Königliche 
Schöffengericht verurtheilte in seiner letzten 
Sitzung den Dienstknecht Sch. Hierselbst 
wegen Beschimpfung des in Büdelsdor' 
stationirten Gendarmen zu einer Geldstrafe 
von 25 Mark, welche im Unvermögensfalle 
mit 5 Tagen Haft zu verbüßen ist. 
* Rendsburg, 5. August. Nach eruer 
neuerdings ergangenen Entscheivung des 
Oberverwaltungsgerichts sind Vereine bei 
Versammlungen in Schankwirthschafts 
räumen an die für diese geltende Polizei 
stunde gebunden, müssen also zu dieser 
Stunde ihre Versammlungen schließen, 
sofern Seitens des Vereins nicht nachge 
wiesen werden kann, daß die Theilnahme 
Dritter, dem Vereine nicht Angehöriger, 
beziehungsweise von Vereinsmitgliedern 
nicht besonders eingeführter Personen nicht 
stattgefunden hat. Nur wenn dieser Nach 
weis erbracht wird, kann die Versammlung 
als eine nichtöffentliche und daher nicht 
an die Polizeistunde gebundene angesehen 
werden. 
* Rendsburg, 5. Aug. Die Rekruten 
mit der Waffe der Infanterie, Jäger, Feld 
artillerie und Pioniere werden zufolge 
Befehls des Generalkommandos des neunten 
Armeekorps bei den Truppentheilen dieses 
Armeekorps am Dienstag, den 13. October 
d. I. eingestellt. 
X Rendsburg, 5. August. Auf Wunsch 
der Königl. Regierung in Schleswig hat 
der hiesige Magistrat auch für die Lehrer 
und Lehrerinnen an der städtischen höheren 
Mädchenschule ein Besoldungsregulatio aus 
gestellt und der Regierung zur Genehmigung 
eingereicht. Wie der Herr Bürgermeister 
Lilienstern in der letzten Sitzung der 
Kollegien mittheilte, ist die Genehmigung 
versagt worden. Die Stadtkollegien werden 
sich demnächst weiter mit dieser Angelegen 
heit zu beschäftigen haben. 
Mittheilungen aus dem Publikum. 
Die Redaction stellt die Benutzung dieser Rubrik, sowie 
es der Raum gestattet, dem Publikum zur Besprechung 
von Angelegenheiten allgemeinen InteresteS zur Verfü 
gung, verwahrt sich aber ausdrücklich dagegen, mir dem 
Inhalte identificirt zu werden und übernimmt dafür 
keinerlei Verantwortung. Wir behalten uns vor, bei Ein. 
sendungen, welche unserer Ansicht nach Uder das Maß der 
Sachlichen hinausgehen Correcturcn resp. Streichungen 
vorzunehmen. 
(Eingesandt.) 
Zur „bescheidcucn Aufrage"!; in Nr ^170 
des Re udsbnrgerjWvchenblattes, betreffend 
Rlndsbnrgcr Jubelfeier. 
Ter geehrte Einsender äußert seine Ver 
wunderung darüber, daß über eine 200- 
jährige Jubelfeier der Neuwerker Kirche 
„in Rendsburg noch gar nicht einmal Ge- 
r üchte im Gange seien, daß eine solche 
ge plant werde." Wenn der Zeitpunkt 
einer geschichtlich begründeten Feier so nahe 
läge, wie der Herr Einsender vermuthet, 
o wäre seine Verwunderung völlig berech 
tigt. Ein Ort, welcher keine Chronik besitzt, 
ist entweder geschichtlich zu unbedeutend, 
als daß sich Chronisten um ihn bekümmert 
hätten, oder auch dessen Bewohnern fehlt 
das Verständniß und Interesse für die 
Geschichte ihres Ortes, oder auch endlich es 
hat eine nicht zu billigende Gleichgültigkeit 
dafür Platz genommen. Ganz so verhält 
es sich mit jeglichen Institutionen, auch 
mit einer Kirche. Den Kirchen zu Alstadt- 
Rendsburg und Hohn ist eine Chronik zu 
Theil geworden, ohne daß die Kirchenver- 
tretungen oder die Mitglieder der Kirchen- 
gemeinden ein besonderes Verlangen an 
den Tag gelegt hätten, eine wissenschaftlich 
ausgearbeitete Chronik zu besitzen. Wenn 
nun Einsender sein Verlangen ausspricht, 
über eine möglicher Weise abzuhaltende 
200jährige Jubelfeier der (Christ- und 
Garnisonskirche Näheres zu erfahren, so 
ist dies anerkennenswerth, indem er dadurch 
bekundet, daß er Interesse für die Kirche 
hat. Wenn nun aber Einsender glaubt, 
daß schon das Jahr 1896 das Jubeljahr 
der Christkirche sei, so ist er im Irrthum. 
Man sagt: „Zeitungsleser haben ein kurzes 
Gedächtniß!" Es ist dies ein Vorwurf, 
der auch den Herrn Einsender trifft, denn 
es ist im Rendsburger Wochenblatt bereits 
eine Veröffentlichung ersolgt, zur Zeit, als 
die Neuwerker Kirche ihre „Grundlegung' 
hätte feiern können. Um dem Gedächtniß 
der Leser des Rendsb. Wochenblattes zu 
Hilfe zu kommen, mögen nochmals folgende 
Chroniknotizen in Erinnerung gebracht 
werden: „Anno 1695, den 15. April ist 
der Fundamentstein der Christkirche gelegt, 
aber schon des Jahres vorher der Kirchhof 
eingerichtet, wobei der Herr General- 
Superintendent Dr. Josua Schwartzs eine 
Predigt gehalten er. Jos. 5, 13—15. _ 
Anno 1700, den 15-Juli ist die Christ- 
kirche eingeweiht worden. Man hat erst 
eine solenne Procession um die Kirche ge 
halten, hernach ging der Gottesdienst in 
der Kirche an und ward die Einweihungs 
predigt über den Text er. Genes. 28,16 
von dem Herrn Superintendenten Josua 
Schwartz gehalten. 
Weitere geschichtliche Nachrichten über 
die Kirche können später Veröffentlichung 
finden, nur noch eine Notiz mag hier Platz 
finden, indem Einsender des Jahres 1696 
Im Wanne dnnüker Gewalten. 
Roman von El fried v. Hohenstein. 27 
Für Rosa hatte die Pracht freilich etwas Bedrücken 
des, Erkältendes. Sie setzte jedoch die fast äugstliche 
Einpfindung, von welcher sie inmitten der herrlichen 
Räuine, die gleichwohl ihr Entzücken erregten, ergrif 
fen tvurde, auf Rechnung des Heimwehs nach den El 
tern und der lieben trauten Stätte, von der sie nun 
für lange Zeit geschieden war. 
„Sieh', Dein Zimmer!" sagte Waldenburg jetzt, Rosa 
in ein nicht großes, aber mit außerordentlicher Koket 
terie eingerichtetes Zimmer geleitend. „Nach nieiner 
Angabe, nach der von mir entworfenen Zeichnung wurde 
es 'in kürzester Zeit fertiggestellt. Natürlich! Ich halte 
ja nun den einzigen wirklichen Zauberstab in der Hand: 
das Geld!" 
Wieder spielte jenes kalte, sarkastische Lächeln, wel 
ches ihr immer einen so unheimlichen Eindruck machte, 
um seine Lippen. 
„Es ist wie ein Traum, wie ein Märchen," flüsterte 
sie, die mit schtverer Seide bezogenen Wände, die lang- 
herabivallenden und graziös drapierten Vorhänge, die 
köstlichen Gruppen von altem Meißener Porzellan und 
die venetianischcn Spiegel, die das raffiniert luxuriöse 
Gemach zu vervielfältigen schienen, betrachtend. Ein 
echter Rococofächer von großem Wert lag neben dem 
silbernen Körbchen von altertümlicher Form, in wel 
chem Marschall-Niel-Rosen betäubend dufteten. Sil 
berne Armleuchter mit reizend cisclierten Amoretten 
figuren standen auf der Konsole. 
„Es muß überhaupt noch so manches anders hier 
werden," bemerkte Albert, nachdem er ihren Dank ent 
gegengenommen. „Ich will ein Gestüt eiurichteu^und 
muß daher noch bauen. Anch die Ausstattung des Saa 
les, der beiden Salons und des Speisezimmers hat 
bei allem Prunk etwas Schwerfälliges, Steifes. Der 
gute Hugo bevorzugte ebenso wie mein Oheim nur das 
Nrsolidc, Dauerhafte. Alles, was hier steht und liegt, 
sieht aus, als wäre es bestimmt, von Generation auf 
Generation überzugehen. Das ist nicht nach meinem 
Sinn. Sieh' her! Wie gefällt Dir das? Hier werde ich 
künftig malen, wenn ich Lust und Stiminung habe." 
Mit diesen Worten ließ er sie iu ein großes, sehr 
elegantes, aber etlvas exentrisch eingerichtetes Atelier 
blicken. 
„O, daS freut mich! Ich fürchtete schon, Du wür 
dest Dein schönes Talent brach liegen lassen," sagte 
Rosa. 
„Keineswegs! Ich hoffe sogar jetzt, wo kleinliche 
Sorgen sich nicht mehr loic ein erstarrender Reif auf 
meine Schaffensfreudigkeit legen, wo ich ungehindert 
meine» Neigungen folgen kann und nicht ängstlich den 
verschiedenen Geschmacksrichtungen Zugeständnisse ma 
chen muß, viel Besseres zu leisten." 
Ein reich gallonierter Diener meldete, daß daS 
Abendessen serviert sei. 
„O, wie groß für zwei Menschen!" rief die junge 
Frau lächelnd, als sie das Speisezimmer oder eigentlich 
den Speisesaal betraten, der mit seinen prächtigen Glas 
malereien, dem antiken Silberzeug und den kostbaren 
Gobelins bestimmt schien, eine zahlreiche und vornehme 
Gesellschaft aufzunehmen. 
„Wir werden anch kein Einsiedlerleben führen, 
wenn das Trauerjahr vorüber ist," erwiderte Walden 
burg. „Zu Lebzeiten meines Oheims öffnete sich Grünau 
oft den vornehmsten Gästen und großartige Feste wur 
den abgehalten. Ich beabsichtige natürlich, in dieser 
Hinsicht seinem Beispiel zufolge» und die Gewohnhei 
ten unseres Hause- aufrecht zu erhalten." 
So sprechend betrachtete er ein mächtiges bron 
ziertes Füllhorn, aus welchem schön geordnet eine reiche 
Menge duftender Blumen quoll. Richard Recks Karte, 
auf der einige Worte warmer Begrüßung standen, lag 
dabei. 
„Bon Deinem Pflegebruder." sagte Albert kühl. 
„Er ist ja jetzt fast unser Nachbar gelvorden. Daran 
dachte ich gar nicht. Wir tverden morgen, um der Höf 
lichkeit Genüge zu thun, einen kurzen Besuch in Blu- 
nienan abstatten." 
Auserlesene Gerichte wurden ansgetragen, und edler, 
feuriger Wein. der schon lange in den Kellern von 
Grünan lagerte, füllte die Gläser. 
Der folgende Morgen brach in entzückender Schön 
heit an. Das strahlende Sonnenlicht verlieh dem präch 
tigen Blumenschmuck, den man von der Schloßterrasse 
überblicken konnte, noch glutvollere Farben, machte so 
gar die Gruppen uralter Riesenbämne weniger düster 
und glitzerte auf dem Weiber, so daß es aussah, als 
badete» sich die untertancbenden Schwäne in einer Gold 
flut. In dem waldigen Teile des Parkes eilte schäu 
mend ein klarer Bach durch sein felsiges, moosbewach 
senes Bett, und den Statuen, um deren Postamente sich 
Epheu und Clematis rankten, gab der purpurne Schim 
mer den trügerischen Anschein, als ströme warmes Blut 
durch ihre marmornen Leiber. 
Gegen Mittag bestiegen Albert und Rosa den Wa 
gen, um nach Richards Besitzung zu fahren. Auf dem 
Wege dorthin kamen sie an dem Rittergut Moosburg 
vorüber. Die Jalousien sämtlicher Fenster deS großen 
eleganten Gebäudes waren geschlossen, nur das Hinter 
haus schien bewohnt. Albert erinnerte sich des Eigen 
tümers. Dieser gehörte zu den Freunden seiner verstor 
benen Oheims. 
„Hier werden wir Uns auch vorstellen müssen, 
sagte er. „Gegenwärtig scheint Baron Burns abwesend 
zu sein." 
Eine halbe Stunde später langten sie in Blumenau 
an. Als Rosa die Grüße der Eltern überbrachte, zit 
terte ihre Stimme leicht, und vor ihre Augen legten 
sich feuchte Schleier. Auch Richard, ochchon sich voll 
kommen beherrschend, war eigentümlich bewegt, als er 
seinen Gästen das HanS, den Garten und die wirtschaft 
liche» Einrichtungen zeigte. Bei allem, was er zur Ver 
schönerung des Gutes und um die Einträglichkeit des 
selben zu erhöhen, gethan hatte, war Rosa sein erster 
Gedanke getvesen. und es berührte rhu schmerzlich, sie 
gerade hier au der Seite des stolzen, zurückhaltenden, 
fremdblickcudcn Mannes zu sehen. Der alte Groll regte 
sich wieder mächtig in ihm und ließ erkennen, daß es 
Antipathien giebt, die man auch mit dem redlichsten 
Willen nicht überwinden kann. 
Dieser erste Besuch war kurz und förmlich. Er be 
wirkte eher Entfremdung als Annäherung. Schon im 
Begriff, sich wieder zu verabschieden, fragte Watden- 
burg: „Ist Ihnen vielleicht bekannt, wo der alte Baron 
BnrnS sich gegenwärtig aufhält und bis wann er zurück 
erwartet wird?" 
„Er starb schon vor mehreren Jahren," erwiderte 
Richard. _ 
„Uitb wer ist der jetzige Besitzer vowMoosburg?" 
',',Es kam zu einemProzeß zwischen den Erben, dessen 
Ende noch gar nicht abzusehen war. Die Parteien einig 
ten sich jedoch jetzt dahin, daß Moosburg verkauft wer 
den soll." 
„So? Und ist bereits ein Käufer gefunden?" 
„Noch nicht, man fordert einen sehr hohen Preis 
für das Gut, welches ja auch wirklich zu den schönsten 
der Uingegcnd gehört." 
„Hoffentlich wird e» nicht von einem Börseuspeku- 
kanten oder Kaufmann, der sich „HerrCommerzienrat" 
titulieren läßt, erstanden. Ich rechnete auf angenehme 
Nachbarschaft." 
„Bor allem wünsche ich, daß der künftigeEsgentümer 
ein guter Landtvirt ist, der die prächtige Besitzung mit 
den vielen dazugehörenden Aeckern ordentlich^ zu be 
wirtschaften versteht. Dieser Boden birgt wahreSchätze." 
Die Equipage fuhr vor. Richard hob Rosa hinein. 
„Lebe wohl! Tausend Grüße an die Eltern, wenn Du 
schreibst," rief sie, seine Hand drückend. „Keine Stund« 
vergeht, wo ich ihrer nicht gedächte." 
„Wir hostzn Sie bald in Grünau zu sehen," sagte 
Waldenburg tziit kühler Höflichkeit. 
Reck ver itzigte sich dankend und erlviderte nach eini 
gen Tagen den Besuch. Späterhin kam er jedoch »ur 
sehr selten. Rosa schien glücklich zu sein, und so war es 
für seinen Frieden besser, wenn er ihr fern blieb- 
Noch ehe das Trauer jähr zu Ende ging, kehrteFreude 
in Grünau ein. In der reichgeschmückten Wiege ruhte 
auf seidenem Kissen und von Spitzen umflutet tnt t«. 
rend es kleines Geschöpf mit schivarzen Angen und hell 
blonden Löckchen. 1"
	        
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