Full text: Newspaper volume (1896, Bd. 2)

■ •: U Şşşşşà' 
Frage. Es stehet geschrieben: „Suchet, so 
werdet Ihr finden." 
Wenn Herr Fritz Friedmann seiner 
Sache so gewiß war, wie er jetzt thut, 
weshalb nannte er denn den Namen der 
Schuldigen nicht der Staatsanwaltschaft? 
Weshalb verschweigt er ihn noch heute? 
Oder sollte er ihn trotz alledem selbst nicht 
wissen ? Eben jetzt wird von der „Rigaischen 
Rundschau" eine Mittheilung eines gelegent 
lichen Berichterstatters veröffentlicht, die 
sich mit der bei H. Riesel in Hagen er 
schienenen Schrift „Die anonymen Briefe 
der Hofgesellschaft" von L. Strahl beschäftigt. 
Der Gewährsmann des Rigaer Blattes 
ergänzt die Ausführungen noch in einigen 
Punkten. Er führt aus: 
„Es ist in der Berliner Gesellschaft und 
in Anwaltskreisen seit Langem ein offenes 
Geheimniß, daß die Familie v. Kotze und 
die ihr nahestehenden Kreise einen ganz 
bestimmten Verdacht, oder vielmehr die 
feste Ueberzeugung hegen, die richtigen 
Thäter zu kennen. Sie würden dieselben 
mit einem weniger gewissenlosen Rechts 
anwalt als Herr Fritz Friedmann es war, 
auch ohne Zweifel überführt haben, und 
sie sind, wie wir wissen, noch heute fest 
entschlossen, das Ziel zu erreichen, obwohl 
ihnen anscheinend Polizei wie Staats- 
anwaltschaft ihren Beistand dazu vorläufig 
noch verweigern . . . Die anonymen 
Schreiber sind zwei, ein Mann und 
eine Frau, und zwar seine Frau. Der 
Mann ist ein alter „Hofmann". Das heißt 
ein Mann, der seit seiner Geburt in fürst 
lichen Kreisen gelebt hat, der das Vertrauen 
zahlreicher Fürstlichkeiten und hoher Militärs 
genießt. Seiner Geburt — er ist nicht vom 
Adel — und seinem Beruf nach gehört er 
nicht zu der Hofgesellschaft, wohl aber de 
facto, durch seine privaten, aber außer 
ordentlich ausgebreiteten Beziehungen. Es 
ist dies eine Person „mit einer Ver- 
gangenhei t", und gerade diese „Ver 
gangenheit", welche eine stattliche Reihe 
von Jahren zurückliegt, hat sie in die hohen 
Kreise hineingeführt. „Sie" ist einer jener 
gemeingefährlichen Frauencharaktere, die 
Böses thun, um den wollüstigen Kitzel der 
geheimen furchtbaren Macht, die sie aus 
üben, zu empfinden, sich an den Qualen 
ihrer Opfer zu weiden, unter dem Einfluß 
rein weiblicher Leidenschaft, einer bis an 
Geisteskrankheit grenzenden Eifersucht. 
Eine Eifersucht, wie sie die alt wer 
dende Frau mit der Vergangenheit 
gegenüber der Jugend, der Schönheit und 
der Sittenreinheit, — und echt weiblich, 
der Ueberlegenheit in irgend einem Sport, 
auf den sich die Eifersüchtige selbst person 
lich viel einbildet, empfindet. Hier ist der 
Hinweis darauf, daß die Gräfin Hohenau, 
welche die Zielscheibe der meisten anonymen 
Briefe war, eine exzellente Reiterin ist, 
von einer Deutlichkeit, die unschwer üer 
rathen läßt, wo der Verfasser der Broschüre 
die anonyme Schreiberin sucht. 
Augenblicklich befindet sich der 3ere 
monienmeister auf der Festung Glatz, sein 
Vetter, Dietrich von Kotze, in Magdeburg. 
Wenn beide ihre Freiheitsstrafen verbüßt 
haben werden, so haben wir den zweiten 
Theil des „Falls Kotze" zu erwar 
te», den zweiten Akt dieses Drama höfischer 
Kabale. Sein Inhalt wird der Feldzug 
der Kvtze's gegen alle die sein, welche den 
Zeremonienmeister nur für „nicht schuldig", 
aber nicht für unschuldig gelten lassen 
wollen. Ob die Lösung dieses Aktes unter 
Pistolenduell oder durch ein kaiserliches 
Machtwort erfolgen wird, muß die Zukunft 
lehren. Aber dann kommt der Schlußakt, die 
Suche nach den wahren Schuldigen heran. 
Merkwürdig, daß in einem so wohlgeordneten 
Rechtsstaate, wie unser Preußen es doch 
Gott sei Dank ist, öffentlich eine so genaue 
Personalbeschreibung gesuchter Verbrecher 
gegeben werden kann, daß jedes Kind, 
möchte man sagen, der Berliner Gesellschaft 
die Namen sofort erräth, ohne daß der 
Staatsanwalt die Feder rührt, ja, ohne daß 
der doch sonst so schnell verlautbarte Ruf 
nach dem Staatsanwalt ertönt." 
Mrrsland. 
England. 
London, 29. Juli. „Daily News" er- 
fahren, daß die Veränderung der Politik 
der russischen Regierung gegen den Sultan 
durch officielle Documente verursacht sei, 
welche durch die vereinten Anstrengungen 
der Verwandten in London, Kopenhagen 
und Athen in die Hände des Zaren gelangt 
eien. Gladstone, der Herzog von Argyll 
und der Herzog von Westminster hätten 
ihren ganzen Einfluß für die Christen in 
der Türkei geltend gemacht. Die Reise 
des Zaren nach Wien und Berlin hänge 
mit der veränderten Haltung Rußlands 
gegen die Türkei zusammen. 
London, 29. Juli. Jameson und seine 
Mitverurtheilten verzichteten aus die Ein 
legung der Revision. Sie wurden in 
Droschken in's Holloway-Gefängniß über 
geführt, wo sie wie die gewöhnlichen Ge 
gangenen behandelt werden. Bei der 
Ueberführung brachte die zahlreich ver 
sammelte Volksmenge den Verurtheilten 
eine Ovation. 
London, 29. Juli. Das Urtheil im 
Ja meson-Prozeß wird hier allgemein als 
gerecht bezeichnet,- wennschon man für 
Jameson selbst eine höhere Strafe erwartet 
hatte. Man nimmt an, daß voraussichtlich 
kein Einziger der Verurtheilten seine 
Strafe abbüßen wird. In juristischen 
Kreisen geht das Gerücht um, Präsident 
Krüger werde intervcniren. ZweiParlaments- 
mitglieder sollen sich bereits an den Präsi 
denten Krüger mit dem Ersuchen gewendet 
haben, er möge für die Verurtheilten bei 
der englischen Regierung Fürsprache ein 
legen. 
London, 28. Juli. Das Belfaster Schiff 
„Dundonald", welches sich auf der Fahrt 
von San Francisco nach Hull befand, lies 
am Donnerstag in furchtbar beschädigtem 
Zustande in Queenstown ein. Es war 
auf der Reise mit dem Liverpooler Red 
Groß-Dampfer „Santareuse" zusammen 
gestoßen. Die „Santareuse" ging zwölf 
Stungen nach der Kollision unter. Der 
„Dundonald" hatte den Kapitän Murray 
und 46 Mann von der Besatzung der 
„Santareuse" an Bord. 4 andere See 
leute und 47 Fahrgäste wurden auf die 
nach Para segelnde norwegische Barke 
„Hirotha" hinübergesetzt. Die „Santareuse" 
befand sich auf der Fahrt von Liverpool 
nach Para. Der „Dundonald" traf das 
Schiff mitten in der Breitseite. Als der 
„Dundonald" in Queenstown ankam, war 
der Vorderraum voll Wasser, er hatte 
weder Vorder- noch Hauptmast. 
Rußland 
Petersburg, 29. Juli. Der gemischte 
Zug, der sich aus Jwangorod nach Kielce 
unterwegs befand, stieß auf der Weichem 
stelle Lonczno um 2 Uhr Nachts auf einen 
von entgegengesetzter Richtung kommenden 
Güterzug. Der Zusammenstoß war ein 
so heftiger, daß die gegen einander mit 
vollem Dampf gefahrenen Locomotiven 
sich austhürmten und die beiden Tender 
vollständig zertrümmerten. Fünf Pcrsonen- 
und 15 Güterwagen wurden zerschmettert. 
Die Passagiere lagen größtentheils im 
tiefsten Schlaf, aus welchem sie durch den 
entsetzlichen Zusammenstoß geweckt wurden. 
Ein Schreien und Wimmern erfüllte die 
nächtliche Stille, in welches sich das 
Zischen des aus den Locomotiven ent- 
strömenden Dampfes mischte. Der Ort 
der Katastrophe bot einen entsetzlichen 
Anblick dar. Aus den zertrümmerten 
Waggons wurden die Passagiere hervor 
geholt, fünf hatten lebensgefährliche Ver 
letzungen davongetragen. Elf von den in 
beiden Zügen befindlichen Bahnbediensteten 
wurden gleichfalls schwer verwundet. 
Spanien. 
Madrid, 29. Juli. Der Marineminister 
erklärte auf Befragen, er hoffe, daß die 
Frage der italienischen Kreuzer ihre Er- 
ledigung finden werde. Man könne sie 
erwerben, obgleich eine andere Macht 
höhere Preise geboten hatte. 
Italien. 
Rom, 29. Juli. Im gestrigen Minister 
rathe konstatirte beim Bericht über die Lage 
im Orient der Minister des Aeußern, 
Visconti Venosta, daß zwischen dem Drei 
bunde und der zroßbritannischen Regierung 
völliges Einvernehmen herrsche. 
Rom, 29. Juli. Die von den Abessiniern 
freigelassenen italienischen Gesänge- 
nen traten Dienstag Vormittag die Heim 
reise auf einem italienischen Dampfer an. 
Inland. 
— Die Bekanntmachung des Erlasses 
des Kriegsministeriums über die Abwehr 
der socialdemokratischen Machen 
schaften von der Armee hat für die 
Civil-Bevölkerung noch insofern eine weit- 
tragende Bedeutung, als nach dem gelten 
den Recht mit Gefängniß bis zu zwei 
Jahren bestraft wird, wer eine Person 
des Soldatenstandes auffordert oder an 
zeigt, einem Befehle der Vorgesetzten nicht 
Gehorsam zu leisten. Die „Nat.-Lib.-Corr." 
bemerkt dazu: „Bisher war es, wie ja 
auch die Verhandlungen über den § 112 
der vorjährigen „Umsturzvorlage" ergeben 
haben, in vielen Fällen nicht möglich, der 
socialdemokratischen Propaganda im Heere 
wirksam auf Grund des Strafgesetzbuches 
entgegenzutreten, weil es nicht Nachweis 
bar war, daß eine Aufforderung vorlag, 
welche den Ungehorsam gegen einen be' 
stimmten „Dienstbefehl" zum Gegenstände 
hatte. Schon in der Begründung zu der 
genannten Vorlage hieß es: „Es sind 
zahlreiche Fälle denkbar, in denen ein be 
stimmter Dienstbefehl, der nach der Ab 
sicht des Thäters übertreten werden soll, 
sich nicht nachweisen läßt. Dahin können 
beispielsweise gehören das Niederlegen 
von socialdemokratischen Flugschriften in 
Kasernen, in militärischen Etablissements, 
auf Wersten oder Schiffen, oder die Ein 
führung von Soldaten in geschlossene Ge 
sellschaften, die socialdemokratischen Bo 
strebungen gewidmet sind." Der jetzt pu 
blicirte Erlaß des Kriegsministers gilt 
zweifellos als „Dienstbefehl" für die go 
sammte Armee. Jede Aufforderung zu 
einer Verletzung der darin enthaltenen 
Vorschriften findet demnach in Zukunft 
nach dem § 112 des Reichsstrafgesetzbuchs 
Ahndung. Es wird demnach möglich sein 
jeden zur Rechenschaft und Bestrafung zu 
ziehen, der den Versuch macht, einen?Sob 
daten zur Theilnahme an socialdemo 
kratischen Versammlungen, offenen oder 
geschloffenen, zu bewegen, der einen Sol 
daten auffordert, die socialdemokratische 
Propaganda im Heere zu betreiben oder 
die Verbreitung socialdemokratischer Schrif- 
ten zu unternehmen. Auf den Inhalt der 
Schriften kommt es dabei nicht an; es 
genügt, daß sie socialdemokratischen Ur 
sprungs sind. Es ist klar, daß auf Grund 
dieses Erlasses der socialdemokratischen 
Propaganda im Heere kräftiger entgegen 
getreten werden kann, als bisher." 
— Ueber die deutsche See- und Küsten 
fischerei im Jahre 1894/95 bringen die 
„Mittheilungen des deutschen Seefischerei 
vereins" einen eingehenden Bericht, dem 
wir folgende Angaben entnehmen: „Die 
Verlustliste des Jahres 1894 bezeichnet in 
der Geschichte unserer nationalen See 
fischerei ein düsteres Blatt. Allen voran 
steht das schwere Unglück, das in den 
letzen Tagen des Jahres über unsere 
Nordsee-Fischerflotte hereinbrach. Dem 
orkanartigen Sturm, der am 23. December 
an einzelnen Stellen der Nordsee in 
Windstärken von außerordentlicher Höhe 
getobt hat, sind sechs Fischdampfer von 
der Weser, einer von der Elbe und zwei 
Kutter aus Finkenwärder mit ihrer ge- 
ammten Bemannung zum Opfer gefallen. 
Von dem Widerhall, welchen dies traurige 
Ereigniß in Deutschland und weit über 
dessen Grenzen hinaus gefunden hat, legt 
das Ergebniß der von Geestemünde, von 
Hamburg-Altona und dem deutschen See- 
äschereiverein ins Werk gesetzten Samm 
lung ein ehrenvolles Zeugniß ab. Die 
öffentliche Mildthätigkeit für die Hinter- 
bliebenen der bei diesem Sturm ums 
Leben gekommenen Seefischer, auf welche 
die Wohlthaten der Unfallversicherungs 
gesetzgebung noch nicht ausgedehnt sind, 
ist in einer Weise eingetreten, daß aus den 
Sammlungsergebnissen entweder durch ein 
malige oder laufende Zuwendungen eine 
Versorgung etwa in Höhe der Unfallrenh 
möglich geworden ist. Aber auch von 
diesem Massenunglück abgesehen, hat es 
an Unfällen nicht gefehlt, bei welchen aber 
den Hinterbliebenen eine gleiche oder auch 
nur ähnliche, den Verlust des Ernährers 
immerhin erleichternde Wohlthat nicht ge 
währt werden könne. Man hatte sich 
daran gewöhnt, die als hervorragend see 
tüchtig bekannten Fischdampfer jedem Um 
wetter gegenüber als seetüchtig zu be 
trachten. Dieses Sicherheitsgefühl hat 
durch die Kathastrophe vom 23. December 
1894, der mit einem Schlage 7 deutsche 
Fischdamdser unterlagen, einen Stoß er 
litten. Die Bersicher»ngsgesellschaften, die 
bis dahin für Fischdampfer immer mäßige 
Schadenzahlungen zu leisten hatten, sind 
durch dieses Ereigniß so mißtrauisch ge 
worden, daß sie ihre Prämienforderungen 
beträchtlich erhöht haben. 
— Eine bemerkenswerthe Entscheidung 
über die Ausstellung der Waaren während 
der Sonntagsruhe ist seitens des 
Kammergerichts gefällt worden. Ein 
Photograph P. war beschuldigt worden, 
gegen eine jener zahlreichen Verordnungen 
sich vergangen zu haben, welche das Aus 
stellen von Waaren zur Zeit des Haupt 
gottesdienstes in Schaufenstern untersagen. 
P. erklärte, er habe zwar in Schaukästen 
Reklame-Photographien ausgehängt, doch 
seien letztere unverkäuflich und mithin auch 
keine Waaren, ebensowenig wie Schaukästen 
zu den Schaufenstern gehörten. Die Straf 
gerichte verurtheilten jedoch den Photo 
graphen zu einer Geldstrafe, weil auch 
nicht verkäufliche Photographien zu den 
Waaren zu rechnen seien, auch gehörten 
Schaukästen zu den Schaufenstern. Als 
dann legte P. Revision beim Kammerge 
richt ein, um die Sache endgilļig zum 
Austrag zu bringen. Das Kammergericht 
erkannte jetzt aufZurückweisung der Revision, 
indem der Strafsenat annahm, der Begriff 
„Waaren" sei vom Vorderrichter nicht 
verkannt, hierzu gehörten auch Muster- 
stücke, welche nur zu Reclamezwecken ver 
wendet würden. 
Ueber die Entweichung eines Sträflings 
aus dem Festungsgefängniß in Sp-ndau 
wird berichtet: Der Sträfling war mit 
anderen Gefangenen zum Reinmachen in 
das Wohngebäude der zur Wache cowman- 
dirten Avancirten befohlen. Hier fand er 
Gelegenheit, sich unbemerkt die Uniform 
eines Sergeanten des Elisabeth-Regiments 
anzueignen. Damit bekleidet, passirte er 
ungehindert das nach der Straße führende 
Thor. Erst eine Stunde später wurde er 
vermißt. Sofort nahmen dann zehn be 
rittene Trainsoldaten seine Verfolgung in 
der Richtung nach Potsdam zu auf. Auf 
dem Wege dorthin war der Flüchtling von 
verschiedenen Personen bemerkt worden. 
Er hat, wie die Verfolger erfuhren, im 
Gasthof zu Fahrland zu Mittag gegeffen 
und angegeben, daß er sich auf der Ver 
folgung eines Deserteurs befände. Obwohl 
am Abend noch eine weitere Anzahl Train- 
oldaten zu seiner Verfolgung ausgesandt 
wurde, ist er bisher noch nicht ergriffen 
worden. Der Flüchtling, ein Infanterist 
aus Lübeck, hat schon ein abenteuerliches 
Leben hinter sich. Er ist bereits viermal 
desertirt. Vier Jahre war er in Holland 
als fahnenflüchtiger Soldat. Er hatte noch 
eine längere Strafe zu verbüßen. 
Wegen nächtlicher Ruhestörung 
sollen in Friedenau nach besonoerer An 
weisung des dortigen Amtsvorstehers an 
die Nachtwächter hinfort alle Personen be- 
langt werden, die Abends nach 11 Uhr 
bei offenen Fenstern Klavier spielen oder 
singen. 
Schweidnitz, 28. Juli. In der ver 
gangenen Nacht gerieth während eines 
furchtbaren Gewitters eine dem Ritterguts 
besitzer Dr. Barschewitz in Schmellwitz ge 
hörige Scheune in Brand. 150 Mastschafe 
undwerthvollelandwirthschaftlicheMaschinen 
verbrannten. Auch sonst laufen zahlreiche 
Meldungen über Blitzschäden ein. 
Die „Bresl. Morg.-Ztg." erzählt von 
einem Breslauer Artillerie - Unteroffizier 
eine kleine Geschichte, die eine köstliche 
Satire auf den D u e l l u n f u g bildet: 
Ein Radfahrer gerieth aus dem Bürger 
werder ohne Absicht mit dem Rock des 
Unteroffiziers in Berührung. Der Mann 
sprang vom Rade, ehe er aber noch ein 
Wort der Entschuldigung sagen konnte, 
zog der Unteroffizier blank. Der Radfahrer 
aber ließ sich nicht verblüffen; er erklärte, 
daß er die Carambolage doch nicht absicht 
lich herbeigeführt habe und einige entschul 
digende Worte wohl zur Beilegung der 
Angelegenheit genügen dürsten. Andernfalls 
sei er gern bereit, dem Herrn Unteroffizier 
seinen Namen zu nennen. Dieser aber maß 
den „Civilisten" verächtlich vom Kopf bis 
zu den Füßen und that den klassischen 
Ausspruch: „Sie sind mir überhaupt nicht 
satisfaktionsfähig!" — Wenn er nun aber 
in den Augen des Unteroffiziers „satis 
faktionsfähig" gewesen wäre — was dann? 
Stettin, 29. Juli. Bezüglich des hier 
wegen Veruntreuung von 35 000 Mark 
Kirchengelder in Untersuchungshaft befind 
lichen Pastors Rauh aus Cladow 
schreibt die „Ostsee-Ztg.": Rauh verbrachte 
sehr viel Zeit auf Reisen. Oft kam er 
erst in der Frühe des Sonntags von einer 
Im Manne dunkler Gewalten. 
Roman von Elf rie d v. Hohenstein. 19 
Endlich verwandelte sich die erwartungsvolle Stille 
in ein allgemeines Stimmengewirr. Die gleichsam an 
und um den Spieltisch gebannte Menge wogt wieder 
durcheinander und teilte sich in Gruppen. Hier ver 
ließ jemand, schwankend wie ein -Berauschter, die 
Stätte, an der er sein Hab und Gut eingebüßt, dort 
zählte ein anderer lächelnd die reiche Beute. Die Crou 
piers und Bediensteten waren einstweilen von ihrem an 
strengenden Dienst befreit. Alles strömte in's Freie. 
Auch Waldenburg hatte, sich vergeblich nach den 
Fremden umsehend, seinen ziemlich beträchtlichen Ge 
winn zusammengerafft und trat nun mit Rosa in den 
Park hinaus. Sie atmete wie befreit auf, als ihr er 
quickende Frische entgegenwehte und ein sanfter Wind 
hauch ihre Wangen fächelte. 
„Ich möchte nicht mehr dorthin zurückkehren," sagte 
sie, auf die nun geschlossenen Säle deutend. „Dieses 
Monaco ist Paradies und Hölle zugleich." 
„So liebe ick es! Da fühle ich, daß ich kein ausge 
brannter Vesuv bin, daß ich niich noch init ganzer, über 
mächtiger Leidenschaft eineni Eindruck hinzugeben ver 
mag. DaS ist viel wert für einen Künstler. Das giebt 
geistige Elasticität, Schwung und Phantasie.—Uebri- 
genS, freust Du Dich nicht meines Glückes? Die ge 
ringe Saat hat reiche Ernte gebracht." 
„Du standest aber auf dem Punkte, alles zu ver 
lieren" 
„Allerdings; allein es ist nicht geschehen. Und ge 
rade in diesem Wagen des letzten, in dieseni fiebcrischen 
Erwarten der nahen Entscheidung, in dieser Heraus 
forderung des Schicksals liegt der Hauplreiz. Das war 
ein mit Zorn und Erbitterung gemischter Genuß, ähn 
lich dem, wenn man ein wildes, widerspenstiges Roß 
bändigt oder ein Raubtier zu gehorchen zwingt. — 
Aber Du siehst abgespannt aus. Ich begreife das. Die 
Hitze, der ungewohnte Anblick, das lange Warten muß 
ten Dich ermüden." sagte er besorgt und fuhr mit scher 
zendem Ton fort: „Ich habe Deine Geduld auf eine 
recht harte Probe gestellt. Es war rücksichtslos. Doch 
nun will ich es auch wieder gut machen. Wünsche Dir et 
was, meine Rosa. Du kannst jetzt alles von mir ver 
langen, was Du willst." 
„Wirklich?" fragte sie, und ihr schwermütiges 
Lächeln verwandelte sich in ein schalkhaftes. 
„Ganz gewiß! Wähle nur. Möchtest Du ein Arm 
band oder einen Ring?" 
„Nein." 
„Eine neue Toilette?" 
„Nichts von dem allen! Aber einen andern Wünsch 
hege ich. Versprichst Du mir, ihn zu erfüllen?" 
„Ich gebe Dir niein Wort darauf." 
„Nun denn, bitte, laß uns morgen abreisen!" 
„Ztvischen Alberts Brauen erschien eine tiefe Falte. 
Er konnte sein Mißvergnügen nicht verbergen, und als 
Rosa eS bemerkte, wurde sie wieder still und traurig, 
und eS mochten wohl zehn Minuten vergehen, ehe sie 
schüchtern und schmeichelnd flüsterte : „Es ist geiviß recht 
kindlich, recht thöricht von mir, aber ich habe Angst vor 
etwas, das ich nicht nennen kann. Man hat zuweilen 
so ein Vorgefühl, und deshalb meine ich — freilich 
ganz ohne bestimmten Grund — daß wir fort sollten 
von hier. — Doch sei mir nicht böse! Ich sage es nur, 
weil ich Dir überhaupt nichts verbergen kaun und will. 
Wenn Du vorziehst, länger zn weilen, so ..." 
„Nein, nein," erwiderte Waldenburg, der eine An 
wandlung übler Laune zu überwinde« strebte und den 
feinen Arm seiner Frau zärtlich an sich drückte: „Wenn 
mein weißes Täubchen fortflattern will, so bleibt mir 
nichts anders übrig, als auch die Flügel auszubreiten. 
Also genug für dieses Mal! Aber künftig werde ich 
etwas vorsichtiger sein, ivasBersprechnngen anbelangt." 
Es klang doch wieder ein mühsam verhaltener 
Aerger durch diese letztenWorte. Albert fühlte das selbst, 
und um keine unangenehme Stimmung anskomnien zu 
lassen, fuhr er mit ungezwungener Heiterkeit fort: „Der 
Abend ist wunderbar schön ; es wäre eine Sünde, ihn 
zwischen vier Wänden zn verleben. Wir wollen imFreien 
speisen. Das wird uns beide ans andere Gedanken brin 
gen und Deine Wangen tvieder rosig färben." 
Er führte sie durch die lachende und plaudernde 
Menge hindurch, doch nirgends war ein ruhiges Plätz 
chen zu finden. Alles schien überfüllt. 
„Ich glaube in unserm Zimmer, am geöffneten Fen 
ster, würde es angenehmer sein. Wir können ja auch von 
dort das ganze herrliche Panorama überblicken," meinte 
die junge Frau. Allein dieser Vorschlag gefiel Walden 
burg nicht. Gerade jetzt mußte ihn das volle Leben um 
fluten, mußte er das Knallen der Champagnerpfropfen, 
das Rauschen seidener Schleppen, das Klirren der Spo 
ren hören. Aufmerksam spähte er umher und entdeckte 
endlich einen Tisch, der inmitten eines von Myrthen und 
Lorbeerbäumen gebildeten Bosquets stand. Das Mahl 
wurde bestellt und gebracht. Albert füllte die Gläser 
und sprach viel und eifrig. Noch ganz unter dem Banne 
der Erregung und Nervenanspannung stehend, war es 
ihm Bedürfnis, eine geist- und witzsprühcnde Unterhalt 
ung zu führen. Doch Rosa konnte ihre unbefangene 
Munterkeit nicht wiederfinden, sie blieb still und träu 
merisch. 
Plötzlich unterbrach sich Waldenburg mitten in einem 
angefangenen Satz und wiederholte wie geistesabwe 
send die letzten Worte. Er hatte die drei Fremden er 
blickt. Der alte Herr suchte jedenfalls auch nach einem 
freien Tisch und näherte sich nun dem Bosquet. Die 
jüngere der beiden Damen sagte etwas zu ihm. Sie er 
hob vermutlich Eintvenduugen, er schüttelte aber unge 
duldig den von dickem grauem Haar umtvallten Kopf, 
stand im nächsten Moment vor dem jungen Ehepaar und 
fragte: „Ist es erlaubt, daß wir hier Platz nehmen?" 
„Diese Stühle sind frei," erwiderte Albert. Die, 
Schönheit des Mädchens überraschte ihn jetzt fast noch 
mehr als im Spielsaal. Dieses herrliche, kaum zu bän 
digende, blauschwarzc Haar, von deni sich einige glän 
zende Locken gelöst hatten, der gelblich angehauchte 
Teint des tadellos geformten Antlitzes, aus dein unter 
starken, kühngeschwungenen Brauen düstere Augen 
flammten, die nervös zitternden Nasenflügel'erinnerten 
an die Frauen Spaniens. Nur die Lebhaftigkeit der 
Südländerinnen schien zu fehlen. Oder war es Trotz, 
Eigensinn, Stolz, daß sie sich zurücklehnte und inSchwei- 
gen verharrte, während ihr Gefährte ungenierter, in 
etwas lauter Weise ein Gespräch mit der älteren Dame 
führte ? Eigentümlich« Starrheit hatte sich über ihre 
Züge verbreitet, gleichsam, als wäre sie zu sehr mit Ge 
danken beschäftigt, um auf Außendinge achten zu kön 
nen, oder als scheine ihr ihre Umgebung nicht des Be- 
achtens wert. 
Das Kleid, welches in weichem, malerischem Fal 
tenwurf die junonische Gestalt umfloß, streifte Wal 
denburg, und der dem leise knisternden Stoff entströ 
mende Dust hatte, so zart er war, etwas Berauschendes. 
Er mahnte an blühende Magnolien, und man dachte 
unwillkürlich an Mandolinenklänge und spanische Früh- 
lingsnächtc. Rosa betrachtete die Fremde mit scheuer 
Bewunderung und zürnte sich dabei selbst, daß sie, die 
sonst doch gar nichts von Nervenverstimmimgen wußte, 
nun mit einem Male an thörichter Einbildung litt, 
denn eben jetzt war ihr wieder zu Mute, als kündige 
der lodernde Blick des Mädchens ein nahendes Un 
heil au. A 
Die Fremden mußten schon länger hier weilen and 
nicht mehr ganz unbekannt sein. Jemand begrüßte de« 
alten Herrn, wechselte im Vorübergeben einige Worte 
mit ihm und nannte ihn Herr Norton. Sie sprachen von 
Neu-York. Also ein Yankee! Das hatte Waldenburg 
eigentlich auch vermutet. 
„Das Glück war Ihnen heute auffallend hold, mein 
Herr," wandte sich der Amerikaner jetzt an ihn. 
,^Jch bemerkte meinerseits mit Bedauern Ihre recht 
empfindlichen Verluste und wünsche, daß Sie morgen 
dafür entschädigt werden," sagte Albert. 
„Verluste? Ja, aber empfindliche nicht," lautete die 
lackende Entgegnung. „Was Ihren freundlichenWunsch 
anbetrifft, so danke ich bestens, habe aber nicht vor, 
niich nochmals dcuHerrenCroupiers gegenüber zu setzen, 
und hätte es auch wohl heute unterlassen, hegte ich nicht 
die Ansicht, daß der Meusck soviel wie möglich alles aus 
eigener Anschauung kennen lernen soll, wäre es onch 
nur, um einen gehörigen Wider,villeu vor manchen Di«-! 
gen zu bekvmnien." 43,16* - 
fünf- 
wenige 
stehen. 
Geldsch 
geschaff 
Duplie 
in Ems 
dann a 
den Ki: 
Ergebn 
eigenen 
wenig 
der Ab 
beizulex 
Einkam 
erübrig 
zu seim 
Zu dies 
Loose i 
allen n 
Hunder 
bezahlet 
dienten, 
zu der 
Dre 
gefahr 
rettet 
kaufmai 
einer d 
lunge 
deren § 
unkundi 
innen g 
gingen, 
kontrole 
eilte so 
wurde r 
unter B 
Noth sp 
Alle bn 
Troplob 
Mals ur 
strengun 
sich mit 
Wasser 
vpfermu 
Aufregu, 
Der 
wie beri 
losgeriss 
chensSci 
Frank 
Ober- u 
Wetter < 
und an 
anrichtet 
Straßbu 
Neubau. 
Der 
im vorig 
ersatzwa! 
Haltung 
versamm 
auch ber 
Zweck ü 
Meister i 
und Kor 
den Sch 
er hatte 
in diese 
Der Re, 
halb in 
Die Bes 
dom Obe 
Entscheid 
dermal 
gewiese 
Leipzi 
Tagebl." 
des sch 
Brauerei 
vor Str 
Kassel, 
Weißens, 
2000 M 
erfordert 
— Es t 
demokrat 
ihrer Ir 
Münd 
bericht d 
für Obei 
werthe ' 
Spiritus 
sich als I 
weite e 
glühlicht 
bisher r 
wenig b 
Es sei h 
ökonomis 
hinzuwei 
brauch i 
zwecke er 
Landwirt 
während 
Millione: 
Wicsb 
Kanonen! 
Offizier 
v. Holbai 
Wittwe i 
Papen 
aus Sow 
di« cheni 
mann & 
äschert, 
die Her 
stimmten 
mit solck 
Nachsicht, 
welche er 
Meisters 
snachi w
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.