Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

Explosion war eine große Anzahl Personen 
schwer verletzt worden. Der Bürger 
meister befand sich unter den Schweroer- 
wundeten. Ein Stück Fleisch war ihm 
förmlich aus dem Gesicht gerissen worden. 
Er wurde ca. 30 Schritte weit fort 
geschleudert. Die Scenen, die sich am 
Marktplatze abspielten, sind unbeschreiblich. 
200 Menschen erlitten theils durch die 
Explosion direkt, theils in dem durch die 
Panik entstandenen Gedränge mehr oder 
weniger schwere Verletzungen. An mehreren 
Verletzten mußten Amputationen vorge 
nommen werden. Im städtischen Spital 
wurden 37 Verwundete zurückbehalten, von 
diesen dürften mehrere die nächsten Tage 
nicht überleben. Der größte Theil der 
Verletzten wird zu Hause gepflegt. Die 
Untersuchung wird mit voller Strenge ge 
führt. 
England. 
London, 1. August. Die englische 
Frie densgesellschaft richtete an den 
deutschen Kaiser eine Bittschrift, in der 
der Kaiser als erster unter den protestan 
tischen Herrschern in Europa angegangen 
wird, zur Förderung des Weltfriedens die 
Anordnung zu treffen, daß im ganzen 
Deutschen Reiche ein Sonntag im Jahre, 
vorzugsweise der vierte Sonntag der Ad 
ventzeit, als Friedenssonntag beob 
achtet werde. 
London, 1. August. In der heutigen 
Sitzung des internationalen Sozialisten- 
kongresses wurde u. A. der Antrag des 
Geschäftsordnungsausschusses angenommen, 
nach welchem die Einladungen für den 
nächsten Kongreß derart abzufassen sind, 
daß die Anarchisten ausgeschlossen werden. 
Ferner wurde die Einladung Liebknechts 
angenommen, den nächsten Kongreß 1899 
in Deutschland abzuhalten. Der Kon 
greß wurde sodann geschlosien. 
N«Ma«d 
St. Petersburg, 1. August. „Standard", 
die neue prachtvolle Zarenyacht, wird 
während der Europareisen des russischen 
Kaiserpaares zum ersten Male in Dienst 
gestellt, um stets zur Verfügung zu stehen. 
Das Schiff ist bei 5500 Tonnen Deplace 
ment das größte aller Luxusfahrzeuge im 
Besitz eines Monarchen und übertrifft die 
deutsche „Hohenzollern", sowie die bis 
herige erste Zarenyacht, den „Polarstern", 
noch um ein Bedeutendes, sie kostet aber 
dafür auch 9 384 000 Jl gegen rund 7 
Millionen der „Hohenzollern", welch' 
letztere aber etwa zwei Meilen in der 
Stunde mehr laufen kann. 
Inland. 
— Für die Kadetten anst alten hat 
der Kaiser angeordnet, daß für die Selek 
taner und Oberprimaner bei dem 
Kadettenkorps zur Reitbekleidung kurze 
Hosen und hohe (Kavallerie-) Stiefel, 
deren Beschaffungs- und Unterhaltungskosten 
aus Ersparnissen des Bekleidungssonds der 
Hauptkadettenanstalt zu bestreiten sind, ein- 
geführt werden sollen. Ferner hat der 
Kaiser bestimmt, daß die Kompagnie 
verwalter bei den Provinzislkadetten- 
anstalten, sofern sie die Berechtigung zur 
Führung des Offizier-Seitengewehrs besitzen, 
ebenfalls den Jnfanterie-Offizierdegen neuen 
Modells tragen, und sämmtliche Feldwebel 
bei den Kadettenanstalten tragen ebenso 
wie Kompagnieverwalter bei den Provinzial 
kadettenanstalten das Offizier-Seitengewehr 
neuen Modells an einem schwarzlackirten 
Unterschnallkoppel nach dem Muster des 
den Infanterie - Offizieren verliehenen 
Koppels. Die jetzigen Stelleninhaber 
können vorhandene Offizier-Seitengewehre 
alten Modells nebst zugehörigem Koppel 
auftragen. 
— Infolge der Zusammenlegung der 
vierten Halbbataillone, von 
denen bei jedem Armeecorps bekanntlich 
zwei neue Infanterie-Regimenter, aus zwei 
Bollbataillonen bestehend, gebildet werden, 
gehen außer verschiedenen Zahlmeisterstellen 
auch eine Reihe von Posten der Bataillons- 
büchsenmacher ein. Das dadurch in der 
Armee überflüssig werdende Personal dieser 
Kategorie soll nun, soweit Preußen in 
Betracht kommt, den staatlichen Gewehr- 
fabriken in Spandau, Erfurt und Danzig 
überwiesen werden. 
— Li-hung-Tschang, der Vielumworbene, 
hat nun auch Frankreich verlassen, er 
fand die Aufnahme dort etwas kühler als 
in Berlin, England wird sich noch mehr 
mäßigen; denn dortige Zeitungen nennen 
ihn schon den großen Schnorrer 
und vergleichen ihn mit den abessinischen 
Metropoliten, welche russische Fürsten mit 
falschen Edelsteinen beschenkt haben. Den 
größten Erfolg hat der Vicekönig in Essen 
gehabt, wo man ihm am Tage seiner An 
kunft eine Bildsäule errichtet, sogleich nach 
seiner Abreise sie eingepackt und nach 
Tientsin geschickt hat in der zutreffenden 
Erwäg ung, daß er mehr Freude daran hat 
als wir. 
— Wegen Duellverweigerung aus dem 
Offizierstand gestoßen. „In einer kleinen 
märkischen Stadt erscheint Jemand vor 
dem Stadtrichter, um Geld aus dem 
Depositorium zu erheben; indeß war die 
Zeit dazu schon verstrichen und der Stadt 
richter konnte dem Verlangen nicht mehr 
nachkommen. Da der Fordernde vom 
Lande war und wahrscheinlich nicht über 
Nacht in der Stadt bleiben wollte, so 
wird er dringend; der Stadtrichter kann 
aber dennoch seine Bitte nicht erfüllen, 
worauf jener heftige Worte fallen läßt, 
welche der Richter ihm verweist mit dem 
Bemerken, daß er vor seiner Gerichtsbe 
hörde stände. Als auch das nicht fruchtet, 
deutet der Richter darauf hin, daß, wenn 
der Andere sich ferner ungebührlich be 
trage, er ihn durch den Gerichtsdiener 
müsse entfernen lassen. Darauf verläßt 
der Fordernde das Zimmer. Beide Per 
sonen aber waren Offiziere der Land 
wehr und der Hinausgewiesene schickte 
dem Stadtrichter eineH era us f ord e rung, 
die dieser seiner vorgesetzten Behörde ein 
reicht. Diese ersieht aber aus dem er 
forderten Bericht das ruhige und gemessene 
Benehmen des Richters und belobt ihn 
deshalb. Darauf, weil derselbe die Heraus 
forderung nicht angenommen, geht der 
Landmann an den Ehrenrath und ein 
Ehrengericht stößt den Stadtrichter 
aus dem Offizierstande." — Diese 
„moderne" Geschichte ist zu lesen in Nr. 123 
der „Zeitung für das Großherz. Posen" 
vom 31. Mai 1847, hat also das respektable 
Alter von nahezu fünfzig Jahren. 
Wir haben es also seitdem „herrlich weit 
gebracht". 
— Zur Lehrerin nen-Prüfung 
dürfen nach einer Entscheidung des Ministers 
a uch solche Bewerberinnen zugelassen werden, 
di e ihre Vorbildung außerhalb des Seminars 
gew onnen haben. „Selbstverständliche Vor 
aussetzung dabei ist, daß diese Vorbildung 
eine inländische sei, weil nur eine solche 
die Gewähr bieten kann, daß die Be 
werberin in die Grundsätze unserer Jugend- 
erziehung eingedrungen ist und für die 
Ziele unserer Schule Verständniß besitzt." 
Berlin, 1. August. Der neu gebildete 
Apothekerrath wird sich der „Post" zufolge 
demnächst mit der Frage der Zulassung 
von Frauen zum Apothekerberus 
beschäftigen. In Anbetracht der Ueber- 
füllung auch dieses Berufes verhält man 
sich in den betheiligten Kreisen dieser An 
gelegenheit gegenüber sehr ablehnend. 
— Die alte Streitfrage, ob ein Schank- 
Wirth nach derPolizeistunde noch 
Privatgäste in seinem Lokal bewirthen 
dürfe, wenn er für die Getränke rc. keine 
Bezahlung nimmt, ist vom Kammer 
gericht bejaht worden. In dem Urtheil 
wird aber ausgeführt, daß auch solche 
Privatgäste, welche unentgeltlich bewirthet 
werden, zu Schankgästen werden, wenn sie 
im Verfolg des gewerbsmäßigen Betriebes 
der Schankwirthschaft in dem Lokale Auf- 
nähme gefunden haben, z. B. wenn letztere 
mit Rücksicht auf zukünftige „Frequentirung" 
des Lokals erfolgt ist. In dieser Richtung 
hätte der Borderrichter eine thatsächliche 
Prüfung vornehmen sollen. 
Eine Hexentragödie hat sich, wieffo- 
eben gerichtlich festgestellt worden ist, in 
Forchheim im Badischen abgespielt. Dort 
fand man eine 70 Jahre alte Frau am 
Bettpfosten hängend vor. Sie war er 
würgt und nachher aufgehängt worden. 
Jetzt hat der Neffe, damals in Haft ge 
nommen, eingestanden, er habe die Frau 
ermordet, weil man sie für eine Hexe ge 
halten und als Urheberin schlimmer Krank 
heit betrachtet habe. Da nichts geraubt 
wurde, muß man die Aussage für wahr 
halten. Andere wegen Mordverdachts ver 
haftet gewesene Leute sind denn auch bereits 
entlassen. ^ 
Ein „Untersuchungsrichter" ist vor 
Kurzem in der Umgegend von Hof aufge 
taucht, der in einem schwierigen Falsch 
münzerprozeß Ermittelungen „anzustellen 
hatte" und in verschiedenen Ortschaften 
einzelne Goldstücke und Hundertmarkscheine 
mit Beschlag belegte. Festgenommen ent 
puppte er sich als ein Bäckergeselle. 
Wegen Betruges wurde in München ein 
Rechtsanwalt zu fünfmonatlicher Ge- 
sängnißstrafe und zweijährigem Ehrverlust 
verurtheilt, weil er einem geistig sehr be- 
schränkten Dienstknecht Namens Raba dabei 
behilflich gewesen war, behufs Erhebung 
einer angeblichen indischen Erbschaft von 
16 Millionen Pfund Sterling ansehnliche 
Geldsummen zu erschwindeln. Ein zu 
Anfang dieses Jahrhunders als Gouverneur 
in Indien gestorbener Deutscher Namens 
Renner sollte die große Millionen-Erbschaft 
hinterlassen haben. Indem der Rechts 
anwalt, der durch die verneinenden Ant 
worten von Ministerien und Konsulaten 
die schwindelhafte Natur der Sache kennen 
mußte, den Leuten eine ganz anders lau 
tende Auskunft gab, verfiel er, obwohl bis 
dahin unbescholten, nicht bloß der entehren 
den Strafe, sondern mit ihr der Vernich 
tung seiner bürgerlichen Existenz. 
Hamburg, 1. August. Der Maschinist 
Franck machte heute auf offener Straße 
im Stadttheil Hammerbroock einen Mord 
versuch auf seine um zwölf Jahre jüngere 
Frau, indem er mehrere Schüsse aus sie 
abgab. Darauf jagte er sich selbst eine 
Kugel in die Brust. Das Motiv der That 
ist angeblich Untreue der Ehefrau. Letztere 
ist nicht schwer verletzt. Franck mußte in 
ein Krankenhaus trausportirt werden. 
Hamburg, 2. Aug. Hier hat sich unter 
der Führung der Hamburg-Amerika-Linie 
ein Comitee gebildet für die Unterstützung 
der Hinterbliebenen der „Jltis"-Mann- 
schaften. Dem Comitee gehören fast alle 
größeren Rhedereien und die ersten Firmen 
Hamburgs au. 
ĢrrwinrrâêK. 
Der Anbau und Ernteertrag der wich- 
tigsten Feldfrüchte ist soeben vom Königl. 
statistischen Amt zu Berlin für das Jahr 
1895 festgestellt. Was die Provinz 
Schleswig-Holstein anlangt, so ist zunächst 
zu bemerken, daß die Anbauflächen eine 
vcrhältnißmäßig unerhebliche Schwankung 
gegen das Vorjahr aufweisen. Es betrug 
die Anbaufläche von 
1895: 1894: 
Winterweizen 40680 ha 37842 ha 
Winterroggen 147880 < 147 314 - 
Sommergerste 53 532 - 53143 < 
Hafer 194 661 > 196 766 - 
Kartoffeln 31211 . 31076 - 
Bei der Bestellung mit Winterweizen ist 
mithin eine 7,5 Proz. größere Fläche be 
nutzt worden, bei Winterroggen, Sommer 
gerste und Kartoffeln betrug die Vergröße 
rung der Anbaufläche nur 1,6 bezw. 0,7 
und 0,4 Proz. Bei Hafer hat der Anbau 
um 1,1 Proz. abgenommen. — Größer 
als die Verschiebungen der Anbauflächen 
pflegen die der Ernteerträge zu sein. Ver- 
gleichen wir die für das Jahr 1895 er 
mittelten mit denen des Vorjahres, so be 
trugen dieselben: 
Tons zu 1000 Kg. 
1895: 1894: 
Winterweizen 84 555 71 709 
Winterroggen 196 965 181 389 
Sommergerste 91 501 84 149 
Hafer 303 966 266 828 
Kartoffeln 270 422 224 955 
Die 1895er Ernte war mithin bedeutend 
günstiger als die 1894er; sie übertraf 
letztere bei Winterweizen um 21,3 Proz., 
bei Winterroggen um 9,3, bei Sommer 
gerste um 8,9, bei Hafer um 13,9 und 
bei Kartoffeln um 20,2 Proz. 
+ Itzehoe, 2. August. Das hier am 
19. Juli abgehaltene Radfahrerfest 
(Gau I Hamburg) hat ein sehr günstiges 
finanzielles Ergebniß ergeben. Die Ein 
nähme beträgt nämlich reichlich 2700 Jt, 
welcher eine Ausgabe von rund 1800 
gegenüber steht, so daß ein Ueberschuß von 
reichlich 900 A erzielt ist, welcher den 
dem Bezirk Itzehoe angehörenden Vereinen 
zu Gunsten fällt. Das Radfahrersest wurde 
bekanntlich in der großen geräumigen 
Sängerhalle abgehalten, welche voll besetzt 
war, was auch wohl in den vernünftiger 
Weise sehr mäßig gestellten Eintrittspreisen 
seinen Grund hatte. 
Kiel, 1. August. Das große Kinderfest 
auf dem Ausstellungsplatze, welches für 
den 8. August geplant war, hat vorläufig 
noch ausgesetzt werden müssen, weil die 
hiesige Schulbehörde der Ansicht war, daß 
den Kindern nicht gleich nach dem, am 
Montag den 3. August stattfindenden Wie 
derbeginn der Schule eine derartige Zer 
streuung geboten werden dürfe. Wenn 
dadurch auch manche Kindeshoffnung vor 
läufig getäuscht worden ist, so beabsichtigt 
dex Vorstand das Fest doch an einem 
späteren Termin nachzuholen, an welchem 
pädagogische Bedenken irgend welcher Ari 
nicht mehr im Wege stehen. Im Interesse 
der Ausstellung würde es jedenfalls liegen, 
wenn dem harmlosen Kinderfest allerseits 
ein wirkliches Interesse geschenkt würde. 
Kiel, 2. August. Eine heftige Gas- 
explosion, die gestern Nachmittag in 
einem Schuhwaarenladen der Gasstraße 
erfolgte, richtete arge Verwüstungen an. 
Ein vierzehnjähriger Knabe erlitt schwere 
Verletzungen. 
In Flensburg beschloß eine Versamm 
lung der ausständigen Werftarbeiter, 
unter der Bedingung die Arbeit wieder 
aufzunehmen, daß die Direktion der Schiffs- 
werft sämmtlichen 1500 Arbeitern eine 
Lohnerhöhung von je 2 Pf. stündlich und 
eine Arbeitsverkürzung von einer halben 
Stunde täglich gewährt. 
7A Fricdrichstadt, 2. August. Am nächsten 
Sonntag findet Hierselbst ein Feuer- 
w e h r f e st statt, zu welchem die Wehren 
in sämmtlichen Ortschaften der Landschaft 
Stapelholm eingeladen sind. Soweit be 
kannt, werden alle Wehren mit Ausnahme 
derjenigen von Bergenhusen theilnehmen. 
Man erwartet 130—140 auswärtige Gäste. 
Der hiesigen gewerblichen Fortbil 
dungsschule ist ein jährlicher Staats 
zuschuß von 440 Mk. auf drei Jahre be- 
willigt. Bisher betrug die Zuwendung 
400 Mark. Die Stadt zahlt jährlich 
500 Mk. 
X Schleswig, 2. August. Der dies- 
jährige Sommergautag des schleswig-hol- 
steinischen Radfahrergaues wurde heute im 
Bahnhofshotel Hierselbst abgehalten. Der 
Gauvorsitzende, Ovens-Schleswig, begrüßte 
die Theilnehmer und rügte scharf das 
wilde Fahren innerhalb bewohnter Ort 
schaften, gegen das event, polizeiliche Hilfe 
in Anspruch genommen werden müsse. Die 
Prüfung ergab die Anwesenheit von 28 
Delegirten. Beschlossen wurde zunächst, 
dem Gauvorsitzenden die Vertretung vor 
Gericht in allen Gauangelegenheiten zu 
übertragen. Es handelt sich zunächst um 
ein Vorgehen gegen den ersten Sieger der 
vorjährigen Fernfahrt, dem unzweifelhaft 
nachgewiesen ist, daß er Berufsfahrer war, 
während nur Amateure an dem Fahren 
theilnehmen durften. Da laut Beschluß 
des yorigen Gautages eine ähnliche Fern 
fahrt in diesem Jahre nur dann abge 
halten werden sollte, wenn der Hamburger 
Gau zu den entstehenden Kosten 700 Mk. 
beisteuern würde und da der betreffende 
Gau dieses abgelehnt hat, soll nunmehr 
der Bund um eine Beihilfe von 500 Mk. 
ersucht werden und will der Gau 31 die 
übrigen Kosten tragen. Den Fahrern des 
Hamburger Gaues soll die Theilnahme an 
der Fernfahrt gegen einen Einsatz von 
5 Mark gestattet sein. Die zu fahrende 
Strecke soll die alte bleiben. Die Dele 
girten zum diesjährigen Bundestag in Halle 
wurden angewiesen, für Trennung der 
Bundestage von den Festlichkeiten zu 
stimmen. Der nächste Gautag soll in 
Eckernförde abgehalten werden. Mit einem 
Hoch auf den Gau 31 wurde hierauf der 
Gautag geschlossen. 
L2 Amt Hütten, 1. Aug. Der Lehrer 
der einklassigen Schule in Wolfskrug, Herr 
Feddersen, und der zweite Lehrer in 
Brekendorf, Herr Christophersen, haben sich 
in diesen Tagen nach Leipzig begeben, um 
auf eigene Kosten an einem fünfwöchent 
lichen Kursus für Handfertigkeits 
unterricht theilzunehmen. — Hr. Lehrer 
Chr. Kock in Bohnert beabsichtigt die 
demnächstige Verausgabe eines Buches, 
betitelt: „Beschreibung der Landschaft 
Schwansee in historischer, kultureller und 
topographischer Hinsicht". — Die von 
Herrn Petersen-Möhlhorst in der Osterbyer 
Gemarkung in Gang gebrachten Arbeiten 
behufs Anlage einer Cement-Fabrik werden 
noch eifrig fortgesetzt. 
— Owschlag, 2. Aug. Nachdem, wie 
kürzlich berichtet, die. hiesige freiwillige 
Feuerwehr in Thätigkeit getreten ist, ist 
man auch im benachbarten Brekendorf 
in derselben Sache einen Schritt weiter 
Im Manne dmȟ!er Gewalten. 
Roman von Elfried v. Hohenstein. 23 
Reck wollte freilich wieder dieses und jenes tadeln, 
hier verbessern, dort etwas geändert sehen; wenn Al 
bert jedoch auf seiner Meinung beharrte und sie eifrig 
verfocht, so drängte er ihm den zurückgewiesenen Rat 
durchaus nicht auf, sondern sagte mit feinem und wohl 
wollenden» Lächeln: „Es ist gut so! Prüfen Sie nur 
Ihre Kraft. Auf diese Weise lernt man am besten seine 
eigenen Schwächen und Vorzüge kennen und gewinnt 
Selbstständigkeit." 
Immer mehr vertiefte sich Waldenburg in seine. 
Werke. Eine förmliche Leidenschaft hatte ihn ergriffen. 
Es gab Stunden, wo er im Gegensatz zu seiner frühe 
ren Zwcifeliucht der festen Ueberzeugung lebte, durch 
dieses Bild werde er in die Reihen der Gefeiertsten 
unter den Künstlern der Gegenwart treten, too er über 
den rastlosen Eifer alles, sogar die Frau mit dem süßen 
Gesichtchen und dem warmen zärtlichen Blick vergaß, 
die an einem der großen Fenster des Ateliers saß, eine 
Stickerei oder ein Buch in der Hand und oft den Kopf 
hob, um sinnend und innig zu ihm herüber zu sehen. 
Rascher als alle seine anderen Arbeiten war diese 
Landschaft des Südens fertig geworden, und Ivie je 
mand, der, ohne sich Rast zu gönnen, einen hohen, 
steilen Berg erklommen hat und nun beim Anblick der 
paradiesischen Aussicht Müdigkeit und ein unabweis- 
liches Rnhel-edürfnis fühlt, empfand auch er die Not 
wendigkeit, sich in nervenstärkender Luft von der an 
strengenden Thätigkeit zu erholen, und bezog daher, 
sobald das Bild an den Ausschuß der Ausstellung in B. 
geschickt war, mit Rosa mehrere Zimmer in der Billa 
Recks. Die aufregende Erwartung hielt ihn freilich in 
beständiger Spannung. Als nach Wochen ein Schreiben 
von den Preisrichtern eintraf, enthielt es einige höflich 
bedauernde Phrasen vonNeberfnllnngund Raumman 
gel, welche eine Annahme des Werkes unmöglich mach 
ten. 
Da war das glänzende Lustschloß in Nebel zer 
flossen. Gegenwart und Zukunft zeigen wieder das alte 
Grau in Grau statt des Rosenicheines der Hoffnung. 
Die strahlenden Visionen von Ruhm, Reichtum, Be 
friedigung eines fast krankhaften Ehrgeizes schwanden. 
DaS Gespenst der Sorge schritt neuervings neben ihm 
her und sah ihn an mit hohlen Augen, in denen ge 
schrieben stand: „Armer Thor, lächerlicher Phantast! 
Unecht wie die Begeisterung, in die Du Dich gctvalt- 
sam hineinsteigerst, ist Dein sogenanntes Künstlertum. 
Künstlertum? Mußt Du nicht selbst lachen über diese 
Umschreibung des einzig richtigen Ausdruckes für Deine 
Leisinngen, der da lautet: Dilettantismus! Erbärm 
licher Dilettantismus, über den Dir Deine Effekchasche- 
rei nicht hinweg hilft!" 
„Nur nicht den Mut verlieren," tröstete Reck. „Ich 
weiß genau, was den Erfolg beeinträchtigte, und sagte 
es Ihnen ja auch ; daß Sie mir keinen Glauben schenk- 
ten, sondern unbeirrt Ihren eigenen Weg gingen, tadle 
ich nicht. Es zeigte von keckem, frischem Wagen. Gerade 
ein derartiger Fehlschlag wird den, echten Künstler zum 
Fingerzeig und weist ihm den Weg, den er künftig wan 
deln muß." 
„Dem echten Künstler? das ist möglich. Ich bin 
aber keiner uuv Iverde nie einer sein! Wenn das, was 
ich für mein Bestes hielt, nichts rangt, so fehlt mir eben 
der Sinn. das Verständnis für Gediegenes, für das, 
tvas strengen Kunstrichtern Achtung und Anerkennung 
abnötigen kann," erwiderte Waldenburg mit kaum zu 
zügelnder Heftigkeit. „Andere mag ja so ein Mißerfolg 
anstacheln, alle ihre Kräfte einzuietze»; auf mich wirkt 
er ernüchternd wie ein kalter Wasserstrahl. Ich verliere 
den Glauben an mich selbst und mit ih n die Lust, noch 
länger nach ettvas Unerreichbarem zu streben. Und 
doch, tväre ich nur in der Lage geiveseii, nach B. zu 
reisen und dort nicht wie ein Proteftionsbcdücftiger, 
sondern wie ein mit Glücksgütern reich Gesegneter zu 
leben, so würde es anders gekommen sein. Nicht, daß 
ich damit ans die Bestechlichkeit des Urteils hindeuten 
will, aber ich hätte mir einen Anhang, eine Partei ge 
schaffen, das Interesse Vielverinögcnder Personen ge 
wonnen und durch diese wieder günstig ans die Ent 
scheidung eingewirkt, während ich so den einflußreichen 
Kreisen vollständig fern stehe." 
„Nehmen Sie einige Abänderungen an dem Bilde 
vor, ich will Ihnen gern mit meiner Erfahrung dabei 
zur Hand gehen, und versuchen Sie es daun nochmals 
an anderer Stelle," rief Reck. 
„Nein, ich könnte mich nicht entschließen, auch nur 
einen Strich daran zu machen," entgegnete Albert. „Mir 
ist das Vertrauen zu dem Werk genommen. Mag es 
zu, irgend einem Kunsthändler in B. wandern und 
bort als Ladenhüter im Winkel hängen bleiben, bis es 
im besten Fall um einen Spottpreis verschleudert wird." 
Rosa litt tief unter diesem Vorfall. Mehrmals ver 
suchte sie Waldenburg zu ermutigen, aber es gelang ihr 
nicht. Er wich ihrem Blick förmlich ans und schien un 
angenehm berührt durch ihr eifriges Bemühen, die 
Kränkung in Vergessenheit zu bringen- Wie immer 
hatte die junge Frau auch jetzt ihren Platz in seinem 
Arbeitszi-iimer, in welchem er die Vormittagsstunden 
gelvöhnlich an der Stafselci saß, aber nicht mehr mit 
dem frühere» Eifer malte, sonver» jeden Augenblick 
eine Ruhepause machte, um bald aus dem Fenster zu 
sehen, bald zurückgelehnt, in finsteres Grübeln zu ver 
sinken. Benierkte er dann, daß sie ihn beobachtete, so 
konnte er wohl ein gereiztes Wort sagen oder mit 
einer ungeduldigen Bewegung wieder nach der eben 
iveggelegten Palette greifen. Deshalb ging Rosa, in 
dem sie dadurch seinen Wünsch«'» entgegen zu kommen 
glaubte, öfter in den Garte» hinaus oder au die See. 
Wie eine Störung sollte er ihre Gegenwart nicht em 
pfinden. 
„Wenn ich nur eine recht frohe Ueberraschuug her 
beiführen könnte, etwas, was dem Fehlschlag das Gleich 
gewicht hielte und im stände tväre, bett dösen Eindruck 
zu verwischen," war ihr beständiges Sinnen, und auch 
gegen Richard, als er zu kurzem Besuch im Vaterhaus 
weilte, sprach sie den Wunsch aus, hinzufügend: „Ich 
glaube, es würde von unendlich günstigem Einfluß auf 
ihn sein. Aber ivas soll ich thun? Ich muß ja meine 
völlige Machtlosigkeit erkennen." 
j,Abcr ein Mann darf doch nicht gleich zaghaft 
stehen bleiben oder umkehren, weil ihm ein Hindernis 
im Wege liegt. Dann inuß es eben fortgeräumt werden," 
wandte er ein, ärgerlich den Kopf schüttelnd. „Meinst 
Du denn, ich bin gleich so ohne tveiteres durchgedrnn« 
gen mit den Neuerungen, die ich auf meinem Gut und 
den dazu gehörenden Ländereien einführen wollte? 
Die Leute fanden die? und das unpraktischşcten mir 
ab davon oder meinten wohl gar, durch meine Ein* 
richtungen, denen der beliebte Zopf nicht anhing, ge« 
schädigt zu werden. Ich ließ mich jedoch nicht irre 
machen, beharrte auf meinem Willen und habe die 
Genugthuung, daß manches, was früher getadelt oder 
verworfen wurde, jetzt uachgeahnit tvird. Warum muß 
er denn also deshalb, weil ihm Ruhm und Gold nicht 
gleich aufdem Präsentierbrett entgegengetraqen werden, 
sich wie ein mürrisches Kind geberden, das keine Lust 
zum Arbeiten hat, weil es in der Schule gescholten 
wurde. Keinem wird seine Lehrzeit erlassen." 
„Wir beide können über das verletzte Gefühl eines 
Künstlers nicht urteilen, und alle Naturen sind ja auch 
nicht gleich geartet," erwiderte Roia. „Ich weiß, daß 
dieser Mangel an Anerkennung seiner Talentes ihn 
niederdrückt und daß eine unverhoffte Freude, etwas, 
das im stände wäre, sein Selbstgefühl zu heben, von gün« 
stiger Wirkung sein würde. Wäre ich.nur nicht so tv 
findungsarm und auch so gebunden in jeder Hinsicht I 
Käme mir nur ein glücklicher Gedanke." 
So sprechend schritt sie neben ihm ans dem Wald« 
Pfade dahin. Blanc Glockenblumen nickten ans dem 
Grase. Käfer, gleich geflügelten Smaragden, und bunte 
Falter schwebten vorüber. Eichkätzchen huschten über 
den Weg und in's Dickicht. Es herrschte ein so wohlthuen« 
der Friede unter dem grünen Baldachin. 
Unterdessen zog Waldenburg wiederholt ungedul« 
dig die Uhr hervor. Er hatte Rosa und Richard dem 
Sttande zutvaudcrn sehen und wieder die quälende, 
eifersüchtige Empfindung nicht zu unterdrücke» vermocht, 
die ihn jedesmal ergriff, wenn er den Laudivirt ne 
ben der jungen Frau erblickte. Eine halbe Stunde war 
bereits verstrichen, seit dar helle Gewand nicht mehr
	        
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