Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

Marine im Namen der kaiserlichen Marine 
eine dankbare Erwiderung erfahren. 
— Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht 
den Entwurf eines Gesetzes betreffend die 
Abänderung der Gewerbeordnung 
und den Entwurf betr. Organisation 
des Handwerks. 
— Zur Förderung des Handwerks 
hat der^ Regierungspräsident von Köslin 
einen Seminarlehrer angestellt, der als 
Wanderlehrer den Handwerkern die 
Gründung von Genossenschaften 
ans Herz legen soll. Nunmehr hat der 
Herr seine ersten Vorträge gehalten und 
sich dabei als ein in engherzigen, reaktionären 
Anschauungen befangener Mann gekenn 
zeichnet. Mit Schmähungen der „schranken 
losen Gewerbefreiheit", die „Zuchtlosigkeit 
und „Unehrlichkeit entfesselt" und dem 
Handwerk „den Boden zu gedeihlicher Fort 
entwickelung entzogen" habe, sucht er dem 
Handwerk aufzuhelfen. Als Allheilmittel 
empfiehlt der angeblich von der Regierung 
bezahlte Wanderlehrer die Einführung des 
Befähigungsnachweises. 
— Die „Ostdeutsche Rundschau" hatte 
gemeldet, daß die Aufbesserung der Ge 
hälter der Subalternbeamten 
dahin geordnet werden solle, daß das An- 
fangsgehalt um 300, das Höchstgehalt um 
600 Mk. sich erhöht. Dazu bemerken die 
„B. P. N." : Es wird zu beachten sein, 
daß es verschiedene Klassen von Subaltern- 
Beamten giebt und daß die Frage, wie 
hoch künftig das Höchstgehalt sein soll und 
ob und gegebenenfalls in welcher Höhe 
auch eine Verbesserung des Anfangsgehalts 
stattfinden soll, von der jetzigen Ordnung 
des Besoldungsverhältnisses und dem daraus 
sich ergebenden Ausbesserungsbedürfniß ab 
hängt. Ueber manche Punkte der Erhöhung 
der Beamtenbesoldung dürften übrigens 
definitive Beschlüsse überhaupt noch nicht 
gefaßt sein. 
— Der Berliner Frauenverein hatte 
bekanntlich dem Reichstage eine Petition 
zugehen lassen, dahin lautend, daß der 
Zutritt zu den deutschen Universitäten den 
Frauen unter denselben Bedingungen wie 
den Männern gestattet werde. Ueber die 
betreffende Verhandlung in der Petitions 
commission wird erst jetzt durch den ge 
druckten Bericht Näheres bekannt. Abg. 
Vogtherr erstattete das Referat. Als 
Commissar des Reichamts des Innern gab 
Geh. Regierungsrath Dr. Richter folgende 
Erklärung ab: „Gegenüber der vorliegenden 
Petition kann nur auf die Erklärungen 
hingewiesen werden, welche bei wiederholten 
gleichartigen Anlässen von den Vertretern 
der Reichsverwaltung sowohl im Plenum 
des Reichstages als auch in der Petitions 
commission abgegeben worden sind. Danach 
besteht reichsrechtlich kein Hinderniß gegen 
die Zulassung von Frauen zur ärztlichen 
Aprobationsprüfung und gegen die Er- 
theilung der ärztlichen Approbation an 
Frauen. Voraussetzung hierfür ist nur, 
daß die Frauen hinsichtlich ihrer schul- 
und fachwissenschastlichen Vorbildung den 
durch die ärztliche Prüfungsordnung vor 
geschriebenen Anforderungen genügen. Ueber 
die Zulassung weiblicher Personen zur 
Gymnasialprüfung und zum Universitäts 
studium haben lediglich die Unterrichts 
verwaltungen der einzelnen Bundesstaaten 
zu befinden. Dem Reiche ist verfassungs 
gemäß eine Einwirkung nach dieser Rich 
tung entzogen." In der Discussion wurden 
nur der Petition sympathische Meinungen 
laut. Nach Lage der Dinge und von all 
seitigen Wünschen ausgehend, diese wichtige 
Frage dadurch wenigstens zur nocknnaligen 
Erörterung im Plenum zu bringen, bean, 
tragte die Commission, zur Tagesordnung 
über die Petition einzugehen. 
— Gegen die Anarchisten richtet 
sich ein Antrag, den die deutschen Dele- 
girten Bebel, Liebknecht, Fischer, Singer 
und Schönlank auf dem internationalen 
Sozialistenkongreß eingebracht haben. Nach 
demselben sollen zu dem nächsten inter 
nationalen Sozialistenkongreß Zutritt haben 
die Vertreter der sozialistischen Parteien 
und Arbeiterorganisationen, die auf dem 
Boden des Klassenkampfes stehen, die Er- 
oberung der politischen Macht durch die 
Arbeiterklasse als eine Nothwendigkeit für 
ihre Befreiung erachten und als wesend 
liches Mittel für diese Eroberung der po 
litischen Macht die Theilnahme an den 
Wahlen und an der parlamentarischen 
Thätigkeit ansehen, oder soweit die Ar- 
beiterklasse das Wahlrecht für die parla 
mentarischen Körperschaften nicht besitzt, es 
zu erobern sich für verpflichtet halten. 
Anarchisten und ihre Bundesgenossen, mögen 
ie sich antiparlamentarische Kommunisten 
oder sonstwie nennen, sind von der Be 
«Heiligung am Kongreß ausgeschlossen. 
, Ein Stück sozialen Elends spielte sich 
dieser Tage im Polizeigewahrsam der 
Stadt Spandau ab. Eine 30jährige 
Frauensperson, die dem dienenden Stande 
angehört, mußte an zwei Tagen hinter 
einander wegen hochgradiger Trunkenheit 
ln dem Gewahrsam der Polizei aufge 
nommen werden; sie war in hilflosem 
Zustande auf der Straße angetroffen 
morden. Als der Wärter Freitag Morgen 
chre Zelle öffnete, gewahrte er neben der 
Arrestantin einen kleinen Weltbürger, 
der in der Nacht geboren war. Mutter 
und Kind wurden darauf nach dem Kranken 
hause geschafft. Die Frau war von ihrem 
Manne verlassen worden und gänzlich 
ohne Mittel und Obdach. 
Grünberg i. Schl., 3. August. Durch 
einen wolkenbruchartigen Regen 
wurden heute die Straßen unter Wasser 
gesetzt. Der Schaden, den das Wasser in 
den Häusern anrichtete, ist beträchtlich. 
Biele Fabriken mußten die Arbeit einstellen, 
da die unteren Räume unter Wasser stehen. 
Der heftige Regen dauert fort. 
Bei einem Wolkenbruch, der am 
Sonnabend-Abend in der sächsisch-böhmischen 
Schweiz niederging, stieg das Wasser in 
der Edm undsklamm in wenigen Minuten 
zu gewaltiger Höhe heran; die vordere 
Brücke nach Hernskretschen zu wurde weg 
gerissen, das Mobiliar der Restauration 
in der Klamm weggespült und das 
Restaurationspersonal hatte kaum Zeit 
genug, durch Erklimmen der Berge das 
Leben zu retten. Die Fahrstraßen der 
Thäler sinv derart verwüstet, daß der 
Wagenverkehr für die nächste Zeit unter- 
brachen ist. Vom großen Winterberg 
strömte das Wasser auf den Gebirgs- 
straßen herunter, Bäume entwurzelnd, 
Felsenstücke mit sich führend. Das malerisch 
gelegene söchsische Dorf Schmilka, hart 
an der Elbe bei Hernskretschen gelegen, 
wurde von den heruntergewälzten Stein- 
und Schlammmassen zum größten Theil 
verschüttet. Ein Detachement Pioniere 
aus Pirna wurde telegraphisch herbeige 
rufen, um die verschütteten Häuser wieder 
auszugraben. 
Plauen i. Voigt!., 3. August. Die 
Baronin v. Barth-Harmeling hat die 
Mittel zur Gründung einer voigtländischen 
Gartenbauschnle für Frauen in 
Schneckengrün hergegeben. Frauen und 
Mädchen sollen dort praktische und theore- 
Am Darme dmrkler Gewalten. 
Roman von Elfried v. Hohenstein. 25 
Rosa betrachtete lächelnd das liebliche, phantastische 
Bild, das ihr der Spiegel zurückstrahlte, und schmiegte 
sich errötend und beglückt an den geliebten Gatten. 
* * 
Do» Aokohama kommend, hatte sich Hugo v. Wal 
denburg noch einige Tage in der japanischen Stàà 
Ķ. ^ aufgehalten, um deren Sehenswürdigkeiten, sowie 
einige berühmte Fabriken zu besichtigen. Nun war auch 
dar geschehen, und die Rückkehr in die Heimat sollte 
nicht länger aufgeschoben werden. 
Kurz vor dem für die Abreise festgesetzten Termin 
glich das eine der Zimmer, welches Hugo in dem vor 
nehmsten Hotel bewohnte, einem kleinen Museuni. Da 
standen kostbare, eigentümlich gesonnte Vasen neben 
buntbemalten Kästchen und Lampenschirmen. Auch an 
Schmnckgegenständen und Fächern fehlte eS nicht und 
dazwischen erblickte man Täßchen von wunderbarem, 
durchsichtig feinem Porzellan. Der Diener Konrad, wel 
cher schon bei dem alten Herrn von Waldenburg ge 
dient hatte, verpackte mit Hilfe eines Japaners alle 
diese teuren und zerbrechlichen Gegenstände, von denen 
das meiste für Rosa und Albert bestimmt war, denn 
er freute sich. in Grüuau wieder ein Dasein behag 
licher Ruhe zu führen, und dachte daran, ob es nicht 
doch endlich Zeit sein würde, der Wirtschafterin Emma 
Kunze einen Heiratsantrag zu machen. Diese Frage legte 
er sich freilich schon länger als zwanzig Jahre vor, ge 
wissenhaft alle „Für" und „Wider" aufzählend. Bis 
her hatten die letzteren immer überwogen, aber nun be 
gann die andere Wagschale tiefer zu sinke». Jnngfer 
Emma konnte zwar keine Ansprüche auf Jugend und 
Liebreiz mehr erheben, verstand aber eine vortreffliche 
Küche zuführen, und war was man „einegnte Partie" 
nennt. Deshalb hatte Konrad einen zierlich geschiveif- 
tcn Brodkorb erstanden, auf dessen Innenseite man 
schnäbelnde Vogelpaare sah, und beschloß, das sinnige 
Geschenk bei seiner Ankunft derAuserwahlteii zu über 
reichen. 
tische Kenntnisse in der Obst-, Gemüse 
und Blumenzucht erwerben. Eine ähnliche 
Schule besteht bereits in Friedenau bei 
Berlin. 
, Zum Schaden der Stadt Apolda wird 
eine eigenartige Rücksicht auf einen dortigen 
Wurstfabrikanten geübt. Die Stadt hat 
auf Befürwortung der Regierung ein 
Schlachthaus gebaut, um die sanitären 
Verhältnisse der Stadt aufzubessern, und 
die Mittel dazu durch eine Anleihe gedeckt. 
Das Schlachthaus steht fertig da. Es hat 
sich aber ein unvorhergesehenes Hinderniß 
seiner Benutzung entgegengestellt. Nach 
der Bestimmung der Regierung soll der 
Betrieb des größten Wurstsabrikanten der 
Stadt vom Schlachthauszwang befreit 
bleiben, vorläufig auf ein Jahr, obgleich 
durch den Kreisphysikus die Unzulänglich, 
keit der L-chlachtanlage des Wurstfabrikanten 
in sanitärer Hinsicht nachgewiesen und auch 
dem Ministerium davon Mittheilung ge- 
macht ist. In der Gemeinderathssitzung 
von Apolda ist nun beschlossen worden, 
unter diesen Umständen das Schlachthaus 
nicht zu eröffnen. Die Stadt, die mit 
Glücksgütern nicht gesegnet ist, empfindet 
diesen Schlag ziemlich hart. Diese Be- 
günstigung eines sehr reichen Mannes zum 
Nachtheil des Stadtsäckels ist Wasser au' 
die Mühle der in Apolda stark entwickelten 
Sozialdemokratie. 
Augsburg, 3. August. Der „Augêb. 
Abendztg." zufolge hat der Pr inz regent 
dem Finanzminister Dr. Miguel das 
Großkreuz des Civil-Berdienstordens der 
Bayrischen Krone verliehen, welche Aus 
zeichnung der Staatsminister Jrhr. von 
Crailsheim bei seiner letzten Anwesenheit 
in Berlin persönlich überreichen sollte. 
Tie persönliche Ueberreichung war aber 
nicht möglich, da Dr. Miguel zur Zeit 
nicht in Berlin weilte. 
Mit dem Berliner Personenzuge traf 
am Donnerstag-Nachmittag in Hamburg 
eine Dame ein, die in Wittenberge von 
einem Herrn in freundlicher Weise ersucht 
worden war, ein kleines Kind für 
einen Augenblick ins Kupee zu nehmen, 
da er mit seiner Frau gleich nachkommen 
und nur noch einige Sachen aus dem 
Wartesaal abholen wollte. Der Zug ging 
indeß ab; die Dame hatte das kleine 
Kind, aber der Herr ließ sich nicht wieder 
sehen! Nach einer telegraphischen Rückfrage 
von Hamburg aus ist ein Herr und eine 
Dame, welche ein Kind vermißten, in 
Wittenberg nicht zurückgeblieben. Die 
Hamburger Dame hat indeß vorläufig das 
kleine Mädchen, das augenblicklich eltern 
los ist, in Pflege behalten. Es ist dies 
jedenfalls ein neuer Coup, sich eines ver- 
waisten Wesens auf die bequemste Art zu 
entledigen. 
Prodinzi cLeê. 
Aus der Provinz, 4. Aug. Mit 
Bezug auf die gewerblichen Fortbildungs 
schulen hat der Minister für Handel und 
Gewerbe neuerdings Folgendes zu erkennen 
gegeben: „Zur Herbeiführung eines gleich- 
mäßigen Verfahrens bei der Aufstellung 
der Haushaltungspläne für die gewerblichen 
Fortbildungsschulen, mit Ausnahme der 
käufmännischen, wird bis auf weiter Fol- 
gendes bestimmt: 1. Für die Leitung einer 
Anstalt wird nur dann eine besondere 
Vergütung bewilligt, wenn die Schule mehr 
als 50 Schüler hat; gegebenen Falles ist 
für jeden Schüler 1 Mk. zu gewähren. 
Bei Schulen, in welchen das Honorar des 
Leiters gegenwärtig diesen Satz übersteigt, 
ist eine entsprechende Herabsetzung beim 
Wechsel in der Person des Leiters in 
Aussicht zu nehmen. Die Lehrerhonorare 
sind nach den örtlichen Verhältnissen au' 
1,50 bis 2,50 Mk. für die Stunde zu 
bemessen. Ganz ausnahmsweise darf 3 Mk. 
für jede Stunde berechnet werden. >3. Der 
Schuldiener erhält für jede Klasse 10 Mk. 
jährlich. 4. Für sachliche Ausgaben sind 
einzustellen: a. für Lehr- und Lernmittel 
einschließlich der Bibliothek 1,50 Mk. für 
jeden Schüler; b. zur Auszeichnung fleißiger 
Schüler 50 Pf.; c. für Drucksachen und 
unvorhergesehene Ausgaben sürjedenSchüler 
20 Pf. Abweichungen von diesen Bestim 
mungen sind bei der Einreichung der Etat 
aufstellungen eingehend zu begründen. Den 
Gesuchen um Bewilligung von Staats- 
beihülfen sind in Zukunft Uebersichten über 
den Durchschnittsverbrauch und die Ist- 
Ausgabe in den letzten 3 Jahren, sowie 
die Schülerzahl nnd die auf die einzelnen 
Lehrgegenstände wöchentlich entfallenden 
Stunden beizufügen. 
Segeberg, 1. August. Vorgestern Nacht 
ereignete sich in der Arbeitercolonie in 
Ricklingen ein betrübender Unglücksfall, 
dem zwei Menschenleben zum Opfer fielen. 
Im Laufe des Tages waren 3 Wanderer 
zugereist gekommen, denen auf ihren Wunsch 
Aufnahme gewährt wurde. Zwei derselben 
wurden wegen mangelnder Reinlichkeit den 
Haustregeln gemäß in der Fremdenstube 
einquartirt. Als am nächsten Morgen der 
Wäschemeister sie wecken wollte, fand er 
beide als Leichen vor. Die sofort an 
gestellten Wiederbelebungsversuche erwiesen 
ich als erfolglos. Wie die Untersuchung 
ergab, waren die beiden Leute an Erstickung 
durch Einathmen von Torfdunst gestorben 
In dem Heizungsraum neben der Fremden 
lube hatte man während der Nacht ein 
Torffeuer brennen lassen, und da infolge 
der feuchten Nachtluft der Rauch keinen 
genügenden Abzug hatte, war er durch 
das Ofenrohr in die Fremdenstube ge 
drungen nnd hatte so die beklagenswerthe 
Katastrophe herbeigeführt. 
-ft Aus Dithmarschen, 3. August. In 
B u ch h o l z haben sich zwei traurige Un 
glücksfälle ereignet. Ein Knabe fiel beim 
Spielen von einem Baume so unglücklich 
auf einen Pfahl, daß ihm der Leib auf 
geschlitzt wurde. Aerztliche Hilfe war so- 
gleich zur Stelle und hofft man, den 
Knaben am Leben zu erhalten. Im Buch- 
h o l z e r M o o r stürzte der Arbeiter Jürgen 
Beenck beim Torfgraben in eine 26 Fuß 
riefe Torfgrube und ertrank. Derselbe 
hinterläßt eine Wittwe mit 5 Kindern. 
Ein Milchlieferans der Genossenschafts 
meierei Kaltenkirchen mußte wegen Mj^. 
Verfälschung 1360 Mk. Strafe an die 
Meierei liefern und wurde außerdem von 
der ferneren Milchlieferung ausgeschlossen. 
Thierarzt L. Nissen, Bredstedt, verkaufte 
in diesen Tagen einen 2jährigen Hengst 
für die ansehnliche Summe von 4200 
an einen Herrn aus Schlesien. 
In Westdorf verunglückte der 6jährige 
Sohn des Gastwirths Mumm daselbst. 
Ein dortiger Fuhrmann, mit dem Schmieren 
seines Frachtwagens beschäftigt, war einen 
Augenblick davongegangen. Während 
seiner Abwesenheit fiel eines der schweren 
Wagenräder, das von der Achse gezogen 
war, dem der Arbeit zuschauenden Knaben 
auf den Kopf und verletzte ihn so schwer, 
daß er nach einer halben Stunde todt 
war. 
SS Kappeln, 3. Aug. Gestern machten 
zwei hiesige Dampfer Ausflüge nach Sow 
derburg bezw. Langballigau; dieselben 
waren gut besetzt. Bon Kiel kam der 
Dampfer „Johann Schweffel" mit Aus- 
Die Thüre des nächsten Zimmers war geöffnet. 
Hugo sah dem emsigen Treiben zu, mitunter kurze Be 
fehle erteilend. Die Sonne hatte seine Hautfarbe ge 
bräunt, und der matte Bronzeton stach seltsam gegen 
das hellblonde Haar ab, durch welches sich bereits ein 
zelne Silbcrfäden zogen: wohl die Spuren harter inne 
rer Kämpfe. Das wcchselreiche Leben der letzten Jahre 
war freilich das beste Mittel gewesen, die Gedanken in 
andere Bahnen zu lenken, aber von Zeit zu Zeit kehr 
ten sie doch noch zu Melanie Lintz zurück, loenn auch 
nicht mehr mit der früheren heißen Sehnsucht, sondern 
mit einer Art milder Wehmut, wie man eines teuren 
Verstorbenen gedenkt. Gerade jetzt fragte er sich. ob es 
ihm nicht vielleicht unerträglich öde auf seiner Besitzung 
vorkommen würde, der er doch nicht länger fern blei 
ben wolle und könne. 
Mußten dort, wohin er einst die immer »och nicht 
Vergessene zu führen hoffte, nicht schattengleich süße und 
traurige Erinuerungen erwachen? Mußte es ihm nicht 
scheinen, als stehe sie auf der Schwelle und blicke ihn mit 
den dunklen, leidenschaftlichen Augen vorwurfsvoll an? 
—Das beste war, Schloß Grünau einem recht lebhaf 
ten, geselligen Verkehr zu öffnen. — Ueber die Her- 
zcnseinsamkcit vermögen allerdings auch Feste und rau 
schende Vergnügungen nicht hinwegzutäuschen. 
Wählend Hugo überlegend, >vie er sein künftiges 
Leben Malten sollte, sich dabei nmvillkürlich in die 
Vergangenheit vertiefte, meinte er plötzlich von einem 
Schtvindel ergriffen zu werden. Er nahm vibrierende 
Bewegungen der Möbel, sowie der auf denselben stehen 
den Gegenstände wahr, und als er von dem Sofa 
aufstand, schwankte der Boden unter seinen Füßen wie 
ein von der Flut' geschaukeltes Floß. War das Simies- 
tauschung? Wie Espenlaub zitterte das ganze Gemach und 
das nächste ebenfalls; ja wohl gar das ganze Hans selbst. 
Das kam so schnell, so unerwartet, 5,iß er sekun 
denlang nicht wußte, ob es Einbildung oder Wirklich 
keit sei. Aber nun,, ein Klirre» nnd Prasseln! Tassen, 
Kästchen, Dosen fielen durch einander und zerschmetter 
ten auf dem Boden. Konrad griff tauuielnd nach einer 
Stütze, die im »ächsten Moment selbst krachend umstürzte. 
flügern auf hier, welche sich in den hiesigen 
Sommerwirthschaften vergnügten. — Der 
Roggen ist hier allenhalben eingeheimst. 
Beim Pflügen der Stoppelfelder klagen 
die Landleute über die Härte des Ackers, 
wohl eine Folge der Dürre. Der meiste 
Weizen steht in Hocken und mit dem Mähen 
des Weizens hat man begonnen Die 
neue Rappsaat wurde hier mit 17,50 M. 
pro Tonne in den Handel gebracht. — 
Die „Kappeln-Angler Beliebung", eine 
Todtengilde, hielt Sonnabend ihre dies 
jährige Generalversammlung ab. Nach 
Berichtigung der Jahresausgaben hat die 
Kaffe einen Bestand von 140 Mk. Der 
Reservefonds ist auf 600 Mk. gestiegen. 
Die Mitgliederzahl beträgt 515. Gesam 
melt wird gewöhnlich fünfmal jährlich; 
der jedesmalige Beitrag beträgt für die 
Familie 40 Pf., für einzelne Personen 
20 Pf. Für die Höhe des Sterbegeldes 
ist die Beitragsdauer des Verstorbenen 
maßgebend. 
Kiel, 3. August. In dem Schuhwaaren- 
laden von Book in der Gasstraße fand, 
wie bereits gemeldet, vorgestern Nachmittag 
eine heftige Gasexplosion von ver 
heerender Wirkung statt. Die furchtbare 
Detonation wurde mehrere Straßen weit 
gehört. Ein Klempner war Vormittags 
mit dem Legen einer Rohrleitung be> 
chäftigt und hat beim Verlassen der Ar- 
jett muthmaßlich vergessen, den Hahn zu 
chließen. Als der junge Book den Laden 
betrat, erfolgte die Explosion. Der Knabe 
erlitt lebensgefährliche Verletzungen und 
wurde zu Boden geschleudert. Die Räum 
lichkeiten sind arg verwüstet. Der 8 e ' 
wältige Luftdruck durchschlug die Decke 
und schleuderte das große Schaufenster 
auf die Straße. Die Thüren wurden 
zertrümmert und die Waaren bis an die 
gegenüberliegende Häuserreihe geworfen. 
Eine außerordentliche Leistung im 
Schwimmen vollbrachte am Sonntag der 
Artilleristenmaat Garling in Friedrichsort. 
Derselbe schwamm nämlich in der Zeit von 
9 Uhr 25 Min. bis 11 Uhr 45 Min- 
von Friedrichsort nach Kiel zum Hohen- 
zollernbad bei mäßigem Wind und See 
gang Er gebrauchte also für die ganze 
Strecke nur 2 Stunden 20 Minuten. 
=4=: Bordesholm, 3. August. In der 
Gemeinde Sören fand dieser Tage die 
Grundsteinlegung zu dem daselbst zu er 
bauenden Schnlhause statt. Eine besondere 
Weihe erhielt diese Feierlichkeit durch eine 
Ansprache des Hrn. Generalsuperintendenten 
Dr. Ruperti aus Kiel, der gelegentlich der 
Kirchen- und Schulvisitation im hiesigen 
Kirchspiel anwesend war. — In Klein- 
Kummerfeld treiben Brandstifter ihr Un 
wesen; mehrere Wohnhäuser u. Scheunen--^ 
sind nacheinander abgebrannt. 
# Rendsburg, 3. Aug. Am Sonntag 
fand in der Gemeinde Rendsburg-Neuwerk 
eine erhebende Feier statt, die Schleswig- 
Holsteinische Missionsgesellschaft hielt dort 
ihr Missionsfest. Seit einer langen 
Reihe von Jahren ist ein solches Fest in 
unserer Stadt nicht gefeiert worden, in 
folgedessen die Betheiligung auch über 
Erwarten erfreulich war. Die Hauptfeier 
war auf den Sonntag Vormittag verlegt, 
um 9 7 2 begann der Gottesdienst in der 
Christ- und Garnisonkirche, wobei Herr 
Hauptpastor Jensen aus Breklum die Fest 
predigt nnd Herr Pastor Siedentop von 
hier den liturgischen Theil übernommen 
hatte. Eine zahlreiche Zuhörerschaft füllte 
die weiten Kirchenhallen fast bis auf den 
letzten Platz und horchte andächtig auf die 
packende» und zu Herzen gehenden Aus- 
Der Japaner, der eben vor einer Kiste kniete, sprang 
mit einem Entsetzensschrei empor. Alle Thüren des 
Hotels öffneten sich: „Das Erdbeben! das Erdbeben! 
Fort ! Die Wände zittern, die Mauern bersten!" tönte 
es wirr durcheinander. Die Erschrockenen stürmten fass 
ungslos die Treppe hinab und drängten in's Freie, in 
stinktiv vor der Gefahr fliehend und dennoch daS Zweck 
lose der Flucht einsehend. Vielleicht eilten sie gerade 
dem Tode entgegen; vielleicht entstand plötzlich ein klaf 
fender Erdriß vor ihren Füßen, oder niederbrecheudes 
Gemäuer begrub sie unter Schutt und Trümmern. Die 
Angst steigerte sich zur Sinnlosigkeit. Mehr und mehr 
gerieten die Mauern in schivingcnde Bewegung, mit 
donner ähnlichem Getöse stürzte der Schornstein eines 
benachbarten Gebäudes ein. 
Auch Hugo hatte das Hotel verlaffen, und der Die- 
ner folgte ihm, sich mühsam durch die schreiende, jam 
mernde Menschenmenge hindurcharbeitend. Ein neuer 
stärkerer Erdstoß, begleitet von rollendem Geräusch, daS 
zum betäubenden Getöse wurde, verwandelte dieStraßen 
fäh in ein Bild grauenvoller Verwüstung. Zerbröckelte 
Mauern ragten ruinenartig gen Himmel, Balken und 
Gesten, versperrten den Weg, und dabei war an kein 
Stehenbleiben oder Zurückweiche» zu denken. Einem 
Strom, der alles mit sich fortreißt, konnte man dieje 
nigen vergleichen, tvelche in dichten Massen vorlvärts 
drängten, teils von der Angst um das eigene Leben, 
teils von der Sorge um ihre Angehörigen getrieben. 
Noch einige, aber viel schwächere Stöße erfolgten, dann 
hörten die Erschütterungen auf. Lauter als zuvor cr- 
tönte aber jetzt das verzweiflungsvolle Rufen der ratlos 
umherirrenden nach den Vermißten, die wohl ein schauer 
liches Grab unter den Trümmerhaufen gefunden hat 
ten oder noch mit dem Tode rangen. In dem höher ge 
legenen Teil der Stadt war eine Fabrik, welche eine 
große Anzahl von Arbeitern beschäftigte, besonders hart 
getroffen tvorden. Das einstürzende Dach batte in dem 
Maschinenraum furchtbaren Schaden angerichtet. Stein 
und Mörtelmassen, Maschinenteile, zersplitterte Spar- 
rcn, Fetzen kostbarer Stoffe und halbverschnttete Men 
schenkörper bildeten ein entsetzliches Durcheinander und 
die Schrecken der Scene wurden noch erhöht durch di 
sich wie wahnsinnig geberdenden Weiber, die zwische 
den Ueberresten des vor einer Stunde noch so großai 
tigen Gebäudes umherwanktcn, stürzend, sich wieder au! 
raffend, betend, jammernd und immer gellender nac 
denen rufend, welche mutmaßlich der Katastrophe zui 
Opfer gefallen waren, oder denen jeder Augenblick d« 
Verzögerung zum Verderben werden mußte. 
Sofort begann man mit den Rettungsarbeiten; ab, 
wo so viel Hilfe nötig war, reichten die vorhandene 
Kräfte nicht aus; zudem drohten noch aufrecht stehend, 
aber bedenklich zur Seite geneigte Mauern zusamme 
zu brechen undniußtcn gestützt werden. 
,.^?^°<Ņ?Şie fort, gnädiger Herr! Jetzt ist es möz 
sich sich durchzudrängen," sagte Konrad. 
„Was fällt Dir ein? Schämst Du Dich nicht, s 
zu sprechen angesichts dieses Jammers?" rief Huge 
„Jeder, der zwei gesunde Arme hat und unverletzt is 
muß seine Kraft hier in den Dienst der Menschheit stel 
len; anders zu handeln, wäre feig und erbärmlich. Wi 
schließen uns den wackern Männern an und unter stütze 
sie bei ihrem schiveren Werke." 
Der Diener wagte keine Einwendungen zu erheben 
sondern folgte dem Beispiel seines Herrn, der sich mi 
fast übermenschlicher Anstrengung bei denR-ttungsar 
beiten beteiligte. Schutt, Steine, Eisenstücke räumt, 
Hugo teils allein, teils mit Hilfe anderer hinweg. De, 
Schweiß rann lhm von der Stirn, seine Muskeln wäre, 
bis zum Bersten gespannt, und trotz de« gräßlichen An 
blickcS durchrieselte ein wohliges Gefühl seine Brüll 
Es kam ihm vor, als tracst er eine Schuld ab all 
mache diese Stunde gut, daß er Jahre lang ein -baten 
loses Leben ohne ernste Ziele geführt habe. Künftic 
sollte es anders werden. Weg mit aller Schlaffheit, mn 
dem trägen Versinken in Weichlichkeit und Genußsucht 
Mehrere Schwcrvcrwniidete ivaren bereits gebor 
gen, und er durfte sich dasZenguisausstellen, an ihrek 
Rettung tapfer mitgearbeitet zu haben. Da drang schwa 
ches Wimmern, glcichfani erstickt Hiiigeub, an sein Ohr. 
Hier konnte dem Tode vielleicht eine Beute abgerungen 
werde». 4g
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.