des Bezirks enthaltenden Liste an den
Physikus ins Auge gefaßt. Auch wird
erwogen, ob nicht jeder solche Geistes
kranke alljährlich mindestens einmal durch
den Physikus ärztlich zu untersuchen sei.
— In Sachen der Bäckerei-Ver
ordnung hatte sich ein Bäckermeister an
das Ministerium für Handel und Gewerbe
gewandt, um im Interesse aller Bäcker-
meister Auskunft über die zweifelhaften
Fragen zu erhalten, ob das Backen von
im ersten Zustande fertiger Waare, wie
Kuchen, den die Hausfrauen zu bringen
pflegen, zu den gelegentlichen Dienstleistungen
gehört oder nicht, und zweitens, ob der
UnterrichtderFach- und Fortbildungs
schule in denselben Stunden, die in die
Zeit der Ruhepause fallen, gesetzlich zu-
lässig ist. Die Auskunft lautete dahin,
daß das Kuchenbacken für die Hausfrauen
als gelegentliche Dienstleistung im Sinne
der Bäckerei-Verordnung nicht anerkannt
werden könne. Da der Meister die Be
stellung erst annehme resp. das Backen zu
gestatten habe und auch die Garantie
übernehme, gleichviel wer den Verdienst
nimmt, so falle diese Arbeitsleistung unter
Herstellung von Waare und sei nur in
einer Arbeitsschicht gestattet. Ein
Zuwiderhandeln hiergegen seitens der Werk
führer oder Gesellen sei eine Rechtsfrage,
über welche der Richter zu entscheiden
habe. — Betreffs der Schulfrage wurde
folgende Erklärung gegeben: Der Lehr-
ling ist nach § 227 der Gewerbeordnung
der väterlichen Zucht des Meisters unter
worfen. Es bleibt demselben unbenommen,
den Lehrling nach wie vor zur Schule
zu schicken. In der Verordnung ist nicht
gesagt, daß der Lehrling die Stunden der
Ruhe im Bette oder in der Kneipe zu
bringen soll. Die Schule gehört zu seiner
Ausbildung; nur soll er im Gewerbe
betrieb über die Zeit nicht beschäftigt
werden.
— Nach dem vom preußischen Abge
ordnetenhause ausgesprochenen Wunsche
sollen künftig auch die Lehrer bei Dienst
reisen zu amtlichen Conferenzen ange
messene Vergütungen aus der Staatskasse
erhalten. Die Mittel dazu dürften bereits
in den nächsten Etat eingestellt werden
es ergiebt sich das aus den gegenwärtig
auf Anordnung des Unterrichtsministers
vorzunehmenden Ermittelungen darüber,
welcher Mehraufwand für die Staatskasse
sich durch die Ausführung jener Resolution
ergeben würde. Die Regierungen sollen
in der nächsten Zeit ihre Vorschläge über
den Bedarf einreichen.
— Um Eisenbahnunfällen bei
falscher Weichenstellung vorzubeugen, war
seitens des Vereins deutscher Eisenbahnen
eine Preisausschreibung erfolgt, nach welcher
ein Apparat prämiirt resp. patentirt
werden soll, welcher anzeigt, daß ein in
den Bahnhof einfahrender Zug ungetrennt,
d. h. mit wirklichem Schlußwagen, die
Markirzeichen der Weichen durchfahren
hat. Einen solchen Apparat hat der
Eisenbahn-Assistent Rackow in Stargard
i. P. erfunden, und die mit demselben in
Gegenwart mehrerer höheren technischen
Eisenbahnbeamten vorgenommenen Proben
haben sich bewährt. Die Prüfung eines
Apparates, durch welchen das Zusammen
stoßen zweier Züge auf einem Geleise
verhütet werden soll, steht noch aus; auch
dieser Apparat ist eine Erfindung des
Herrn Rackow.
In Folge der Hitzschläge in Königsberg
i. Pr. hat der dortige Magistrat sich ver
anlaßt gesehen, auf den städtischen Bauten rc.
warmen und kalten Kaffee an die
Arbeiter gratis und in reichlichen Portionen
verabreichen zu lassen, um die in der
Sonnengluth Arbeitenden von dem Genuß
von Spirituosen abzuhalten und so
Dissenterieansällen vorzubeugen. Im Ganzen
ind in Königsberg 23 Todesfälle in Folge
von Hitzschlag vorgekommen.
Posen, 4. August. Die Ehefrau eines
m Treptow an der Rega wohnenden
attlers, die sich seit einigen Wochen bei
ihrer Mutter in Schwerin an der Warthe
aufhielt, wurde von ihrem Ehemann, der
iu Schwerin eingetroffen war und sie ver-
gebens aufforderte, zu ihm zurückzukehren,
durch einen Schuß in die linke Brustseite
lebensgefährlich verletzt, dann sprang der
Attentäter in die Warthe und ertrank.
Wegen Verdachts des Verraths mili
tärischer Geheimnisse ist vor vier
Wochen in Metz ein Sergeant des 16. Pio
nierbataillons Namens Jaretscheck verhaftet
worden. Wie die „Metzer Ztg." nunmehr
berichtet, war der Genannte Schreiber aus
der Festungsinspection und soll verschiedene
Pläne entwendet haben. Er stellte selbst
Empfangsanzeigen aus, als seien die Pläne
an Offiziere verabfolgt worden. Anfragen
bei den angeblichen Entlehnern haben die
Fälschung zur Entdeckung gebracht.
« Erlangen ist laut Regimentsbefehl
ein Soldat mit 14 Tagen Mittelarrest be>
straft worden, weil er in Uniform auf der
Heimfahrt nach Erlangen in einem Eisen
bahncoupee erklärte, er sei Sozialdemo
krat, welche Aeußerung Aergerniß erregte
Ein P i st o l e n d u e l l fand im April
rm Reichswald bei Fürth zwischen dem
cand. med. Wilhelm Plitt aus München
und dem stad. med. Alfred Rascher aus
Neudorf bei Straßburg statt. Als Waffe
dienten gezogene Pistolen. Als Bedingung
galt einmaliger Kugelwechsel auf 10 Sprung
schritt Distanz. Verletzt wurde keiner der
Duellanten! Urtheil: je 3 Monat Festung.
Gegen die Thierquälerei des
Taubenschießens in dem hoch
aristokratischen Seebad Heiligendamm geht
die Staatsanwaltschaft jetzt vor. Beim
jüngsten Taubenschießen in Heiligendamm
ließ der Staalsanwalt durch den Gendarmen
die Namen der Mitschießenden, durchweg
Aristokraten und Sportsleute, feststellen
Am nächsten Tag erhielten alle Vorladungen
wegen Thierquälerei, darunter auch der
Großherzog von Mecklenburg,
der als Graf Schwerin am Taubenschießen
theilgenommen hatte.
In Koburg fand am Sonnabend und
Sonntag die Hauptversammlung des 25. Ab
geordnetentages des Deutschen Krieger
bund es unter dem Vorsitz des Generals
z. D. v. Spitz statt. Aus dem von Pro-
fessor Westphal erstatteten Jahresbericht
ergiebt sich, daß der Kriegerbund am
1. April d. I. 10163 Vereine mit
864 478 Mitgliedern zählt, was eine Zu
nähme von 113 712 Mitgliedern gegen
das Vorjahr ergiebt. Die Gesammtkosten
des Kyffhäuser - Denkmals werden au :
1 200 000 Mk. veranschlagt. Zu Ehren
Mitgliedern des Bundes wurden Herzog
Nikolaus von Württemberg und General
lieutenant z. D. v. Renthe-Fink ernannt
Sonnabend fand ein Festkommers statt
Der Festzug am Sonntag verregnete.
Großes Aufsehen erregt in Dorsschellen
berg bei Flöha die Verhaftung des Kantors
Meißner, der dringend verdächtig ist, seit
Jahren an Schulmädchen Sittlichkeits
verbrechen verübt zu haben. Meißner
steht im Alter von einigen 50 Jahren.
Hamburg, 3. August. Hier ging das
Pferd einer Droschke durch, welche einen
Herrn und eine Dame vom Helgoländer
Dampfer abgeholt hatte. Bei Steinhöft
wurde der Wagen in die Elbe geschleudert.
Beide Insassen ertranken, der Kutscher
wurde gerettet, erlitt jedoch einen doppelten
Beinbruch. Die Ertrunkenen sind aus
Prag.
BrovinHi-Mes.
Kiel, 4. August. Die kaiserliche Jacht
„Hohenzollern" wird im September nach
der Nordsee dampfen, wo der Kaiser die
Haupt- und Schlußmanöver der Marine
abzunehmen beabsichtigt.
Durch den Untergang des Kanonenbootes
„Iltis" ist auch eine Bürgersfamilie in
Itzehoe in größten Kummer versetzt worden.
Bei dem Unglücksfall ist nämlich auch ein
Bruder des an der Jtzehoer Knaben
bürgerschule angestellten Lehrers Herrn
Gieseler, der Zahlmeisterapplikant Martin
Gieseler, gebürtig aus Eilenburg, ein
Opfer seines Berufes geworden.
4- Itzehoe, 4. Aug. Es vergeht kein
Tag, wo nicht neue Fälle betr. Ausbruch
der Maul - undKlauenseuche zur
Anmeldung gelangen. Nunmehr ist der
Ausbruch dieser Seuche auch an der Beiden-
lether Fähre festgestellt und dieselbe infolge
dessen für den Wagen- und Fußverkehr
gesperrt worden.
Oldesloe, 3. August. Zu dem hier am
16. d. Mts. auf dem Exercierplatze an der
Obertrave stattfindenden Rennen sind
75 Anmeldungen mit 50 verschiedenen
Pferden erfolgt. Unter den Angemeldeten
befindet sich auch Tepper Laski. Im Gegen,
atze zu den früheren Rennen sind diesmal
zahlreiche werthvolle 3—4jährige Rennpferde
genannt. Da auch eine größere Zahl von
Anmeldungen von Officieren der Wands
decker und Schleswiger Husaren vorliegt,
o ist alle Aussicht vorhanden, daß das
Rennen sich zu einem interessanten gestalten
wird.
Neumiruster, 3. Aug. Selbstmord beging
am Sonnabend-Abend der Arbeiter Hinrich
Brandt von hier, indem er sich auf die
Eisenbahnschienen legte und von dem Zuge
überfahren ließ. Von einem Bahnwärter
wurde die Leiche gefunden. Der Kops war
vom Rumpfe getrennt und lag 2 Meter
von letzterem entfernt.
Husum, 3. August. Bei der gestrigen
irchenvisitation Hierselbst wurden
durch den Generalsuperintendenten D. Kaftan
die Kandidaten Schmidtputt aus dem Kirch
spiel Uetersen, der Adjunkt des Pröpsten
Holm in Hütten wird, und der Kandidat
Schmidt aus Schwenstrup auf Alsen, welcher
zum Pastor in Modder (Kreis Hadersleben)
ernannt ist, ordinirt.
An die unrechte Adresse kam der Lotterie
kollekteur G. in Braunschweig, der den
Premierlieutenant Keller in Flensburg
zum Spielen in der mecklenburgischen
Lotterie aufforderte. Der Premierlieute
nant Keller ist nämlich identisch mit dem —
Staatsanwalt Keller, der selbstverständ
lich die Bestrafung des Kollekteurs herbei
führen mußte. Letzterer kam mit 30 Mk.
Geldbuße davon.
Flensburg, 3. Aug. Der Aus stand
auf der Schiffswerft scheint sich in
die Länge ziehen zu wollen. Der Director
Bauer hat einem Mitgliede der Streik-
Commission erklärt, daß die Werft, bevor
die Lohnlisten fertiggestellt wären, über
haupt nicht geneigt sei, in Unterhandlungen
zu treten. Nach dem Beschluß der Werft
arbeiter, auf Erhöhung des Stundenlohnes
um 2 Pfg. für alle 1500 Arbeiter und
Verkürzung der Arbeitszeit um eine halbe
Stunde, dazu eine anderthalbstündige
Mittagspause im Sommer und eine Stunde
im Winter zu bestehen, ist ein Ende des
Ausstandes vorerst nicht zu erwarten.
: 2 Pfg. pro Stunde und pro Mann
würden bei einer zehnstündigen Arbeitszeit
u. einem Arbeiterbestande von 1500 Mann
eine tägliche Mehrausgabe von 300 Mark
erfordern. Darauf wird die Verwaltung
der Werft sich wohl schwerlich einlassen.
Wegen versuchter Brandstiftung
wurde der Gastwirth L. in Schleswig ver
haftet. Derselbe hatte auf dem Boden
Zeines Pferdestalles, welcher voll Heu und
Stroh war, verschiedene Sachen mit Petro
leum und Theer getränkt, dieselben mit
einem gleichfalls mit Petroleum übergosseuen
Torfkorb und einer Decke bedeckt und in
der Mitte ein ziemlich dickes Stearinlicht
befestigt, sodaß, wenn selbiges bis auf einen
kleinen Rest niedergebrannt wäre, das
Gebäude unbedingt in Flammen aufgehen
mußte. Der Knecht des L., welcher auf
der Suche nach Eiern war, kam hierbei
auch nach dem sonst wenig betretenen
Bodenräume und machte der Polizeibehörde
gleich von seiner Entdeckung Mittheilung
Dieselbe hat den L., welcher seit dem 27.
v. M. sich bei Verwandten aufgehalten
hat, bei seiner Rückkehr sofort verhaftet,
und räumte derselbe bei seiner Vernehmung
auch gleich ein, beabsichtigt zu haben, sein
Gewese, welches zu 35 000 Mk. versichert
ist, in Flammen aufgehen zu lasten, da er
sich seiner schlechten Lage wegen sonst nicht
zu helfen wußte. Mitschuldige will er nicht
gehabt haben.
-I- Albersdorf, 4. August. Der hiesige
Briefträger Siedle gerieth auf dem am
Sonntag abgehaltenen Waldfest mit einem
Arbeiter in Streit. Gestern Morgen wurde
nun der Briefträger in seinem Garten
erstochen aufgefunden. Die Polizei hat
bereits in dieser Sache eine Verhaftung
vorgenommen.
0 Hohn, 4. Aug. Der hiesige Apotheker
Herr Erdmann verkaufte seine Apotheke
an einen Herrn Quack aus der Rhein
Provinz. Der Antritt erfolgt zum 1. October
Fockbek, 4. August. Das Königliche
Schöffengericht verurtheilte in seiner letzten
Sitzung den Dienstknecht Sch. Hierselbst
wegen Beschimpfung des in Büdelsdor'
stationirten Gendarmen zu einer Geldstrafe
von 25 Mark, welche im Unvermögensfalle
mit 5 Tagen Haft zu verbüßen ist.
* Rendsburg, 5. August. Nach eruer
neuerdings ergangenen Entscheivung des
Oberverwaltungsgerichts sind Vereine bei
Versammlungen in Schankwirthschafts
räumen an die für diese geltende Polizei
stunde gebunden, müssen also zu dieser
Stunde ihre Versammlungen schließen,
sofern Seitens des Vereins nicht nachge
wiesen werden kann, daß die Theilnahme
Dritter, dem Vereine nicht Angehöriger,
beziehungsweise von Vereinsmitgliedern
nicht besonders eingeführter Personen nicht
stattgefunden hat. Nur wenn dieser Nach
weis erbracht wird, kann die Versammlung
als eine nichtöffentliche und daher nicht
an die Polizeistunde gebundene angesehen
werden.
* Rendsburg, 5. Aug. Die Rekruten
mit der Waffe der Infanterie, Jäger, Feld
artillerie und Pioniere werden zufolge
Befehls des Generalkommandos des neunten
Armeekorps bei den Truppentheilen dieses
Armeekorps am Dienstag, den 13. October
d. I. eingestellt.
X Rendsburg, 5. August. Auf Wunsch
der Königl. Regierung in Schleswig hat
der hiesige Magistrat auch für die Lehrer
und Lehrerinnen an der städtischen höheren
Mädchenschule ein Besoldungsregulatio aus
gestellt und der Regierung zur Genehmigung
eingereicht. Wie der Herr Bürgermeister
Lilienstern in der letzten Sitzung der
Kollegien mittheilte, ist die Genehmigung
versagt worden. Die Stadtkollegien werden
sich demnächst weiter mit dieser Angelegen
heit zu beschäftigen haben.
Mittheilungen aus dem Publikum.
Die Redaction stellt die Benutzung dieser Rubrik, sowie
es der Raum gestattet, dem Publikum zur Besprechung
von Angelegenheiten allgemeinen InteresteS zur Verfü
gung, verwahrt sich aber ausdrücklich dagegen, mir dem
Inhalte identificirt zu werden und übernimmt dafür
keinerlei Verantwortung. Wir behalten uns vor, bei Ein.
sendungen, welche unserer Ansicht nach Uder das Maß der
Sachlichen hinausgehen Correcturcn resp. Streichungen
vorzunehmen.
(Eingesandt.)
Zur „bescheidcucn Aufrage"!; in Nr ^170
des Re udsbnrgerjWvchenblattes, betreffend
Rlndsbnrgcr Jubelfeier.
Ter geehrte Einsender äußert seine Ver
wunderung darüber, daß über eine 200-
jährige Jubelfeier der Neuwerker Kirche
„in Rendsburg noch gar nicht einmal Ge-
r üchte im Gange seien, daß eine solche
ge plant werde." Wenn der Zeitpunkt
einer geschichtlich begründeten Feier so nahe
läge, wie der Herr Einsender vermuthet,
o wäre seine Verwunderung völlig berech
tigt. Ein Ort, welcher keine Chronik besitzt,
ist entweder geschichtlich zu unbedeutend,
als daß sich Chronisten um ihn bekümmert
hätten, oder auch dessen Bewohnern fehlt
das Verständniß und Interesse für die
Geschichte ihres Ortes, oder auch endlich es
hat eine nicht zu billigende Gleichgültigkeit
dafür Platz genommen. Ganz so verhält
es sich mit jeglichen Institutionen, auch
mit einer Kirche. Den Kirchen zu Alstadt-
Rendsburg und Hohn ist eine Chronik zu
Theil geworden, ohne daß die Kirchenver-
tretungen oder die Mitglieder der Kirchen-
gemeinden ein besonderes Verlangen an
den Tag gelegt hätten, eine wissenschaftlich
ausgearbeitete Chronik zu besitzen. Wenn
nun Einsender sein Verlangen ausspricht,
über eine möglicher Weise abzuhaltende
200jährige Jubelfeier der (Christ- und
Garnisonskirche Näheres zu erfahren, so
ist dies anerkennenswerth, indem er dadurch
bekundet, daß er Interesse für die Kirche
hat. Wenn nun aber Einsender glaubt,
daß schon das Jahr 1896 das Jubeljahr
der Christkirche sei, so ist er im Irrthum.
Man sagt: „Zeitungsleser haben ein kurzes
Gedächtniß!" Es ist dies ein Vorwurf,
der auch den Herrn Einsender trifft, denn
es ist im Rendsburger Wochenblatt bereits
eine Veröffentlichung ersolgt, zur Zeit, als
die Neuwerker Kirche ihre „Grundlegung'
hätte feiern können. Um dem Gedächtniß
der Leser des Rendsb. Wochenblattes zu
Hilfe zu kommen, mögen nochmals folgende
Chroniknotizen in Erinnerung gebracht
werden: „Anno 1695, den 15. April ist
der Fundamentstein der Christkirche gelegt,
aber schon des Jahres vorher der Kirchhof
eingerichtet, wobei der Herr General-
Superintendent Dr. Josua Schwartzs eine
Predigt gehalten er. Jos. 5, 13—15. _
Anno 1700, den 15-Juli ist die Christ-
kirche eingeweiht worden. Man hat erst
eine solenne Procession um die Kirche ge
halten, hernach ging der Gottesdienst in
der Kirche an und ward die Einweihungs
predigt über den Text er. Genes. 28,16
von dem Herrn Superintendenten Josua
Schwartz gehalten.
Weitere geschichtliche Nachrichten über
die Kirche können später Veröffentlichung
finden, nur noch eine Notiz mag hier Platz
finden, indem Einsender des Jahres 1696
Im Wanne dnnüker Gewalten.
Roman von El fried v. Hohenstein. 27
Für Rosa hatte die Pracht freilich etwas Bedrücken
des, Erkältendes. Sie setzte jedoch die fast äugstliche
Einpfindung, von welcher sie inmitten der herrlichen
Räuine, die gleichwohl ihr Entzücken erregten, ergrif
fen tvurde, auf Rechnung des Heimwehs nach den El
tern und der lieben trauten Stätte, von der sie nun
für lange Zeit geschieden war.
„Sieh', Dein Zimmer!" sagte Waldenburg jetzt, Rosa
in ein nicht großes, aber mit außerordentlicher Koket
terie eingerichtetes Zimmer geleitend. „Nach nieiner
Angabe, nach der von mir entworfenen Zeichnung wurde
es 'in kürzester Zeit fertiggestellt. Natürlich! Ich halte
ja nun den einzigen wirklichen Zauberstab in der Hand:
das Geld!"
Wieder spielte jenes kalte, sarkastische Lächeln, wel
ches ihr immer einen so unheimlichen Eindruck machte,
um seine Lippen.
„Es ist wie ein Traum, wie ein Märchen," flüsterte
sie, die mit schtverer Seide bezogenen Wände, die lang-
herabivallenden und graziös drapierten Vorhänge, die
köstlichen Gruppen von altem Meißener Porzellan und
die venetianischcn Spiegel, die das raffiniert luxuriöse
Gemach zu vervielfältigen schienen, betrachtend. Ein
echter Rococofächer von großem Wert lag neben dem
silbernen Körbchen von altertümlicher Form, in wel
chem Marschall-Niel-Rosen betäubend dufteten. Sil
berne Armleuchter mit reizend cisclierten Amoretten
figuren standen auf der Konsole.
„Es muß überhaupt noch so manches anders hier
werden," bemerkte Albert, nachdem er ihren Dank ent
gegengenommen. „Ich will ein Gestüt eiurichteu^und
muß daher noch bauen. Anch die Ausstattung des Saa
les, der beiden Salons und des Speisezimmers hat
bei allem Prunk etwas Schwerfälliges, Steifes. Der
gute Hugo bevorzugte ebenso wie mein Oheim nur das
Nrsolidc, Dauerhafte. Alles, was hier steht und liegt,
sieht aus, als wäre es bestimmt, von Generation auf
Generation überzugehen. Das ist nicht nach meinem
Sinn. Sieh' her! Wie gefällt Dir das? Hier werde ich
künftig malen, wenn ich Lust und Stiminung habe."
Mit diesen Worten ließ er sie iu ein großes, sehr
elegantes, aber etlvas exentrisch eingerichtetes Atelier
blicken.
„O, daS freut mich! Ich fürchtete schon, Du wür
dest Dein schönes Talent brach liegen lassen," sagte
Rosa.
„Keineswegs! Ich hoffe sogar jetzt, wo kleinliche
Sorgen sich nicht mehr loic ein erstarrender Reif auf
meine Schaffensfreudigkeit legen, wo ich ungehindert
meine» Neigungen folgen kann und nicht ängstlich den
verschiedenen Geschmacksrichtungen Zugeständnisse ma
chen muß, viel Besseres zu leisten."
Ein reich gallonierter Diener meldete, daß daS
Abendessen serviert sei.
„O, wie groß für zwei Menschen!" rief die junge
Frau lächelnd, als sie das Speisezimmer oder eigentlich
den Speisesaal betraten, der mit seinen prächtigen Glas
malereien, dem antiken Silberzeug und den kostbaren
Gobelins bestimmt schien, eine zahlreiche und vornehme
Gesellschaft aufzunehmen.
„Wir werden anch kein Einsiedlerleben führen,
wenn das Trauerjahr vorüber ist," erwiderte Walden
burg. „Zu Lebzeiten meines Oheims öffnete sich Grünau
oft den vornehmsten Gästen und großartige Feste wur
den abgehalten. Ich beabsichtige natürlich, in dieser
Hinsicht seinem Beispiel zufolge» und die Gewohnhei
ten unseres Hause- aufrecht zu erhalten."
So sprechend betrachtete er ein mächtiges bron
ziertes Füllhorn, aus welchem schön geordnet eine reiche
Menge duftender Blumen quoll. Richard Recks Karte,
auf der einige Worte warmer Begrüßung standen, lag
dabei.
„Bon Deinem Pflegebruder." sagte Albert kühl.
„Er ist ja jetzt fast unser Nachbar gelvorden. Daran
dachte ich gar nicht. Wir tverden morgen, um der Höf
lichkeit Genüge zu thun, einen kurzen Besuch in Blu-
nienan abstatten."
Auserlesene Gerichte wurden ansgetragen, und edler,
feuriger Wein. der schon lange in den Kellern von
Grünan lagerte, füllte die Gläser.
Der folgende Morgen brach in entzückender Schön
heit an. Das strahlende Sonnenlicht verlieh dem präch
tigen Blumenschmuck, den man von der Schloßterrasse
überblicken konnte, noch glutvollere Farben, machte so
gar die Gruppen uralter Riesenbämne weniger düster
und glitzerte auf dem Weiber, so daß es aussah, als
badete» sich die untertancbenden Schwäne in einer Gold
flut. In dem waldigen Teile des Parkes eilte schäu
mend ein klarer Bach durch sein felsiges, moosbewach
senes Bett, und den Statuen, um deren Postamente sich
Epheu und Clematis rankten, gab der purpurne Schim
mer den trügerischen Anschein, als ströme warmes Blut
durch ihre marmornen Leiber.
Gegen Mittag bestiegen Albert und Rosa den Wa
gen, um nach Richards Besitzung zu fahren. Auf dem
Wege dorthin kamen sie an dem Rittergut Moosburg
vorüber. Die Jalousien sämtlicher Fenster deS großen
eleganten Gebäudes waren geschlossen, nur das Hinter
haus schien bewohnt. Albert erinnerte sich des Eigen
tümers. Dieser gehörte zu den Freunden seiner verstor
benen Oheims.
„Hier werden wir Uns auch vorstellen müssen,
sagte er. „Gegenwärtig scheint Baron Burns abwesend
zu sein."
Eine halbe Stunde später langten sie in Blumenau
an. Als Rosa die Grüße der Eltern überbrachte, zit
terte ihre Stimme leicht, und vor ihre Augen legten
sich feuchte Schleier. Auch Richard, ochchon sich voll
kommen beherrschend, war eigentümlich bewegt, als er
seinen Gästen das HanS, den Garten und die wirtschaft
liche» Einrichtungen zeigte. Bei allem, was er zur Ver
schönerung des Gutes und um die Einträglichkeit des
selben zu erhöhen, gethan hatte, war Rosa sein erster
Gedanke getvesen. und es berührte rhu schmerzlich, sie
gerade hier au der Seite des stolzen, zurückhaltenden,
fremdblickcudcn Mannes zu sehen. Der alte Groll regte
sich wieder mächtig in ihm und ließ erkennen, daß es
Antipathien giebt, die man auch mit dem redlichsten
Willen nicht überwinden kann.
Dieser erste Besuch war kurz und förmlich. Er be
wirkte eher Entfremdung als Annäherung. Schon im
Begriff, sich wieder zu verabschieden, fragte Watden-
burg: „Ist Ihnen vielleicht bekannt, wo der alte Baron
BnrnS sich gegenwärtig aufhält und bis wann er zurück
erwartet wird?"
„Er starb schon vor mehreren Jahren," erwiderte
Richard. _
„Uitb wer ist der jetzige Besitzer vowMoosburg?"
',',Es kam zu einemProzeß zwischen den Erben, dessen
Ende noch gar nicht abzusehen war. Die Parteien einig
ten sich jedoch jetzt dahin, daß Moosburg verkauft wer
den soll."
„So? Und ist bereits ein Käufer gefunden?"
„Noch nicht, man fordert einen sehr hohen Preis
für das Gut, welches ja auch wirklich zu den schönsten
der Uingegcnd gehört."
„Hoffentlich wird e» nicht von einem Börseuspeku-
kanten oder Kaufmann, der sich „HerrCommerzienrat"
titulieren läßt, erstanden. Ich rechnete auf angenehme
Nachbarschaft."
„Bor allem wünsche ich, daß der künftigeEsgentümer
ein guter Landtvirt ist, der die prächtige Besitzung mit
den vielen dazugehörenden Aeckern ordentlich^ zu be
wirtschaften versteht. Dieser Boden birgt wahreSchätze."
Die Equipage fuhr vor. Richard hob Rosa hinein.
„Lebe wohl! Tausend Grüße an die Eltern, wenn Du
schreibst," rief sie, seine Hand drückend. „Keine Stund«
vergeht, wo ich ihrer nicht gedächte."
„Wir hostzn Sie bald in Grünau zu sehen," sagte
Waldenburg tziit kühler Höflichkeit.
Reck ver itzigte sich dankend und erlviderte nach eini
gen Tagen den Besuch. Späterhin kam er jedoch »ur
sehr selten. Rosa schien glücklich zu sein, und so war es
für seinen Frieden besser, wenn er ihr fern blieb-
Noch ehe das Trauer jähr zu Ende ging, kehrteFreude
in Grünau ein. In der reichgeschmückten Wiege ruhte
auf seidenem Kissen und von Spitzen umflutet tnt t«.
rend es kleines Geschöpf mit schivarzen Angen und hell
blonden Löckchen. 1"