Marine im Namen der kaiserlichen Marine
eine dankbare Erwiderung erfahren.
— Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht
den Entwurf eines Gesetzes betreffend die
Abänderung der Gewerbeordnung
und den Entwurf betr. Organisation
des Handwerks.
— Zur Förderung des Handwerks
hat der^ Regierungspräsident von Köslin
einen Seminarlehrer angestellt, der als
Wanderlehrer den Handwerkern die
Gründung von Genossenschaften
ans Herz legen soll. Nunmehr hat der
Herr seine ersten Vorträge gehalten und
sich dabei als ein in engherzigen, reaktionären
Anschauungen befangener Mann gekenn
zeichnet. Mit Schmähungen der „schranken
losen Gewerbefreiheit", die „Zuchtlosigkeit
und „Unehrlichkeit entfesselt" und dem
Handwerk „den Boden zu gedeihlicher Fort
entwickelung entzogen" habe, sucht er dem
Handwerk aufzuhelfen. Als Allheilmittel
empfiehlt der angeblich von der Regierung
bezahlte Wanderlehrer die Einführung des
Befähigungsnachweises.
— Die „Ostdeutsche Rundschau" hatte
gemeldet, daß die Aufbesserung der Ge
hälter der Subalternbeamten
dahin geordnet werden solle, daß das An-
fangsgehalt um 300, das Höchstgehalt um
600 Mk. sich erhöht. Dazu bemerken die
„B. P. N." : Es wird zu beachten sein,
daß es verschiedene Klassen von Subaltern-
Beamten giebt und daß die Frage, wie
hoch künftig das Höchstgehalt sein soll und
ob und gegebenenfalls in welcher Höhe
auch eine Verbesserung des Anfangsgehalts
stattfinden soll, von der jetzigen Ordnung
des Besoldungsverhältnisses und dem daraus
sich ergebenden Ausbesserungsbedürfniß ab
hängt. Ueber manche Punkte der Erhöhung
der Beamtenbesoldung dürften übrigens
definitive Beschlüsse überhaupt noch nicht
gefaßt sein.
— Der Berliner Frauenverein hatte
bekanntlich dem Reichstage eine Petition
zugehen lassen, dahin lautend, daß der
Zutritt zu den deutschen Universitäten den
Frauen unter denselben Bedingungen wie
den Männern gestattet werde. Ueber die
betreffende Verhandlung in der Petitions
commission wird erst jetzt durch den ge
druckten Bericht Näheres bekannt. Abg.
Vogtherr erstattete das Referat. Als
Commissar des Reichamts des Innern gab
Geh. Regierungsrath Dr. Richter folgende
Erklärung ab: „Gegenüber der vorliegenden
Petition kann nur auf die Erklärungen
hingewiesen werden, welche bei wiederholten
gleichartigen Anlässen von den Vertretern
der Reichsverwaltung sowohl im Plenum
des Reichstages als auch in der Petitions
commission abgegeben worden sind. Danach
besteht reichsrechtlich kein Hinderniß gegen
die Zulassung von Frauen zur ärztlichen
Aprobationsprüfung und gegen die Er-
theilung der ärztlichen Approbation an
Frauen. Voraussetzung hierfür ist nur,
daß die Frauen hinsichtlich ihrer schul-
und fachwissenschastlichen Vorbildung den
durch die ärztliche Prüfungsordnung vor
geschriebenen Anforderungen genügen. Ueber
die Zulassung weiblicher Personen zur
Gymnasialprüfung und zum Universitäts
studium haben lediglich die Unterrichts
verwaltungen der einzelnen Bundesstaaten
zu befinden. Dem Reiche ist verfassungs
gemäß eine Einwirkung nach dieser Rich
tung entzogen." In der Discussion wurden
nur der Petition sympathische Meinungen
laut. Nach Lage der Dinge und von all
seitigen Wünschen ausgehend, diese wichtige
Frage dadurch wenigstens zur nocknnaligen
Erörterung im Plenum zu bringen, bean,
tragte die Commission, zur Tagesordnung
über die Petition einzugehen.
— Gegen die Anarchisten richtet
sich ein Antrag, den die deutschen Dele-
girten Bebel, Liebknecht, Fischer, Singer
und Schönlank auf dem internationalen
Sozialistenkongreß eingebracht haben. Nach
demselben sollen zu dem nächsten inter
nationalen Sozialistenkongreß Zutritt haben
die Vertreter der sozialistischen Parteien
und Arbeiterorganisationen, die auf dem
Boden des Klassenkampfes stehen, die Er-
oberung der politischen Macht durch die
Arbeiterklasse als eine Nothwendigkeit für
ihre Befreiung erachten und als wesend
liches Mittel für diese Eroberung der po
litischen Macht die Theilnahme an den
Wahlen und an der parlamentarischen
Thätigkeit ansehen, oder soweit die Ar-
beiterklasse das Wahlrecht für die parla
mentarischen Körperschaften nicht besitzt, es
zu erobern sich für verpflichtet halten.
Anarchisten und ihre Bundesgenossen, mögen
ie sich antiparlamentarische Kommunisten
oder sonstwie nennen, sind von der Be
«Heiligung am Kongreß ausgeschlossen.
, Ein Stück sozialen Elends spielte sich
dieser Tage im Polizeigewahrsam der
Stadt Spandau ab. Eine 30jährige
Frauensperson, die dem dienenden Stande
angehört, mußte an zwei Tagen hinter
einander wegen hochgradiger Trunkenheit
ln dem Gewahrsam der Polizei aufge
nommen werden; sie war in hilflosem
Zustande auf der Straße angetroffen
morden. Als der Wärter Freitag Morgen
chre Zelle öffnete, gewahrte er neben der
Arrestantin einen kleinen Weltbürger,
der in der Nacht geboren war. Mutter
und Kind wurden darauf nach dem Kranken
hause geschafft. Die Frau war von ihrem
Manne verlassen worden und gänzlich
ohne Mittel und Obdach.
Grünberg i. Schl., 3. August. Durch
einen wolkenbruchartigen Regen
wurden heute die Straßen unter Wasser
gesetzt. Der Schaden, den das Wasser in
den Häusern anrichtete, ist beträchtlich.
Biele Fabriken mußten die Arbeit einstellen,
da die unteren Räume unter Wasser stehen.
Der heftige Regen dauert fort.
Bei einem Wolkenbruch, der am
Sonnabend-Abend in der sächsisch-böhmischen
Schweiz niederging, stieg das Wasser in
der Edm undsklamm in wenigen Minuten
zu gewaltiger Höhe heran; die vordere
Brücke nach Hernskretschen zu wurde weg
gerissen, das Mobiliar der Restauration
in der Klamm weggespült und das
Restaurationspersonal hatte kaum Zeit
genug, durch Erklimmen der Berge das
Leben zu retten. Die Fahrstraßen der
Thäler sinv derart verwüstet, daß der
Wagenverkehr für die nächste Zeit unter-
brachen ist. Vom großen Winterberg
strömte das Wasser auf den Gebirgs-
straßen herunter, Bäume entwurzelnd,
Felsenstücke mit sich führend. Das malerisch
gelegene söchsische Dorf Schmilka, hart
an der Elbe bei Hernskretschen gelegen,
wurde von den heruntergewälzten Stein-
und Schlammmassen zum größten Theil
verschüttet. Ein Detachement Pioniere
aus Pirna wurde telegraphisch herbeige
rufen, um die verschütteten Häuser wieder
auszugraben.
Plauen i. Voigt!., 3. August. Die
Baronin v. Barth-Harmeling hat die
Mittel zur Gründung einer voigtländischen
Gartenbauschnle für Frauen in
Schneckengrün hergegeben. Frauen und
Mädchen sollen dort praktische und theore-
Am Darme dmrkler Gewalten.
Roman von Elfried v. Hohenstein. 25
Rosa betrachtete lächelnd das liebliche, phantastische
Bild, das ihr der Spiegel zurückstrahlte, und schmiegte
sich errötend und beglückt an den geliebten Gatten.
* *
Do» Aokohama kommend, hatte sich Hugo v. Wal
denburg noch einige Tage in der japanischen Stàà
Ķ. ^ aufgehalten, um deren Sehenswürdigkeiten, sowie
einige berühmte Fabriken zu besichtigen. Nun war auch
dar geschehen, und die Rückkehr in die Heimat sollte
nicht länger aufgeschoben werden.
Kurz vor dem für die Abreise festgesetzten Termin
glich das eine der Zimmer, welches Hugo in dem vor
nehmsten Hotel bewohnte, einem kleinen Museuni. Da
standen kostbare, eigentümlich gesonnte Vasen neben
buntbemalten Kästchen und Lampenschirmen. Auch an
Schmnckgegenständen und Fächern fehlte eS nicht und
dazwischen erblickte man Täßchen von wunderbarem,
durchsichtig feinem Porzellan. Der Diener Konrad, wel
cher schon bei dem alten Herrn von Waldenburg ge
dient hatte, verpackte mit Hilfe eines Japaners alle
diese teuren und zerbrechlichen Gegenstände, von denen
das meiste für Rosa und Albert bestimmt war, denn
er freute sich. in Grüuau wieder ein Dasein behag
licher Ruhe zu führen, und dachte daran, ob es nicht
doch endlich Zeit sein würde, der Wirtschafterin Emma
Kunze einen Heiratsantrag zu machen. Diese Frage legte
er sich freilich schon länger als zwanzig Jahre vor, ge
wissenhaft alle „Für" und „Wider" aufzählend. Bis
her hatten die letzteren immer überwogen, aber nun be
gann die andere Wagschale tiefer zu sinke». Jnngfer
Emma konnte zwar keine Ansprüche auf Jugend und
Liebreiz mehr erheben, verstand aber eine vortreffliche
Küche zuführen, und war was man „einegnte Partie"
nennt. Deshalb hatte Konrad einen zierlich geschiveif-
tcn Brodkorb erstanden, auf dessen Innenseite man
schnäbelnde Vogelpaare sah, und beschloß, das sinnige
Geschenk bei seiner Ankunft derAuserwahlteii zu über
reichen.
tische Kenntnisse in der Obst-, Gemüse
und Blumenzucht erwerben. Eine ähnliche
Schule besteht bereits in Friedenau bei
Berlin.
, Zum Schaden der Stadt Apolda wird
eine eigenartige Rücksicht auf einen dortigen
Wurstfabrikanten geübt. Die Stadt hat
auf Befürwortung der Regierung ein
Schlachthaus gebaut, um die sanitären
Verhältnisse der Stadt aufzubessern, und
die Mittel dazu durch eine Anleihe gedeckt.
Das Schlachthaus steht fertig da. Es hat
sich aber ein unvorhergesehenes Hinderniß
seiner Benutzung entgegengestellt. Nach
der Bestimmung der Regierung soll der
Betrieb des größten Wurstsabrikanten der
Stadt vom Schlachthauszwang befreit
bleiben, vorläufig auf ein Jahr, obgleich
durch den Kreisphysikus die Unzulänglich,
keit der L-chlachtanlage des Wurstfabrikanten
in sanitärer Hinsicht nachgewiesen und auch
dem Ministerium davon Mittheilung ge-
macht ist. In der Gemeinderathssitzung
von Apolda ist nun beschlossen worden,
unter diesen Umständen das Schlachthaus
nicht zu eröffnen. Die Stadt, die mit
Glücksgütern nicht gesegnet ist, empfindet
diesen Schlag ziemlich hart. Diese Be-
günstigung eines sehr reichen Mannes zum
Nachtheil des Stadtsäckels ist Wasser au'
die Mühle der in Apolda stark entwickelten
Sozialdemokratie.
Augsburg, 3. August. Der „Augêb.
Abendztg." zufolge hat der Pr inz regent
dem Finanzminister Dr. Miguel das
Großkreuz des Civil-Berdienstordens der
Bayrischen Krone verliehen, welche Aus
zeichnung der Staatsminister Jrhr. von
Crailsheim bei seiner letzten Anwesenheit
in Berlin persönlich überreichen sollte.
Tie persönliche Ueberreichung war aber
nicht möglich, da Dr. Miguel zur Zeit
nicht in Berlin weilte.
Mit dem Berliner Personenzuge traf
am Donnerstag-Nachmittag in Hamburg
eine Dame ein, die in Wittenberge von
einem Herrn in freundlicher Weise ersucht
worden war, ein kleines Kind für
einen Augenblick ins Kupee zu nehmen,
da er mit seiner Frau gleich nachkommen
und nur noch einige Sachen aus dem
Wartesaal abholen wollte. Der Zug ging
indeß ab; die Dame hatte das kleine
Kind, aber der Herr ließ sich nicht wieder
sehen! Nach einer telegraphischen Rückfrage
von Hamburg aus ist ein Herr und eine
Dame, welche ein Kind vermißten, in
Wittenberg nicht zurückgeblieben. Die
Hamburger Dame hat indeß vorläufig das
kleine Mädchen, das augenblicklich eltern
los ist, in Pflege behalten. Es ist dies
jedenfalls ein neuer Coup, sich eines ver-
waisten Wesens auf die bequemste Art zu
entledigen.
Prodinzi cLeê.
Aus der Provinz, 4. Aug. Mit
Bezug auf die gewerblichen Fortbildungs
schulen hat der Minister für Handel und
Gewerbe neuerdings Folgendes zu erkennen
gegeben: „Zur Herbeiführung eines gleich-
mäßigen Verfahrens bei der Aufstellung
der Haushaltungspläne für die gewerblichen
Fortbildungsschulen, mit Ausnahme der
käufmännischen, wird bis auf weiter Fol-
gendes bestimmt: 1. Für die Leitung einer
Anstalt wird nur dann eine besondere
Vergütung bewilligt, wenn die Schule mehr
als 50 Schüler hat; gegebenen Falles ist
für jeden Schüler 1 Mk. zu gewähren.
Bei Schulen, in welchen das Honorar des
Leiters gegenwärtig diesen Satz übersteigt,
ist eine entsprechende Herabsetzung beim
Wechsel in der Person des Leiters in
Aussicht zu nehmen. Die Lehrerhonorare
sind nach den örtlichen Verhältnissen au'
1,50 bis 2,50 Mk. für die Stunde zu
bemessen. Ganz ausnahmsweise darf 3 Mk.
für jede Stunde berechnet werden. >3. Der
Schuldiener erhält für jede Klasse 10 Mk.
jährlich. 4. Für sachliche Ausgaben sind
einzustellen: a. für Lehr- und Lernmittel
einschließlich der Bibliothek 1,50 Mk. für
jeden Schüler; b. zur Auszeichnung fleißiger
Schüler 50 Pf.; c. für Drucksachen und
unvorhergesehene Ausgaben sürjedenSchüler
20 Pf. Abweichungen von diesen Bestim
mungen sind bei der Einreichung der Etat
aufstellungen eingehend zu begründen. Den
Gesuchen um Bewilligung von Staats-
beihülfen sind in Zukunft Uebersichten über
den Durchschnittsverbrauch und die Ist-
Ausgabe in den letzten 3 Jahren, sowie
die Schülerzahl nnd die auf die einzelnen
Lehrgegenstände wöchentlich entfallenden
Stunden beizufügen.
Segeberg, 1. August. Vorgestern Nacht
ereignete sich in der Arbeitercolonie in
Ricklingen ein betrübender Unglücksfall,
dem zwei Menschenleben zum Opfer fielen.
Im Laufe des Tages waren 3 Wanderer
zugereist gekommen, denen auf ihren Wunsch
Aufnahme gewährt wurde. Zwei derselben
wurden wegen mangelnder Reinlichkeit den
Haustregeln gemäß in der Fremdenstube
einquartirt. Als am nächsten Morgen der
Wäschemeister sie wecken wollte, fand er
beide als Leichen vor. Die sofort an
gestellten Wiederbelebungsversuche erwiesen
ich als erfolglos. Wie die Untersuchung
ergab, waren die beiden Leute an Erstickung
durch Einathmen von Torfdunst gestorben
In dem Heizungsraum neben der Fremden
lube hatte man während der Nacht ein
Torffeuer brennen lassen, und da infolge
der feuchten Nachtluft der Rauch keinen
genügenden Abzug hatte, war er durch
das Ofenrohr in die Fremdenstube ge
drungen nnd hatte so die beklagenswerthe
Katastrophe herbeigeführt.
-ft Aus Dithmarschen, 3. August. In
B u ch h o l z haben sich zwei traurige Un
glücksfälle ereignet. Ein Knabe fiel beim
Spielen von einem Baume so unglücklich
auf einen Pfahl, daß ihm der Leib auf
geschlitzt wurde. Aerztliche Hilfe war so-
gleich zur Stelle und hofft man, den
Knaben am Leben zu erhalten. Im Buch-
h o l z e r M o o r stürzte der Arbeiter Jürgen
Beenck beim Torfgraben in eine 26 Fuß
riefe Torfgrube und ertrank. Derselbe
hinterläßt eine Wittwe mit 5 Kindern.
Ein Milchlieferans der Genossenschafts
meierei Kaltenkirchen mußte wegen Mj^.
Verfälschung 1360 Mk. Strafe an die
Meierei liefern und wurde außerdem von
der ferneren Milchlieferung ausgeschlossen.
Thierarzt L. Nissen, Bredstedt, verkaufte
in diesen Tagen einen 2jährigen Hengst
für die ansehnliche Summe von 4200
an einen Herrn aus Schlesien.
In Westdorf verunglückte der 6jährige
Sohn des Gastwirths Mumm daselbst.
Ein dortiger Fuhrmann, mit dem Schmieren
seines Frachtwagens beschäftigt, war einen
Augenblick davongegangen. Während
seiner Abwesenheit fiel eines der schweren
Wagenräder, das von der Achse gezogen
war, dem der Arbeit zuschauenden Knaben
auf den Kopf und verletzte ihn so schwer,
daß er nach einer halben Stunde todt
war.
SS Kappeln, 3. Aug. Gestern machten
zwei hiesige Dampfer Ausflüge nach Sow
derburg bezw. Langballigau; dieselben
waren gut besetzt. Bon Kiel kam der
Dampfer „Johann Schweffel" mit Aus-
Die Thüre des nächsten Zimmers war geöffnet.
Hugo sah dem emsigen Treiben zu, mitunter kurze Be
fehle erteilend. Die Sonne hatte seine Hautfarbe ge
bräunt, und der matte Bronzeton stach seltsam gegen
das hellblonde Haar ab, durch welches sich bereits ein
zelne Silbcrfäden zogen: wohl die Spuren harter inne
rer Kämpfe. Das wcchselreiche Leben der letzten Jahre
war freilich das beste Mittel gewesen, die Gedanken in
andere Bahnen zu lenken, aber von Zeit zu Zeit kehr
ten sie doch noch zu Melanie Lintz zurück, loenn auch
nicht mehr mit der früheren heißen Sehnsucht, sondern
mit einer Art milder Wehmut, wie man eines teuren
Verstorbenen gedenkt. Gerade jetzt fragte er sich. ob es
ihm nicht vielleicht unerträglich öde auf seiner Besitzung
vorkommen würde, der er doch nicht länger fern blei
ben wolle und könne.
Mußten dort, wohin er einst die immer »och nicht
Vergessene zu führen hoffte, nicht schattengleich süße und
traurige Erinuerungen erwachen? Mußte es ihm nicht
scheinen, als stehe sie auf der Schwelle und blicke ihn mit
den dunklen, leidenschaftlichen Augen vorwurfsvoll an?
—Das beste war, Schloß Grünau einem recht lebhaf
ten, geselligen Verkehr zu öffnen. — Ueber die Her-
zcnseinsamkcit vermögen allerdings auch Feste und rau
schende Vergnügungen nicht hinwegzutäuschen.
Wählend Hugo überlegend, >vie er sein künftiges
Leben Malten sollte, sich dabei nmvillkürlich in die
Vergangenheit vertiefte, meinte er plötzlich von einem
Schtvindel ergriffen zu werden. Er nahm vibrierende
Bewegungen der Möbel, sowie der auf denselben stehen
den Gegenstände wahr, und als er von dem Sofa
aufstand, schwankte der Boden unter seinen Füßen wie
ein von der Flut' geschaukeltes Floß. War das Simies-
tauschung? Wie Espenlaub zitterte das ganze Gemach und
das nächste ebenfalls; ja wohl gar das ganze Hans selbst.
Das kam so schnell, so unerwartet, 5,iß er sekun
denlang nicht wußte, ob es Einbildung oder Wirklich
keit sei. Aber nun,, ein Klirre» nnd Prasseln! Tassen,
Kästchen, Dosen fielen durch einander und zerschmetter
ten auf dem Boden. Konrad griff tauuielnd nach einer
Stütze, die im »ächsten Moment selbst krachend umstürzte.
flügern auf hier, welche sich in den hiesigen
Sommerwirthschaften vergnügten. — Der
Roggen ist hier allenhalben eingeheimst.
Beim Pflügen der Stoppelfelder klagen
die Landleute über die Härte des Ackers,
wohl eine Folge der Dürre. Der meiste
Weizen steht in Hocken und mit dem Mähen
des Weizens hat man begonnen Die
neue Rappsaat wurde hier mit 17,50 M.
pro Tonne in den Handel gebracht. —
Die „Kappeln-Angler Beliebung", eine
Todtengilde, hielt Sonnabend ihre dies
jährige Generalversammlung ab. Nach
Berichtigung der Jahresausgaben hat die
Kaffe einen Bestand von 140 Mk. Der
Reservefonds ist auf 600 Mk. gestiegen.
Die Mitgliederzahl beträgt 515. Gesam
melt wird gewöhnlich fünfmal jährlich;
der jedesmalige Beitrag beträgt für die
Familie 40 Pf., für einzelne Personen
20 Pf. Für die Höhe des Sterbegeldes
ist die Beitragsdauer des Verstorbenen
maßgebend.
Kiel, 3. August. In dem Schuhwaaren-
laden von Book in der Gasstraße fand,
wie bereits gemeldet, vorgestern Nachmittag
eine heftige Gasexplosion von ver
heerender Wirkung statt. Die furchtbare
Detonation wurde mehrere Straßen weit
gehört. Ein Klempner war Vormittags
mit dem Legen einer Rohrleitung be>
chäftigt und hat beim Verlassen der Ar-
jett muthmaßlich vergessen, den Hahn zu
chließen. Als der junge Book den Laden
betrat, erfolgte die Explosion. Der Knabe
erlitt lebensgefährliche Verletzungen und
wurde zu Boden geschleudert. Die Räum
lichkeiten sind arg verwüstet. Der 8 e '
wältige Luftdruck durchschlug die Decke
und schleuderte das große Schaufenster
auf die Straße. Die Thüren wurden
zertrümmert und die Waaren bis an die
gegenüberliegende Häuserreihe geworfen.
Eine außerordentliche Leistung im
Schwimmen vollbrachte am Sonntag der
Artilleristenmaat Garling in Friedrichsort.
Derselbe schwamm nämlich in der Zeit von
9 Uhr 25 Min. bis 11 Uhr 45 Min-
von Friedrichsort nach Kiel zum Hohen-
zollernbad bei mäßigem Wind und See
gang Er gebrauchte also für die ganze
Strecke nur 2 Stunden 20 Minuten.
=4=: Bordesholm, 3. August. In der
Gemeinde Sören fand dieser Tage die
Grundsteinlegung zu dem daselbst zu er
bauenden Schnlhause statt. Eine besondere
Weihe erhielt diese Feierlichkeit durch eine
Ansprache des Hrn. Generalsuperintendenten
Dr. Ruperti aus Kiel, der gelegentlich der
Kirchen- und Schulvisitation im hiesigen
Kirchspiel anwesend war. — In Klein-
Kummerfeld treiben Brandstifter ihr Un
wesen; mehrere Wohnhäuser u. Scheunen--^
sind nacheinander abgebrannt.
# Rendsburg, 3. Aug. Am Sonntag
fand in der Gemeinde Rendsburg-Neuwerk
eine erhebende Feier statt, die Schleswig-
Holsteinische Missionsgesellschaft hielt dort
ihr Missionsfest. Seit einer langen
Reihe von Jahren ist ein solches Fest in
unserer Stadt nicht gefeiert worden, in
folgedessen die Betheiligung auch über
Erwarten erfreulich war. Die Hauptfeier
war auf den Sonntag Vormittag verlegt,
um 9 7 2 begann der Gottesdienst in der
Christ- und Garnisonkirche, wobei Herr
Hauptpastor Jensen aus Breklum die Fest
predigt nnd Herr Pastor Siedentop von
hier den liturgischen Theil übernommen
hatte. Eine zahlreiche Zuhörerschaft füllte
die weiten Kirchenhallen fast bis auf den
letzten Platz und horchte andächtig auf die
packende» und zu Herzen gehenden Aus-
Der Japaner, der eben vor einer Kiste kniete, sprang
mit einem Entsetzensschrei empor. Alle Thüren des
Hotels öffneten sich: „Das Erdbeben! das Erdbeben!
Fort ! Die Wände zittern, die Mauern bersten!" tönte
es wirr durcheinander. Die Erschrockenen stürmten fass
ungslos die Treppe hinab und drängten in's Freie, in
stinktiv vor der Gefahr fliehend und dennoch daS Zweck
lose der Flucht einsehend. Vielleicht eilten sie gerade
dem Tode entgegen; vielleicht entstand plötzlich ein klaf
fender Erdriß vor ihren Füßen, oder niederbrecheudes
Gemäuer begrub sie unter Schutt und Trümmern. Die
Angst steigerte sich zur Sinnlosigkeit. Mehr und mehr
gerieten die Mauern in schivingcnde Bewegung, mit
donner ähnlichem Getöse stürzte der Schornstein eines
benachbarten Gebäudes ein.
Auch Hugo hatte das Hotel verlaffen, und der Die-
ner folgte ihm, sich mühsam durch die schreiende, jam
mernde Menschenmenge hindurcharbeitend. Ein neuer
stärkerer Erdstoß, begleitet von rollendem Geräusch, daS
zum betäubenden Getöse wurde, verwandelte dieStraßen
fäh in ein Bild grauenvoller Verwüstung. Zerbröckelte
Mauern ragten ruinenartig gen Himmel, Balken und
Gesten, versperrten den Weg, und dabei war an kein
Stehenbleiben oder Zurückweiche» zu denken. Einem
Strom, der alles mit sich fortreißt, konnte man dieje
nigen vergleichen, tvelche in dichten Massen vorlvärts
drängten, teils von der Angst um das eigene Leben,
teils von der Sorge um ihre Angehörigen getrieben.
Noch einige, aber viel schwächere Stöße erfolgten, dann
hörten die Erschütterungen auf. Lauter als zuvor cr-
tönte aber jetzt das verzweiflungsvolle Rufen der ratlos
umherirrenden nach den Vermißten, die wohl ein schauer
liches Grab unter den Trümmerhaufen gefunden hat
ten oder noch mit dem Tode rangen. In dem höher ge
legenen Teil der Stadt war eine Fabrik, welche eine
große Anzahl von Arbeitern beschäftigte, besonders hart
getroffen tvorden. Das einstürzende Dach batte in dem
Maschinenraum furchtbaren Schaden angerichtet. Stein
und Mörtelmassen, Maschinenteile, zersplitterte Spar-
rcn, Fetzen kostbarer Stoffe und halbverschnttete Men
schenkörper bildeten ein entsetzliches Durcheinander und
die Schrecken der Scene wurden noch erhöht durch di
sich wie wahnsinnig geberdenden Weiber, die zwische
den Ueberresten des vor einer Stunde noch so großai
tigen Gebäudes umherwanktcn, stürzend, sich wieder au!
raffend, betend, jammernd und immer gellender nac
denen rufend, welche mutmaßlich der Katastrophe zui
Opfer gefallen waren, oder denen jeder Augenblick d«
Verzögerung zum Verderben werden mußte.
Sofort begann man mit den Rettungsarbeiten; ab,
wo so viel Hilfe nötig war, reichten die vorhandene
Kräfte nicht aus; zudem drohten noch aufrecht stehend,
aber bedenklich zur Seite geneigte Mauern zusamme
zu brechen undniußtcn gestützt werden.
,.^?^°<Ņ?Şie fort, gnädiger Herr! Jetzt ist es möz
sich sich durchzudrängen," sagte Konrad.
„Was fällt Dir ein? Schämst Du Dich nicht, s
zu sprechen angesichts dieses Jammers?" rief Huge
„Jeder, der zwei gesunde Arme hat und unverletzt is
muß seine Kraft hier in den Dienst der Menschheit stel
len; anders zu handeln, wäre feig und erbärmlich. Wi
schließen uns den wackern Männern an und unter stütze
sie bei ihrem schiveren Werke."
Der Diener wagte keine Einwendungen zu erheben
sondern folgte dem Beispiel seines Herrn, der sich mi
fast übermenschlicher Anstrengung bei denR-ttungsar
beiten beteiligte. Schutt, Steine, Eisenstücke räumt,
Hugo teils allein, teils mit Hilfe anderer hinweg. De,
Schweiß rann lhm von der Stirn, seine Muskeln wäre,
bis zum Bersten gespannt, und trotz de« gräßlichen An
blickcS durchrieselte ein wohliges Gefühl seine Brüll
Es kam ihm vor, als tracst er eine Schuld ab all
mache diese Stunde gut, daß er Jahre lang ein -baten
loses Leben ohne ernste Ziele geführt habe. Künftic
sollte es anders werden. Weg mit aller Schlaffheit, mn
dem trägen Versinken in Weichlichkeit und Genußsucht
Mehrere Schwcrvcrwniidete ivaren bereits gebor
gen, und er durfte sich dasZenguisausstellen, an ihrek
Rettung tapfer mitgearbeitet zu haben. Da drang schwa
ches Wimmern, glcichfani erstickt Hiiigeub, an sein Ohr.
Hier konnte dem Tode vielleicht eine Beute abgerungen
werde». 4g