■ •: U Şşşşşà'
Frage. Es stehet geschrieben: „Suchet, so
werdet Ihr finden."
Wenn Herr Fritz Friedmann seiner
Sache so gewiß war, wie er jetzt thut,
weshalb nannte er denn den Namen der
Schuldigen nicht der Staatsanwaltschaft?
Weshalb verschweigt er ihn noch heute?
Oder sollte er ihn trotz alledem selbst nicht
wissen ? Eben jetzt wird von der „Rigaischen
Rundschau" eine Mittheilung eines gelegent
lichen Berichterstatters veröffentlicht, die
sich mit der bei H. Riesel in Hagen er
schienenen Schrift „Die anonymen Briefe
der Hofgesellschaft" von L. Strahl beschäftigt.
Der Gewährsmann des Rigaer Blattes
ergänzt die Ausführungen noch in einigen
Punkten. Er führt aus:
„Es ist in der Berliner Gesellschaft und
in Anwaltskreisen seit Langem ein offenes
Geheimniß, daß die Familie v. Kotze und
die ihr nahestehenden Kreise einen ganz
bestimmten Verdacht, oder vielmehr die
feste Ueberzeugung hegen, die richtigen
Thäter zu kennen. Sie würden dieselben
mit einem weniger gewissenlosen Rechts
anwalt als Herr Fritz Friedmann es war,
auch ohne Zweifel überführt haben, und
sie sind, wie wir wissen, noch heute fest
entschlossen, das Ziel zu erreichen, obwohl
ihnen anscheinend Polizei wie Staats-
anwaltschaft ihren Beistand dazu vorläufig
noch verweigern . . . Die anonymen
Schreiber sind zwei, ein Mann und
eine Frau, und zwar seine Frau. Der
Mann ist ein alter „Hofmann". Das heißt
ein Mann, der seit seiner Geburt in fürst
lichen Kreisen gelebt hat, der das Vertrauen
zahlreicher Fürstlichkeiten und hoher Militärs
genießt. Seiner Geburt — er ist nicht vom
Adel — und seinem Beruf nach gehört er
nicht zu der Hofgesellschaft, wohl aber de
facto, durch seine privaten, aber außer
ordentlich ausgebreiteten Beziehungen. Es
ist dies eine Person „mit einer Ver-
gangenhei t", und gerade diese „Ver
gangenheit", welche eine stattliche Reihe
von Jahren zurückliegt, hat sie in die hohen
Kreise hineingeführt. „Sie" ist einer jener
gemeingefährlichen Frauencharaktere, die
Böses thun, um den wollüstigen Kitzel der
geheimen furchtbaren Macht, die sie aus
üben, zu empfinden, sich an den Qualen
ihrer Opfer zu weiden, unter dem Einfluß
rein weiblicher Leidenschaft, einer bis an
Geisteskrankheit grenzenden Eifersucht.
Eine Eifersucht, wie sie die alt wer
dende Frau mit der Vergangenheit
gegenüber der Jugend, der Schönheit und
der Sittenreinheit, — und echt weiblich,
der Ueberlegenheit in irgend einem Sport,
auf den sich die Eifersüchtige selbst person
lich viel einbildet, empfindet. Hier ist der
Hinweis darauf, daß die Gräfin Hohenau,
welche die Zielscheibe der meisten anonymen
Briefe war, eine exzellente Reiterin ist,
von einer Deutlichkeit, die unschwer üer
rathen läßt, wo der Verfasser der Broschüre
die anonyme Schreiberin sucht.
Augenblicklich befindet sich der 3ere
monienmeister auf der Festung Glatz, sein
Vetter, Dietrich von Kotze, in Magdeburg.
Wenn beide ihre Freiheitsstrafen verbüßt
haben werden, so haben wir den zweiten
Theil des „Falls Kotze" zu erwar
te», den zweiten Akt dieses Drama höfischer
Kabale. Sein Inhalt wird der Feldzug
der Kvtze's gegen alle die sein, welche den
Zeremonienmeister nur für „nicht schuldig",
aber nicht für unschuldig gelten lassen
wollen. Ob die Lösung dieses Aktes unter
Pistolenduell oder durch ein kaiserliches
Machtwort erfolgen wird, muß die Zukunft
lehren. Aber dann kommt der Schlußakt, die
Suche nach den wahren Schuldigen heran.
Merkwürdig, daß in einem so wohlgeordneten
Rechtsstaate, wie unser Preußen es doch
Gott sei Dank ist, öffentlich eine so genaue
Personalbeschreibung gesuchter Verbrecher
gegeben werden kann, daß jedes Kind,
möchte man sagen, der Berliner Gesellschaft
die Namen sofort erräth, ohne daß der
Staatsanwalt die Feder rührt, ja, ohne daß
der doch sonst so schnell verlautbarte Ruf
nach dem Staatsanwalt ertönt."
Mrrsland.
England.
London, 29. Juli. „Daily News" er-
fahren, daß die Veränderung der Politik
der russischen Regierung gegen den Sultan
durch officielle Documente verursacht sei,
welche durch die vereinten Anstrengungen
der Verwandten in London, Kopenhagen
und Athen in die Hände des Zaren gelangt
eien. Gladstone, der Herzog von Argyll
und der Herzog von Westminster hätten
ihren ganzen Einfluß für die Christen in
der Türkei geltend gemacht. Die Reise
des Zaren nach Wien und Berlin hänge
mit der veränderten Haltung Rußlands
gegen die Türkei zusammen.
London, 29. Juli. Jameson und seine
Mitverurtheilten verzichteten aus die Ein
legung der Revision. Sie wurden in
Droschken in's Holloway-Gefängniß über
geführt, wo sie wie die gewöhnlichen Ge
gangenen behandelt werden. Bei der
Ueberführung brachte die zahlreich ver
sammelte Volksmenge den Verurtheilten
eine Ovation.
London, 29. Juli. Das Urtheil im
Ja meson-Prozeß wird hier allgemein als
gerecht bezeichnet,- wennschon man für
Jameson selbst eine höhere Strafe erwartet
hatte. Man nimmt an, daß voraussichtlich
kein Einziger der Verurtheilten seine
Strafe abbüßen wird. In juristischen
Kreisen geht das Gerücht um, Präsident
Krüger werde intervcniren. ZweiParlaments-
mitglieder sollen sich bereits an den Präsi
denten Krüger mit dem Ersuchen gewendet
haben, er möge für die Verurtheilten bei
der englischen Regierung Fürsprache ein
legen.
London, 28. Juli. Das Belfaster Schiff
„Dundonald", welches sich auf der Fahrt
von San Francisco nach Hull befand, lies
am Donnerstag in furchtbar beschädigtem
Zustande in Queenstown ein. Es war
auf der Reise mit dem Liverpooler Red
Groß-Dampfer „Santareuse" zusammen
gestoßen. Die „Santareuse" ging zwölf
Stungen nach der Kollision unter. Der
„Dundonald" hatte den Kapitän Murray
und 46 Mann von der Besatzung der
„Santareuse" an Bord. 4 andere See
leute und 47 Fahrgäste wurden auf die
nach Para segelnde norwegische Barke
„Hirotha" hinübergesetzt. Die „Santareuse"
befand sich auf der Fahrt von Liverpool
nach Para. Der „Dundonald" traf das
Schiff mitten in der Breitseite. Als der
„Dundonald" in Queenstown ankam, war
der Vorderraum voll Wasser, er hatte
weder Vorder- noch Hauptmast.
Rußland
Petersburg, 29. Juli. Der gemischte
Zug, der sich aus Jwangorod nach Kielce
unterwegs befand, stieß auf der Weichem
stelle Lonczno um 2 Uhr Nachts auf einen
von entgegengesetzter Richtung kommenden
Güterzug. Der Zusammenstoß war ein
so heftiger, daß die gegen einander mit
vollem Dampf gefahrenen Locomotiven
sich austhürmten und die beiden Tender
vollständig zertrümmerten. Fünf Pcrsonen-
und 15 Güterwagen wurden zerschmettert.
Die Passagiere lagen größtentheils im
tiefsten Schlaf, aus welchem sie durch den
entsetzlichen Zusammenstoß geweckt wurden.
Ein Schreien und Wimmern erfüllte die
nächtliche Stille, in welches sich das
Zischen des aus den Locomotiven ent-
strömenden Dampfes mischte. Der Ort
der Katastrophe bot einen entsetzlichen
Anblick dar. Aus den zertrümmerten
Waggons wurden die Passagiere hervor
geholt, fünf hatten lebensgefährliche Ver
letzungen davongetragen. Elf von den in
beiden Zügen befindlichen Bahnbediensteten
wurden gleichfalls schwer verwundet.
Spanien.
Madrid, 29. Juli. Der Marineminister
erklärte auf Befragen, er hoffe, daß die
Frage der italienischen Kreuzer ihre Er-
ledigung finden werde. Man könne sie
erwerben, obgleich eine andere Macht
höhere Preise geboten hatte.
Italien.
Rom, 29. Juli. Im gestrigen Minister
rathe konstatirte beim Bericht über die Lage
im Orient der Minister des Aeußern,
Visconti Venosta, daß zwischen dem Drei
bunde und der zroßbritannischen Regierung
völliges Einvernehmen herrsche.
Rom, 29. Juli. Die von den Abessiniern
freigelassenen italienischen Gesänge-
nen traten Dienstag Vormittag die Heim
reise auf einem italienischen Dampfer an.
Inland.
— Die Bekanntmachung des Erlasses
des Kriegsministeriums über die Abwehr
der socialdemokratischen Machen
schaften von der Armee hat für die
Civil-Bevölkerung noch insofern eine weit-
tragende Bedeutung, als nach dem gelten
den Recht mit Gefängniß bis zu zwei
Jahren bestraft wird, wer eine Person
des Soldatenstandes auffordert oder an
zeigt, einem Befehle der Vorgesetzten nicht
Gehorsam zu leisten. Die „Nat.-Lib.-Corr."
bemerkt dazu: „Bisher war es, wie ja
auch die Verhandlungen über den § 112
der vorjährigen „Umsturzvorlage" ergeben
haben, in vielen Fällen nicht möglich, der
socialdemokratischen Propaganda im Heere
wirksam auf Grund des Strafgesetzbuches
entgegenzutreten, weil es nicht Nachweis
bar war, daß eine Aufforderung vorlag,
welche den Ungehorsam gegen einen be'
stimmten „Dienstbefehl" zum Gegenstände
hatte. Schon in der Begründung zu der
genannten Vorlage hieß es: „Es sind
zahlreiche Fälle denkbar, in denen ein be
stimmter Dienstbefehl, der nach der Ab
sicht des Thäters übertreten werden soll,
sich nicht nachweisen läßt. Dahin können
beispielsweise gehören das Niederlegen
von socialdemokratischen Flugschriften in
Kasernen, in militärischen Etablissements,
auf Wersten oder Schiffen, oder die Ein
führung von Soldaten in geschlossene Ge
sellschaften, die socialdemokratischen Bo
strebungen gewidmet sind." Der jetzt pu
blicirte Erlaß des Kriegsministers gilt
zweifellos als „Dienstbefehl" für die go
sammte Armee. Jede Aufforderung zu
einer Verletzung der darin enthaltenen
Vorschriften findet demnach in Zukunft
nach dem § 112 des Reichsstrafgesetzbuchs
Ahndung. Es wird demnach möglich sein
jeden zur Rechenschaft und Bestrafung zu
ziehen, der den Versuch macht, einen?Sob
daten zur Theilnahme an socialdemo
kratischen Versammlungen, offenen oder
geschloffenen, zu bewegen, der einen Sol
daten auffordert, die socialdemokratische
Propaganda im Heere zu betreiben oder
die Verbreitung socialdemokratischer Schrif-
ten zu unternehmen. Auf den Inhalt der
Schriften kommt es dabei nicht an; es
genügt, daß sie socialdemokratischen Ur
sprungs sind. Es ist klar, daß auf Grund
dieses Erlasses der socialdemokratischen
Propaganda im Heere kräftiger entgegen
getreten werden kann, als bisher."
— Ueber die deutsche See- und Küsten
fischerei im Jahre 1894/95 bringen die
„Mittheilungen des deutschen Seefischerei
vereins" einen eingehenden Bericht, dem
wir folgende Angaben entnehmen: „Die
Verlustliste des Jahres 1894 bezeichnet in
der Geschichte unserer nationalen See
fischerei ein düsteres Blatt. Allen voran
steht das schwere Unglück, das in den
letzen Tagen des Jahres über unsere
Nordsee-Fischerflotte hereinbrach. Dem
orkanartigen Sturm, der am 23. December
an einzelnen Stellen der Nordsee in
Windstärken von außerordentlicher Höhe
getobt hat, sind sechs Fischdampfer von
der Weser, einer von der Elbe und zwei
Kutter aus Finkenwärder mit ihrer ge-
ammten Bemannung zum Opfer gefallen.
Von dem Widerhall, welchen dies traurige
Ereigniß in Deutschland und weit über
dessen Grenzen hinaus gefunden hat, legt
das Ergebniß der von Geestemünde, von
Hamburg-Altona und dem deutschen See-
äschereiverein ins Werk gesetzten Samm
lung ein ehrenvolles Zeugniß ab. Die
öffentliche Mildthätigkeit für die Hinter-
bliebenen der bei diesem Sturm ums
Leben gekommenen Seefischer, auf welche
die Wohlthaten der Unfallversicherungs
gesetzgebung noch nicht ausgedehnt sind,
ist in einer Weise eingetreten, daß aus den
Sammlungsergebnissen entweder durch ein
malige oder laufende Zuwendungen eine
Versorgung etwa in Höhe der Unfallrenh
möglich geworden ist. Aber auch von
diesem Massenunglück abgesehen, hat es
an Unfällen nicht gefehlt, bei welchen aber
den Hinterbliebenen eine gleiche oder auch
nur ähnliche, den Verlust des Ernährers
immerhin erleichternde Wohlthat nicht ge
währt werden könne. Man hatte sich
daran gewöhnt, die als hervorragend see
tüchtig bekannten Fischdampfer jedem Um
wetter gegenüber als seetüchtig zu be
trachten. Dieses Sicherheitsgefühl hat
durch die Kathastrophe vom 23. December
1894, der mit einem Schlage 7 deutsche
Fischdamdser unterlagen, einen Stoß er
litten. Die Bersicher»ngsgesellschaften, die
bis dahin für Fischdampfer immer mäßige
Schadenzahlungen zu leisten hatten, sind
durch dieses Ereigniß so mißtrauisch ge
worden, daß sie ihre Prämienforderungen
beträchtlich erhöht haben.
— Eine bemerkenswerthe Entscheidung
über die Ausstellung der Waaren während
der Sonntagsruhe ist seitens des
Kammergerichts gefällt worden. Ein
Photograph P. war beschuldigt worden,
gegen eine jener zahlreichen Verordnungen
sich vergangen zu haben, welche das Aus
stellen von Waaren zur Zeit des Haupt
gottesdienstes in Schaufenstern untersagen.
P. erklärte, er habe zwar in Schaukästen
Reklame-Photographien ausgehängt, doch
seien letztere unverkäuflich und mithin auch
keine Waaren, ebensowenig wie Schaukästen
zu den Schaufenstern gehörten. Die Straf
gerichte verurtheilten jedoch den Photo
graphen zu einer Geldstrafe, weil auch
nicht verkäufliche Photographien zu den
Waaren zu rechnen seien, auch gehörten
Schaukästen zu den Schaufenstern. Als
dann legte P. Revision beim Kammerge
richt ein, um die Sache endgilļig zum
Austrag zu bringen. Das Kammergericht
erkannte jetzt aufZurückweisung der Revision,
indem der Strafsenat annahm, der Begriff
„Waaren" sei vom Vorderrichter nicht
verkannt, hierzu gehörten auch Muster-
stücke, welche nur zu Reclamezwecken ver
wendet würden.
Ueber die Entweichung eines Sträflings
aus dem Festungsgefängniß in Sp-ndau
wird berichtet: Der Sträfling war mit
anderen Gefangenen zum Reinmachen in
das Wohngebäude der zur Wache cowman-
dirten Avancirten befohlen. Hier fand er
Gelegenheit, sich unbemerkt die Uniform
eines Sergeanten des Elisabeth-Regiments
anzueignen. Damit bekleidet, passirte er
ungehindert das nach der Straße führende
Thor. Erst eine Stunde später wurde er
vermißt. Sofort nahmen dann zehn be
rittene Trainsoldaten seine Verfolgung in
der Richtung nach Potsdam zu auf. Auf
dem Wege dorthin war der Flüchtling von
verschiedenen Personen bemerkt worden.
Er hat, wie die Verfolger erfuhren, im
Gasthof zu Fahrland zu Mittag gegeffen
und angegeben, daß er sich auf der Ver
folgung eines Deserteurs befände. Obwohl
am Abend noch eine weitere Anzahl Train-
oldaten zu seiner Verfolgung ausgesandt
wurde, ist er bisher noch nicht ergriffen
worden. Der Flüchtling, ein Infanterist
aus Lübeck, hat schon ein abenteuerliches
Leben hinter sich. Er ist bereits viermal
desertirt. Vier Jahre war er in Holland
als fahnenflüchtiger Soldat. Er hatte noch
eine längere Strafe zu verbüßen.
Wegen nächtlicher Ruhestörung
sollen in Friedenau nach besonoerer An
weisung des dortigen Amtsvorstehers an
die Nachtwächter hinfort alle Personen be-
langt werden, die Abends nach 11 Uhr
bei offenen Fenstern Klavier spielen oder
singen.
Schweidnitz, 28. Juli. In der ver
gangenen Nacht gerieth während eines
furchtbaren Gewitters eine dem Ritterguts
besitzer Dr. Barschewitz in Schmellwitz ge
hörige Scheune in Brand. 150 Mastschafe
undwerthvollelandwirthschaftlicheMaschinen
verbrannten. Auch sonst laufen zahlreiche
Meldungen über Blitzschäden ein.
Die „Bresl. Morg.-Ztg." erzählt von
einem Breslauer Artillerie - Unteroffizier
eine kleine Geschichte, die eine köstliche
Satire auf den D u e l l u n f u g bildet:
Ein Radfahrer gerieth aus dem Bürger
werder ohne Absicht mit dem Rock des
Unteroffiziers in Berührung. Der Mann
sprang vom Rade, ehe er aber noch ein
Wort der Entschuldigung sagen konnte,
zog der Unteroffizier blank. Der Radfahrer
aber ließ sich nicht verblüffen; er erklärte,
daß er die Carambolage doch nicht absicht
lich herbeigeführt habe und einige entschul
digende Worte wohl zur Beilegung der
Angelegenheit genügen dürsten. Andernfalls
sei er gern bereit, dem Herrn Unteroffizier
seinen Namen zu nennen. Dieser aber maß
den „Civilisten" verächtlich vom Kopf bis
zu den Füßen und that den klassischen
Ausspruch: „Sie sind mir überhaupt nicht
satisfaktionsfähig!" — Wenn er nun aber
in den Augen des Unteroffiziers „satis
faktionsfähig" gewesen wäre — was dann?
Stettin, 29. Juli. Bezüglich des hier
wegen Veruntreuung von 35 000 Mark
Kirchengelder in Untersuchungshaft befind
lichen Pastors Rauh aus Cladow
schreibt die „Ostsee-Ztg.": Rauh verbrachte
sehr viel Zeit auf Reisen. Oft kam er
erst in der Frühe des Sonntags von einer
Im Manne dunkler Gewalten.
Roman von Elf rie d v. Hohenstein. 19
Endlich verwandelte sich die erwartungsvolle Stille
in ein allgemeines Stimmengewirr. Die gleichsam an
und um den Spieltisch gebannte Menge wogt wieder
durcheinander und teilte sich in Gruppen. Hier ver
ließ jemand, schwankend wie ein -Berauschter, die
Stätte, an der er sein Hab und Gut eingebüßt, dort
zählte ein anderer lächelnd die reiche Beute. Die Crou
piers und Bediensteten waren einstweilen von ihrem an
strengenden Dienst befreit. Alles strömte in's Freie.
Auch Waldenburg hatte, sich vergeblich nach den
Fremden umsehend, seinen ziemlich beträchtlichen Ge
winn zusammengerafft und trat nun mit Rosa in den
Park hinaus. Sie atmete wie befreit auf, als ihr er
quickende Frische entgegenwehte und ein sanfter Wind
hauch ihre Wangen fächelte.
„Ich möchte nicht mehr dorthin zurückkehren," sagte
sie, auf die nun geschlossenen Säle deutend. „Dieses
Monaco ist Paradies und Hölle zugleich."
„So liebe ick es! Da fühle ich, daß ich kein ausge
brannter Vesuv bin, daß ich niich noch init ganzer, über
mächtiger Leidenschaft eineni Eindruck hinzugeben ver
mag. DaS ist viel wert für einen Künstler. Das giebt
geistige Elasticität, Schwung und Phantasie.—Uebri-
genS, freust Du Dich nicht meines Glückes? Die ge
ringe Saat hat reiche Ernte gebracht."
„Du standest aber auf dem Punkte, alles zu ver
lieren"
„Allerdings; allein es ist nicht geschehen. Und ge
rade in diesem Wagen des letzten, in dieseni fiebcrischen
Erwarten der nahen Entscheidung, in dieser Heraus
forderung des Schicksals liegt der Hauplreiz. Das war
ein mit Zorn und Erbitterung gemischter Genuß, ähn
lich dem, wenn man ein wildes, widerspenstiges Roß
bändigt oder ein Raubtier zu gehorchen zwingt. —
Aber Du siehst abgespannt aus. Ich begreife das. Die
Hitze, der ungewohnte Anblick, das lange Warten muß
ten Dich ermüden." sagte er besorgt und fuhr mit scher
zendem Ton fort: „Ich habe Deine Geduld auf eine
recht harte Probe gestellt. Es war rücksichtslos. Doch
nun will ich es auch wieder gut machen. Wünsche Dir et
was, meine Rosa. Du kannst jetzt alles von mir ver
langen, was Du willst."
„Wirklich?" fragte sie, und ihr schwermütiges
Lächeln verwandelte sich in ein schalkhaftes.
„Ganz gewiß! Wähle nur. Möchtest Du ein Arm
band oder einen Ring?"
„Nein."
„Eine neue Toilette?"
„Nichts von dem allen! Aber einen andern Wünsch
hege ich. Versprichst Du mir, ihn zu erfüllen?"
„Ich gebe Dir niein Wort darauf."
„Nun denn, bitte, laß uns morgen abreisen!"
„Ztvischen Alberts Brauen erschien eine tiefe Falte.
Er konnte sein Mißvergnügen nicht verbergen, und als
Rosa eS bemerkte, wurde sie wieder still und traurig,
und eS mochten wohl zehn Minuten vergehen, ehe sie
schüchtern und schmeichelnd flüsterte : „Es ist geiviß recht
kindlich, recht thöricht von mir, aber ich habe Angst vor
etwas, das ich nicht nennen kann. Man hat zuweilen
so ein Vorgefühl, und deshalb meine ich — freilich
ganz ohne bestimmten Grund — daß wir fort sollten
von hier. — Doch sei mir nicht böse! Ich sage es nur,
weil ich Dir überhaupt nichts verbergen kaun und will.
Wenn Du vorziehst, länger zn weilen, so ..."
„Nein, nein," erwiderte Waldenburg, der eine An
wandlung übler Laune zu überwinde« strebte und den
feinen Arm seiner Frau zärtlich an sich drückte: „Wenn
mein weißes Täubchen fortflattern will, so bleibt mir
nichts anders übrig, als auch die Flügel auszubreiten.
Also genug für dieses Mal! Aber künftig werde ich
etwas vorsichtiger sein, ivasBersprechnngen anbelangt."
Es klang doch wieder ein mühsam verhaltener
Aerger durch diese letztenWorte. Albert fühlte das selbst,
und um keine unangenehme Stimmung anskomnien zu
lassen, fuhr er mit ungezwungener Heiterkeit fort: „Der
Abend ist wunderbar schön ; es wäre eine Sünde, ihn
zwischen vier Wänden zn verleben. Wir wollen imFreien
speisen. Das wird uns beide ans andere Gedanken brin
gen und Deine Wangen tvieder rosig färben."
Er führte sie durch die lachende und plaudernde
Menge hindurch, doch nirgends war ein ruhiges Plätz
chen zu finden. Alles schien überfüllt.
„Ich glaube in unserm Zimmer, am geöffneten Fen
ster, würde es angenehmer sein. Wir können ja auch von
dort das ganze herrliche Panorama überblicken," meinte
die junge Frau. Allein dieser Vorschlag gefiel Walden
burg nicht. Gerade jetzt mußte ihn das volle Leben um
fluten, mußte er das Knallen der Champagnerpfropfen,
das Rauschen seidener Schleppen, das Klirren der Spo
ren hören. Aufmerksam spähte er umher und entdeckte
endlich einen Tisch, der inmitten eines von Myrthen und
Lorbeerbäumen gebildeten Bosquets stand. Das Mahl
wurde bestellt und gebracht. Albert füllte die Gläser
und sprach viel und eifrig. Noch ganz unter dem Banne
der Erregung und Nervenanspannung stehend, war es
ihm Bedürfnis, eine geist- und witzsprühcnde Unterhalt
ung zu führen. Doch Rosa konnte ihre unbefangene
Munterkeit nicht wiederfinden, sie blieb still und träu
merisch.
Plötzlich unterbrach sich Waldenburg mitten in einem
angefangenen Satz und wiederholte wie geistesabwe
send die letzten Worte. Er hatte die drei Fremden er
blickt. Der alte Herr suchte jedenfalls auch nach einem
freien Tisch und näherte sich nun dem Bosquet. Die
jüngere der beiden Damen sagte etwas zu ihm. Sie er
hob vermutlich Eintvenduugen, er schüttelte aber unge
duldig den von dickem grauem Haar umtvallten Kopf,
stand im nächsten Moment vor dem jungen Ehepaar und
fragte: „Ist es erlaubt, daß wir hier Platz nehmen?"
„Diese Stühle sind frei," erwiderte Albert. Die,
Schönheit des Mädchens überraschte ihn jetzt fast noch
mehr als im Spielsaal. Dieses herrliche, kaum zu bän
digende, blauschwarzc Haar, von deni sich einige glän
zende Locken gelöst hatten, der gelblich angehauchte
Teint des tadellos geformten Antlitzes, aus dein unter
starken, kühngeschwungenen Brauen düstere Augen
flammten, die nervös zitternden Nasenflügel'erinnerten
an die Frauen Spaniens. Nur die Lebhaftigkeit der
Südländerinnen schien zu fehlen. Oder war es Trotz,
Eigensinn, Stolz, daß sie sich zurücklehnte und inSchwei-
gen verharrte, während ihr Gefährte ungenierter, in
etwas lauter Weise ein Gespräch mit der älteren Dame
führte ? Eigentümlich« Starrheit hatte sich über ihre
Züge verbreitet, gleichsam, als wäre sie zu sehr mit Ge
danken beschäftigt, um auf Außendinge achten zu kön
nen, oder als scheine ihr ihre Umgebung nicht des Be-
achtens wert.
Das Kleid, welches in weichem, malerischem Fal
tenwurf die junonische Gestalt umfloß, streifte Wal
denburg, und der dem leise knisternden Stoff entströ
mende Dust hatte, so zart er war, etwas Berauschendes.
Er mahnte an blühende Magnolien, und man dachte
unwillkürlich an Mandolinenklänge und spanische Früh-
lingsnächtc. Rosa betrachtete die Fremde mit scheuer
Bewunderung und zürnte sich dabei selbst, daß sie, die
sonst doch gar nichts von Nervenverstimmimgen wußte,
nun mit einem Male an thörichter Einbildung litt,
denn eben jetzt war ihr wieder zu Mute, als kündige
der lodernde Blick des Mädchens ein nahendes Un
heil au. A
Die Fremden mußten schon länger hier weilen and
nicht mehr ganz unbekannt sein. Jemand begrüßte de«
alten Herrn, wechselte im Vorübergeben einige Worte
mit ihm und nannte ihn Herr Norton. Sie sprachen von
Neu-York. Also ein Yankee! Das hatte Waldenburg
eigentlich auch vermutet.
„Das Glück war Ihnen heute auffallend hold, mein
Herr," wandte sich der Amerikaner jetzt an ihn.
,^Jch bemerkte meinerseits mit Bedauern Ihre recht
empfindlichen Verluste und wünsche, daß Sie morgen
dafür entschädigt werden," sagte Albert.
„Verluste? Ja, aber empfindliche nicht," lautete die
lackende Entgegnung. „Was Ihren freundlichenWunsch
anbetrifft, so danke ich bestens, habe aber nicht vor,
niich nochmals dcuHerrenCroupiers gegenüber zu setzen,
und hätte es auch wohl heute unterlassen, hegte ich nicht
die Ansicht, daß der Meusck soviel wie möglich alles aus
eigener Anschauung kennen lernen soll, wäre es onch
nur, um einen gehörigen Wider,villeu vor manchen Di«-!
gen zu bekvmnien." 43,16* -
fünf-
wenige
stehen.
Geldsch
geschaff
Duplie
in Ems
dann a
den Ki:
Ergebn
eigenen
wenig
der Ab
beizulex
Einkam
erübrig
zu seim
Zu dies
Loose i
allen n
Hunder
bezahlet
dienten,
zu der
Dre
gefahr
rettet
kaufmai
einer d
lunge
deren §
unkundi
innen g
gingen,
kontrole
eilte so
wurde r
unter B
Noth sp
Alle bn
Troplob
Mals ur
strengun
sich mit
Wasser
vpfermu
Aufregu,
Der
wie beri
losgeriss
chensSci
Frank
Ober- u
Wetter <
und an
anrichtet
Straßbu
Neubau.
Der
im vorig
ersatzwa!
Haltung
versamm
auch ber
Zweck ü
Meister i
und Kor
den Sch
er hatte
in diese
Der Re,
halb in
Die Bes
dom Obe
Entscheid
dermal
gewiese
Leipzi
Tagebl."
des sch
Brauerei
vor Str
Kassel,
Weißens,
2000 M
erfordert
— Es t
demokrat
ihrer Ir
Münd
bericht d
für Obei
werthe '
Spiritus
sich als I
weite e
glühlicht
bisher r
wenig b
Es sei h
ökonomis
hinzuwei
brauch i
zwecke er
Landwirt
während
Millione:
Wicsb
Kanonen!
Offizier
v. Holbai
Wittwe i
Papen
aus Sow
di« cheni
mann &
äschert,
die Her
stimmten
mit solck
Nachsicht,
welche er
Meisters
snachi w