Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

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WO. 283. 
Aeltestrs und belesenstes KLatt im Kreise Kendsvurg. 
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88ster Jahrgang. 
Wrttwoch^ den 4. December 
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Die Entlassung des 
Ministers v. Koller. 
Wiederholt ist schon von uns angedeutet 
worden, daß jMinisterkrisen zu erwarten 
ständen. Nun wird plötzlich amtlich be 
stätigt, daß der Minister des Innern, Herr 
v. Koller, beurlaubt ist. Er hat den 
Urlaub, wie officiös gemeldet wird, von 
dem Kaiser selbst erbeten und erhalten. 
Ein bestimmter Termin für die Dauer des 
Urlaubes ist (also nicht festgestellt. Dem 
Herkommen gemäß pflegt ein solcher Ur 
laub dem Rücktritt vorauszugehen. Die 
Geschäfte desßMinisters führt der Unter- 
staatssekretär Braunbehrens, der als der 
nächsthöchste Beamte im Ministerium des 
Innern den beurlaubten Minister selbst 
verständlich zu vertreten hat. Uebrigens 
nahm der Minister, wie an anderer Stelle 
berichtet, an der Eröffnung des Reichstages 
im weißen Saale noch Theil. 
Aus parlamentarischen Kreisen wird 
bestätigt, daß.der Minister des Innern, 
von Köller, am Montag seinen Abschied 
erhalten hat. Der Kaiser empfing am 
Montag, 2. d.ßMts., früh den bisherigen 
Minister des Innern von Köller, bevor 
er nach Breslau abreiste, und den Ches 
des Civilkabinets v. Lucanus und ließ 
sich Vortrag halten. Hierauf wurde dem 
Herrn v. Köller der Rücktritt von seinem 
bisherigen Amte bewilligt. Herr von 
Köller kehrte nach Berlin zurück, übergab 
die Ministerialgeschäfte an den Unterstaats- 
secretür und ^erklärte seinen Räthen, nur 
noch privatim mit ihnen verkehren zu 
können. 
Für den plötzlichen Rücktritt des Herrn 
von Köller werden je nachdem verschiedene 
Gründe angegeben. Die Veranlassung be 
ruht, wie wir vernehmen zu dürfen guten 
Grund haben, in tiefliegenden Diffe 
renzen. Zunächst soll der Gegensatz 
zwischen dem Kriegsminister Bronsart von 
Schellendorff und Herrn von Köller in 
Frage kommen. Außerdem soll das 
verfehlte Vorgehen gegen die Sozialdemo 
kratie an einer anderen amtlichen Stelle 
einen starken Gegenstoß erfahren haben. 
Wie das „Bcrl. Tagebl." schreibt, be 
houptet man, daß der Reichskanzler Fürst 
Hohenlohe sei es, der den Rücktritt des 
Ministers des Innern wünsche. Weiter 
wird erklärt, daß ein College des Ministers, 
für den Fall seines Rücktritts " ebenfalls 
seinen Abschied nehmen wolle, sich also 
gewissermaßen solidarisch mit ihm erklärt 
habe. Wer dieser Minister sei, ist nicht 
in Erfahrung zu bringen, jedoch muth- 
maßt man, daß Miguel es sein könnte. 
In den Ministerkreisen werde über diese 
Angelegenheit strengstes Stillschweigen be 
obachtet. Nach anderen Nachrichten habe 
Fürst Hohenlohe gestern Abend noch nichts 
gewußt, resp. erklärt, nichts zu wissen. 
Der Befehl an Herrn v. Köller, Urlaub 
zu nehmen, sei vom Kaiser gekommen. 
I— 
Morgen-Depeschen 
Breslau, 4. Dez. In einer Ansprache 
beim Diner der Leibkürassiere wies der 
Kaiser auf den Zusammenhang der 
Kameradschaft hin, welche bei den dies 
jährigen Regimentsfeicrn nicht nur die 
Offizierkorps, sondern auch die Mann. 
schasten bewiesen. Hierauf beruhe die 
ganze Armee. Viele Tausende treuer 
Soldaten, theils mittellos, theils im hohen 
Alter, besuchten die Felder, wo sie stritten 
und bluteten und suchten Anschluß an das 
alte Regiment. Wir können den heutigen 
Tag nicht besser feiern, als indem wir ge. 
loben, was der Kaiser und seine Führer 
vollbracht, zu erhalten und zu vertheidigen 
Jemehr man sich hinter Schlag Worte 
und Parteirücksichten zurück 
zieht, de st o sicherer rechne Ich 
auf Meine Armee, und hoffe, 
daß sie nach Außen wie nach 
Zn nenMeinem Winke gewärtig 
i st. Ich greife dabei zurück auf die 
Worte Meines Großvaters zu dem Offizier, 
korps, als er 1848 in Coblenz ans Land 
stieg: „Das sind Herren auf die ich mich 
verlasse." Dem Leibkürassierregiment ein 
dreimaliges Hurrah! 
Berlin, 4. Dez. Der berüchtigte 
Schiffer Richard Erpel, der zahlreiche 
Einbrüche begangen hat, wurde heute vom 
Schwurgericht beim Landgericht II zu 15 
Jahren Zuchthaus verurtheilt. Die Mit. 
angeklagten Schlächtermeister Karl Schu 
mann und der Schlachterlehrling Reinhold 
Schumann, wurden freigesprochen. 
Dresden, 4. Dez. Wie die „Deutsche 
Wacht" meldet, werden gegenwärtig im 
Schooße der II. sächsischen Ständekammer 
vertrauliche Berathungen wegen Abände. 
rung des sächsischen Wahlgesetzes 
gepflogen, deren Ziel angeblich die Be 
seitigung der sozialdemokratischen Abge 
ordneten aus dem sächsischen Landtage ist. 
An den vertraulichen Berathungen nahmen 
die Konservativen, Nationalliberalen und 
Kammerfortschrittler Theil. Der Census 
loll erhöht und die geheime Wahl durch 
offene Stimmenabgabe ersetzt werden. Es 
war beabsichtigt, am nächsten Donnerstag 
diesbezügliche Pläne zu veröffentlichen. 
Die „Dentsche Wacht" erklärt, es für ihre 
Pflicht zu halten, zeitig diese Pläne zu ver- 
öffentlichen, um vom sächsischen Volke die 
Gefahr einer Verkümmerung seines Wahl 
rechts abzuwenden. Den Anlaß für diese 
Berathung bot eine an den Petitionsausschuß 
gelangte Petition in diesemSinne aus Leipzig. 
Frankfurt a. M-, 4. Dez. Der Saar 
brückener Korrespondent der „Frks. Ztg." 
bemerkt zu einer von der „Frks. Ztg." 
heute gebrachten längeren Erklärung des 
Pfarrers Lentze u. a. Folgendes: Gegen 
über dem neuen Elaborat des Herrn 
Pfarrers halten wir daran fest: 1) Kein 
Punkt der von der „Frks. Ztg." und dem 
„Frks. Volksboten" gebrachten Aeußerungen 
ist irgendwie bestimmt zurückgewiesen und 
in eine andere richtigere Form gebracht; 
2) die ganze Darstellung des Herrn 
Pfarrers giebt indirekt unsere Auslassungen 
als richtig zu, vor allem aber seine 
Polemik gegen Stumms Gewaltpolitik; 
3) fehlt es uns hier in Saarbrücken keines 
wegs an einem halben Dutzend Zeugen, 
die, wenn es nöthig sein wird, die 
Authenticität unseres ersten Berichts und 
selbstverständlich auch den Schlußvassus 
als in dieser Form vom Herrn Pfarrer 
Lentze wiedergegeben vollinhaltlich bestätigen 
und beeiden werden. Dies allen Ab 
leugnungen zum Trotz, denn Wahrheit 
muß Wahrheit und Recht muß Recht 
bleiben! 
Dcmmin, 4. Dez. Beim Versuche, seine 
15jährige Tochter, die beim Eislaufen ein 
gebrochen war, zu retten, ertrank der 
Kronrektor Dombrowsky selbst. Seine 
Tochter ertrank gleichfalls. 
Brüssel, 4. Dez. Ein Arbeiter über, 
fiel den Staatsminister Woeste und 
versetzte ihm einen derartigen Schlag 
auf den Kopf, daß der Minister sofort 
zusammenbrach. Der Zustand des Ver. 
letzten ist ungefährlich. Der Attentäter ist 
entkommen. 
Konsiantinopel, 4. Dez. Gestern fand 
in Galata ein Streit zwischen Matrosen 
des deutschen und des französischen 
Depeschenbootes statt. Ein französischer 
Matrose wurde von einem Zuschauer durch 
einen Stich in lebensgefährlicher Weise 
verletzt. 
London, 4. Dez. Im „Daily Graphic" 
wird heute eine Karte von Armenien ab 
gedruckt, auf der die armenischen Provinzen 
zwischen England und Rußland getheilt 
ind diese Idee war dem englischen Blatte 
von dem Direktor eines Konstantinopeler 
Blattes nahegelegt worden. 
Warschau. 4. Dez. Der Zar bewilligte 
anläßlich der Geburt des Großfürstin 
Olga mehreren ausgewiesenen polnischen 
Familien eine Verlängerung des Aufent 
Halts auf unbestimmte Dauer. 
A Husum, 4. Dez. Nach einer soeben 
erlassenen Bekanntmachung des Königlichen 
Landraths ist wegen Ausbruchs der Maul 
und Klauenseuche auf die Dauer von 14 
Tagen, endigend mit Dienstag, den 17. 
d. Mts. für den ganzen Kreis Husum 
untersagt 1. die Abhaltung aller Vieh- und 
Pferdemärkte, 2. der Auftrieb von Vieh auf 
die Wochenmärkte, 3. jegliches Treiben von 
Rindvieh, Schweine und Schafen außer 
halb der Feldmarksgrenzen und 4. jede 
Verladung von Rindvieh, Schweinen und 
Schafen auf den Eisenbahnstationen des 
Kreises. (S. Weiteres unter Husum Red.) 
Mrrsland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Der Mörder Holmes, dem eine ganze 
Reihe von Morden zur Last gelegt 
worden, wurde am Sonnabend in Phila 
delphia zum Tode verurtheilt. Das Motiv 
des Mörders war, wie schon früher er. 
wähnt, sich durch die Versicherungssummen 
seiner Opfer zu bereichern. 
Das Neueste, so schreibt man aus 
Tunis, ist ein Ferns precher in der 
üste Sahara. Der Ingenieur Bayolle. 
der an der Spitze der aus 100 Personen 
bestehenden telegraphischen Mission von 
Biskra nach Tuggurth reist, hat am 18 
November aus seinem 18 Kilometer ent 
fernten Lager zum erstenmal nach Biskra 
telephonirt. Er gedachte täglich 5 bis 10 
Kilometer vorwärts zu kommen und Tug. 
gurth Mitte Dezember zu erreichen. Doch 
hat sich eine ganz besondere Schwierig, 
keit herausgestellt. Die Kameele, die die 
Telephonstangen tragen, sind an solche 
lange Lasten nicht gewöhnt, weigern sich 
oft vorwärts zu gehen und legen sich mit 
den Stangen mitten im Marsch auf den 
Boden. 
Türkei. 
Konstantinopel, 3. Dez. Das kürkische 
Dampfschiff „Schereff Ressan", von Heraklea 
kommend, mit 158 Passagieren und 2500 
Kisten Kriegsmunition an Bord, ist spur 
los verschwunden. Man befürchtet den 
Untergang des Schiffes. 
Es herrscht die Ansicht, daß die Lage 
in Konstantinopel vor einer kritischen 
Wendung stehe. Zwischen Lord Salisbury 
und Lord Currie, dem englischen Bot 
schafter in Konstantinopel, fand heute 
eine directe telegraphische Unterredung über 
die von England in der Wachtschifffrage 
zu ergreifenden Maßregeln statt. Wie 
man hört, sind Currie's Instructionen 
präcis und kategorisch. Die britische Flotte 
liegt bei Salonichi bereit. 
Jtakie«. 
In Italien, namentlich im nördlichen, 
ist der Winter mit aller Macht eingetreten. 
In der Lombardei und Piemont haben 
fast alle Züge infolge Schneeverwehungen 
Verspätungen. Manche Linien sind unter 
brochen, ■ auch der Telegraphenverkehr ist 
vielfach gestört. In Mafia hat ein orkan- 
artiger Wind bedeutenden Schaden ange- 
richtet. Die Anpflanzungen an der Riviera, 
namentlich die der Oelbäume, haben sehr 
gelitten. Die Abbruzzen starren in Schnee und 
Eis. An der adriatischen und tyrrhenischen 
Küste wüthen Stürme. 
Monaco. 
In Monte Carlo hat der Kaufmann 
Arthur Meyer aus Berlin am Freitag 
Abend seinem Leben durch einen Revolver- 
>chuß ein Ende gemacht. Er betrieb bis 
zum Jahre 1889 ein Agentur- und 
Kommissionsgeschäft in der Heiligengeist 
straße, spekulirte in Ländereien und brachte 
es zu großem Vermögen, das sich noch 
bedeutend vergrößerte, als sein in Warschau 
lebender Vater starb. Meyer siedelte mit 
seiner Familie nach Warschau über und 
führte seines Vaters Bankgeschäft weiter. 
Die Haltung von Rennpferden, eine unbe 
zähmbare Spielwuth brachten M. dem 
Ruin nahe, und als der Börsenkrach der 
letzten Wochen erfolgte, verlor er alles. 
Er ließ seine Frau und sein Kind in 
Warschau zurück und reiste nach Monte 
Carlo, wo er, nachdem ein letzter Rettungs 
versuch am Spieltisch fehlgeschlagen war, 
zum Revolver griff. 
Jt col'iiii^ricf sen’s gödjta. 
51) Roman »on B. Ricdel-Ahrens. 
,,2ch will solche Worte nicht von Ihnen 
hören, Herr Baron, weil cs nicht sein darf; 
lassen Sic mich jetzt nach Hause gehen — 
ich war schon viel zu lange hier." 
„Nein, Rahel; wenn Sie, in unbegreif 
lichem Trotz befangen, eine Schranke zwischen 
uns errichten wollen, muß ich niicf) t>cm 
widersetzen! Ich weiß nun, was es ist. Sic, 
die echte Tochter Ihres Vaters, wollen 
das Voruriheil gegen den Namen Ravens 
auf den Menschen übertragen, ohne zu be 
denken, daß die Natur sich nicht spotten 
läßt. Bald ist ein Jahr vergangen, seit 
jener Nacht, wo ich zum erstenmal Ihr 
Hous betrat; ich sah Sie, und es war, als 
ob ein Wesen aus einer fremden Welt mir 
entgegen kam; es gab mir einen Anstoß, 
eine Art Erwachen aus dem Sumpf, in 
dem ich vegetierte. Ich hatte die zermalmen 
den Räder des Weltgetriebes bis dahin 
über mich hinweggehen lassen und war zu 
gleichgiltig gewesen, mich zu wehren — wo 
zu auch? Um das Bewußtsein meines in 
Grund und Boden verfehlten Daseins noch 
deutlicher, mithin aualvoller zu empfinden? 
Einst freilich war das anders gewesen, vor 
meiner unüberlegten Hcirath; da besaß ich 
Ideale, schwärmte für Schönheit und Poe 
sie — Sie glauben das nicht, Rahel. und 
doch ist es so; ihr folgte der erschlaffende 
Niedergang meines Lebens, ich versank in 
jene Lethargie des Geistes, welche die ein 
zige Wohlthat für :bic Zerrissenheit des 
Innern wurde; ein erstickender, jahrelanger 
Scclcnschlaf. Und dann, Rahel, kamen Sie." 
In ihrem hochwogcnden Innern stürmte 
der Widerspruch auf, sie wollte ihn nicht 
länger anhören, sondern forteilen, aber die 
Macht des Mannes, der Zauber, der von 
ihm ausging, der sie immer enger umspannte 
und voll tödtlicher Süßigkeit ihren Willen 
lähmte, hielt sie gefangen; stumm, finster 
und trotzig schwieg Rahel, bis er weiter 
prach. 
Da kamen Sie," wiederholte Albrecht 
weicher, „und damit begann für mich die 
Offenbarung alles dessen, was schön und 
bewnndernswcrth am Weibe; die Verkündi 
gung der Reinheit und Wahrheit, der ich 
voll Entzücken lauschte und meine ganze 
Seele zu eigen gab. Alles in mir feierte 
ein Auferstehen, und wenn nach diesem das 
Bewußtsein meiner Fesseln auch um so 
furchtbarer drückte, ertrug ich es doch stand 
hafter, nachdem die Ahnung des höchsten 
irdischen Glückes mich berührt. Erinnern 
Sie sich jenes Nachmittags auf der Ravens 
burg, wo wir am Bogenfenster standen 
die Sonne strahlte im letzten Aufleuchten 
vom Meere zu uns herüber — ich sah 
Sie in ihrem Glanz verklärt vor mir und 
übermenschlich faßte cs mich an; lasen Sie 
nicht danials schon in meinen Augen, wie 
cs in mir jubelte, Rahel, daß ich Sie sehen 
durfte?" 
Er hatte sich tiefer zu ihr gebeugt, und 
wagte es, ihre Hand zu ergreifen — doch 
sie entzog sie ihm. 
„Damals schon," fuhr Albrecht mit vi 
brierender Stimme fort, „wäre ich am lieb 
sten vor Ihnen niedergekniet> hätte den Saum 
ihres Kleides an meine Lippen gepreßt 
und Ihnen gestanden, Rahel, daß ich Sie 
liebte, mit einer Glut der Empfindung, wie 
nur der in der Schule des Lebens gereifte 
Mann zu lieben vermag — unendlich, 
’chrankenlos; ich mußte schweigen, weil Sie 
o rein, so unnahbar waren. Seitdem ha 
ben die Verhältnisse sich geändert, heute 
darf ich fragen: „Rahel warum leugnest 
Du so standhaft, da Du doch weißt, daß 
ch Dich liebe, daß wir zusammen gehören 
als Mann und Weib?" Ein Zitiern flog 
durch ihre Gestalt, die Umgebung verschwamm 
in goldflimmcrndem Nebel und das Herz 
pochte zum Zerspringen von verhaltener 
Sehnsuchtsglut; mit elementarer Gewalt 
zog cs Rahel in die Arme des geliebten 
Mannes, und nur einer fast unnatürlichen 
Anstrengung gelang es, sich zu beherrschen. 
Albrecht wollte sie an sich ziehen, doch 
°k wich zurück und streckte ihm abwehrend 
die Hand entgegen. 
„Ich habe als Antwort nur das eine 
Wort; cs darf nicht sein!" 
Der Ausdruck qualvollster Muthlosigkeit 
wnrde in seinen Zügen sichtbar. „So nenne 
endlich den Grund, ich muß und will ihn 
erfahren!" bat er aus tiefer Brust. „Ich 
kann unmöglich fassen, daß die Minute, 
welche mir das höchste Glück der Erde 
brachte, es zugleich auch wieder nehmen soll!" 
„Es ist das Anrecht, welches mein Vat-r 
an mich hat, er leidet durch Leonorcns Wahl 
und steht in ihr das verlorene Kind, — das 
nagt ihm am Herzen und ist der schwere 
Kummer seines Lebens geworden. Ich bin 
ihm geblieben; sein Stolz, seine Hoffnung 
beruhen auf mir, in mir hofft er die Früchte 
seiner Erziehung verwirklicht zu sehen. Wie 
dürfte ich cs also wagen, ihm die zweite 
große Täuschung zu bereiten und in seinem 
Sinn durch eine solche Verbindung abtrünnig 
zu werden? Nein — Sie selbst werden das 
nicht von der Tochter eines solchen Vaters 
’ordern; ich muß entsagen und thue es zugleich 
mir der Bitte, mir die Entsagung, soweit es 
Ihnen möglich ist, nicht zu erschweren." 
„Mein Gott, ich erkenne ja die große 
Schuld an, die mein Vater gegen die Ihren 
auf sich lud, ich sehe ein, daß auch mein 
Bruder unrecht that. als er Ihre Schwester 
begehrte, da sein Charakter keineswegs dazu 
angethan ist, ein zart empfindendes Weib zu 
beglücken, die doppelte Schuld liegt mit er 
drückender Wucht auf mir. Aber giebt es 
nicht auch für das unerhörteste Vergehen eine 
Sühne, zumal wenn ein Mann sie auf sich 
nimmt, der keinen thatsächlichen Antheil daran 
hat? Ich will warten und Dich zu verdienen 
suchen, nur raube mir nicht alle und jede 
Hoffnung!" 
Rahel hatte sich ermannt, und ob sie auch 
gesenkten Hauptes, um seinen Blick zu meiden, 
vor ihm stand, lag doch in ihren ernsten 
Zügen der Ausdruck unerschütterlicher Ent 
schlossenheit. 
„Wir dürfen uns nicht wiedersehen. Diese 
Stunde soll in meinem Herzen weiterleben 
und oft werde ich zu ihr flüchten, wenn, — 
— — wenn —" ihre Stimme rang sich 
leiser und qualvoller aus der Brust — „wenn 
die Gedanken einmal allzuschmcrzlich werden. 
Ehren Sie diesen Enschluß, den die Kindes 
liebe angesichts meines tiefgebeugten Vaters 
mir befiehlt; er ist bejahrt, nicht mehr lange 
und der Tod nimmt ihn hinweg, ich aber 
bin jung und stark, meine Aufgabe ist cs, 
den Schmerz zu tragen und ihn zu schonen. 
Sie selbst, Herr Baron, werden mir zugeben, 
daşi ich gerade so und nicht anders handeln 
muß." 
Albrecht war rathlos, eine Beute der Ver 
zweiflung. 
„Sie binden mir die Hände und vcrurtheilen 
mich zu einer Thatenlosigkeit, die unnatürlich 
ist, wie auch das Opfer ein unnatürliches 
ist, das Sie Ihrem Vater bringen, aber Sie 
müßten kein Weib sein, wenn nicht der 
Augenblick endlich kommen würde, wo die 
Liebe zu mir in Ihrem Herzen siegt, weil sic 
mächtiger ist, als selbst die tiefste Kindesliebe. 
Ich werde warten, Rahel, sollten selbst Jahre 
darüber vergehen, und danach streben, daß 
der Augenblick erscheine, der Dich mir geben 
wird! Denn uns verbindet jene Harmonie 
der Seelen, die vollkommene Uebereinstimmung 
der Gedanken zwischen Mann und Weib, in 
der das Ideal der Ehe gipfelt — wir gehören 
zusammen vor Gott und den Menschen. 
Und darum wirst Du mein werden, Rahel, 
magst Du Dich auch sitzt im Irrtum befangen 
von mir wenden." 
Rahel schüttelte den Kopf. „Niemals!" 
kam cs noch von ihren Lippen, dann wandte 
sie sich zum Gehen und war bald zwischen 
dcndichterwerdendcnStämmenverschwundcn.— 
Albrecht schritt langsam weiter; seine 
Gedanken verloren sich haltlos unter dem 
lähmenden Bewußtsein, daß Rahel Erichsen 
ihn ausschlug. Auf dem Zweige einer Edel 
tanne über ihm girrt eine Holztaube und mit 
sonderbar hohlem Klang tönte das Klopfen 
eines Spechtes durch die Stille; er hörte das 
alles wie im Traum; und dann rang sich 
aus der Glut derivildstürmenden Empfindungen 
ein Hoffnungsstrahl — Albrecht glaubte den 
Weg gesunden zu haben, der früher oder- 
später doch das geliebte Mädchen in seine 
Arme führen würde. —
	        
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