Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

macht wird, beziffert Waller auf über 
1000 000 Lstr. Ein Roulettetisch bringt 
im Winter durchschnittlich 400 Lstr. den 
Tag, im Sommer 50 Lstr. weniger. Aus 
den Trente-et-quarante-Tischen bezieht die 
Spielbank 350 Lstr. täglich im Winter, 
25O Lstr. im Sommer. Daß schließlich 
Jeder, der sich dem grünen Tische nähert, 
Blut läßt, ist eine alte Erfahrung, die 
auch nicht im mindesten durch gelegentliche 
„Banksprengungen" geändert wird. Die 
Bank spendet jährlich rund12OO0 
Lstr. für kirchliche und sittliche 
Zwecke. (Wer lachl?) 
Ķņhlaņd. 
Petersburg, 28. Nov. Kaiser Nikolaus 
empfing in Zarskoje Sselo den Marine- 
Attachee bei der deutschen Botschaft, Kapt. 
Lieutenant Kalau vom Hofe, welcher ihm 
im Auftrage des Kaisers Wilhelm ein 
Exemplar des Buches „Unsere Kriegsflotte" 
überreichte. Es ist dies das von dem 
Herausgeber Wislicenus dem Deutschen 
Kaiser gewidmete erste Exemplar, welches 
dieser sofort für den Kaiser von Rußland 
bestimmt hatte. Kaiser Nikolaus besichtigte 
die Bilder mit höchstem Interesse und gab 
wiederholt seiner Freude über die Sendung 
Ausdruck. 
103 Studenten sollten aus der Odestaer 
Hochschule ausgeschlossen werden, da sie 
die Collegiengelder nicht bezahlen konnten 
Zum Glück kam dieser harte Gesetzes 
paragraph diesmal nicht zur Ausführung 
Es hatten sich nämlich drei Studenten von 
guter gesellschaftlicher Stellung gefunden, 
die unter der besser gestellten Bevölkerung 
Odessas eine Sammlung eröffneten, durch 
welche die ganze benöthigte Summe ausge 
bracht wurde. 
Durch Stürme in Südrußland wurde 
großer Schaden angerichtet. Biele Hafen- 
Plätze am Schwarzen Meere sind theil 
weise überschwemmt. Der am Lande allein 
entstandene Schaden wird auf mehr als 
40 Millionen Rubel geschätzt. Mehr als 
8 0 Menschen sollen durch Stürme 
ums Leben gekommen sein. 
Dänemark. 
Kopenhagen, 28. Novbr. Der dänische 
Dampfer „Horsa", der den cubanischen 
Insurgenten Munition brachte, wurde von 
einem spanischen Kreuzer bei Kingston auf 
gebracht und die Manschaft gefangen ge 
nommen. 
Inland. 
— Ueber das gestrige Diner bei dem 
Finanzminister Dr. Miguel wird 
noch berickitet: Der Kaiser war anscheinend 
in der besten Stimmung und zeigte das 
größte Interesse für die Entwickelung des 
Genossenschastswesens, sowie die Bestrebun- 
gen der Centralgenossenschaftskafie. Er er 
erkundigte sich bei den einzelnen Ausschuß 
Mitgliedern eingehend nach dem Stande 
der Genossenschaftsentwickelung in den ver- 
schiedenen Landestheilen. Nach Tische unter 
hielt er sich namentlich mit den Vertretern 
des Handwerks und mit diesen auch^ aus 
führlich über die Organisation des Hand- 
Werks. Die seit längerer Zeit im Finanz- 
Ministerium im Gebrauch befindlichen 
Spiriiuslampen erregten die besondere 
Aufmerksamkeit des Kaisers. Er sprach die 
Hoffnung aus, daß dieselben sich gewähren 
und immer weitere Verbreitung finden 
möchten', damit daraus dem deutschen 
Spiritus eine neue Absatzquelle erwachse. 
Erst nach 10 Uhr verließ der Kaiser das 
Finanzministerium. 
— Wie die „Post" vermmmt, sprach 
sich der Kaiser bei dem gestrigen Mahle 
in bestimmtester Weise über die Noth 
wendigkeit des Zustandekommens der Zucker 
steuervorlage aus. 
— Bon gutunterrichteter Seite verlautet, 
daß die Stellung des preußischen M inist er s 
des Innern, Herrn von Köller stark 
erschüttert ist. Man spricht von starken 
Differenzen, die zwischen Herrn von Köller 
und anderen Mitgliedern des Staats- 
Ministeriums bestehen und in der letzten 
Zeit sich besonders fühlbar gemacht haben. 
— Die amtliche Correspondenz schreibt: 
„In landwirthschaftlichen Kreisen 
ist die Bewegung, Genossenschafts 
Hochachtung. Wieviel hat er mcht schon 
für Wcstluud gethan, mit welcher Energie 
warf er sich auf die zweckmäßige Bewnth- 
schaftung seiner Besitzung, überall im Dorfe 
Hort man seinen Namen in Verbindung mit 
Dankbarkeit und Achtung nennen; nur Sie 
verschließen sich in unbegreiflicher Weise der 
allgemeinen Anerkennung." 
Ich versage dem Baron die Anerkennung 
nicht, und ich danke Ihnen für seinen Gruß, 
doch'ich erwidere ihn nicht, und bitte, ihm 
das zu bestellen, im Falle er fragt." 
Pastor Berg vermuthet nach manchen, daß 
diesem Entschlüsse eine tiefere Ursache zu 
Grunde liegt, doch Rahels ernst verschlossenes 
Antlitz verräth nichts von den Empfindungen 
ihres Herzens, auch wendet sie jebe weitere 
Erörterung ab, indem sie den Brief hervor 
zieht und ihn dem jungen Manne reicht. 
..Hoffentlich sehen Sie Leonore und können 
mir später erzählen, wie es ihr geht; rch 
fürchte, sie ist nicht so zufrieden wie ihre 
Briefe es mich glauben lassen sollen. Auf 
frohes Wiedersehen denn, und glückliche 
Mise!" (Fortsetzung folgt.) 
rlo s zu errichten, bekanntlich in neuerer 
eit in zahlreichen Versuchen in Fluß ge- 
kommen und die Anlage solcher Speicher 
vielfach ins Auge gefaßt worden. Mit der 
'teigenden Erkenntniß von der Nützlichkeit 
derartiger Silos wird voraussichtlich, auch 
wie überall sonst bei den Verwaltungen 
großer Speicheranlagen, die Ueberzeugung 
von der Nützlichkeit, wenn nicht die Noth- 
Wendigkeit der Ausgabe übertragbarer 
Lagerscheine in landwirthschaftlichen Kreisen 
mehr und mehr Verbreitung und Anhänger 
inden. Deswegen wird der gesetzlichen 
Regelung des Lagerwesens und der Lager- 
cheine erneute Aufmerksamkeit zugewendet. 
Bisher war die Stimmung der Landwirthe 
dem Warrantsystem gegenüber nicht günstig. 
Der Deutsche (Landwirthschaftsrath hat be 
kanntlich gelegentlich seiner 18. Plenar 
versammlung in der Sitzung vom 26. 
Februar 1890 mit großer Entschiedenheit 
und Einmüthigkeit sich gegen die gesetzliche 
Ausdehnung des Warrantsystems ausge- 
sprachen. Ehe weiter Schritte in dieser 
Angelegenheit erfolgen, soll daher die 
gegenwärtige Auffassung der landwirthschaft 
lichen Kreise über diese Frage geprüft 
werden. Insbesondere soll festgestellt 
werden, ob die früheren Anschauungen 
über das Warrantsystem sich schon jetzt mit 
Rücksicht auf die genossenschaftliche Ver- 
werthung und die Beleihung des Getreides 
in den Siloanlagen zu dessen Gunsten ge- 
ändert haben oder ob die landwirthschaft- 
rchen Kreise auch zur Zeit noch an ihren 
an den Erlaß eines Warrantgesetztes ge 
knüpften Befürchtungen festhalten zu müssen 
glauben. Der Landwirthschaftsminister 
hat daher die landwirthschaftlichen 
Provinzial-, Central- und Hauptvereine 
Preußens um einen gutachtlichen Bericht 
ersucht." 
Die grauen Mäntel der 
Offiziere und Mannschaften sollen, 
wie verlautet, nicht weiter beschafft wer 
den — man will zu dem alten Mantel- 
inch zurückkehren. (? Red.) 
Die Strafkammer in Posen 
hat in einer Anklagesache gegen den 
Redakteur des „Posener Tageblatts" wegen 
Nichtaufnahme einer Berichtigung, 
die der Vorsitzende des antisemitischen Ver 
eins in Birnbaum einschickte, dahin er 
kannt, daß nicht jede beliebige Person, 
die in dem zu berichtigenden Artikel gar 
nickt benannt wird, eine Berichtigung 
fordern könne. Dies würde zu den unge 
heuerlichsten Consequenzen führen und die 
Thätigkeit der Presse vollständig lahm 
legen. Der Angeklagte wurde freigesprochen. 
Berlin, 28. Nov. Der Afrikareisende 
Otto Ehlers ist, nach einem Tele 
gramm aus Auckland, bei dem Versuch, 
das englische Gebiet von Neu-Guinea zu 
durchqueren, ertrunken. Von der 
Expedition von 43 Köpfen sind 20 Ein 
geborene umgekommen, 3 desertirt, der 
Rest ist in Port Moesby auf der eng 
lischen Seite angekommen. Auch die Tage 
bücher und Journale sind verloren. 
Berlin, 25. Nov. DieMommission für 
Arbeiterstatistik hat bekanntlich Er- 
Hebungen über die Lage der Angestellten 
in Gasthäusern vorgenommen. _ Bei 
dieser Erhebung stehen sich die Ansichten 
der Wirthe und der Kellner bei den 
zwei wichtigsten Fragen schroff gegenüber. 
Die Wirthe verneinen die Frage, ob die 
Arbeitszeit gesundheitsschädlich und ob eine 
Regelung der Arbeitszeit erwünscht und 
durchführbar sei; die Kellner haben beide 
Fragen natürlich mit Ja beantwortet. 
Bon Seiten der Wirthe wird angeführt, 
daß die Arbeit des Kellners nicht an- 
strengend sei, daß sie durch Ruhepausen 
unterbrochen würde und daß sich der schlechte 
Gesundheitszustand damit erkläre, daß meist 
îschwache Personen Kellner würden. Die 
eigentliche Arbeit falle auf den Sonntag, 
an Wochentagen sei wenig Verkehr. Die 
Kellner dagegen machen geltend, daß ihr 
Dienst ein anstrengender sei, daß ihnen 
keine freie Zeit zur Fortbildung und für 
das Familienleben bliebe. Hinsichtlich 
einer allgemeinen Regelung der Arbeits 
zeit ist ein Theil der Wirthe für Ein 
führung einer Mindest ruh ez eit, ein 
anderer für die Fetzsetzung einer Höchst 
dauer der Arbeitszeit. Die meister Kellner 
erklären sich für eine achtstündige Minimal- 
ruhe, event einer vierzehnstündigen Maximal 
arbeitszeit mit zweistündiger Pause. Das 
Gesundheitsamt schlägt eine tägliche Mindest- 
ruhe von acht Stunden sür Erwachsene 
und eine von wenigstens zehn Stunden 
sür jugendliche und weibliche Personen vor 
Die unter den Kellnern stark verbreitete 
Lungenschwindsucht führt das Gesundheits 
amt auf die lange Arbeitszeit zurück! Zur 
Ergänzung des Materials wird die Kom- 
mission für Arbeiterstatistik demnächst mit 
Vertretern beiderTheile mündlich verhandeln. 
— Eine F a b r i k a t st e u e r sür alle 
fabrikmäßig hergestellten Waaren hat der 
mecklenburgische Handwerkertag 
vorgeschlagen. Er hat eine Resolution 
angenommen, in der die Staatsregierung 
ersucht wird, für alle auf mechanischem 
Wege fabrikmäßig hergestellte Waaren, die 
sonst vom Handwerker gearbeitet werden 
können, eine Fabrikatsteuer einzuführen in 
!der Höhe, daß das Handwerk und Klein- 
gewerbe in der Lage ist, mit der Groß 
industrie einigermaßen zu konkurriren. — 
Da wäre es doch noch einfacher, wenn 
vorgeschlagen würde, die Maschinen zu 
zerschlagen und die Fabriken zu schließen. 
Mit der sozialdemokratischen Buch 
druckerei von Maurer und Dimmick in 
Berlin beschäftigte sich eine Arbeiter- 
! Versammlung, wobei lebhafte Klagen über 
Idie Mißstände in jenem sozialdemokrati- 
schen Geschäft zum Ausdruck kamen. Die 
Sonntagsruhe würde nicht innege 
halten, Ueberstunden würden ge 
macht, den Schriftsetzern würde der Lohn 
vorenthalten und Aehnliches. Bei der 
Kontrolle von Beamten habe man die 
Lehrlinge in Papiersäcke versteckt, 
und die anderen so lange „Biertrinken" 
geschickt. Die Versammlung sprach in einer 
Resolution ihre tiefste Entrüstung über die 
in der arbeiterfreundlich sein wollenden 
Druckerei von Maurer und Dimmick statt- 
findenden systematischen Ueberschreitungen 
[ber Gewerbeordnung aus. Sie beauftragt 
ihre Vertrauenspersonen, mit aller Energie 
dahin zu arbeiten, überall da, wo Miß 
stände im Betriebe bestehen, sie der 
Oeffentlichkeit zu übergeben, 
ş — WegenBeleidigung des Gendarmen 
Münter ist der Redakteur der sozialdemo- 
kratischen „Rhein. Wests. Arbeiterztg.", 
Block, zu vier Wochen Gefängniß ver- 
urtheilt worden. 
Zwischen 10 und 11 Uhr Abends be 
trat ein fein gekleideter, junger Mann eine 
Restauration in Berlin, setzte sich dort 
neben andere Gäste und bestellte ein Glas 
Cognac. In dieses Glas that er aus 
einer gläsernen Phiole mehrere Körner, 
die wie Saccharin aussahen und die er 
mit seinem Taschenmesser umrührte. Nach 
dem der junge Mann noch ein Glas Bier 
hatte kommen lassen, sagte er zu den Um- 
sitzenden, sein Vater wäre Oberst, seine 
Braut wohne in diesem Hause und hätte 
ihm den Einlaß verweigert, weil sie ihn 
.für betrunken hielt, und diese Schande 
şkônne er nicht überleben. In demselben 
Moment leerte er das Gas mit Cognac, 
jnahm noch einen Schluck Bier und stürzte 
vor den Augen der setzten Zuschauer wie 
vom Blitze getroffen zu Boden. Auf 
Requisition des Wirthes wurde der noch 
röchelnde Unglückliche nach dem Moabiter 
-Krankenhause gebracht. 
Wegen Majestätsbeleidigung 
wurde der Glasbläser Oskar Karl zu 
Haselbach bei Sonneberg zu drei Monaten 
Gefängniß verurtheilt. 
Um Anstellung als Scharfrichter 
im Oberlandesgerichtsbezirk Breslau hatte 
sich der Sattlergeselle Richard S-, der bei 
dem Sattlermeister B. in Glciwitz in 
Arbeit steht, am 8. Oktober mit einem 
-Immediatgesuch an den Kaiser gewandt 
Der Eemüthsmensch ist jetzt von der Ober 
staatsanwaltschaft Breslau dahin beschieden 
worden, daß gegenwärtig kein Bedürfniß 
zur Anstellung eines Scharfrichters vor 
liege. Wenn jedoch das Bedürfniß zur 
Anstellung eines solchen Beamten fühlbar 
werden sollte, müßte der Bittsteller sich 
erst einer Prüfung unterziehen. 
Eine Steuer auf Equipagen und 
Schlitten wollten die Kommunalbehörden 
in Oppeln einführen. Die Minister 
haben die Zustimmung zu dieser Steuer 
versagt. 
Der dritte jener Räuber, welche den 
.Raubansall auf den Comptoirboten in 
îHannover ausführten, um ihm 7000 Mk. 
zu rauben, ist ergriffen und zur Haft ge- 
bracht worden. Es ist der Bruder der 
bereits festgenommenen beiden Weinreich, 
der Dachdeckergeselle Heinrich Weinreick, 
der sich, wie gemeldet, beim Erscheinen 
der Criminalbeamten in der elterlichen 
j Wohnung durch eine Flucht über die Dächer 
der Verhaftung entzog. 
Infolge der Verheerungen des sog. 
Reichswaldes durch den Kieferspanner sind 
in der Gegend von Schwabach seit Monaten 
meist niederbayrische Waldarbeiter mit 
.Holzfällen beschäftigt. Jüngst fand in 
einem Wirthshaus zu Schwabach freier 
Abendball statt. Nach Beendigung der 
Franoaise wollten mehrere Waldarbeiter 
einen'Schuhplattler aufführen, was jedoch 
die große Zahl der anderen Tänzer nicht 
zulassen wollte. Damit war der Anlaß 
zu einem furchtbaren Tumulte gegeben. 
Man hieb mit allem Greifbaren auf ein- 
ander ein; das ganze Mobiliar wurde 
demolirt. Ein Theil der Anwesenden 
flüchtete zu den Fenstern hinaus. 
Während der Schlägerei brachte ein noch 
unermittelterWaldarbeiter dem Brauburschen 
Merkel aus Greding einen so gefähr 
lichen Stich bei, daß der Getroffene als 
bald verschied. Zwei andere Brauburschen 
wurden sehr schwer, mehrere andere Be 
theiligte leicht verletzt. 
Wegen Majestätsbeleidigung 
-ist in Chemnitz ein sozialdemokratischer Ver- 
trauensmann der Brauer verhaftet worden; 
die inkriminirten Aeußerungen soll er in 
angetrunkenem Zustande in einer Antisemiten 
kneipe gethan haben. 
> Meiningen, 29. Nov. Ungeheures Auf 
sehen erregt die Entdeckung, daß der 
bekannte Geologe Dr. Proscholdt, Lehrer 
am hiesigen Realgymnasium, Jahre lang 
an Zöglingen Vergehen begangen hat, die 
unter die §§ 174 und 175 des Straf 
gesetzbuchs fallen. Proscholdt ist geflüchtet 
und wird steckbrieflich verfolgt. 
Bremen, 28. Nov. Der 2155 Register- 
Tonnen große deutsche Dampfer „Galicia", 
von New-Orlrans nach Hamburg unter- 
wegs, lief in Boston mit brennender 
Ladung ein. Die im Hauptraum lagern 
den Güter sind beschädigt. Das Feuer ist 
bis jetzt noch nicht gelöscht. Der Schaden 
an Schiff und Ladung ist beträchtlich. 
Hamburg, 27. Nov. Der „Reichstags- 
Wahlverein von 1884" hat gestern 
Abend eine von ca. 2000 Personen be 
suchte Resolution angenommen wurde, 
„daß die Reichsregierung das 
allgemeine Wahlrecht in der 
Weise durch eine Gesetz-Vor- 
läge abändere, daß dieAlters 
grenze der Wahlberechtigung 
höher bemessen und die Forde 
rung einer längeren Seß 
haftigkeit im Wahlkreis g e- 
st e ll t werde." — Nach einstimmiger 
Annahme der Resolution wurde ein Tele- 
gramm an den Kaiser abgesandt, daß die 
Versammlung einmüthig in dem Kampf 
gegen die Sozialdemokratie sei. 
Ein Hamburger Groß-Spekulant, dessen 
Verpflichtungen an der Börse über 7 
Millionen hinausgehen sollen, war durch 
den letzten Krach in große Bedrängniß 
gerathen. Zur Abwendung einer Kalamität 
hat sich ein Konsortium gebildet, welches 
70 pCt. zur Ausgleichung bietet, welches 
Gebot auch angenommen werden dürfte. 
Provinzielles. 
Altona, 28. Nov. Das Mißlingen des 
Versuchs B r e i t r ü ck' s, durch das be 
kannte Schreiben, dessen Veröffentlichung 
kürzlich so berechtigtes Aufsehen erregt hat, 
den Verdacht der Thäterschaft auf einen 
Polen Namens „Schulz" zu lenken, hat 
ersichtlich auf den Verbrecher eingewirkt. 
Er scheint sich der Tragweite seiner 
thörichten Handlung bewußt geworden zu 
sein, denn er erscheint im Gegensatz zu 
früher überaus muthlos, fast gebrochen. 
— Hinzu kommt noch, daß Breitrück, der 
sich vordem einer außerordentlich milden 
Behandlung zu erfreuen hatte, jetzt ent 
sprechend der von ihm an den Tag ge 
legten Frivolität strenger behandelt wird. 
Tag und Nacht ist er, an einem Bein ge 
fesselt, an die Wand gekettet, und stets 
befindet er sich unter Aussicht von Ge 
fängniß-Aufsehern. Am Tage weilt ein 
Aufseher in seiner Zelle, während des 
Nachts zwei Beamte bei ihm wachen. 
Breitrück ist wortkarger den je, selten oder 
nie giebt er Antwort auf Fragen, die an 
ihn gerichtet werden. Auf die That, 
wegen der er im Gefängniß weilt, bringt 
er das Gespräch nicht mehr, während er 
vordem es nicht ungern sah, wenn, falls 
die Frage nach dem Thäter unterblieb, 
die Sprache auf den schrecklichen Vorgang 
gebracht wurde. 
Aus Oldesloe wird berichtet: Die neue 
Fahrrad-Fabrik, welche auf dem Platze 
der früheren Wollwäscherei errichtet wird, 
ist hinsichlich des Unterbaues bereits so 
weit vorgeschritten, daß letzthin das Richt- 
fest gefeiert werden konnte. 
Ein sonderbarer Tauschhandel kam 
vorige Woche in einer Wirthschaft in 
Schnelsen zu Stande. Ein Barbier hatte 
daselbst ein Pferd zum Verkauf eingestellt 
und schlug dasselbe schließlich, als ihm ein 
passendes Gebot in baar nicht gemacht 
wurde, an einen Händler für—100 Paar 
Holzpantoffeln los. 
Aufsehen erregt in Plocn der durch Er 
hängen vollzogene Selbstmord des Lehrer s 
an der Bürgerschule Meier. Gegen den 
selben sollte Suspendirung vom Amte 
und eine gerichtliche Untersuchung einge 
leitet toerden. 
Elmshorner Saalbesitzer hatten beim 
Regierungspräsidenten ein Gesuch um Er- 
theilung der Erlaubniß zu Abhaltung all- 
sonntäglicher Tanzbelustigungen für die 
Zeit vom 1. Oktober bis 1. April einge- 
reicht. Die Bittsteller sind abschlägig be 
schieden worden. 
Im Lockstedter Lager hatte sich ein 
mächtiger Seeadler im Tellereisen gefangen. 
Bei Annäherung der beiden Jäger des 
Grafen W a l d e r s e e machte derselbe 
furchtbare Anstrengungen und nahm Eisen, 
Kette und Pfahl mit sich empor, wobei 
er sich den Fang des linken Fußes voll 
ständig abriß. Ein Kugelschuß brachte ihn 
wieder zur Erde. Er mißt 2,15 Meter 
Flügelweite und wiegt 9,5 Kilogramm. 
Ncnmünster, 28. Nov. Die.Vorbereitun- 
gen zur Errichtung eines Lehrlings- 
Heims Hierselbst sind heute zum Abschluß 
gebracht, sodaß das Heim am 8. Dezbr. 
eröffnet werden kann. Die Kosten tragen 
die Provinz und der Staat mit je lOO 
Mark, die Stadt mit 200 Mark, während 
die Gründer den Rest übernehmen, das 
sind Fabrikanten- und Gewerbe - Verein, 
sowie eine Anzahl von Innungen. Die 
Leitung des Lehrlingsheims übernimmt 
der Direktor der Fortbildungsschule Haupt 
lehrer Tanck, dem zwei Gehülfen beige 
geben werden. 
8. Kiel, 28. Nov. (Verunreinigung 
des Kieler Kriegshafens.) Infolge der 
kürzlich zwischen Delegirten der betheiligten 
Marine- und Civilbehörden gepflogenen 
Berathungen über die Verunreinigung des 
Kieler Kriegshafens wird von der Marine 
behörde beabsichtigt, die Plätze für die 
Panzerschiffe des Manövergeschwaders soweit 
wie möglich in die äußere Föhrde zu ver 
legen. Ob durch solche Maßregel die 
Wasferverhältnisse im Kieler Hafen ge 
bessert werden, lassen wir dahingestellt, 
jedenfalls wird den Besatzungen der Panzer- 
schiffe die Communication mit der Stadt, 
besonders bei nordöstlichem Winde, sehr 
erschwert, wie wir dies in der vergangenen 
Woche häufig zu beobachten Gelegenheit 
hatten. 
Schleswig, 27. Nov. Dem dänischen 
Wanderlehrer Kaspar Jensen, der im 
Sundewitt Kindern dänischgesinnter Ein 
wohner Privatstunden gab, ist von der 
Regierung in Schleswig die Ertheilung 
îvon Privatunterricht verboten worden. 
Sondcrburg, 27. Nov. Der von der 
Anklage der Majestätsbeleidigung 
freigesprochene dänische Schauspieler 
Marx hat bei dem Ministerium des 
Aeußeren in Kopenhagen Schadenersatzklage 
gegen die deutsche Regierung eingeleitet, 
weil die in Sonderburg erlittene Unter 
suchungshaft angeblich widerrechtlich gegen 
ihn verhängt worden sei. 
In ver verflossenen Nacht wurde dem 
Kaufmann Thede in Husum eine große 
Spiegelscheibe im Werthe von 300 Mk. 
eingeworfen. Im Laden fanden sich drei 
! große Steine. 
Tönning, 27. Nov. Zu der heute bei 
der Königl. Wasserbauinspektion in Tönning 
! stattfindenden Submission über Herstellung 
eines Sommerdeiches mit Schleusen 
anlage auf dem fiskalischen Vorland bei 
Tetenbüllspieker in Eiderstedt waren 15 
Offerten eingegangen. Die Forderungen 
der einzelnen Unternehmer wichen sehr von 
einander ab, die Differenz zwischen dem 
Höchst- und Mindestfordernden betrug über 
100,000 Mk. Die drei niedrigsten Ange- 
böte waren die der Herren Sönnichsen 
L Maaßen von Husum und Tondern. 
Klüwer von Rendsburg und Petersen 
& Husen von Bredebro und Flensburg. 
Hohenwestedt, 28. Nov. (H. C.) Mit 
großer Freude ist hier die Nachricht auf 
genommen, daß der gestern in Rendsburg 
abgehaltene Kreistag den Ausbau der 
Chausseestrecke Hohenwestedt-Grauel-Meezen 
genehmigt hat. Es ist nach Fertigstellung 
dieser Chausseestrecke zu erwarten, daß die 
i Dörfer Meezen, Poyenberg und vielleicht 
auch Hennstedt ihren Verkehr nach unserm 
Orte legen werden. Es steht zu erwarten, 
daß Poyenberg die Wegestrecke bis nach 
Meezen zum Anschluß an diese Chaussee 
selbst ausbauen wird. 
X. Rendsburg, 29. Nov. Ausüben 
von den Holler'schen Erben auf die Stadt 
übergegangenen Landparcellen an dem 
Obereiderbassin wird zur Zeit mittelst 
eines Unterprundpfluges wiederum eine 
größere Fläche von 1 '/2 Hectaren zur 
Aufforststng vorbereitet. Im nächsten 
Frühjahr erfolgt dann die Anpflanzung 
Früher sind bereits 3—4 Hectar daselbst 
von der Stadt aufgeforstet und zeigen die 
Pflanzen durchweg ein gutes Gedeihen. 
A. Rendsburg, 28. Nov. In der letzten 
Sitzung des Königlichen Seeamts in Tön 
ning wurde über den Untergang der Kuff 
„Martha" aus Wyk a. F- und des Ewers 
„Gloviosa" von Sylt verhandelt. Beide 
Schiffe sind wahrscheinlich in dem am 15. 
und 16. Mai in der Nordsee herrschenden 
Sturm leck gesprungen und mit der ge 
lammten Besatzung (mit je 4 Mann) auf 
der Reise von Warkworth nach Wyk a. F. 
bezw. Munkmarsch a. Sylt untergegangen. 
Der Spruch des Seeamts lautete dahin, 
daß die Schiffe mit der Besatzung als 
verschollen anzusehen sind. Die Ursache des 
Untergangs hat sich nicht feststellen lassen. 
Daß Mängel in der Bauart, Ausrüstung, 
Beladung und Bemannung den Unfall 
herbeigeführt haben, kann nicht angenommen 
werden. — Sodann wurde über die 
Strandung tdes Blankeneser Fischerewers 
Catharina 8. B. 18 verhandelt. Der 
Spruch des Seeamts lautete: Die Unter 
suchung hat ergeben, daß in der Nacht 
vom 25. bis 26. März 1895 der Blanke- 
neser Fischerewer Catharina 8. B. 18 am 
Kamper Weststrande auf Sylt gestrandet 
ist, nachdem vorher der Schiffer über Bord 
gespült und ertrunken ist. Der Unfall ist 
in erster Linie auf die Kollision zurück- 
zuführen, welche der Fischerewer mit einem 
unbekannt gebliebenen Dampfschiff gehabt 
hat und in Folge dessen derselbe schwer 
leck gesprungen ist. Die Ursache der 
Kollision hat mit Sicherheit nicht aufge 
klärt werden können. Dem Schiffer Büttner 
ist ein Verschulden nicht beizumessen. 
X Rendsburg, 29. Nov. Wir be 
richteten vor einiger Zeit über die Eisen 
bahnfahrt eines jungen Mädchens von hier, 
welches in Friedrichstadt die Waggonthür 
nicht öffnen, erst in Lunden den Zug ver 
lassen konnte und dann angehalten wurde, 
eine neue Fahrkarte zu lösen, um nach 
Friedrichstadt zurückzukommen. Nachdem 
der Vater des jungen Mädchens die Ange 
legenheit zur Kenntniß der Kömglichen 
Eisenbahndirektion in Altona gebracht, traf 
von derselben in diesen Tagen em Schreiben 
an den Betreffenden ein, daß die hiesige 
Bahnkassc angewiesen set den Betrag 
für das fragliche Billet zurückzuzahlen. 
X Rendsbnrg, 29. Nov. Dem Ver 
nehmen nach wurde in der hiesigen Straf 
anstalt heule ein schwerer Exceß verübt
	        
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