Belgien.
Brüssel, 28. Dez. In betn belgisch-
französischen Grenzgebiete feiern 12,000
Weber. Die -Streikenden verhindern ge
waltsam die Arbeit und begehen schwere
Gewaltthaten. Mehrere Aufseher wurden
verwundet; Militär bewacht die Fabriken
Schweiz.
Zürich, 26. Dez. Die Beerdigung des
Dichters Jacoby gestaltete sich zu einer
würdigen Feier. Professoren, Docenten,
sowie mehrere hundert Gesinnungsgenossen
betheiligten sich an derselben. Am Grabe
hielt Bebel namens der deutschen Sozialisten
eine Ansprache. Die Universität Mailand
der deutsche Parteivorstand und die Re
daktionen des „Vorwärts" in Berlin und
des „Echo" in Hamburg hatten große
Lorbeerkränze übersandt.
Inland.
— Der Kaiser hat den Lehrern und
Schülern des Friedrichs-Gymnasiums in
Kassel, welches er bekanntlich auch besucht
hat, ein Exemplar des von -ihm entworfenen
allegorischen Bildes „Völker Europas,
wahret Eure heiligsten Güter" zu Geschenk
gemacht. Das Bild trägt die eigenhändige
Unterschrift des Kaisers. Es wurde in
der Aula des Gymnasiums angebracht und
durch den Direktor Dr. Hausner den
Schülern gezeigt und erläutert.
— Herr St öcker, Hofprediger a. D.,
wird jetzt in der halbosfiziösen „Nordd.
Allg. Ztg." zum alten Eisen geworfen und
mit der Bemerkung, daß auch er zu den
Revolutionären gehöre, kalt gestellt. Wer
hätte das vor einem Jahre noch gedacht.
Es tritt also ganz offen das Bestreben
nach einer Bekehrung der conservativen
Partei hervor, und es scheint fast, als ob
man wenigstens mit dem Versuche, Herrn
Stöcker abzusprengen, nicht ganz auf ver
schlossene Thüren stoße. Wie snämlich die
„Köln. Volksztg." wissen will, hat in dem
Elfer-Ausschluß der conservativen Partei
Gras Schlieben (Sanditten) den Antrag
gestellt, Stöcker solle freiwillig ausscheiden,
um der conservativen Sache erhalten zu
bleiben. Graf Mirbach als Vorsitzender
wies den Antrag aber mit der Begründung
zurück, daß der Ausschuß mit der An
nahme desselben seine Zuständigkeit über
schreiten würde; Stöcker sei von dem
Parteirath der berliner Conservativen in
den Parteivorstand und von diesem in
deuElserausschußgewählt worden.DerOberst-
kämmerer und Reichstagsabgeordnete Prinz
Hohenlohe (Oehringen), der mit der Ab
fassung einer Denkschrift über den Fall
Stöcker für den Kaiser beauftragt war, bestand
nun darauf, die Frage wegen Aus
schließung Stöcker's aus der conservativen
Partei vor die Reichstagsfraction zu
bringen, die denn auch am 12. December
über die Angelegenheit verhandelte. Dabei
wurde die Zeitung „Volk" arg mitge
nommen und die kurz zuvor erschienene
Erklärung Stöcker's, daß ihm eine directe
Einwirkung auf „Das Volk" nicht zustehe,
als durchaus ungenügend bezeichnet. Der
„Fall" selbst wurde zur endgültigen Ent
scheidung an d»e Landtagssraction ver
wiesen, welcher Stöcker angehört, während
er bekanntlich nicht Mitglied des Reichs
tages ist. Da der preußische Landtag am
15. Januar zusammentritt, wird man ja
bald erfahren, wie vor diesem Forum die
Entscheidung getroffen wird.
Die Verhandlung gegen den „Vorwärts"
über die Zustände in der Privatirren
anstalt von Dr. Edel in Charlottenburg
findet nicht statt. Dr. Edel hat nach
vergeblichen Bemühungen, einen Vergleich
zu Stande zu bringen, die Klage zurück
gezogen.
Allenstein, 28. Dez. Der Ritterguts
besitzer Kandier aus Weinings und Gattin,
welche zu einem Besuche bei ihrem Schwager,
dem Rittergutsbesitzer Menzel in Skerpen,
eingetroffen waren, sind dort infolge zu
frühen Schließens der Ofenklappe an
Kohleudunst erstickt.
Eine auffallende Verfügung hat jüngst
die Posener Regierung erlassen. Sie
lautet: „Fräulein Klara Pietsch, eine ge-
müthskranke Tochter des hiesigen Senats-
Präsidenten Pietsch hat sich am 9. November
d. I. aus der elterlichen Wohnung ent
sernt und konnte bisher nicht ermittelt
werden. Sie ist 20 Jahre alt, mehr als
mittelgroß und war mit dunkelblauem
wollenen Rock, braunem Jacket und
braunem Hut bekleidet. Zuletzt ist sie an
dem genannten Tage in der Nähe des
nach Norden gelegenen Schillingthores
Hierselbst gesehen worden. Die Vermißte
hat wiederholt den Wunsch geäußert, zur
Besserung ihrer Gesundheit bei geringen
Leuten Dienst oder Arbeit zu suchen. Da
die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist,
daß sie diesem Hange nachgegangen ist, so
ersuchen wirdieHerrenKreisschulinspektoren,
die Lehrer ihres Aussichtskreises zu Nach
forschungen über die Vermißte zu veran-
lassen. Sollte ihr Aufenthalt ermittelt
werden, so wollen Sie uns hiervon
telegraphische Anzeige zugehen lassen.
Posen, den 24. November 1895. Regierung,
Abtheilung für Kirchen und Schulwesen,
gez. Krahmer."
AuS Thüringen, 22. Dez. Mit einem
Offizier a. D., den sie in den städtischen
Dienst ausgenommen, hat die Stadt Mühl-
Hausen i. Th. jetzt ein unangenehmes
Erlebniß gehabt. Dem Major a. D. Horn,
der seit längerer Zeit als Standesbe
amter in städtischen Diensten stand, war
gekündigt worden. Er weigerte sich jedoch,
diese Kündigung anzuerkennen, da er die
Ansicht hatte und auch verfocht, als
Standesbeamter zu den auf Lebenszeit an-
gestellten Beamten zu gehören. Major
Horn verklagte nun die Stadt beim Re
gierungspräsidenten zu Magdeburg, und
dieser wie auch der Oberpräsident
der Provinz Sachsen gaben ihm
Recht. — Anders der städtischer?eits in
letzter Instanz angerufene Minister des
Innern. Er entschied zu Gunsten der
Stadt, da diese in den Anstellungsbe-
di ngungen.des Klägers ausdrücklich viertel-
jährliche Kündigungsfrist sich vorbehaltrn
hatte.
In einem Thüringer Walddörfchen hatte
ein Zähler von einer Familie die Zähl
karten abgeholt und war gerade im Be
griff, sich aus der Nähe des Hauses zu
entfernen, als ihm der kleine Junge des
Besitzers nachgeeilt kam und sagte: „Kommen
Sie nur noch emal wieder, wir haben eben
noch e kleen es Mädch en gekriegt."
Ein W a ch t p o st e n ist kürzlich von
zwei Marburger Studenten, wie die
„Pöss. Ztg." berichtet, ohne Veranlassung
beschimpft worden. Als der Posten, der
Jäger Gläser, auf sie zuging und sie ver
haften wollte, habe der eine Student mit
dem Stock auf den Posten einge
schlagen, während der andere einen
Revolver hervorzog, mit dem er den
Jäger niederzuschießen, drohte, wenn er
sich nicht in sein Schilderhaus zurückbegebe.
Der Posten habe darauf den einen
Studenten gepackt und niedergeschlagen,
während der andere Student, der ange
trunken war, durch einen Revolverschuß
den Soldaten verwundet und dann die
Flucht ergriffen habe. Der Jäger Gläser
konnte sich noch bis ins Schilderbaus
schleppen, wurde von der Ablösung der
Wache blutend vorgefunden und dann gleich
ins Lazarett getragen, wo er sich in ärzt
licher Behandlung befindet.
Hannover, 24. Dez. Die vom Staats
anwalt gegen Pfarrer Pfannkuche in
Wunstorf erhobeneKlage wegen Majestäts-
b e l c i d i g u n g ist vom Landgericht Hannover
und auf erhobene Beschwerde des Staats-
anwals auch vom Oberlandesgericht Celle
abgewiesen, da in der Aeußerung, die vor
nun fast fünf Jahren im Confirmanden-
unterricht gethan sein sollte, eine Majestäts-
beleidigung nicht gefunven werden könne.
Düsseldorf, 29. Dec. Auf dem zu Ehren
des Ministers von der Recke gegebenen
Abschiedsfeste brachte derselbe folgenden
Trinkspruch auf den Kaiser aus:
„Lagen Sie uns dem Kaiser das erste Glas
weihen! Wem es, wie mir, vergönnt war, in das
s.' klare und so energische Auge Sr. Majestät zu
schauen, der kann es nur bestätigen, was allseitig
anerkannt ist und was den Neid aller Nationen
ausmacht, daß Gott an die Spitze unseres Vater
landes einen solchen gottbegnadeten Herrscher
gestellt hat, der in allen Zweigen das Richtige
zu treffen weiß. Muthig führt er das Steuer
des Staates, ob auch Stürme von außen und
innen brausen, mit fester Hand. Lassen Sie uns
ihm, dem allzeit Mehrer des Reiches auf fried
lichem Gebiete, dem Schutz- und Schirmherrn
des Vaterlandes das Gelübde unverbrüchlicher
Treue erneuern!"
Nach dem Trinkspruch des Ministers
ergriff das Wort Oberbürgermeister Linde
mann zur Abschiedsrede, worauf Frhr.
v. d. Recke sich nochmals erhob, für die
Unterstützung dankte, die ihm aus allen
Kreisen des Bezirkes bei seiner Amtsführung
zu Theil geworden, und schloß:
„Eine Bitte gestatten Sie mir vorzutragen:
Arbeit, rastlose Arbeit hat diesen Bezirk in die
Höhe gebracht! Lassen Sie nicht nach in dieser
Arbeit, auch nicht in den Zeiten des Niederganges!
Lasten Sie sich durch keine Constellation die
Freude an der Arbeit und am Vaterlande ver
gällen! Legen Sie mehr Gewicht auf das, was
uns einigt, als aus das, was uns trennt! Dann
werden die confessionellen und politischen Gegen
sätze mehr und mehr schwinden, und wir werden
dann Schulter an Schulter, Brust an Brust
kämpfen gegen die inneren Feinde, gegen die
vernichtenden Bestrebungen, welche am Herzen
des deutschen Volkes nagen. Gott schütze die
Rheinprovinz! Sie lebe hoch!"
Snarburg i. L-, 28. Dez. Die Weih
nachtsfreude wurde durch die Kunde von
zwei Selbstmorden getrübt. Ein
Dienstmädchen hat sich in der Saar er
tränkt und ein Osfiziersbursche im Stalle
sich erhängt. Als Beweggrund wird
Liebeskummer angegeben.
Mülhausen, 21. Decbr. Sämintliche
von Alt-Elsässern geleitete Blätter treten
mit aller Entschiedenheit gegen das Duell-
unwesen auf, das von Altdeutschland
her in die Reichslande eingeführt werden
soll. So sagt die in Straßburg er
scheinende evangelische „Heimath": „Man
wirft uns Elsässern deutscherseits vielfach
vor, wir ständen an Kultur den Alt-
deutschen nach. (?) Eines ist aber gewiß:
in Sachen der Duelle und der Hauerei
und Schießerei sind wir den andern
deutschen Staaten um ein gutes vor, und
es ist unser gutes Recht, wenn wir von
der Verwaltung mit aller Schärfe fordern,
daß sie uns vor der Einführung dieser
Ueberbleibsel aus der Rauf- und Balgzeit
schütze." In ähnlicher Weise drücken sich
auch katholische Blätter aus; dies ist der
eine Punkt, über den bei Evangelischen
und Katholischen die gleiche Auffassung
herrscht.
St. Johann, 30. Dez. So unglaublich
es klingt, so ist es doch wahr, daß die
gestrige Vorstellung im Neuen Theater
unter polizeilicher Aufsicht stattge-
funden hat. Ein Schutzmann mit dem
Diensthelm auf dem Kopf saß in unmittel-
barer Nähe der Bühne und wachte darüber,
daß die sittlichen Anschauungen der Theater
besucher durch die Darstellung der „Schönen
Helena" keinen Schaden erlitten. Mehr
kann man wahrlich von der Polizei nicht
verlangen. Zur Erläuterung diene, daß
ein prüder Besucher der ersten Aufführung
der bekannten Offenbach'schen Operette die
Direktion des Neuen Theaters in Saar
brücken bei der Polizei denuncirt hatte,
mit der Behauptung, einzelne Stellen und
deren Wiedergabe durch das Personal seien
sittenwidrig. Daher die polizeiliche Ueber-
wachung — durch einen Schutzmann.
Aus Würtemberg, 28. Dez. Eine
W a h l h i st o r i e aus dem 15. Wahlkreis
erzählt das „D. Vlksbl.": Am 13.
Dezember, am Tag der Wahl, stieg der
Kandidat Gröber in Erbach in ein
Coupö 2. Classe, um nach Ulm zu fahren.
In demselben befand sich ein junger Herr,
in einen Pelz gehüllt, mit dem Gröber
bald ins Gespräch kam und sich bis Ulm
über die gewöhnlichen Conversationsthemate
unterhielt. In Ulm reichte ihm Gröber
noch das Gepäck hinaus und verabschiedete
sich von ihm, ohne daß sie sich gegenseitig
vorgestellt hätten. Freudig erstaunt war
nun Landgerichtsrath Gröber, als er aus
München einen Brief erhielt, in welchem
sich der unbekannte Mitreisende als —
Dr. Quidde, Gegenkandidat des Herrn
Gröber, vorstellte. Er habe zwar ver
muthet, daß er vielleicht seinen Wahl
kampfgegner vor sich habe, aber als der
jüngere nicht die Frage stellen wollen, ob
diese Vermuthung zutreffe. In München
aber habe er sich aus Kürschners Reichs-
tags-Almanach davon überzeugt, daß er
wirklich Gröber vor sich gehabt habe!
Daran schließt sich in dem Brief ein
warmer Glückwunsch für den Sieger.
Der Reallehrer Gräter von Eßlingen
wurde dieser Tage, weil er sich aus
religiösen Gründen weigerte, seine neun
Kinder impfen zu lassen, von der
Stuttgarter Strafkammer zu 15 Mk.
Geldstrafe verurtheilt. Gräter hat im
Laufe von 18 Jahren schon etw 600 Mk.
Geldstrafe für Jmpfverweigerung bezahlt.
Apolda, 26. Dez. Der in Konkurs ge
rathene Fabrikant Karl Knoblauch ist
unter dem Verdacht des betrügerischen
Bankerotts verhafte t worden. Knoblauch
war bis zu dem Zusammenbruch seines
Geschäfts Vorsitzender des Gemeinderaths.
Einem Kaufmann in Meiningen wurde
von einem dortigen Provisor statt des
verlangten Atropin Morphium ver
abreicht und dadurch das Leben des Erstern
in äußerste Gefahr gebracht. Wegen fahr
lässiger Gefährdung eines Menschenlebens
wurde der Provisor vom Herzoglichen
Landgericht Meiningen zu zwei Monaten
Gefängniß verurtheilt.
Eine große Freude wurde kürzlich einem
Händler in Mölln zu Theil. Derselbe hat
als Kanonier beim 4. Artillerie-Regiment
die Schlacht bei Beaumont mitgemacht und
ist dort schwer verwundet worden. Nach
dem Kriege hat derselbe sich Jahre lang
auf der Wanderschaft befunden und sich
zuletzt in der Gegend von Mölln ange
siedelt. Daraus aufmerksam gemacht, daß
ihm Jnvalidenpension zukommen müsse, hat
er seine diesbezüglichen Eingaben gemacht;
ihm sind nun in den letzten Tagen
die Pension für fünf Jahre, annähernd
900 Mk., nachbezahlt worden.
Provinzielles.
Die Stelle eines Gemeindevorstehers für
Helgoland ist, nachdem das Höchstgehalt
von dem Kreisausschusse auf 4000 Mk.
festgesetzt ist, öffentlich ausgeschrieben worden.
Wandsbek, 28. Dez. Zu einem argen
Exceß kam es gestern Abend Hierselbst.
In der Kampstraße wurde von dem
Polizeiofficianten Garbrecht und Noack
ein Arbeiter, der sich den Anordnungen
der Beamten nicht fügen wollte, verhaftet
und sollte dem Polizeigefängnisse zugeführt
werden. Auf dem Transport zur Wache
folgte eine ganze Anzahl von Freunden
des Arrestaten, um diesen zu befreien. In
der Bleicherstraße sollte einer der Haupt-
rädelsführer der Rotte, welcher unausge
setzt seine Complicen zu neuen Versuchen
aufstachelte, ebenfalls festgenommen werden.
Plötzlich erhielt der Officiant G. von
einem der Burschen, der mit einer starken,
mit langen Nägeln besetzten Latte aus
jenen einhieb, hinterrücks einen so wuch
tigen Schlag über den Kopf, daß der
Beamte sofort bewußtlos zu Boden sank
und erst nach geraumer Zeit sich wieder
erholte und später ärztliche Hülse in An
spruch nehmen mußte. Die beiden
Arrestaten wollen die Namen ihrer
Freunde nicht kennen; indessen ist es
unserer Polizei bereits gelungen, sie zu
ermitteln. Eine exemplarische Strafe
dieser Rowdies, die in letzter Zeit wieder
holt zu schlimmen Ausschreitungen die
Veranlassung gaben, wird sicherlich nicht
ausbleiben.
Unter den vom im Jahre 1893 ver-
storbenen Stadtrath Hans Lorenz Renck in
Neumüuster gestifteten Legaten befindet sich
auch eine Stiftung für bedürftige, brave
Arbeiter. Dieselbe hat eine Höhe von
50000 Mk., welches Geld zu 3»^ Procent
belegt ist. In diesem Jahre zu Neujahr
wird zum ersten Male der Ertrag der
Stiftung durch den Magistrat von Neu-
münster an 20 würdige, bedürftige Arbeiter
verliehen, und zwar zu gleichen Theilen;
jeder, der bedacht wird, erhält also ca.
94 Mk.
? Kiel, 28. Dez. Heute wurde der
kgl Wasserbauinspektor Scholer, bisher
Abtheilungs-Baumeister in Königsförde bei
Gettorf, zum Regierungsrath ernannt;
er wird dem Vernehmen nach bei dem
Kaiserlichen Kanalamt zu Kiel beschäftigt
werden.
? Vom Kaiser Wilhelm-Kanal, 28. Dez.
Die E i s v e r h ä l t n i s s e- im Kaiser Wilhelm-
Kanal haben bislang noch keine Störung
im Schiffsverkehr veranlaßt, während am
Freitag aus Brunsbüttel leichter Eisgang
gemeldet wurde, ist am Sonnabend die
ganze Kanalstrecke mit mit einer ca. 1 mm
starken Eisschicht bedeckt, welche die Schiff
fahrt indessen auch für kleinere Fahrzeuge
in keiner Weise hindert. — Am Sonnabend-
Morgen gerieth der große Rheinische
Dampfer „Rolandeck", Kapitän Garrels,
von Bremerhaven nach Reval mit Stück
gütern bestimmt, bei Kilometer 66,7 im
Kaiser Wilhelm-Kanal (Borgstedter Enge,
Schirnauer See) fest. Der Schleppdampfer
„Berlin" der Kaiserl. Kanalkommission
wurde an die Unfallstelle beordert und
nach vierstündigem Festsitzen gelang es mit
Assistenz desselben, das Schiff wieder flott
zu machen; es trat ohne weitere Be-
schädigungen erlitten zu haben, seine
Weiterreise an. Als Grund des Fest-
sitzens wird angegeben, daß der Dampfer
aus dem Steuerruder gelaufen war.
7Z, Bon der Eider, 29. Dec. In der
Nacht auf den zweiten Weihnachtstag er
eignete sich auf Blumenthal bei Bergen-
husen ein sehr bedauerlicher Unglücksfall.
Der Landmann Jürg. Steffen daselbst
wachte mit seinem 15jährigen Sohne bei
einer Ferkelsau. Im Stalle hing eine
Laterne an einem Seil. Als Steffen aus
kurze Zeit sich in die Stube begeben hatte
fand er bei seiner Rückkehr in den Stall
seinen Sohn erhängt vor. Dieser muß
aus Langeweile oder im Spiel auf einen
Schweinetrog gestiegen sein und sich als
dann den Strick um den Hals gelegt
haben. Der Trog ist dann umgekippt
und das Unglück war geschehen.
A Rendsburg, 30. Dec. Am Sonnabend-
Nachmittag fand auf dem Rathhause eine außer
ordentliche Sitzung unserer städtischen Kollegien
statt, in der nicht anwesend waren die Herren
Senator Paap und Stadtverordneter Mohr.
Der erste Gegenstand der Tagesordnung be
traf die Anschaffung und Aufstellung einer öffent
lichen Centesimalivaage. Es sind über die Liefer
ung einer solchen Waage mit einer Firma in
Mannheim Verbindungen angeknüpft und wür
den sich die Gesamiiitkosten, einschließlich die
jenigen der Aufstellung auf 2200 Mk. stellen.
Die Baukommission hat sich für die Anschaffung
entschieden und will die Waage vor dem Stadt
bauamt im Jungferirstieg aufgestellt wissen. Die
Wägung soll im Zimmer der früheren Polizei
wache im Stadtbauamt erfolgen. Die Tragfähig
keit der Waage wird 15 000 Pfd. betragen. Der
Herr Vorsitzende führt an, daß sich in anderen
Städten derartige öffentliche Waagen mit 10
Prozent rentirt hätten. ‘ ■
Herr Thormann ist sehr für die Aufstellung
der Waage, es handle sich aber darum, stets
einen Wägemeister zur Hand zu haben. Die be
sondere Anstellung eines solchen werde zu hohe
Kosten verursachen; er giebt anheim, ob es nicht
angebracht sei, die Waage vor einem anderen
städtischen Gebäude — vielleicht vor der Werk
anstalt aufgestellt werde. Hier könnte die Funk
tion einet: Wägemeisters im Nebenamt mit ver
sehen werden
Nachdem längere Zeit über die Frage debattirt
worden, ist Herr Matthiessen der Ansicht, daß
sich die Platzfrage am leichtesten erledigen taffe,
wenn zwei Waagen aufgestellt würden) eine in
der Königstraße für den Stadttheil Neuwerk und
eine in der Thorstraße für die Altstadt; für
beide Sladttheile einen geeigneten Platz aus
findig zu machen, sei gar nicht so einfach.
Herr Senator Hollesen hielt die Thorstraße
für die Aufstellung nicht geeignet, da auch Rück
sicht auf die Zuwegung zum Hafen genommen
werden müsse; geeignet sei event, der Schloßplatz.
Nachdem noch längere Zeit über die Platzsrage
und die Anstellung eines Wägemeisters debattrrt
ivorden, wird der Antrag der Baukommission
auf Ausstellung einer Waage vor dem Stadt
bauamt einstimmig angenommen.
2. Der anhaltende Ostwind hat in der Unter-
Eider einen so niedrigen Wasserstand herbeige
führt, daß die Weberei'sich gezwungen steht, zur
Speisung ihrer Kesiel u. s. w. den Anschluß an
die städtische Wasserleitung nachzusuchen. Mit-
bestiminend für das Nachsuchen ist auch der Um
stand gewesen, daß das Wasser der Untereider
mehr und mehr salzig und daher für die Speisung
der Kessel untauglich wird. Mit Rücksicht auf
die so wie so geringe Rentabilität der Fabrik
wird um die Gewährung des größtmöglichsten
Rabatts nachgesucht. Die Größe des Cousums
kann noch nicht bestimmt werden“
Die Kollegien sind einmürhig der Ansicht, daß
die Stadt hier ein Entgegenkommen zeigen
müsse, schon um eine ev. beabsichtigte Schließung
der Fabrik zu verhindern. Nach längeren
Verhandlungen wird beschlossen, der Fabrik
probeweise für ein Jahr einen Rabatt von
33'/z pCt. zu bewilligen.
3. Herr Mühlcnbesitzer Sahr beatm agt die
käufliche Ueberlassung eines Landstreifens hinter
seinem Grundstück am Obereidergraben in einer
Tiefe von 35 Meter und offerirt einen Kaufpreis
vonlO Mk. pro Quadratmeter. DieBaukommission
hat gegen den Verkauf keinerlei Bedenken ge
habt, wohl aber der Magistrat und haben
diesbezügliche Verhandlungen mit dem Herrn
Sahr dahin geführt, daß letzterer ev. auch mit
einein 20 Meter breiten Streifen zufrieden
sein will. Die Kollegien beschließen an Herrn
Sahr einen Streifen von 30 Meter käuflich ab
zulassen, nachdem der zunächst zur Abstimmung
gelangte Antrag der Baukommission vom
Magistrat abgelehnt worden war.
4. Ueber den Stand der städtischen Millionen
anleihe berichtet d>>r Herr Vorsitzende, daß die
Allerhöchste Ermächtigung am 18. d. M. ertheilt
worden sei. Ein Muster der Anleihescheine
nebst Zinscoupons sind von der Reichsüruckerei
bereits vorgelegt. Da die Fertigstellung der.
selben noch etwa 4—6 Wochen dauern wird,
werden an die Gläubiger zunächst Jnterims-
scheine ausgegeben werden. Ein mit der
Sparkasse abgeschlossener Vertrag wird verlesen
und genehmigt.
5. Ueber den Stand unseres Electricitäts-
werkes berichtet der Herr Vorsitzende, daß nach
Mittheilung der Gesellschaft Helios in Köln die
erste Dynamomaschine fertig und nach einem
<am Sitzungstage) eingegangenen Telegramm
bereits abgesandt worden sei. Die zweite
Maschine werde zum 26. Januar zum Versand
fertig sein. Den Kollegien bleibt nichts anders
über, als eine abwartende Stellung einzunehmen.
Die vereinbarte Konventionalstrafe ist seit dem
1. Dezember verfallen.
Nach Verlesung des Protokolls nimmt der
Vorsitzende das Wort und bemerkt, daß die
heutige Sitzung der Kollegien die letzte in diesem
Jahre gewesen und cs zugleich das letzte Mal
sei, an dem Herr Maithiessen in seiner Eigen
schaft als Stadtverordneter an den Sitzungen
theilnehme. Er wolle deshalb nicht verfehlen,
dem Herrn Matthiessen den Dank der Kollegien
und auch den Dank der Bürgerschaft für die
Dienste auszusprechen, die derselbe der Stadt
Rendsburg geleistet habe. Wenn die Bürger
schaft diesen Dank am besten auch durch eine
Wiederivahl hätten ausdrücken können, so wolle
er doch betonen, daß die Kollegien Herrn
Matlhiessen mit Bedauern aus ihrer Mitte
scheiden sehen.
Herr Stadtverordnetenvorsteher Pfahler schließt
sich dieser Erklärung an und betont, daß auch das
Stadtverordnetenkollegium Herrn Matthiessen
ungern aus seiner Milte scheiden sehe.
Herr Matthiesscn dankt den beiden Herren
Verordneten für ihre anerkennenden Worte und
bemerkt, daß das ihm bewiesene Miß rauen ihm
sehr schmerzlich gewesen sei. Zweifellos sei die
Ursache in erster Linie aus Sonderinteressen
zurückzuzusühren. Er wolle nur wünschen,
daß dem leidigen Dualismus, der der Stadt
schon so oft geschadet habe, endlich der Boden
entzogen werden möge.
Mit dem Wunsche des Herrn Vorsitzenden,
daß Herr Maithiessen der Stadt auch ferner
sein Interesse bewahren und das neue Jahr der
Stadt zum Segen gereichen möge, wird die
Sitzung geschlossen.
X. Rendsburg, 30. Dec. Das gestrige
Schlesinger-Coneert, wie man
es jetzt wohl nennen darf, übertraf sichtlich
bei weitem die doch schon recht hoch ge
spannten Erwartungen der Zuhörer. Das
außerordentlich geschickt zusammengestellte
Programm hielt die Aufmerksamkeit derselben
auf eine Art in Spannung, daß nach
Ablauf der zweiten Stunde das Bedauern
am Ende des Programms zu stehen, ein
allgemeines war. Herzgewinnende Compo-
sitionen, wunderbare Schönheit und Technik
der Stimmen, Liebreiz und hohe Anmuth
der Erscheinungen nahmen aller Herzen
wie im Sturm gefangen; die Recitation
von L’Epave wirkte tief ergreifend. Und
so hat denn Rendsburg wohl auch noch
selten einen so gewaltigen, immer wieder
sich erneuenden Applaus erlebt, wird ihn
auch auf lange nicht wieder erleben — es
müßte denn sein, daß dem kunstsinnigen
Publikum unserer Stadt in künftiger Zeit
noch einmal ein zweites Schlesinger-
Coneert geboten würde. Der Name des
Componisten Schlesinger ist jedenfalls seit
gestern bei uns heimisch geworden. Es
möge uns an dieser Stelle gestattet sein,
für den dargebotenen Genuß den Mit
wirkenden zu danken. Der Frauenverein
wird sich des reichen Geschenkes, welches
ihm in Folge der Güte der Coneertgeber
dargeboten wird, gleichfalls dankbar erfreuen
können.
® Rendsburg, 30. Dee. Es wird daraus
aufmerksam gemacht, daß alle noch in Ge
brauch befindlichen Quittungskarten der
Alters-undJnvalidenversicherung,
die in den Jahren 1890, 1891 und
1892 ausgestellt sind und nicht spätestens
am 31. Dezember 1895 umgetauscht werden,
ihre Gültigkeit verlieren und daß die fort
dauernd: Giltigkeit derartiger Karten für
das Jahr 1896 von der Versicherungs
anstalt nicht anerkannt wird. Es liegt
wesentlich im Interesse der versicherten
Personen, daß alle diese Karten, gleichviel
aus welcher Veranlassung sie sich noch im
Besitz von Arbeitgebern oder Arbeitnehmern
befinden, und ohne Rücksicht auf die Zahl
der darin enthaltenen Beitragsmarken, unge
säumt zum Umtausch gebracht werden.
Abend-Depeschen.
Kiel, 30. Dec. Laut offizieller
Meldung ist die Elbe und der Nord
ostseekanal seit Mittags für Segelschiffe
uttpassirbar, für den Dampferverkehr
noch frei.
Johannesburg ('Afrika), 38. Dez.
Infolge der zugespitzten politischen
Lage herrscht hier graste Erregung.
Der Geschäftsverkehr stockt. Die
Deutschen und Amerikaner halten zur
Regierung, die anderen Ausländer
zur Nationalnnion.
Konstantinopel, 30. Dez. Mustapha
Remsipascha nahm nach hartem
Kampfe die Zeituner-Citadelle ein.
Der Kampf dauert fort.
Brindisi, 30. Dez. Auf dem morgens
eingetroffenen Dampfer „Pelowo"
befand sich v. Hammerstein.