Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

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Hìendsburģêr M Wochenblatt 
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Wo. 271. 
Dienstag, den 19. Wovember 
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Tes Buh- und Bettages 
wegen erscheint morgen kein 
Wochenblatt. 
Die Expedition. 
Morgeu-Depcschen. 
Berlin, 19. Nov. Die „Post" schreibt: 
Im Staatsmimsterium herrscht begründete 
Erbitterung darüber, daß neuerdings mehr 
fach Mittheilungen über kommissarische 
Verhandlungen zwischen den einzelnen 
Ressorts in die Presse gelangt sind. Der 
Artikel, den die Volkszeituug aus der 
interministeriellen Verhandlung über das 
Volksschullehrer. Besoldungsgesetz gebracht 
hat, kann nach Ansicht maßgebender Kreise 
auf keinem anderen Wege, als dem des 
Verrrauensbruchs seitens eines Theil- 
nehmers an den Konferenzen veröffentlicht 
worden sein. Es werden Schritte er 
wogen, um dies für die Zukunft zu ver> 
hüten. 
Berlin, 19. Nov. Der „Volksztg." 
wird geschrieben; das von ihr in seinem 
wesentlichsten Bestimmungen bereits mitge 
theilte Gesetz betreffend das Dienstein 
komnien der Lehrer und Lehrerinnen an 
den öffentlichen Volksschulen sei zwischen 
dem Kultusminister und dem der Finanzen 
zwar schon vereinbart, aber an das Staats 
ministerium noch nicht eingereicht. Indessen 
solle dies in allernächster Zeit geschehen. 
Im Abgeordnetenhause werde es dem 
Entwurf an Gegnern nicht fehlen. Unter 
ihnen dürste Graf Limburg-Siirum vor- 
anstchen; aber auch Herr v. Koller, der 
Präsident des Abgeordnetenhauses, befinde 
sich unter den Gegnern des Gesetzes. 
Göttingen, 19. Nov. Bei dem Neubau 
des Hauses für das Studentenkorps „Han- 
novera" in Göttingen stürzte ein Theil 
des Baues ein. Sechs Maurer wur 
den unter den Trümmern begraben, einer 
ist gestorben, die anderen sind schwer 
verletzt. 
Bochum, 19. Nov. Beim Brande eines 
Hauses in dem Nachbarorte Riemke kamen 
zwei Personen ums Leben. 
Rom, 19. Nov. Gestern Abend fand ein 
starkes Erdbeben in Reggio di Calabra 
und Messina statt, ohne 'jedoch Schaden 
anzurichten. Die Bevölkerung verließ die 
Häuser. 
Odessa, 19. Nov. Ueber Kars kommen 
Nachrichten, daß an den letzten Massacres 
in Erzerum sich auch Soldaten betheiligten. 
Diese sollen die türkische Bevölkerung an 
Wildheit noch übertroffen haben und 
plünderten unter den Augen der Konsuln. 
Etwa 2000 Personen wurden getödtet, 
mehrere Tausend verwundet, 1000 Läden 
und 400 Läden geplündert bezw. nieder 
gebrannt. Zur Hilfe für die Armenier 
wurde seitens der Behörden nichts gethan. 
Von den Offizieren wurden die Soldaten 
sogar noch ermuntert. Auch auf die Kon 
sulate Englands und Italiens wurde ge 
schossen. In den Tagen von Mittwoch bis 
Sonntag wurde insgesammt für 400 000 
türkische Pfund Schaden angerichtet. 
_ Newport, 19. Nov. In Fvlge falschen 
signals stürzte Sonnabend Abend in 
Cleveland ein elektrischer Motorwagen 
der Straßenbahn, als er über die Zug 
brücke eines Viadukts fuhr, aus einer 
Höhe von lOOFuß in den Cuyahvja- 
fluß hinab. Der Wagen enthielt 20 bis 
30 Personen; mehrere Personen, darunter 
der Motorbeamte, sprangen ab, die übrigen 
Insassen nebst dem Kondukteur ertranken. 
Dreizehn Leichen sind bisher geborgen. 
Der Motorbeamte wurde verhaftet. 
Ser neue MŞlnegeîkheàukf. 
Dem Bundesrath ist ein Gesetzentwurf 
betreffend den Verkehr mit Butter, Käse, 
Schmalz und deren Ersatzmitteln zugegangen, 
der eine große Anzahl Abweichungen von 
dem Gesetz von 1887 enthält. Wir geben 
nach den Münchener Neuesten Nachr. die 
nachstehenden Bestimmungen der Vorlage 
wieder: 
8 1 knicket: „Die Geschäftsräume und 
sonstigen Verkaufsstellen, einschließlich der 
Marktstände, in denen Margarine, Mar 
garinekäse oder Kunstspeiskfett gewerbs 
mäßig verkauft oder feilgehalten wird, 
müssen an in die Augen fallender Stelle 
die deutliche nicht verwischbare Inschrift: 
„Verkauf von Margarine", Verkauf von 
Margarinekäse", „Verkauf von Kunstspeise- 
sett" tragen. Margarinekäse im Sinne 
des Gesetzes sind diejenigen käseartigen Zu- 
bereitungen, deren Fettgehalt nicht aus- 
schließlich der Milch entstammt. Kunst 
speisefett im Sinne dieses Gesetzes sind 
diejenigen dem Schweineschmalz ähnlichen 
Zubereitungen, deren Fettgehalt nicht aus- 
schließlich aus Schweinefett besteht. Aus- 
genommen sind unverfälschte Fette be 
stimmter Thier- oder Pflanzenarten, welche 
unter den ihren: Ursprung entsprechenden 
Bezeichnungen in den Verkehr gebracht 
werden." 
8 2 bestimmt: „Die Vermischung von 
Butter oder Butterschmalz mit Margarine 
oder anderen Speisefetten zum Zweck des 
Handels mit diesen Mischungen, sowie das 
gewerbsmäßige Verkaufen und Feilhalten 
solcher Gemische ist verboten. Unter diese 
Bestimmungen fällt auch die Verwendung 
von Milch oder Rahm bei der gewerbs 
mäßigen Herstellung von Margarine, so 
fern mehr als 100 Gewichtstheile Milch 
oder eine dementsprechende Menge Rahm 
auf 100 Gewichtstheile der nicht der Milch 
entstammenden Fette in Anwendung 
kommen." 
Nach A 3 hat Jeder, der Margarine re. 
herstellt resp. vertreibt, der Behörde An 
zeige zu machen. 8 4 giebt den Polizei- 
beamten das Recht, in den betreffenden 
Geschäften 8 stets Revision vorzunehmen. 
8 5 verpflichtet die Fabrikanten, von 
Margarine re. über Herstellungsart, Menge 
usw. ihrer Fabrikate der Polizei auf Ver 
langen Auskunft zu geben. Nach 8 6 
dürfen Margarine und Kunstspeisefett 
nicht in denselben Räumen fertiggestellt 
und aufbewahrt werden, wie Butter und 
Butterschmalz. Ausnahmen sind für den 
Kleinhandel bei Trennung der Lager ge 
stattet. 8 7 schreibt die Bezeichnungen 
vor, mit denen Margarine re. versehen 
sein müssen. Nach § 8 müssen in den im 
Handelsverkehr üblichen Schriftstücken für 
Margarine ec. die diesem Gesetz ent 
sprechenden Waarenbezeichnungen ange 
wendet werden. 
§ 9 lautet: „Der Bundesrath ist er 
mächtigt, das gewerbsmäßige Verkaufen 
und Feilhalten von Butter, deren Wasser 
gehalt eine bestimmte Grenze überschreitet, 
zu verbieten." 
8 10 ermächtigt den Bundesrath „1. 
nähere Bestimmungen zur Ausführung der 
Vorschriften des 8 7 zu erlassen, 2. Grund- 
sähe auszustellen, nach welchem die zur 
Durchführung dieses Gesetzes sowie des 
Gesetzes vom 14. Mai 1879 erforderlichen 
Untersuchungen natürlicher oder künstlicher 
Fette der in diesen: Gesetze bezeichneten 
Art vorzunehmen sind." 
Mnsland. 
Türkei. 
Konstantinopcl, 18. Nov. Die von den 
Kirchenbehörden in Kharput wiederholt 
geäußerten Befürchtungen haben sich er 
füllt. Nach zuverlässigen Nachrichten ist 
auch diese Stadt der Schauplatz von Ge 
waltthaten gewesen, die 700 Menschen 
das Leben gekostet haben sollen. Vor 
der Concentrirung der europäischen Ge 
schwader in den türkischen Gewässern ist 
dem Sultan ungemein bange, da er fürchtet, 
daß, wenn die christlichen Mächte nur 
einmal Konstantinopel besetzt haben, sie 
diese Stadt gar nicht mehr verlassen 
werden. 
Der Hamburgische Correspondent meldet 
ans ) Konstautinopel: Der Sultan ließ 
den deutschen Botschafter zu einer Privat 
audienz bitten. Der Botschafter ließ sich 
jedoch entschuldigen, da er glaubte, der 
Sultan wolle seine politische Meinung er 
fahren, und lehnte die Unterredung ab, 
da er nicht für sich allein handeln wollte. 
Oesterreich-Nngarn. 
Wien, 17. Nov. Der Selbstmörder 
Ferdinand Adolf Freund war der Chef 
der Firma „Wechselhaus der Administration 
der „Fortuna" in der Rothenthurmstraße. 
Seine Börsen - Differenzen werden ans 
200000 fl. geschätzt; auch Depots fehlen. 
Mehrere Depotsgläubiger erstatteten An 
zeige bei der Polizei. Die Bureaux 
wurden behördlich gesperrt. 
Frankreich. 
Als ein Hochzeitszug eine Kirche in Paris 
verließ, trat ein junger eleganter Mann 
vor und jagte sich angesichts des 
Brautpaares zwei Revolver kugeln 
in die Schläfe und war augenblicklich 
todt. Der Vorfall erregte unbeschreibliche 
Verwirrung, die Braut mußte ohnmächtig 
in den Wagen gehoben werden. Der Selbst 
mörder soll angeblich ein verschmähter 
Bewerber gewesen sein. Er gehörte den 
besten Kreisen an. 
Cagland. 
Einer der berüchtigtsten der Panama- 
schwindler, Arton, dessen „Ruhm" sogar 
den des Cornelius Hertz beinahe verdunkelte, 
der lange gesuchte Arlon, ist endlich in 
London vom Arm der Gerechtigkeit er 
reicht worden. Er hatte es so lange ver 
standen, sich unsichtbar zu machen, daß 
man die Hoffnung, ihn noch einmal anfzu- 
finden, längst aufgegeben hatte. Um so 
größer und für recht viele französische 
Panamisten unangenehmer ist die Ueber- 
raschung, die die Nachricht von seiner Er 
greifung hervorruft. Anläßlich dessen 
herrschte in den Kammercouloirs eine an 
die Zeit des wildesten Panamaskandals 
erinnernde Erregung. Marcel Hadert wird 
die Regierung interpelliren, ob sie gewillt 
ist, die geheime Vorgeschichte der Verhaf 
tung Arton's bekannt zu geben, insbe 
sondere mitzutheilen, ob über die zwei 
deutige Haltung der früheren Ministerien, 
vor allem Dupuy's, Documente vorliegen, 
die geeignet sind, die Anklage des Detec 
tives Dupuy's zu bestätigen, welcher in 
seiner Broschüre behauptete, er hätte Arton 
schon 1893 in Venedig verhaften können, 
wenn die Regierung gewollt hätte. 
Inland. 
Berlin, 18. Nov. Die Vorstellungen, 
die nach einer Meldung aus Konstantinopel 
der deutsche Botschafter beim 
Sultan im Interesse einer schleunigen 
Herstellung der Ordnung gemacht hat, 
erfolgten fast gleichzeitig mit den Schritten 
des Grasen Goluchowski bezüglich eines 
Einverständnisses der Mächte. Man er 
wartet, daß der Sultan den Rathschlägen 
um so mehr Rechnung trägt, als Deutsch 
land der Türkei gegenüber völlig un> 
interessirt ist. Von der Absendung 
weiterer deutscher Kriegsschiffe nach den 
türkischen Gewässern ist bisher nichts be 
kannt. 
— Minister v. Kölker wird in einer 
Berliner Zuschrift des „Hann. Cour." 
als das Hinderniß für die Reform der 
Mi litärstraf - Pr ozeßordnung be 
zeichnet. Derselbe soll danach die Ansicht 
vertreten, daß ein öffentlich verfahrendes 
Militärgericht der Sozialdemokratie Wasser 
auf die Mühlen liefern könne. Sollte es 
Herrn v. Köller gelingen, so wird dem 
„Hann. Cour." geschrieben, mit seinen 
von hohen Militärs unterstützten An 
schauungen an allerhöchster Stelle durch 
zudringen, so wäre eine Ministerkrise 
wahrscheinlich, denn der Kriegsminister 
hat im Reichstag erklärt, daß, wenn es 
ihm nicht möglich sei, die Reform durch 
zusetzen, er den Kaiser um einen Nach 
folger bitten müsse. In diesem Falle 
würde wohl auch der Reichskanzler 
Fürst Hohenlohe den Kaiser ersuchen, 
ihn von seinen Aemtern zu ent 
heben, denn auch er dürfte es als 
einen Mangel an Vertrauen zu ihm an 
sehen, wenn in dieser wichtigen Frage 
seine Ansicht verworfen würde. Vorläufig 
jedoch besteht durchaus die Hoffnung, daß 
in der nächsten Sitzungszeit des Reichs 
tages der Kriegsminister einen Entwurf 
vertreten darf, dessen Grundzüge in der 
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39) Roman von B. Ricdek-Ahrens. 
„Berlin, den 15. Juli 1894. 
Meine Rahel! 
Unsere kurzen Grüße aus Florenz, Rom, 
Neapel und Venedig werden in Deine Hände 
gelangt sein, und erst heute, volle sechs Wochen 
nach unserm Hochzeitstage, komme ich dazu, 
Dich ihrer Kürze wegen um Verzeihung zu 
bitten; die Entschädigung wird nach nnd nach 
in Gestalt endloser Episteln folgen, deren 
Stoff in meiner Briefmappe aufge 
speichert liegt. Ich habe während all der 
Zeit, die an mir vorübergezogen wie ein 
märchenhafter Traum, fast nur gesehen, ge 
nossen, Freude geathmet und all' das Herr 
liche, Großartige wohlverwahrt in die Tiefen 
meiner Seele gepackt, wo es nun als wohl 
erworbener Reichthum ruht, den ich nach und 
nach mit Dir theilen werde. 
Das Leben ist köstlich, Rahel; wie kann 
ein Menschenkind nur so glücklich sein — 
was habe ich gethan, das zu verdienen'? Schau 
um Dich, was mein zärtlicher Herr Geniahl 
mir heute morgen wieder für eine unvergleich 
liche Ueberraschung bereitete — drei Roben 
von Herzog — passend für eine wunderthätige 
Fee in ihrem Zauberschloß. Höre und staune 
mit mir: ein Sammetkleid, violet — mort 
-— nuance, mit Altrosa geschmückt, ein moos 
grünes Atlaskostüm — Perlenstickerei und 
Federn, eines aus wasserblauer Seide mit 
Seerosen, ist das nicht einfach wunderbar? 
Unsere Wohnung, eine zweite Etage in 
der Wilhelmstraße, ist entzückend, jedes der 
zahlreichen Zimmer ein Kunstwerk und stttvoll 
eingerichtet; o — Eugen hat Geschmack und 
er verhätschelt mich, wie alle Welt eS thut! 
Die Frauen der Kameraden reißen sich- um 
mich! Rahel, ich sage Dir, Vaters Ansicht 
von der Welt hier draußen ist doch nicht 
ganz^ d:e richtige; und einen Reichthum der 
herrlichsten Zerstreuungen giebt es, daß man 
gar nicht zu sich selbst kommen kann; aber 
das ist auch ganz gut — denn gerate ich 
erst einmal ins Grübeln, da eilen meine 
Gedanken zu Euch und ich bin ernst. -— 
Und ich will doch lachen, Rahel, und 
niich freuen. O, das volle reiche Leben um 
sprudelt mich wie köstlicher Champagner, tief 
tauchte ich den Becher in seine goldenen 
Fluten und trinke, trinke bis zum Rausche! 
Blumenbekränzt, stolz und hoffnungsreich 
gleitet mein Lebensschiff auf den sanften 
blauen Fluten dahin, ich bin glücklich, und 
ich will es sein. 
Blühen die Viktoriarosen, Rahel? Warst 
Du kürzlich bei unserer Mutter Grab? Ich 
habe in Rom in den Gedanken an sie auf 
dem Monte Pincio ein paar Veilchen gepflückt, 
Du findest sie eingeschlossen in diesen Brief. 
Lege die Blumen mit einem Gruß von nur 
auf ihren Hügel. 
Tante.Jutta grüße innigst, sie erhält über 
morgen einen langen Brief und nächstens 
schicke ich eine Kiste voll Geschenke für Euch 
alle; ob wohl der Vater etwas von mir 
annimmt? Schreibe was Du dafür denkst; 
und wenn Du nach dem Lesen dieses Briefes 
zu ihm gehst und ihn küssest, dann denke in 
Deinem Herzen: Vater, den Kuß sendet Dir 
Deine Tochter Leonore — verstießest Du sie 
auch, sie bleibt doch in unendlicher verehren 
der Liebe Dein treues Kind. Jetzt ist längst 
der winterliche Verschlag von der Thüre des 
Eßzimmers auf Haraldsholm. das in den 
Garten mündet, genommen, die Sonne flutet 
durch die von bunten Winden umrankten 
Fenster. Ich liebte immer den kühlen Raum 
mit seinem grünlichen Licht und oft weilt 
mein Geist in ihm. 
Was sagst Du von: Tode Julie von 
Ravens, die kaum eine Woche nach unserer 
Trauung gestorben ist? Wie Du Dir vor 
stellen kannst, hat er inich wenig und En 
gen fast garnicht berührt — ja, er ver 
hehlte kaum seine Befriedigung darüber, daß 
sein Bruder nun von ihr erlöst sei. Er 
ist wieder in der Ravensburg — hast Du 
ihn schon gesprochen? 
Ja, Rahel; es war reizend, die schöne 
Gotteswelt an der Seite eines ritterlichen 
jungen Gatten zu durchstreifen, doch immer, 
wenn ich an meine Trauung in Westlunds 
Kirche denken mußte, überlief mich ein 
Schauer; ich sehe dann wieder Waldemar 
Bergs versteinertes Antlitz und den Tod 
in ihm, den er in: Herzen trug; wie muß 
er gelitten haben! Erzähle nur, wie es ihm 
geht. Und nun leb wohl, meine liebe, liebe 
Schwester, grüße das Meer und den 
Buchenwald von Deiner glücklichen Leonore. 
P. 8. Eugen läßt sich Dir bestens 
empfehlen; — und noch eins; lege in 
Deinen nächsten Brief, den ich umgehend 
zu schreiben bitte, ein paar Blätter aus 
unserer Lindenlaube in Haraldsholm. Mir 
erzählen sie von Euch." 
Seit Leonorens Abreise benutzte Rahel 
den kleinen Salon, ohne ihn jedoch zum 
Schlafzimmer herabzuwürdigen; dazu war 
nach wie vor ihr Kämmerlein gut; sie ar 
beitete dort, pflegte die Blumen und hielt 
ihn pietätvall sauber, als gelte es, der 
Schwester das trauliche Mädchenasyl zu hüten. 
Hierher flüchtete sie auch mit ihren: Brief. 
Seltsam berührte Rahel die Mittheilung, 
daß Albrecht von Ravens schon seit fünf 
Wochen im Schlosse weile; so war die 
Erscheinung des Reiters an jenen: Abend 
im Mondlicht doch keine Vision gewesen, 
sondern er selbst. Er hatte sich nicht blicken 
lassen, wie sollte er auch, in dem Bewußt 
sein, ein unwillkommener Gast auf Haralds 
holm zu sein. Und die Gewißheit, daß er 
jedes Zusammentreffen mit ihr geflissentlich 
vermied, benahm sie des beklemmenden Ge 
fühls, daß seine Nähe erweckte; so war 
es gut. Hoffentlich würde sich kaum jemals 
Gelegenheit bieten, einander wiederzusehen. 
Rahel schrieb sofort eine ausführliche 
Antwort an Leonore und nahm den Brief, 
als sie Nachmittags zum Unterricht in 
Westlund ging, mit fort. Nach Beendigung 
der Stunden trat sie, wie gewöhnlich um 
diese Zeit, der versengender: Hitze wegen, 
den Rückweg durch den Buchenwald an, 
der sich mehrere Meilen lang von Haralds 
holm aus in schmalen Streifen den Wald 
entlang zog. Bald hatte Rahel den Punkt 
erreicht, wo ein Seitenpfad von der Haide 
her ans den breiteren Hauptweg führte; 
sie ging langsamer, nahn: den schwarzen 
Strohhut ab, hing ihn über den Ann und 
athmete tief die kühlere gewürzige Luft, 
welche ihr aus dem Waldesthor entgegen 
hauchte. Durch daö Laubwerk der Birken- 
und Buchenzweige fielen spielende Sonnen 
lichter auf den Weg — wohlthuende Ruhe 
herrschte und doch wurde ringsumher eine 
kleine Welt voll reger: Lebens und We- 
bens der Natur lebendig; zwischen dem 
Gepiep der Spatzen ließ ein Fink sein Lied 
ertönen, dort erschallte das Klopfen eines 
Spechtes nnd hier huschte ein behendes 
Eichhörnchen durch die Zweige, betrachiete 
das Menschenkind da unten neugierig mit 
den klugen schwarzen Augen und verschwand. 
Rahel schritt furchtlos dahin, Strolche 
oder Raubgesindel gab es hier nicht, höch 
stens bemerkte sie ein paar Kinder oder, 
alte Frauen, die trockenes Reisig sammelten, 
Kräuter oder dergleichen; selten gingen 
andere Leute aus der Umgebung durch das 
Gehölz, von dem ein beträchtliches Stück 
zu Haraldsholm gehörte. 
Dennoch war das heute der Fall; in 
der entgegengesetzten Richtung tauchte jetzt 
vor Rahel auf dem sonnendurchglühten 
Waldweg Plötzlich ein Mann zu Pferde 
auf — ein vornehmer schlanker Herr in 
dunkelgrauem Jacketanzug, un: den Arm 
den Trauerflor, auf dem Kopf einen weichen 
Filzhut! er mußte das Mädchen schon von 
weitem gekannt haben, denn er stieg aus 
dem Sattel und näherte sich ihr, das Thier 
am Zügel nachziehend. Albrecht von Ravens! 
Blutübergossm vor heißer Scham bei der 
Erinnerung an den letzten schrecklichen Auf 
tritt in der Ravensburg wäre Rahel am 
liebsten in den Boden gesunken; aber sie wat- 
gezwungen, auszuharren, und konnte sich nur 
mit dem Trotz und Unwillen wappnen, den 
etwas Unerklärliches bei seinem Anblick in 
ihr wachrief. 
Baron Albrecht hatte sich anffallend zu 
seinem Vortheil verändert; seine Gestalt war 
kraftvoller, seine Haltung sicherer geworden 
und auf den: heller blickenden Antlitz lag die 
warme Nöthe der Gesundheit; der frühere 
harmlos-glückliche Mensch trat wieder an die 
Oberfläche — seine breite Brust dehnte sich 
in: wohligen Bewußtsein der erlangten Freiheit. 
(Fortsetzung folgt.)
	        
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