Aufruhr oder irgend welcher Rebellion
nicht betheiligen. Die Vereinigung hat
beschlossen, die Regierung aufzufordern,
ihr Waffen zu liefern. Dem Vernehmen
nach hat eine hier abgehaltene Versamm-
lung von 300 Deutschen einen Ausschuß
gewählt, der einen Plan für das Ver-
halten während der politischen Campagne
entwerfen soll. . _ , „
Daß es auch in Australien einen „Rhem"
giebt, dürfte wenigen bekannt sein — es
ist ein Nebenfluß des Murray und kann
sich zwar mit seinem hochberühmten
deutschen Namensbruder an Wasserfülle
und Schönheit der Ufer nicht messen, aber
auch er durchfließt eine liebliche, fruchtbare
Ebene, zum größten Theil von Deutschen
bewohnt. Jetzt freilich sieht es trübe dort
aus; ein Landsmann schreibt von da her:
„Seit langen Jahren sitze ich hier und
habe schon manche traurige Zeit durch,
gemacht, so schlimm wie Heuer ist es aber
noch nie gewesen. Um Rheinthal, Sedan
und Black Hill sieht es infolge der
monatelangen Dürre trostlos aus. Alle
Tage Sturm und dann wieder eine enorme
Hitze. Der Weizen, unsere Hauptfrucht,
ist gelb, ohne Körner angesetzt zu haben;
überall wird er gemäht, um nur Futter
für das Vieh zu gewinnen. Wie Mancher
wünscht sich fetzt zurück an den grünen,
deutschen Rhein, dem er dereinst verblendet
den Rücken kehrte. ... Der Landwirth
ist bei uns schlimmer dran, als irgendwo;
für Darlehen werden 8, 10, ja 12 Prozent
Zinsen gefordert, und dabei liegt die
Hauptlast der Steuern auf seinen
Schultern."
Kuhland.
Die Influenza tritt jetzt in Rußland
in einer ganz neuen Form mit unerhörter
Heftigkeit auf. Wie der „Köln. Volksztg."
berichtet wird, machen sich bei den von
ihr Befallenen zunächst alle Symptome
einer starken Lungenentzündung bemerkbar
der ganze Oberkörper brennt, auf dem
Rücken und der Brust zeichnen sich große
rothe Flecken ab, das ganze Nervensystem
tritt in einen Zustand völliger Erschlaffung,
sodaß junge kräftige Männer vorüber
gehend geradezu zu Greisen werden.
Schnupsenerscheinungen fehlen bei dieser
Form der Influenza gänzlich. Die Aerzte,
die anfänglich dieser neuen Form der
Krankheit ziemlich rathlos gegenüber
standen, suchen jetzt, da gewöhnlich nur
eine Lunge stark angegriffen erscheint,
durch Einreibungen mit Jod, Veratrin
usw. die Entzündung auf die andere Lunge
zu vertheilen, um möglichst jede Störungen
von der Herzthätigkeit abzulenken. Viele
Fälle, in denen es nicht gelang, das Herz
intakt zu halten, haben tödtlich geendigt.
Petersburg, 30. Dez. Hier brach ein
großes Feuer in einem öffentlichen Hause
aus. Fünf Mädchen und ein Mann
sind total verbrannt. Einige Mäd
chen wagten den Sprung vom Dach und
wurden schwer verletzt in das Hospital ge
bracht. Die Entstehung des Brandes ist
aus das unvorsichtige Auslöschen einer
Lampe zurückzuführen. In der Aufregung
hatte Niemand daran gedacht, die Ver
brannten, die sich in einer Mansarde be-
fanden, zu retten. Die Brandstätte be
lagert eine große Menschenmenge.
Ueber ein verhütetes Attentat
wird aus Odessa gemeldet: Einem dortigen
Speditionsgeschäft wurden von einem ge
wissen Nadretschny 84 Kolli Haare über-
geben, die er mit 23000 Rubel versicherte
und mit einer Nachnahme von 16000
Rubel belegte. Da die Waarensendung
verdächtig erschien, wurden die Ballen ge
öffnet. Bei der Untersuchung fand man
nur werthlose Wollabfälle und ein mit
Brennstoff gefülltes Gepäckstück, das durch
eine daran befindliche Zündschnur nach
24 Stunden in Brand gesteckt werden
sollte.
Frankreich.
Der österreichische Arzt Dr. Marmoreck
ist jetzt mit einer bereits vor längerer Zeit,
aber nur sehr vorsichtig angekündigten
Entdeckung des neuen Serums gegen Kind-
bettfieber, Rothlauf und Eiterungen her
vorgetreten. Die in verschiedenen Pariser
Hospitälern angestellten Versuche sind günstig
ausgefallen. Man wendet auch dieses
gleichfalls aus Pferden gewonnene Serum
mit Erfolg gegen die Diphtherie an.
Vor dem Schwurgericht zu Bastia
landen dieser Tage eine Anzahl Personen,
worunter ein Gendarm, unter der Anklage,
einen armen Bettler getödtet zu
haben, um den Preis zu erlangen, der
auf einen gefährlichen Banditen gefetzt
war. Um die Leiche unerkenntlich zu
machen, hatten sie diese in dem Walde
verbrannt, in dem der arme Teufel seine
Hütte aufgeschlagen hatte. Sie lieferten
die Leiche dann als die des Banditen aus.
Hierbei kam eine andere Geschichte ans
Tageslicht.
Italien.
Aufsehen erregen in Rom Enthüllungen
über den Bestand der italienischen Arm e e
Arsenale, welche das Blatt Don Chis
ciotte bringt. Dasselbe behauptet, daß
mehrere Bataillone der von Neapel nach
Erythräa eingeschifften Truppen ohne ge
nügende Ausrüstung und Kleidung ab
gingen, weil es absolut am Nothwendigsten
mangelte. Besonders aber fehlte es an
Mänteln, Kopfbedeckungen und anderen
Kleidungsstücken, so daß man gezwungen
war, mit solchen der Bersaglieri-Truppen
auszuhelsen. So kam es, daß mehrere
Jnfanteriebataillone mit Bersaglieri-Hüten
abfuhren. Diese Angaben sind bis jetzt
nnwiderlegt geblieben. Es geht aus ihnen
hervor, daß die italienische Armee leider
nur auf dem Papier kriegsmäßig ausge-
rüstet ist. Im Falle einer größeren kriegeri-
schen Verwickelung könnten sich daraus die
schlimmsten Rückwirkungen auf die Actions
sähigkeit der Armee ergeben.
Oesterreich-Ungar«.
Wien, 30. Dez. Der bevorstehenden
Begegnung des Präsidenten Faure mit
dem Kaiser Franz Josef und der
Königin Victoria in Nizza wird in den
diplomatischen Kreisen keine Wichtigkeit bei
gelegt, da die Zusammenkunft nur ein
Höflichkeitsakt sein wird. Indeß verlautet,
Kaiser Franz Josef werde auf der
Rückreise Faure inParis besuchen.
Das Gerücht, daß Cleveland, bevor er
seine bekannte Botschaft an den Congreß
richtete, sich der Zustimmung Rußlands
dazu versichert habe, wird hier als ent
schieden unrichtig bezeichnet. Der Zar er
hielt die Kunde von dieser Botschaft erst
durch das Ministerium des Auswärtigen,
dem sie wieder von der Nordischen Tele-
graphen-Agentur übermittelt worden war.
Der Zar beschick sogleich Lobanow zu sich,
um dessen Ansichten über die Botschaft zu
vernehmen. Nach dem Weggehen Lobanow's
betrat die junge Kaiserin das Gemach ihres
Gemahls und gab nun der Besorgniß
Ausdruck, daß der Königin Victoria die
Freude an der bevorstehenden Krönung
ihrer Enkelin durch den auftauchenden
Conflict mit der Union getrübt werden
dürfte. Dar Zar lachte jedoch zu dieser
übertriebenen Besorgniß seiner Gattin und
gab ihr die Zusicherung, daß es zu keinem
Kriege zwischen England und der Union
kommen werde.
Inland.
— In
Sachen des Ceremonien-
meisters von Kotze ist jetzt die Ent-
chließung des Kaisers über das seitens
des Zieten-Husaren-Regiments in Rathenow
gefällte Urtheil ergangen. Es lautete, wie
seiner Zeit gemeldet, daß Herr von Kotze
des Offizierranges für verlustig erklärt
wurde. Der Ceremonienmeister Freiherr
von Schrader ist freigesprochen worden.
Der Kaiser, dem als obersten Kriegsherrn
die Bestätigung des Urtheils zusteht, hat
ich demselben nicht angeschlossen. Er hat
vielmehr mittels Kabinetsordre, wie jetzt
authentisch feststeht, verfügt, daß das
eitens des Osfiziercorps der Zietenhusaren
in dieser Angelegenseit gefällte Urtheil
seinem ganzen Umfange nach auf
gehoben werde. Die Kabinetsordre
verweist die Sache zur erneuten Verhand
lung an das General-Commando des
X. Armeecorps in Hannover, wonach es
Sache des commandirenden Generals ist,
als Gerichtsherr das Ehrengericht aus dem
Officiercorps ihm eines der unterstehenden
Truppentheile zu berufen. Beide Cere
monienmeister werden demnach in Kürze
wiederum vor einem militärischen Ehren
gericht zu erscheinen haben.
Wie uns weiter von sonst gut informirter
Seite telegraphisch aus Hamburg gemeldet
wird, erhofft der Kaiser die Frei
sprechung des Ceremonienmeisters von
Berlin, 30. Dez. Nach den hier vor
liegenden Nachrichten aus Johannes
burg (Südafrika) gewinnt es den An
schein, als ob die Unruhestifter im ent
scheidenden Augenblicke nicht den Muth
gehabt hätten, den beabsichtigten Putsch in
Scene zu setzen. Hier zweifelt niemand
daran, daß die Cap-Politiker hinter der
Bewegung stehen. Auf alle Fälle sind die
deutschen finanziellen und wirtschaftlichen
Interessen in Transvaal so groß, daß die
Regierung dem Drucke der öffentlichen
Meinung sich nicht entziehen würde, wenn
eine Abänderung des dortigen status quo
erfolgen sollte.
— Fritz Friedmann, ein kompleter, durch
und durch versumpfter Halunke, einer der
Schlimmsten unter seinesgleichen, sweil ab
solut grundsatz- und morallos, — Fritz
Friedmann befindet sich unzweifelhaft be
reits außer Schußweite. Mehr als das
er ist bereits — so gut oder so schlecht es
ging — „rehabilitirt". Ein kleines Blatt,
das in inniger Verbindung mit Friedmann
stand und das mit Vorliebe für Individuen
gleichen Schlages die schmutzige Feder
führt, ja sich mit einem erklärlichen Stolz
das Leibblatt dieser „Gesellschaft" nennt,
hat herausgefunden, daß Friedmann eigent
lich unschuldig sei. Nach den Lehr
sätzen der P h r e n o l o g i e, so docirt es
unerfroren, sei kein Mensch, also auch
Friedmannn nicht, dafür verantwortlich zu
machen, daß er einen an or malen
Schädel mit auf die Welt gebracht
habe, der ihn zum Genie oder zum Ver
brecher „vorausbestimmte." Alles, was
Friedmann gethan habe, sei ja gerade nicht
gut — wohl insonderheit deshalb, weil
ein Schatten aus die „Auserwählten" fällt
Wir sind sehr alte, nahe Freunde, und so
theilte er ihn mir mit.
„Die Geschichte trug sich zu, als er noch
ein junger Leutnant war. Es war thatsächlich
sein erstes Gefecht. Aus irgend welchen An
lässen war er von seiner Kompagnie ge
trennt worden; sie wieder zu erreichen, hatte
er sich einem Linicnregimcnt angeschlossen,
das an der äußersten Rechten des preußischen
Flügels Stellung genommen hatte.
„Die feindlichen Angriffe waren haupt
sächlich gegen das linke Centrum gerichtet,
und eine Zeitlang mar unser junger Leutnant
nur ein fernstehender Zuschauer der Schlacht.
Plötzlich indessen wendete sich der Angriff,
und das Regiment befand sich in einer höchst
wichtigen und kritischen Lage. Die Bomben
begannen in uuangenchmer Nähe zu fallen,
und es wurde die Ordre gegeben: „nieder!"
Die Soldaten warfen sich zu Boden und
warteten. Die Bomben wühlten rings herum
die Erde auf und bedeckten sie mit Schmutz.
Ein entsetzlicher, kneifender Schmerz regte
sich in dem Magen meines jungen Freundes
und griff langsam um sick. Kops und Herz
schienen sich ihm zusammenzuziehen und zu
erkalten. Ein Schuß riß seinem Nebenmann
den Kops ab und spritzte ihm das Blut ins
Gesicht: eine Minnie später riß eine zweite
Granate einem armen Kerl, der vor ihm
lag, den Rücken auf.
„Sein Körper schien ihm überhaupt nicht
mehr zu gehören. Ein seltsames, mehr und
mehr einschrumpfendes Geschöpf hatte davon
Besitz ergriffen. Er erhob den Kopf und
blickte um sich. Er und drei andere Soldaten
— die, wie er selbst, nie zuvor ein Feuer
miterlebt hatten — schienen in dieser Hölle
gänzlich allein zu sein. Sic befanden sich
Sie sahen Einer den Andern an, diese
vier, und lasen Jeder des Andern Gedanken.
Ihre Büchsen ließen sie im Grase liegen
und singen an, verstohlen auf dem Bauche
vorwärtszukricchen, der Leutnant voran, die
andern drei ihm nach.
Etwa hundert Meter vor ihnen erhob
sich ein kleiner steiler Hügel. Wenn sie den
erreichen könnten, würden sie ganz versteckt
sein. Sie stürzten vorwärts, hielten jedes
mal nach etwa dreißig Metern inne, um
still zu liegen und Athem zu schöpfen, stürzten
dann wieder vorwärts, schneller als zuvor,
und preßten ihren Körper an den durch
schossenen Erdboden.
Schließlich erreichten sie chen Fuß des
Abhangs, schlichen ein kleines Stückchen um
ihn herum, hoben den Kopf in die Höhe
und sahen hinter sich. Da, wo sie waren,
war es unmöglich, von den Preußen gesehen
zu werden.
Sic sprangen auf die Füße und verfielen
in ein wildes Rennen. Ein Dutzend Schritte
weiter, und sie standen einer österreichischen
Fcldbatterie gegenüber
„Der Dämon, der sich ihrer bemächtigt
hatte, war stärker und stärker geworden, je
weiter sie flohen. Sie waren nicht mehr
Menschen, sie waren Bestien, toll durch die
Furcht. Bon demselben Wahnsinn erfaßt,
der andere, von panischem Schrecken ergriffene
Geschöpfe antrieb, sich einen steilen Abhang
hinunter ins Meer zu stürzen, warfen sich
diese vier Männer mit dem Schwert in der
Hand und wildem Geschrei auf die ganze
Batterie; und die ganze Batterie, erschreck
durch den plötzlichen unerwarteten Angriff
und in dem Wahn, das ganze Bataillon
käme über sie her, machte kehrt und stürzte
am äußersten Flügel und die Bodengestaltung l in gänzlicher Auflösung den Hügel hinunter,
verbarg sic vollständig vor ihren Kameraden.! „Angesichts der fliehenden Oesterreicher
verließ ihn die Furcht von selbst, wie sie
gekommen war, und er fühlte nur noch den
einen Wunsch, dreinzuschlagen und umzu
bringen. Die Preußen flogen hinter ihnen
her und schlugen im Laufe auf sie ein; und
als die preußische Kavallerie sie donnernd
einholte, hatte mein junger Leutnant und
seine drei Freunde zwei Kanonen erbeutet
und ein halbes Schock Feinde niedergemacht
„Am nächsten Tage wurde er in das
Hauptquartier gerufen.
„Wollen Sie so gut sein und in Zukunft
daran denken, Herr Leutnant," sagte der
Generalstabschcf, „daß Seine Majestät nicht
verlangt, daß seine Offiziere auf eigene Ver
antwortung hin Manöver ausführen und
daß ein Angriff auf eine Batterie mit drei
Mann nicht mehr Krieg ist, sondern ein
verfluchter toller Bubenstreich. Sie sollten
vor ein Kriegsgericht gestellt werden, Herr
Leutnant!"
„Dann setzte der alte Soldat, während
sich sein Gesicht zu einem Lächeln glättete
in etwas anderem Tone hinzu: „Indessen
sind Schnelligkeit und Kühnheit, mein junger
Freund, gute Eigenschaften, namentlich, wenn
sie von Erfolg gekrönt sind. Wenn es den
Oesterreichern einmal gelungen wäre, eine
Batterie auf dem Hügel aufzustellen, wäre
es wohl schwierig gewesen, sie herabzu
werfen. Vielleicht wird Seine Majestät unter
solchen Umständen über ihr eigenmächtiges
Handeln hinwegsehen."
„Seine Majestät sah nicht nur darüber
hinweg, sondern verlieh mir auch den Orden
pour Is márite," schloß mein Freund. Im
Interesse der Armee hielt ich es für besser,
nichts zu sagen und den Ordeu anzunehmen.
Aber, Sie werden das verstehen, sein Anblick
ruft nicht gerade angenehme Erinnerungen in
mir wach."
—, aber wer könne für e r b l i ch e Be
la st u n g und Veranlagung? Eine saubere
Moral!
Welche moralische Verkommenheit ge
hört allein schon dazu, unmittelbar vor dem
Feste seine Familie, seine Gattin und die
Kinder, zu verlassen und sie dadurch direkt
der höchsten Bedrängniß und Noth zu über
liefern, denn während in den anderen
Wohnungen sich freudig Alles um den
Tannenbaum versammelte, wurden im
Heim des flüchtigen Rechtsanwalts Dr.
Fritz Friedmann die Meubel abge-
holt und mußten die Kinder bei fremden
Leuten untergebracht werden! In unserer
während der letzten Jahre recht beträcht
lichen Skandal-Chronik hat selten eine
Sache solch' allgemeines Aufsehen erregt
wie die Flucht der genannten „Zierde des
Vertheidigerstandes", wie er sich gern be
zeichnen hörte. An dem Zusammenbruch
einer Existenz ist Friedmann einzig und
allein schuld und es zeugt nur abermals
von seiner ungeheuren Einbildung und
Selbstüberschätzung, wenn er sich bei seinem
Bureauvorsteher als ein „von Hunden ge
hetztes und verfolgtes Edelwild" darstellt.
Berlin, 30. Dec. Der Königl. Musik-
Direktor Felix Weingartner liegt der
der „Berliner Börsen-Zeitung" an einer
Blutvergiftung schwer krank darnieder.
Als Ursache der Erkrankung wird Folgen
des berichtet: Vor etwa acht Tagen streifte
beim Dirigiren mit der rechten Hand
die an der Rampe der Königlichen Opern
bühne befindliche Verzierung, beobachtete
aber die kleine Rißwunde nicht weiter, die
in 24 Stunden verheilt war. Drei Tage
päter stellte sich jedoch eine Geschwulst
der Hand ein und nach weiteren 24 Stun
den schwoll der rechte Arm an. Hoffent
lich gelingt es den Bemühungen Professor
Sonnenberg's, der den Erkrankten behandelt,
verhängnißvvlle Folgen des Unfalles abzu
wenden.
Berlin, 31. Dez. Der Magistrat
lehnte heute wiederum den Antrag der
königl. Akademie der Künste wegen Be
willigung einer Summe von 100 000 Mk
aus städtischen Mitteln zur Unterstützung
der im nächsten Jahre stattfindenden Jubi
läumsausstellung der Akademie ab.
dem Spandauer Forst wurden am
heiligen Abend zwei Unteroffiziere durch
den Oberförster verhaftet. Von den beiden
Unteroffizieren gehört einer der Berliner
Garnison an und der andere, ein Ober-
jäger, war zur Schießschule kommandirt.
Sie wurden dabei abgefaßt, als sie drei
Stück Wild auf einen Wagen verladen
wollten. Es hat den Anschein, als ob
die Beiden die Jagd schon häufiger unbe
rechtigt ausgeübt hätten. Die Untersuchung
dürfte ergeben, wer der Abnehmer der ge
wilderten Thiere war. Die Verhafteten
wurden sofort nach dem Spandauer Militär-
arrest gebracht.
Wcttin, 27. Dec. Der des Mordes an
dem Stadtkassenrendanten Böttcher ver
dächtige Gerichlssekretär Häring soll sich
im Ganzen Betrügereien in Höhe von
etwa 60 000 Mk. haben zu Schulden
kommen lassen.
Durch eine Cigarre betäubt wurde
ein Gutsbesitzer aus Schirwindt auf der
Reise nach Rußland von einem fremden
Mitreisenden im Coupee. In Wirballcn
vom Schaffner aus tiefem Schlafe aufge-
rüttelt, vermißte der Gutsbesitzer seine
Brieftasche mit 10 000 Mk. Inhalt. Der
Fremde war verschwunden.
Mit dem Wunderdoktor Ast in Radbruch
ist es stiller geworden, wer aber glaubt,
die Sache wäre zu Ende, der täuscht sich
Die Einnahme Ast's beträgt täglich
mehrere hundert Thaler. Fast jeder
Besucher bringt etwa von fünf und noch
mehr Personen Haare mit und bezahlt
hierfür im Durchschnitt pro Person 1 Mk
Die Radbrucher erzählen, zweimal in der
Woche trage Frau Ast das Geld im Hand
korbe fort, natürlich von zwei handfesten
Männern begleitet, um es in den nahe
liegenden Städten zu deponiren. — Einer
rücksichtsvollen Behandlung hat man sich
beim Wunderdoktor nicht zu erfreuen
Aber selbst in der bittersten Kälte warten
noch heute die Gläubigen geduldig, bis sie
vorgelassen werden. Eine Frau, welche
s. Z. vor dem Hause des Schäfers schon
mehrere Stunden gewartet hatte und die
Kälte nicht mehr ertragen konnte, war
kleinen Zimmern auf Stühlen dicht neben
einander. Dieses sonderbare Nachtquartier
kostet 20 Pfg., für die betreffenden Wirthe
miner noch kein geringer Verdienst. Die
Abgefertigten halten sich nicht länger in
Radbruch auf, sondern eilen nach Winsen,
um hier die verordnete Medicin aus der
Apotheke zu holen. Die Mittel werden
in Winsen auf Lager gehalten und sind,
ebenso wie die Recepte, numerirt. In
Radbruch selbst und in der Umgegend
glaubt man wenig an die von dem sonder-
ln
die Scheune getreten, doch wurde sie von
dem Sohne und der Frau des Wunder
doktors erbarmungslos hinausgetrieben
Ast prakticirt, je nachdem er dazu aufge
legt ist, mitunter bis Abends 11 oder
12 Uhr und noch länger. Mancher der
Armen wartet den lieben langen Tag
stets wenn die Thür zum Eintritt für
einen neuen Schub geöffnet wird, stoßen
die Kräftigeren die Schwachen und Zag
haften zurück und wenn dann spät Abends
der Schäfer zum letzten Male die Thür
öffnen läßt, so verkündet er nicht etwa
„Meine Herrschaften, kommen Sie morgen
wieder, für heute wird die Thür zum
letzten Male geöffnet!", sondern er läßt
die Armen geduldig warten. Nach einiger
Zeit wird aus dem Fenster gerufen: „Ast
geht zu Bett!" — Nun wandern die Ab
gewiesenen nach den beiden Gasthöfen, wo
sie die Nacht vielleicht ohne Schlaf ver
bringen. Sie hocken hier in den wenigen
baren Alten verordneten Medicamente. In
Winsen heißt es allgemein, wenn die
Patienten des Schäfers auf dem Wege
von der Bahn nach der Apotheke sich fast
überstürzen: „Jetzt kommen Ast's Schafe."
Das Haus des Wunderdoctors Ast sieht
in seiner Ausstattung schrecklich aus. Die
ämmtlichen Fenster sind von innen mit
Säcken behängen; das Fenster, hinter
welchem Ast kurirt, ist mit Pergament-
mpier beklebt.
Stuttgart, 27. Dec. Der hiesige Rechts
anwalt Leopold Bacher ist in der
Nacht vom Sonnabend an den Folgen
einer Gasausströmung gestorben. Das
Gas hatte sich in der Wohnstube, wo die
Leitung aus Versehen nicht abgedreht war,
entwickelt und strömte in das nebenan
liegende Schlafzimmer Bachers, der Morgens
als Leiche im Bette vorgefunden wurde.
Die Kasse der Niedersächsischen
Bank in Bückeburg gab im Jahre 1856
Banknoten im Betrage von je 10 Thalern
aus, welche eine Merkwürdigkeit zeigten.
Einer der Bankbegründer, Manche sagten,
der betheiligte Prinz von Hohenlohe,
hatte den Einfall gehabt, die einzelnen
Kassenscheine so zu zieren und zur Controle
bezeichnen zu lassen, daß darauf Verse
aus Volksliedern, bekannten Gedichten und
deutschen Sprüchwörtern Wort für Wort
niedergeschrieben standen. Eine gewisse
Serie bildete den ganzen Satz. So war
die Reihe 323, 300 bis 323, 307 folgen
dermaßen gezeichnet: Auf dem ersten Schein
trug der Revers in dem flatternden Band
unterhalb des Wappens links die Nummer
323,300, rechts das Wörtchen „Ich". Die
wlgende Nummer trug: 323,301 — hab',
ferner 323,302 — mein', 323,303 —
Sach', 323,304 — auf, 323,305 =
Nichts, 323,306 = gestellt, 322,307 -----
Juchhe I Da alle Noten der Nicdersächsischen
Bank in gleich origineller Weise gezeichnet
waren, so bildete ihre Gesammtheit jeden
falls das originellste und kostspieligste
Spruch- und Liederbuch der Welt. Man
fand da: „Wer niemals einen Rausch ge
habt, der ist kein braver Mann." Oder:
„Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang,
der bleibt ein Narr sein Leben lang!"
Oder : „Willst Du immer weiter schweifen?
Sieh das Gute liegt so nah. Lerne uur
das Glück ergreifen, denn das Glück ist
immer da!"
Hamburg, 27. Decbr. Wegen Verdachts
der Ermordung des zehnjährigen Knaben
Hoogsteden in Rotterdam wurde dessen
Onkel, der frühere Gastwirth van Beckel,
hier verhaftet.
Hamburg, 31. Dez. In der kleinen
Reichenstraße Nr. 5 und 7 wüthet eine
große Feuersbrunst, und zwar brennen
zwei mit Oel, Sprit und Baumwolle ge
füllte Speicher. Zwei Personen sollen
verbrannt sein.
Provinzielles.
In der verflossenen Nacht ist in Esingen
die große Scheune des Hofbesitzers Kölln
mit sämmtlichen Getreidevorräthen voll
ständig niedergebrannt. Man muthmaßt
Brandstiftung. Das nahestehende Wohn-
Haus konnte durch das Eingreifen der
Feuerwehr gerettet werden.
Kiel, 24. Dez. Der Geireidemarkt ist
in Anbetracht der Festtage sehr still, doch
sind Preise als ziemlich fest zu notiren.
Es notirt pr- 1000 lex wie folgt: Weizen
von 135 bis 140 Mk., Roggen von 105
bis 115 Mk., Gerste von 110 bis 115 Mk.,
Hafer von 110 bis 115 Mk.
Ein schrecklicher Unglücksfall ereignete
sich in Flensburg in der Kappeler-Straße.
Im Haufe des Kaufmanns Haase sollte
der Sohn eines dort wohnhaften Arbeiters
im Torfraum etwas Feuerung holen. In
der Dunkelheit kam der Knabe einer Luke
zu nahe und stürzte durch dieselbe in eine
unten befindliche Grützmühle hinein. Der
Knabe wurde schrecklich verstümmelt und
konnte nur als Leiche hervorgezogen werden.
Im Dorfe Osteroe bei Heide ,brach der
einzige, elfjährige Sohn des Lehrers Habke
auf dem Eise ein und ertrank.
In der Süderelbe, Brunsbüttel gegen
über ist ein englischer Dampfer festgerathen,
welchem bei dem niedrigen Wasserstand
infolge der schweren Ladung schon das
Deck geborsten ist. Die Ladung wird in
Leichter gelöscht, und man hält den Dampfer
für verloren.
? Süderdithmarschen, 30. Dez. Der
Stand der Wintersaat ist in unserer Land
schaft bis jetzt ein durchaus befriedigender.
Auch sind die Arbeiten, welche im Herbste
an den Ländereien vorgenommen zu werden
pflegen, gut zu Ende geführt werden, in
dem das Wetter der Bodenverarbeitung
lange Zeit hindurch sehr günstig war.
Die Preise für die Feldfrüchte stellen sich
hier z. Z. folgendermaßen. Es kostet