Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

Frankreich. 
Wie die „Boss. Ztg." aus Paris er 
fährt, verlautet dort, daß die französische 
Akademie der Wissenschaften den sogen. 
Diphtheritis-Preis von 25 000 Frcs., 
den Preis für das beste Erzeugniß zur 
Bekämpfung der Diphtheritis unserem ver 
dienten Landsmann, dem Erfinder des 
Diphtherieheilserums, Dr. Behring 
Marburg, zuerkannt hat. 
Oesterreich-Ungarn. 
Ein Sohn des Wiener Millionärs 
Schweiger, Max Schweiger, ist von dem 
Pester Gericht wegen Wechselfälschung — 
er hatte drei Wechsel in der Gesammt- 
höhe von 31 500 G. auf den Namen 
seines Vaters gefälscht — zu acht Monaten 
Kerkers verurtheilt worden. Mit ihm 
wurde der Geldagent Alexander Steiner 
wegen Urkundenfälschung und Veruntreuung 
zu 4'/2 Jahren Zuchthaus verurtheilt. 
Pest, 30. Nov. Das heutige Duell 
zwischen dem Minister des Innern 
Perczek und dem klerikalen Abgeordneten 
Baron Andransky endete mit der Wer 
wuudung des Letzteren, der einen Kopfhieb er- 
hielt. Die Gegner schieden unversöhnt 
In Budapest spielte sich am 27. November 
im Gerichtssaale eine aufregende Scene ab 
Es wurde das Urtheil gegen zwei Ein 
brecher verkündet, das die Verurtheilung 
Beider zu mehrjähriger Zuchthausstrafe 
aussprach. Als der Präsident in der 
Urtheilsbegründung die Worte sprach: „So 
ist auch die Schuld des zweiten Angeklagten 
erwiesen," rief dieser: „Lüge!" — Präs.: 
„Wenn Sie mich noch einmal unterbrechen, 
lasse ich Sie sofort in die Dunkelzelle 
führen." — Angekl.: „Frechheit, mich zu 
verurtheilen!" — Präs.: „Ich verhänge 
über Sie 48 Stunden Dunkelarrest." — 
Kaum hatte der Präsident diese Worte 
gesprochen, als der Angeklagte mit einem 
Satze über die Barrisre sprang, eine auf 
dem Gerichtstische liegende meterlange 
Eisenstange, die als corpus delicti dort 
lag, ergriff, und sie dem Präsidenten an 
den Kopf werfen wollte. Aus dem Publi 
kum hörte man Rufe des Entsetzens. 
Glücklicherweise standen 6 Wachtleute in 
der Nähe, die das Vorhaben des Angeklagten 
verhinderten. Während man ihn abführte, 
erging er sich in weiteren Flüchen und 
Verwünschungen. 
dem Namen „Kaiser Wilhelms - Akademie 
für das militärärztliche Bildungswesen" 
Indem der Kaiser die Genehmigung der 
weiteren Organisation fich vorbehält, erkennt 
er die Verdienste der militärärztlichen 
Bildungsanstalten um die Ausbildung von 
Militär- und Marine-Aerzten an 
Zum Fall „K 0 tz e" bringt die „Post 
ln<wieder einmal einen Beitrag. Wir meldeten 
kürzlich, daß der Hofmarschall Freiherr 
Inland. 
— Der Reichstag hielt am Dienstag 
im Anschluß an die Eröffnungsfeier im 
weißen Saal eine kurze Sitzung ab, 
welche Frhr. v. Buol als Präsident der 
vorigen Session leitete. Der Namens- 
aufruf ergab die Anwesenheit von 208 
Mitgliedern. Das Haus war somit be 
schlußfähig. Am Mittwoch steht die Wahl 
des Präsidiums und der Schriftführer auf 
der Tagesordnung. 
— Abg. Frhr. v. Stumm soll mit 
seiner Aeußerung über den Kaiser, wie 
der „Vorw." aus zuverlässiger Quelle 
wissen will, an „höchster Stelle" sehr 
arg angestoßen haben; er werde von 
Glück sagen können, wenn die Sache für 
ihn keine weiteren Folgen hat. Mit 
seinen Dementis hat Herr v. Stumm kein 
Glück gehabt. Die „Frkf. Ztg." hält die 
Authencität ihres ersten Berichts und auch 
den Schlußpassus von dem „scharf machen" 
aufrecht und erbietet sich, durch Zeugen 
vor Gericht die Wahrheit zu Ehren zu 
bringen. 
Berlin, 2. Dec. Das 100jährige 
S tiftungsfest der militärärztlichen 
Bildungsanstalten fand in Anwesen 
heit des Prinzen Friedrich Leopold, als 
Vertreter des Kaisers, des Kriegsministers 
Bronsart von Schellendorf, des General 
obersten Frhrn. von Los, der kommandiren- 
den Generäle von Winterfeld, Prinz Friedrich 
von Hohenzollern, des Generalstabsarztes 
der Armee Dr. von Coler, zahlreicher 
anderer Generäle, ferner der Minister 
Boetticher und Bosse und Vertreter der 
Civilbehörden statt. Generalstabsarzt von 
Coler hielt die Festrede, in der er an die 
Heldenthaten vor 25 Jahren erinnerte, 
alsdann einen Rückblick über die Entwickelung 
der Anstalten gab, deren hohe Verdienste 
um die Humanität hervorhob und die stete 
Fürsorge des obersten Kriegsherrn für ihre 
Förderung darlegte. Der Redner beleuchtete 
die Wirksamkeit des Sanitätsdienstes durch 
die Mittheilung, daß in dem letzten Jahre 
allein ungefähr 100000 Mann weniger 
erkrankten und 2000 Mann weniger ge 
storben, als es der Fall gewesen sein würde, 
wenn wir noch die Erkrankungs- und 
Sterbeverhältnisse vom Jahre 1868 gehabt 
hätten. Der Krankenzugang gegen damals 
sei um 42 pCt., die Sterblichkeit um 57 
pCt. gesunken, v. Coler schloß mit einem 
Hoch auf den Kaiser. Der Kultusminister 
hob ebenfalls die Verdienste der Anstalten 
um die Wissenschaft hervor. Der Rektor 
der Universität, Professor Dr. Wagner, 
überbrachte deren Glückwünsche. Der Kriegs 
minister verlas darauf eine Kabinettsordre, 
worin bestimmt wird, daß die jetzt bestehen 
den militärärztlichen Bildungsanstalten, 
nämlich das medicinisch-chirurgische Friedrich 
Wilhelms - Institut und die medicinisch 
chirurgische Akademie für das Militär, in 
Uebereinstimmung mit ihrer Entwickelung 
zu einer Anstalt vereinigt werden unter 
von Reischach und der Ceremonienmeister 
Freiherr von Schrader in Glatz die Festungs 
strafe angetreten haben, die sie sich anläß 
lich der Kotze'schen Angelegenheit zugezogen 
hatten. Freiherr von R e i s ch a ch , der 
vier Monate Haft zu verbüßen hatte, 
mittlerweile begnadigt worden und 
hat Glatz am Freitag verlassen. Bei dieser 
Gelegenheit erwähnt das Blatt, daß jetzt 
auch das Ehrengericht in dieser 
Angelegenheit seinen Spruch gefällt hat 
das Urtheil liege gegenwärtig im Militär 
kabinet zur Bestätigung durch den Kaiser 
Bekanntlich hatte Freiherr von Schrader 
Herrn von Kotze gefordert; zum Austrag 
der Sache durch die Waffe kam es indessen 
nicht, weil Herr von Kotze gegen seinen 
Gegner erst die Staatsanwaltschaft artge 
rufen und dann die Privatklage angestrengt 
hatte. Nachdem er an diesen beiden Stellen 
abgewiesen worden war, kam der Handel 
vor das Ehrengericht und dieses hat, wie 
nach der „Post" verlautet, hinsichtlich Herrn 
von Schrader auf Freisprechung, 
gegen Herrn von Kotze dagegen 
auf Entfernung aus dem Officiers- 
stände einstimmig erkannt. 
Damit würde der „Fall Kotze" wieder 
eine eigenartige neue Wendung nehmen. 
Ueber die thatsächliche Bedeu 
tungslosigkeit der polizeilichen 
Maßnahmen wird dem „Hamb. Korresp." 
aus Berlin geschrieben: Die aufgelösten 
ocialdemokratischen Vereine sind nur ein 
ganz winziger Bruchtheil der in Berlin 
bestehenden Organisationen und Sammel 
punkte. Es giebt sogar „Genossen", die 
lehaupten, daß die Auflösung der sechs 
wcialdemokratischen Wahlvereine gewissen 
Führern gar nicht ungelegen 
gekommen sei, denn in den ersteren 
versammelten sich alle jene Elemente, die 
mit der Parteileitung und den gut dotirten 
Parteibeamten unzufrieden waren, 
von den Wahlvereinen gingen jene Anträge 
aus, die auf dem Parteitage in Frankfurt 
und Breslau argen Streit erregten. 
Die Preßkommission, Agitationskom 
mission, Lokalkommission und der Verein 
„öffentlicher Vertrauensmänner", die eben 
falls aufgelöst wurden, hatten nicht das 
geringste zu bedeuten. Das Leben im 
wzialistischen Lager ist heute noch so bunt 
und so mannigfaltig als vor den Auf 
lösungs-Dekreten. Zunächst sind eine ganze 
Anzahl Volksversammlungen in dieser 
Woche anberaumt. Dann haben wir die 
zahlreichen Arbeiter-Rauch-Klubs, 
die jede Woche tagen, den Arbeiter- 
ängerbund mit Tausenden von Mit 
gliedern, Turnvereine, Rudervereine, 
Radfahr er ver ei ne, Theater vereine. 
Ferner sind, wie die Verhältnisse hier 
liegen, die Verwaltungen der Mehrzahl 
der Ortskrankenkassen meist sozial 
demokratische Organisationen. 
Auch andere politische Parteien 
ind, wie der „Vorwärts" hervorhebt, in 
ierselben Weise organisirt wie die 
sozialdemokratische Partei, gegen deren 
Organisation sich die Polizeimaßnahmen 
kehren. Die'nationalliber ale Partei 
hat einen Centralporstand, der keineswegs 
mit den parlamentarischen Fraktionen 
identisch ist und in steter Verbindung mit 
den Vertrauensmännern der Partei sowie 
mit der Parteileitung in den Einzelstaaten 
ich befindet. Dieser Centralvorstand hat 
ich auf Grund des neuen Statuts vom 
20. Januar 1892 konstituirt. Die christlich- 
oziale Partei unterhält sehr enge Be 
ziehungen mit konservativen Bürgerver 
einen, evangelischen Arbeitervereinen, christ 
lichen Jünglingsvereinen. Der deutsch 
konservative Kreisvorstand des dritten Ber 
liner Reichswahlkreises umfaßt die vier 
Bürgervereine. 
Wegen Uebertretung des Vereins- 
gesetzes ist nach den „Berl. N. Nachr." 
bereits 70 Vorstandsmitgliedern von sozial 
demokratischen Vereinen die umfangreiche 
Anklageschrift zugestellt worden. 
— Ueber den Besä higun gsnach- 
weis im Handwerk ist auf den Diner bei 
dem Minister Miguel nach einem Be- 
richt der „Danz. Ztg." noch Folgendes 
verhandelt worden. Als der Kaiser sich um 
10 Uhr verabschiedet hatte, wurde die 
Diskussion mit Herrn v. Berlepsch 
weiter fortgesetzt. Dieser erklärte, daß er 
ür das Baugewerbe bei Ausführung 
von solchen Bauten, bei denen ein polizei 
licher Konsens erforderlich sei, den Be- 
ähigungsnachweis zugestehen wolle, für 
die übrigen Gewerbe dagegen unter keinen 
Umständen. Zu Herrn Faster, der in einer 
Versammlung gesagt hatte, man solle nur 
den Entwurf annehmen, später könne ja 
dann der Befähigungsnachweis noch immer 
angestrebt werden, sagte der Minister: 
„Rechnen Sie nicht darauf, so lange 
ch Minister bin, werden Sie den Be 
fähigungsnachweis niemals erreichen." 
rn 
, — Nach der „Voss. Ztg." belaufen fich 
die Abstiche im Reich set at auf nicht 
ganz 700 000 Mk., die fast ausschließlich 
bei den einmaligen Ausgaben der Reichs 
Eisenbahnen abgesetzt seien. 
Berlin, 4. Decbr. Die A b h 0 l u n 
der Listen zur Volkszählun 
konnte diesmal nicht überall bis zur vor 
geschriebenen Zeit, 2. December Abends 
7 Uhr, bewirkt werden. Die Listen waren 
vielfach falsch oder gar nich 
ausgefüllt, wodurch für die Zähler 
ungeheure Schwierigkeiten entstanden und 
das Zählgeschäft sich gewaltig verzögerte 
Aus eigenartiger Veranlassun 
hat kürzlich ein H a u p t m a n n a. D. 
einem Ministerium in der Wilhelmstraße 
in Berlin einen Selbstmordversuch gemacht. 
Der Mann hatte einer Erbschaftssteuer 
wegen eine Audienz bei einem Minister 
nachgesucht, war aber an den betreffenden 
Decernenten verwiesen'worden. Von diesem 
erhielt er den Bescheid, daß sein Gesuch 
günstig aufgenommen worden sei und daß 
ihm die Hälfte der Steuer erlassen werden 
solle. Der Hauptmann scheint jedoch mit 
diesem Ergebnisse seiner Bemühungen wenig 
zufrieden gewesen zu sein, denn unmittelbar 
nach der Unterredung versuchte er, sich 
durch einen Revolverschuß zu tobten. 
Einen recht zerstreuten Gast sucht die 
Berliner Behörde, der vor einigen Tagen 
in den „Pallas-Hallen" zur Bezahlung seiner 
Zeche dem Kellner einen Hundertmarkschein 
überreichte und sich dann entfernte, ohne 
auf die Herausgabe des ihm zukommenden 
Geldes zu warten. Der Herr, der Sprache 
nach ein Ostpreuße, hatte nur 1 Mk. 60 Pf 
zu bezahlen. Es wird angenommen, daß 
er in Berlin fremd ist nnd, als er seinen 
Verlust wahrnahm, das Lokal, in dem er 
gespeist hatte, nicht mehr auffand. 
Breslau, 3. Dec. Auf Befehl des Kaisers 
wurde die gesammte Breslauer Garnison 
allarmirt und nach dem Palais platz zum 
Ausmarsch vor dem Kaiser beordert. Um 
12 Uhr nahm dann der Kaiser dort die 
Parade ab. — Der Besuch des Kaisers 
bei dem Fürstbischof Cardinal Kopp dauerte 
zwei Stunden. 
Der Bezirksausschuß zu Breslau hat 
nach der „Deutsch. Tagesztg." dem Fabrik 
besitzer Güttler zu Reichenstein in der 
Grafschaft Glatz die Konzession zuin Be 
triebe einer Entgoldungsanstalt ertheilt. 
Es dürfte nicht unbekannt sein, daß so 
wohl die Trauringe des Kaisers Friedrich 
und Kaiser Wilhelm II. aus Reichensteiner 
Golde gefertigt sind. Der Umfang der An 
lage ist so geplant, daß monatlich 4—5 
Kilogramm Gold peoduzirt werden können. 
In Neisse wurde der Arbeiter Josef 
Ludwig festgenommen, welcher den Invaliden 
Rieger in Altewalde im „Tiefen Grunde" 
ermordet und beraubt hatte. Bei seiner 
ersten Vernehmung gab der 24 Jahre 
alte Verbrecher an, daß er Donnerstag 
den 31. October, die Arbeit in der 
Cellulose-Fabrik in Ziegenhals verlassen. 
Da er nur noch im Besitz von 5 Pfennigen 
gewesen sei, habe er sich vorgenommen, 
den ersten Besten, der ihm begegne, nieder 
zuschlagen und zu berauben. Zu diesem 
Zwecke habe er sich im tiefen Grunde im 
Busche verborgen. Er habe mit einem 
vorher bereit gehaltenen Steine 
den Invaliden Rieger niedergeschlagen 
und ihm 84 Mark abgenommen. Nach 
der That sei er nach Ziegenhals gegangen 
und habe sich in dieser Stadt und deren 
Umgebung bis zum 6. November herum 
getrieben. Am 6. November sei er nach 
Neisse gegangen und von dort aus mit 
der Bahn über Görlitz nach Dresden ge 
fahren. Daselbst habe er den Rest des 
dem Rieger abgenommenen Geldes ver 
braucht und sei sodann zu Fuß nach Neisse 
zurückgegangen. 
Bonn, 3. Dec In der hiesigen Pro- 
vinzial-Jrrenanstalt hat eine Geisteskranke 
in der heutigen Nacht die in ihrem Zimmer 
chlafende Wärterin durch einen Schlag 
auf den Kopf getödtet. 
Aus Meiningen wird geschrieben: Der 
Herzog von Sachsen-Meiningen leidet seit 
mehreren Monaten an einer empfindlichen 
Ohrenkrankheit. Der Ohren - Specialist 
Professor Schwartze aus Halle wurde nach 
Meiningen berufen, und auf seine An- 
ordnung fand gelegentlich des Regiments- 
estes, welches letzthin in Meiningen ge 
eiert wurde, die Parade ohne Musik statt. 
Der Herzog, der den ganzen Feldzug mit 
dem Regiment 32 mitgemacht und mit 
ihm im Feuer gestanden hat, schritt die 
Front der Truppen und der alten Krieger 
ab, begrüßte viele ihm bekannte Officiere, 
die Musiker aber standen auf dem rechten 
Flügel und rührten kein Spiel. Der 
kunstsinnige Herzog besucht das Theater 
fast garnicht mehr, wohl aber liegt er oft 
und mit Erfolg den Jagden in seinen 
thüringischen Wäldern ob. 
Aus Mecklenburg, 1. Dec. In seiner 
heutigen Sitzung nahm der mecklenburgische 
Landtag ein Gesetz über das Ra d fahr - 
wesen an. Fortan soll auf Fußsteigen, 
Banketts und Trottoirs nicht mehr mit 
Rädern gefahren werden. In Ortschaften 
und auf stark frequentirten Verkehrsstraßen 
ist langsam zu fahren. Fuhrtverken muß 
der Radfahrer ausbiegen und beim Ueber- 
holen hat er links an ihnen vorbeizufahren, 
nachdem vorher mit der Glocke ein 
Warnungszeichen gegeben worden. Das 
Umkreisen von Menschen, Thieren tc. 
verboten. Wenn Gefahr droht, müssen 
die Radfahrer absteigen, desgleichen, wenn 
ihnen Militärkolonnen, Leichenzüge oder 
besetzte großherzogliche Equipagen begegnen 
Hamburg, 3. Dez. Das hanseatische 
Oberlandesgericht hat kürzlich über den 
Ersatz gestohlener Werthpapiere 
eine interessante Entscheidung abgegeben 
Ein hiesiger Bankier kaufte vor einiger 
Zeit Werthpapiere, die, wie sich erst nach 
einiger Zeit herausstellte, bei einem Ein 
bruch in Berlin gestohlen waren. Der 
frühere Besitzer klagte auf Herausgabe der 
Werthpapiere und eventuell auf Ersatz 
Er berief sich darauf, daß die Papiere 
s.Z. im „Reichsanzeiger" publizirt worden 
seien. Das Obergericht lehnte die Klage 
ab unter dem Hinweis, daß einerseits 
einem Bankier bei ordnungsmäßiger Hand 
habung seines Geschäftes nicht zugemuthet 
werden könne, alle auswärtigen Zeitungen 
auf Nachforschung nach gestohlenen Pa 
vieren zu lesen. Außerdem komme hinzu 
daß die Mittheilung über den Diebstahl 
in der nichtamtlichen Beilage des „Reichs 
anzeigers" gestanden habe, deren Inhalt 
weder von einer Behörde kontrollirt, noch 
von einem verantwortlichen Redakteur ge- 
zeichnet werde. Der Bankier habe auch 
aktisch von dem Diebstahl keine Kenntniß 
gehabt und außerdem sei festgestellt, daß 
die gestohlenen Werthpapiere der Ham 
burger Polizei weder mitgetheilt, noch in 
einer Hamburger Zeitung angezeigt worden 
eien. Bon einer groben Fahrlässigkeit des 
Bankiers könne sonach eine Rede sein. 
Hamburg, 3. Dec. Das Schwurgericht 
verhandelte gegen zwei junge Leute, einen 
Mechaniker und einen Optiker wegen Nach 
ahmung von Zweimarkstücken. Der Mecha 
niker hatte sich kurz zuvor im Gefängniß 
erhängt; der Optiker wurde zm 18- Mo 
naten Gefängniß verurtheilt. 
Hamburg, 2. Dec. In den Vorstand des 
Repräsentanten - Collegiums der Deutsch 
Israelitischen Gemeinde Hierselbst wurde 
an Stelle des ausgeschiedenen Herrn Louis 
Wolff Herr Sally Nathan in Firma 
S. M. Nathan & Co. gewählt. Herr 
Nathan ist der Sohn des in Rendsburg 
langjährig ansässigen Herrn Moses Nathan 
Hamburg. Zur Begründung einer Wohl 
thätigkeits - Stiftung für die Hamburger 
Veteranen von 1870-71 sind bis jetzt 
binnen wenigen Tagen 170 000 Mk. ge 
zeichnet worden. ' 
Ein langjähriger treuer Kassirer 
einer Bank in Hamburg verschwand 
vor einigen Tagen aus seinem Bureau 
Die Revision der Kasse ergab, daß er 
30 000 Mk. an sich genommen hatte. Eine 
Haussuchung ergab, daß der bedauerns- 
werthe Mann geisteskrank geworden 
war. Das Geld lag noch vollzählig in 
einem Hause. Der vorläufig. Verhaftete 
war schon früher in Heilanstalten für 
Nervenkranke gewesen. 
in 
ln 
Provinzielles. 
In Nienstedten verzehrten 6 Herren in 
gesetztem Alter in einer Wirthschaft, in 
Folge einer Wette, 18 Pfund Karpfen 
mit dem dazu gehörigen Naß und befanden 
ich wohl dabei. 
Dem Gärtnereibesitzer Twisselmann in 
Quickborn ist aus Anlaß der Geburt 
eines siebenten Sohnes die Erlaubniß er 
theilt worden, bei der Taufe desselben den 
Namen Sr. Majestät des Kaisers und 
Königs als den eines Taufzeugen in das 
kirchliche Taufregister eintragen zu lassen. 
Einem Verbrechen fiel kürzlich Abends 
Neustadt der Küster Ketelkohn zum 
Opfer. Derselbe wollte von einer Pumpe 
Wasser holen und wurde hier von drei 
Männern überfallen, die ihn zu 
Boden warfen und auf das schändlichste 
mißhandelten. Namentlich am Kopfe er 
litt der Ueberfallene schlimme Verletzungen, 
so daß sein Zustand besorgnißerregend ist. 
Es wird angenommen, daß ein Racheakt 
gegen den Küster, der sich ein neues Haus 
gebaut hat vorliegt. 
Süsel, 30. Nov. Gestern ging über 
unsere Gegend ein Luftballon der 
Luftschiffer - Abtheilung Berlin. Der 
Ballon sank zwischen Bahnhof;Gleschen 
dorf und Süsel schon so weit, daß er nur 
ungefähr 10—15 Meter über den Ge 
bäuden stand. Nach Entleerung von Sand- 
äcken stieg dann der Ballon scheinbar noch 
ein wenig wieder und ging darauf gegen 
Uhr in der Nähe des Süseler Baumes 
auf dem „Vossberg" herunter. Die 
Insassen, drei Offiziere, ivaren wohlbe 
halten, sollen aber, wie man hört, über 
Kälte geklagt haben. Wir hatten nur 5 
Grad R. Der Ballon war morgens 9 
Uhr in Berlin aufgestiegen; er wurde 
abends per Bahn von der Station Otten- 
dorf, von wo auch die Offiziere die Heim- 
reise antraten, zurückbefördert. 
+ Itzehoe, 3. Dec. Die 25jährige Ge 
denkfeier der Wiederkehr der Schlachtentage 
des Feldzuges vom Jahre 1870/71 wird 
vom hiesigen Schlesw. Feld-Art -Regt. Nr. 
9 in besonders festlicher Weise gefeiert. 
Gestern Abend war Zapfenstreich und 
während deffelben die Stadt reich illunii- 
nirt und mit prächtigem Fahnenschmuck an 
gethan. Viele auswärtige Offiziere, dar 
unter der frühere Oberst des Regiments, 
General v. Rothe, Generalmajor v. Lüde- 
mann, sowie ca. 300 Veteranen sind zu 
der Feier erschienen; letztere sind in frei 
willig gestellten Bürgerquartieren unterge- 
bracht. Heute Vormittag fand Feldgottes- 
gottesdienst in Parade statt und heute 
Nachmittag ist ein Festessen für die Offiziere, 
Veteranen rc. Concert, Aufführung und 
Ball für die Mannschaften bilden den Be 
schluß der Feier. 
Bei einem gemüthlichen Skat sitzt 
Annen ein Herr mit mehreren Be 
kannten, als seine Frau hereintritt und 
vor dem erstaunten Gemahl eine Augen 
und Gaumen reizende Omelette nebst Brot 
und Wurst niederlegt mit den Worten: 
So, zwei Stunden warte ich bereits auf 
Dich! Stun darfst Du die ganze Nacht 
fortbleiben." Sprachs und verschwand. 
Trotz der Liebenswürdigkeit der Ehehälfte 
mochte dem Getroffenen der Appetit doch 
nicht kommen, so daß sich seine Mitspieler 
über den Leckerbissen mit einem gewiffen 
Humor hermachten. Er folgte dem Rathe 
seiner Gattin aber nicht, sondern machte 
ich bald auf den Heimweg. 
Der^ russische Riese Pysjak, der sich 
auch hier sehen ließ, gastirt nunmehr in 
Kiel, wo er der „K. Z." zufolge ein er- 
hebliches Geschäft machen soll, am Sonntag 
hatten sich über 2000 Personen zu seiner 
Besichtigung eingefunden. In kleinen 
Orten pflegt die Schaulust die Unkosten 
der Unternehmer nicht herauszuschlagen. 
In Flensburg verstarb ein 15jähriges 
Mädchen plötzlich an einem Schlaganfall, 
vermuthlich infolge zu engen Schnürens. 
Die Pferdehändler Heer und Nielsen 
haben in der Gegend nördlich von Tingleff 
bedeutende Pferdekäufe abgeschlossen. Die 
Durchschnittspreise waren 400 Mk., einzelne 
Exemplare kosteten 470 Mk. das Stück. 
Die Pferde wurden nach Paris versandt, 
woselbst sie als Droschkenpferde Verwendung 
änden. 
Wie verlautet, soll zum 1. April 1896 
die Stelle eines Gerichtsvollziehers in 
Bredstedt aufgehoben werden, da wegen 
der wenigen Amtsgeschäfte des Gerichts- 
Vollziehers ein zu großer Zuschuß zum 
Mindestgehalt aus der Staatskasse bezahlt 
werden muß. 
A. Husum, 3. Dec. Am Sonnabend 
wurde am Berliner Markt bei 27 Husu- 
mer Ochsen die Maul- undKlauen- 
euche konstatirt und der dortige Markt 
Ar die Ausfuhr der Rinder sowohl als 
auch der Schafe gesperrt. Die hiesige 
Polizeiverwaltung und eine Anzahl Privat- 
Personen wurden schon am Sonnabend 
von Berlin aus von dem Vorfall in 
Kenntniß gesetzt. Die Viehrampe beim 
hiesigen Marschbahnhof ist infolge tele- 
graphischer Anordnung sofort mit heißem 
Wasser und Kalk desinfizirt worden. Wie 
ermittelt wurde, haben die erkrankten 27 
Ochsen in dem Stall des Herrn Johs. 
Wolff auf der Neustadt gestanden. Durch 
von dem Herrn Thierarzt Clausen 
vorgenommene thierärztliche Untersuchung 
ist festgestellt worden, daß auch unter dem 
jetzt in diesem Stall stehenden Vieh (acht 
Ochsen und einer Kuh) die Maul- und 
Klauenseuche ausgebrochen ist. Der Stall 
wurde hierauf selbstverständlich sofort poli 
zeilich abgesperrt. Man nimmt an, daß 
die Seuche durch Händler oder Viehtreiber 
aus verseuchten Gegenden übertragen wor 
den ist. Wie die in Berlin erscheinende 
Allgemeine Fleischerzeitung mittheilt, ist 
auch bei 27 für die Armee-Konservenfabrik 
zu Haselhorst von der Großschlächterfirma 
Eisner gelieferten Husumer Ochsen die 
Maul- und Klauenseuche konstatirt worden. 
Die Thiere sind sofort nach Berlin ge- 
audt und dort auf dem Seuchenhofe ge- 
chlachtet worden. — Heute trafen hier 
der Geheime Regierungsrath Petersen aus 
Schleswig, der Veterinär-Physikus Dr. 
Wedekind aus Altona und der stellver- 
tretende Kreisthierarzt Reimers aus Gar- 
ding ein, um die Angelegenheit zu unter- 
uchen. ^ Wie verlautet, dürfte eine vier- 
zehntägige Sperre verfügt werden. 
Stapelholm, 2. Dec. Die beiden im 
Schlickerkoog belegenen Fennen des Herrn 
Sick in Hohn sind an Herrn Johannsen 
in Kl.-Bennebeck verkauft worden. Sick 
oll für die reichlich 14 Demat 27 000 
Mk. erhalten haben. Johannsens Preis 
oll nicht weit von 2000 Mk. pro Demat 
'ein. Für fast in der Mitte zwischen 
Friedrichstadt und Seeth belegenes Land, 
wenn auch ohne Ueberwegung, immerhin! 
ein ansehnlicher Preis. 
7Á Friedrichstadt, 1. Dec. Der hiesige 
Männer-Gesangverein hat während 
einer langen Reihe von Jahren alljährlich 
eine Weihnachtsbescheerung für arme Kin- 
der veranstaltet. Leider sah sich derselbe 
vor ein paar Jahren infolge unberufener 
Kritik veranlaßt, von diesem Unternehmen 
ür die Folge zurückzutreten. Erfreulicher- 
veise hat nunmehr der hiesige Krieger- 
Verein die Sache wieder in die Hand ge 
nommen, und es dürfte daher Aussicht 
vorhanden sein, daß in diesem Jahre wie 
der einer Anzahl von Kindern hier eine 
Weihnachtsfreude bereitet werden kann. 
/X Luhnstedt, 3. Dez. Ein tüchtiger 
Landmann kann bei den niedrigen Getreide- 
und Butterpreisen doch noch Geld aus der 
Landwirthschast schlagen, wenn er ans eine 
gute Viehrasse hält. Dies beweist die 
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