Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

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England «aber die Lunge massenhafte Miliartuberkeln 
London, 6. Nov. In Glasgow wurden enthielt. Es hatte den Anschein, als läge 
an 2000 Arbeiter von den Werstbesitzern 
ausgesperrt. Unter den Arbeitern auf dem 
Clyde herrscht tiefste Erbitterung, sie drohen 
mit einem allgemeinen Streik. Es wird 
eine Stockung fast des gesammten Schiffs 
baues Großbritanniens befürchtet und Re 
gierungsintervention von den Blättern ver 
langt. 
Inland. 
Durch die Gnade des Kaisers hat jetzt 
eine Erbschaftsgeschichte einen für die 
Betheiligten befriedigenden Abschluß ge- 
funden. Wie wir seinerzeit mittheilten, 
verstarb in Gr.-Lichtenau der Lehrer 
Billasch und hinterließ ein Vermögen von 
44 000 Mark, welches da ein Testament 
und sonstige Erbberechtigte nicht vorhanden 
waren, dem Staate zufallen sollte. Bald 
darauf meldeten sich jedoch entferntere, ge 
setzlich aber nicht erbberechtigte Verwandte 
des Verstorbenen, welche auf die Erbschaft 
Anspruch erhoben und sich schließlich mit 
einer Jmmediat-Eingabe direct an den 
Kaiser wandten. Dieser hat nunmehr ver- 
fügt, daß der vierte Theil der Erbschaft 
dem Staate verbleiben, die übrigen 
33000 Mark aber gleichmäßig unter die 
vorgenannten drei Verwandten des Ver 
storbenen vertheilt werden sollen, so daß 
jeder derselben 11000 Jl erhält. Das 
Geld wird in diesen Tagen den Erben von 
der Gerichtskasse iu Marienburg (West 
Preußen) ausgezahlt werden. 
— In den „Berliner Neuesten Nach 
richten" veröffentlicht Herr v o n K a r d o r s s 
eine Erklärung, worin er gegenüber der 
angeblichen Aeußerung des Ministers von 
Boetticher, als habe Fürst Bismarck der 
Abstimmung über das Alters- und 
Jnvaliditätsgesetz immer passiv gegen 
übergestanden, daran erinnert, daß Bismarck 
seiner Zeit zu verschiedenen Abgeordneten, 
die gegen das Gesetz stimmen wollten, da 
sür eingetreten sei. Bismarck fügte hinzu, 
sonst würde die Stelle Boetticher's, der 
das volle Vertrauen des Kaisers besitze, 
und ihm, Bismarck, im Augenblick ein sehr 
werthvoller Mitarbeiter sei, so erschüttert 
werden, daß er ihn nicht halten könnte 
Der Abgang Boetticher's würde aber eine 
Erschwerung des Verkehrs des Kaisers 
mit ihm, dem Reichskanzler, sein. Ohne 
diese Intervention, meint Herr von Kar 
dorff, wäre die Ablehnung des Gesetzes 
erfolgt. 
— Frhr. v. Hammerstein hat bei 
seiner Abreise nach dem „Börs. Cour." sich 
hinlänglich mit Geldmitteln versehen. In 
seiner Brieftasche befanden sich zunächst 
22 000 Mk., für welche Summe er bei 
einer Leipziger Versicherungsgesellschaft eine 
Police von 85 000 Mk. besitzt. Außerdem 
soll er gule Freunde noch angepumpt haben 
unter dem Vorgeben, den Prozeß gegen die 
Frankfurter „Kl. Pr." durchführen zu müssen 
— Alle politischen Parteien fallen aus 
einander, nun ist auch die christlich 
soziale Partei demselben Schicksal nicht 
entgangen. Nachdem die Konservativen 
alten Schlages (konservativ heißt doch die 
Erhaltung des Bestehenden fördernd) ihrem 
Grundsatz treu geblieben sind und die 
modern-gläubigen Pastoren Neumann und 
Genossen, die sich nur conservativ nennen 
in Wahrheit aber radikal-sozialistisch mit 
christlich umgehängtem Mäntelchen sind 
glücklich von sich abgeschüttelt, traten sie 
mit gewaltigem Geschei in die Arena des 
politischen Kampfes. 
„Das ist die volle Mobilmachung", ruft Herr 
Neumann pathetisch den Konservativen zu. „Nun 
;u — der Streit geht los! Ihr habt es ge 
wollt. Ihr habt mehr Macht, wir haben mehr 
Wahrheit (à la Egidy). Ihr habt mehr Partei- 
kniffe und politische Erfahrung, wir haben n ehr 
ehrliche Begeisterung; Ihr habt viel zu verlieren, 
und wir haben viel zu gewinnen; Ihr wollt 
herrschen, und wir wollen helfen. 
Es hat etwas recht Belustigendes, diesem 
wuthentbrannten Kampfe zwischen den 
„radikalen" Christlich.Sozialen um Naumann 
und den „vermittelnden" Christlich-Sozialen 
um Stöcker zuzusehen, welche nicht wissen 
ob sie links oder rechts gehen sollen. 
Nach Unterschlagung vo 
50 000 Mark flüchtig geworden ist der 
Mitinhaber der Firma Lagois & Seibert 
in Berlin. Lagois, dessen Ehe demnächst 
geschieden werden sollte, hat sich vor etwa 
acht Tagen in Begleitung einer Frauens 
person heimlich von hier entfernt, nach 
dem er sich von den an die Firma einge 
sandten Geldern etwa 50000 Mark an 
geeignet hatte. 
Einer der ersten von Professor Ko 
im Jahre 1890 mit Tuberkulin ļ 
handelten Patienten ist jetzt in Berlin 
gestorben und zur Section gekommen, die 
ein interessantes Ergebniß aufwies. Der 
Patient, ein Finne, hatte damals wegen 
Blutspeiens, Hustens, Abmagerung und 
Nachtschweiß 52 Wochen lang Ein 
spritzungen erhalten und schien vollständig 
geheilt. 1893 siedelte er nach Canada 
über und fand dort eine Anstellung als 
Mechaniker. Zu Anfang dieses Jahres 
kehrten seine früheren Krankheits 
erscheinungen zurück, denen er vor 
Kurzem erlag. Die Section ergab, daß 
an den Lungenspitzen der tuberkulöse 
Proceß abgeschlossen war, daß im Uebrigen 
keine Neuinfection, sondern eine Ber- 
chlimmerung des alten Proceffes vor. 
Immerhin hatte eine einjährige Tuberkulin 
behandlung einen reißend fortschreitenden 
Proceß für vier Jahre zum Stillstand ge 
bracht. 
— Gegen den freikonservativen Prof, 
ans Delbrück ist, wie berichtet, ein 
Strafverfahren w egenBeleidigung der 
olitischen Polizei eingeleitet wor- 
den. Prof. Delbrück macht in seiner Zeit 
schrift selbst Mittheilung davon, daß er 
vorgeladen und bereits vernommen morden 
ist, und bemerkt dazu: „Da mein Name 
mit demselben Buchstaben anfängt, wie der 
des Sozialdemokraten Dierl, so werde ich 
nächstens vor eben dem Gericht zu er 
scheinen haben, das über dessen Strafthat 
geurtheilt hat." 
Bei den gestern abgehaltenen Con 
rol-Ve rsaminlungen wurde zum 
ersten Male ein neuer Befehl zur Ver 
lesung gebracht, der unter den Mann 
chasten großes Aufsehen erregte. In dem 
Befehl wird ausdrücklich betont, daß der 
Besitz und die Verbreitung revolutio 
närer, aufreizender Schriften 
nicht nur in der Kaserne verboten ist, 
andern daß die dafür getroffenen Be 
Ummünzen und Strafen auch für die zur 
^ontrolversammlung erscheinenden Mann- 
chaften Geltung haben. Letztere Bestim 
mung, die auf besondere Anweisung des 
Kaisers verlesen wurde, ist völlig neu. 
Berlin, 6. Nov. Daß die Noth nicht 
immer bei den augenscheinlich minder Be 
güterten zu Tage tritt, sondern auch bei 
den Wohlhabenderen, die das äußere Auf 
treten zu wahren haben, beweist ein Fall 
unter vielen, die gar nicht ans Tageslicht 
kommen. Ein Dienstmädchen hatte, weil 
ihre Herrschaft ihr rückständigen Lohn 
chuldig war, .endlich auf Drängen der- 
elben in Coupons ausgehändigt erhalten, 
die erst im Jahre 1900 zur Aus 
zahlung gelangen konnten. Da das Mäd 
chen dieselben natürlich nicht loswerden 
konnte, hat dasselbe die Herrschaft 
auf Zahlung in baarem Gelde verklagt 
und wird zweifellos die letztere verurtheilt 
werden. Man sieht aber aus diesem einen 
Fall, wie traurig es wohl in manchen 
Kreisen steht, welche äußerlich noch nicht 
in bedrängter Lage zu sein scheinen. 
Eine sehr bemerkenswerthe Ent 
scheidung in Betreff der Ausübung 
der Heilkunde hat vor Kurzem das 
Ober-Verwaltungsgericht gefällt 
In Magdeburg hatte sich ein nicht medi 
zinisch geprüfter Heilkundiger durch Zeitungs 
Inserate zur Heilung von Lungenkrank 
heiten, Frauenleiden und bergt, empfohlen 
Daraufhin hatte ihm der Polizei-Präsident 
von Magdeburg auf Grund des durch 
Kabinetsordre vom 8. August 1835 be 
stätigten Sanitäts-Reglements, nach welchem 
die Behandlung ansteckender Krankheiten 
ausschließlich den geprüften Aerzten vor 
behalten sei, sowohl die Behandlung von 
mit solchen Krankheiten behafteten, na 
mentlich aber an Lungenerkrankung leiden 
den Personen, wie auch das Erlassen hier 
auf bezüglicher öffentlichen Ankündigungen 
unter Androhung von Geldstrafe für den 
Uebertretungsfall untersagt. Auf Berufung 
des Betreffenden gelangte die Angelegen 
heit darauf an das Ober-Verwaltungs 
gericht. Und dieses entschied, daß nach den 
Bestimmungen des Reichsgesetzes zur Aus 
Übung der Heilkunde Jedermann berechtigt 
sti und es daher dem Einzelnen überlassen 
bleiben müsse, ob er sich in Krankheits 
fällen an einen geprüften oder ungeprüften 
Heilkundigen wenden wolle. Hieraus aber 
folge im Weiteren, daß sür die Polizei 
behörden die rechtliche Möglichkeit nicht 
mehr gegeben sei, gegen die Ausübung der 
Heilkunde durch nicht geprüfte Personen 
mit Verboten vorzugehen. Damit hat das 
Ober-Verwaltungsgericht jetzt ausgesprochen 
daß die Bestimmung des preußischen Sani 
täts-Reglements von 1835, nach welcher 
die Behandlung ansteckender Krankheiten 
ausschließlich den geprüften Aerzten vor 
behalten war, durch die Reichs - Gewerbe- 
Ordnung aufgehoben ist. 
— Ueber die Ein träglichkeit de 
Handwerke in ihrem Verhältniß unter 
einander lassen sich aus den kommunalen 
Wählerlisten Anhaltspunkte gewinnen. Nach 
den Listen einer norddeutschen Stadt von 
40 000 Einwohnern findet sich unter den 
41 Wählern der Klasse l kein Gewerbe 
treibender, sondern fast ausschließlich 
Fabrikanten und Groß-Kaufleute. Ab 
theilung II zählt unter 352 Wählern nur 
33 Kleingewerbetreibende, so daß 
große Mehrzahl der Handwerker in den 
4658 Wählern der Klasse III enthalten ist 
Die 33 Kleingewerbetreibenden der Klasse II 
vertreten demnach die Handwerksbetriebe 
welche durch ihre größeren Erträge die 
Masse des Standes überragen. Die große 
Mehrzahl der Kleinbetriebe gewährt also 
nur, so schreibt die „Soziale Praxis", ein 
so niedriges Einkommen, daß auch nicht 
einer ihrer Angehörigen in der zweiten 
Steuerstufe mitwählt. 
Verhaftet wurde in einem Gasthaufe zu 
Wliezcu ein Zahlmeister aus Berlin, 
der sich einer Unterschlagung von 1600 Jl 
schuldig gemacht hatte und flüchtig geworden 
war. Er trug auf seiner Flucht noch die 
Uniform. Ohne Widerstand zu leisten, ließ 
er sich verhaften und gab ruhig seinen Degen 
Prenzlau, 5. Nov. Die im Giftmord- 
ro ceß Springstein Mitangeklagte Bock 
hatte kurz vor ihrer Verhaftung in ver- 
chiedenen Zeitungen ein Heir a th sgesuch 
veröffentlicht. Auf dieses war u. A. auch 
ein Schlächtermeister aus Eberswalde, der 
wither in Prenzlau als Geselle gearbeitet 
wtte, aufmerksam geworden. Die Offerte 
chien verlockend zu sein und er meldete 
ich unter der aufgegebenen Chiffre. Hier 
aus entspann sich zwischen dem Schlächter 
meister und der Bock ein Briefwechsel, der 
chließlich dahin führte, daß der Heiraths- 
lustige von der Wittib nach Prenzlau zu 
einem Rendez-vous eingeladen wurde, dem 
er auch Folge leistete. Bereits bei der 
ersten Zusammenkunft waren die beider- 
eitigen Bedingungen aufgestellt worden 
und beim nächsten Hiersein des glücklichen 
Bräutigams sollte der Hochzeitstermin fest 
gesetzt werden. Dem Heirathskandidaten 
war zur Bedingung gestellt, eine Lebens- 
Versicherungspolice, aus sich ausge 
schrieben, mit in die Ehe zu bringen. In- 
zwischen war aber die Verhaftung der 
Bock erfolgt. Der ehemalige Heiraths- 
kandidat war gestern nach hier gekommen, 
um sich den Proceß Springstein anzuhören. 
Die Bock, welche dicht bei ihm vorbei 
geführt wurde, warf ihm einen frechen 
Blick zu. Ihr ehemaliger Verehrer aber 
ist recht zufrieden, daß aus der Heirath 
nichts geworden ist, „denn", so äußerte er 
ich, „ihm wäre doch gewiß auch nur 'ne 
Portion Strychnin zugedacht gewesen." 
Ueber ven Vorfall in Königsberg, bei 
dem vor dem Sackheimer Thore zwei Ar 
beiter vom Wachtposten, Füsilier Beuger, 
erschossen, bezw. der eine schwer verwundet 
.st, wird berichtet: Die angetrunkenen 
Arbeiter Michaelis, Funk und Findekling 
gingen sofort von der Chaussee auf den 
Posten zu, machten sich zuerst in der 
gröbsten Weise unnütz, belästigten den 
Wachtposten durch häßliche Redensarten, 
relen über ihn her uud bereiteten sich, 
obwohl sie mehrfach energisch zur Räumung 
des Platzes aufgefordert wurden, auf einen 
thätlichen Angriff vor. Der Posten feuerte 
zunächst einen Schuß in die Luft ab 
Nun stürzten die Drei in lebenbedrohender 
Weise auf den Soldaten ein und bewarfen 
ihn mit einem Hagel von Steinen. Daß 
dieser Angriff durchaus kein harmloser 
war, sondern dem Füsilier vielleicht das 
Leben hätte kosten können, geht aus dem 
Umstande hervor, daß durch Steinwürfe 
die Spitze des Helms direkt abgebrochen 
der Helm eingedrückt und das Geivehr 
schwer beschädigt wurde. Nun gab der 
Posten hintereinander zwei Schüsse ab 
einer traf den Michaelis in die Brust und 
uhrte sofort dessen Tod herbei, der zweite 
traf Funk seitwärts an der Brust und 
ging zum Rücken wieder hinaus; Finde 
kling ergriff schleunigst die Flucht. Funk 
wurde nach dem Krankenhause übergeführt. 
Aus Soldau (Westpr.) wird berichtet: 
Neulich Abends gegen 6 Uhr meldete die 
Tochter der Arbeiterwittwe Berg den so 
eben eingetretenen Tod ihrer Mutter 
einem hier wohnenden Verwandten, der 
das Mädchen denn auch zur Bestellung 
eines Sarges beauftragte und selbst die 
weiteren Vorbereitungen zur Beerdigung 
treffen wollte. Als man die Waschung 
der anscheinend Todten vornehmen wollte, 
richtete diese sich plötzlich auf und fragte 
die Umstehenden: „Was wollt Ihr nur 
eigentlich mit mir vornehmen? Laßt mich 
doch ruhig liegen!" Den Schrecken der 
Anwesenden kann man sich leicht dar 
stellen. 
Frankfurt a. M, 5. Nov. Der Kam 
mersänger Lederer hat sich er 
schossen. Lederer wurde auch dadurch 
bekannt, daß er bei dem Attentat Kull 
mann's auf den Fürsten Bismarck in 
Kissingen den Attentäter zuerst dingfest ge 
macht hatte. In der letzten Zeit wurde 
er vom Schicksal hart verfolgt. Durch den 
flüchtigen Banquier Schönfeld verlor er 
sein Vermögen, so daß seine ganze Existenz 
untergraben wurde. Zuletzt wurde ihm 
ein Asyl in Weimar im Künstlerheim der 
Frau Niemann-Seebach gewährt, welches 
der Verstorbene jedoch noch nicht bezogen 
hatte. 
Auf einer gestern Nachmittag bei Jülich 
abgehaltenen Schnitzeljagd st ü r zte Premier- 
lieutenant Scheu ck vom 8. Feldartillerie- 
Regiment und verstarb. 
Wegen zwanzigfach e r Majestäts 
beleidigung stand gestern in Erfurt 
der Redakteur der „Thüringer Tribüne" 
Schriftsetzer Matthias Güldenberg, vor 
Gericht. Unter den inkriminirten Fällen 
befand sich auch ein Artikel „Der Kaiser 
und die Socialdemokratie", der der „Nation" 
entnommen war. Der Staatsanwalt be 
antragte Verurtheilung in allen Fällen, 
die sämmtlich als selbstständige Handlungen 
anzusehen seien, zu einer Gesammtstrafe 
von 1 Jahr 3 Monaten Gefängniß. Der 
Gerichtshof erkannte wegen des der 
„Nation" entnommenen Artikels auf 
Freisprechung und nahm in den übrigen 
Fällen nur eine fortgesetzte Majestäts 
beleidigung an und verurtheilte den An 
geklagten zu 5 Monaten Gefängniß, 
wovon 6 Wochen auf die Untersuchungs 
haft abgerechnet wurden. 
Ein Schulpalast befindet sich in Iden, 
in der Altmark. Eine 2,40 Meter hohe, 
5,60 Meter breite, 8,65 Meter lange Klasse 
nimmt — sage und schreibe — 160 Schüler 
auf, die von einem Lehrer unterrichtet 
werden. 160 Schüler athmen in einem 
Raume, der 116 ■/* Kubikmeter enthält. 
Ein Fenster im Rücken, und zwei von 
vorne geben dem Raume sein Licht. Die 
Fenster sind sehr klein, die Rahmen ver- 
oult. Der Tischler kann nichts mehr 
repariren, daher ist ein Fenster völlig zu- 
genagelt. Durch das reparaturbedürftige 
Strohdach blickt der blaue Himmel. Wer 
hilft? 
Dortmund, 6. Nov. Daß der Sozialist 
seine Wahl der Unterstützung ultramontaner 
Wähler zu danken hat, kann keinem Zwei 
fel unterliegen. Die Socialdemokraten 
hatten schon bei der Hauptwahl am 25. 
October den letzten Mann aufgeboten. Der 
Zuzug von ca. 7500 Mann, der ihnen in 
der Stichwahl zum Siege verhalf, stammt 
also aus dem Centrumslager, aus 
dem sich zu den Nationalliberalen nur etwa 
4500 Wähler geschlagen haben. Bon den 
14,600 Centrumswählern, die bei der ersten 
Wahl für Leasing stimmten, haben also 
noch keine 3000 sich nach der offiziellen 
Parole gerichtet, die ihnen Wahlenthaltung 
anempfahl; etwa 12,000 Mann gingen 
doch an die Urne, und von diesen stimmten 
beinahe zwei Drittel für den Socialdemo 
traten, weil sie die Andeutung des im 
Wahlkreise führendenultramontanen Organs, 
dieser sei als das kleinere Uebel zu be 
trachten, wohl verstanden hatten. Hätte 
das Centrum, getreu seiner Behauptung, 
daß es der schärfste Gegner des Umsturzes 
sei, seine Wähler Mann sür Mann gegen 
Lütgenan stimmen lassen, so hätte Möller 
ihn mit etwa 30,000 gegen 17,000 Stim 
men besiegt. Man weiß nunmehr also, 
daß die gewaltige Mobilmachung des Cen 
trums gegen die Socialdemokratie zu den 
Zeiten,' als die Umsturzvorlage alle Ge 
müther beherrschte, Heuchelei war. So hat 
denn das Centrum den Appell des Kaisers, 
das Volk möge sich doch endlich gegen die 
Socialdemokraten ermannen, ersichtlich nicht 
beachtet. Und es hat nicht einmal die 
Entschuldigung, daß es für einen Anhänger 
des Reichstags Wahlrechts gegen einen Feind 
desselben habe stimmen müssen; denn Herr 
Möller gehört bekanntlich zu den National 
liberalen, die das allgemeine und gleiche 
direkte Wahlrecht nicht antasten wollen. 
Scharmdeck, 5. Nov. Unter dem Titel 
Lat em lopen wird dem „Cuxh. Tgbl." 
von hier folgendes amüsante Geschichtchen 
geschrieben: Während des letzten Herbst 
jahrmarktes logirte iu einem hiesigen 
Privathause ein biederer schon ziemlich be 
jahrter Landwirth. Sein im Dachgeschoß 
belegenes Zimmer theilte er mit noch vier 
anderen Marttbesuchern, welche am andern 
Morgen in aller Frühe aufstanden und sich 
auf den Markt begaben. Unser Freund 
erhob sich etwas später von seinem Lager, 
kleidete sich dann gemächlich an und war 
gerade im Begriff, seinen Ueberzieher an 
zuziehen, indem er bereits einen Arm 
untergebracht hatte. In diesem Augenblicke 
öffnete sich die Thür, der unser Freund 
den Rücken zugekehrt hatte, und herein trat 
ein Fremder, der mit einem Messer blitz 
schnell den Riemen der Geldtasche durch 
schnitt, diese dann an sich riß und damit 
hinausstürmte. Nachdem der alte Mann 
sich von seinem Schrecken etwas erholt 
hatte, lief er, so rasch es eben ging, dem 
Räuber nach die Treppe hinunter. Vor 
der Thür des Hauses wurde ihm auf sein 
Befragen mitgetheilt, daß man den Dieb 
mit der Tasche wohl bemerkt habe; er sei 
jedoch im Marktgewühl verschwunden und 
werde wohl nicht mehr zu fassen sein. 
„Na, denn lat em man lopen," erwiderte 
darauf schmunzelnd unser Biedermann; 
„bat Geld sitt ja in min Uennerjack; in 
de ohl Tasch is bloß min Brill in. 
Sprach's und kaufte sich stracks einen 
Beruhigungsbittern. . , ^ 
Der Direktor der Provinzral-^rren- 
a n st a l t in Lengcrich, Dr. Schäfer, wurde 
von einem Geisteskranken angefallen, 
der ihm mit einem Messer, das er ver- 
borgen gehalten hatte, eine lebensgesähr- 
liche Halswunde beibrachte. Dr. Schäfer 
hat sich zur Pflege nach Osnabrück begeben 
In derselben Anstalt wurde nach der 
„Köln. Ztg." vor einigen Tagen ein 
Kranker von einem anderen Kranken so 
arg verletzt, daß er bald darauf seinen 
Wunden erlegen ist. 
Gera, 6. Nov. Das Schwurgericht 
verurtheilte Keitel, einen Angestellten der 
Ortskrankenkasse, wegen Unter 
schlagung von Urkunden, die er durch 
Brandstiftung vernichtet hatte, zu 2'/2 
Jahren Gefängniß. Keitel war in seiner 
Stellung mit dem Einkleben der Ver- 
sicherungsmarken beschäftigt. 
Meiningen, 6. Nov. In dem Schiefer 
bruch Buchbach wurden jzwei Arbeiter 
durch herabstürzende Erdmasscn verschüttet. 
Der eine Arbeiter ist todt, der andere 
schwerverletzt. 
Lübeck, 4. Nov. Eine nochmalige 
„A u s st e l l u n g s - L 0 t t e r i e" wird 
geplant. Die Sache hängt folgendermaßen 
zusammen. Das hiesige AuöstellungScomtts 
hat bekanntlich mit der Lotterie, die mit 
der Ausstellung verbunden war, schlechte 
Geschäfte gemacht, obgleich dem Comits 
bei der Ziehung mehrere Hauptgewinne 
in den Schooß gefallen sind. Der Loose 
absatz war sehr gering, denn von den vor 
handenen 200000 Loosen hat das Comit« 
mehr als 100000 selbst spielen müssen. 
Auch der anfänglich angenommene Fehl 
betrag von 300 000 Mk. soll sich, wie in 
gutunterrichteten Kreisen verlautet, wesent- 
lich erhöhen, sodaß der ganze Garantiefonds 
von 400000 Mk. in Anspruch genommen 
werden dürfte. Nun haben die vielen 
Aussteller, von denen das Counts Sachen 
zur Verloosung angekauft hatte, diese 
Gegenstände, soweit sie als „Gewinne" auf 
die dem Comits verbliebenen Loose fielen, 
mit 10 pCt. Vergütung wieder zurücknehmen 
müssen; das war vorher ausgemacht. Daher 
Konen die betreffenden Geschäftsleute die 
neue Lotterie. Gestern Abend fand in 
Siebel's Restaurant eine Versammlung der 
Interessenten statt, in der die neu zu ver 
anstaltende Lotterie lebhaft befürwortet 
wurde. Es wurde ein Comite gewählt, 
das die vorbereitenden Schritte thun soll. 
Man will recht rasch vorgehen, da die 
Ziehung bald nach Weihnachten stattfinden 
soll. 
Die Verhaftung des Fondsmaklers I. 
Belmonte in Hamburg unter der An- 
Ichuldigung des Meineides, Verleitung 
dazu und des Betruges, macht -umsomehr 
Aufsehen, als mit der Affaire auch einer 
unserer früheren ersten Buchhändler (I. C.) 
in Verbindung steht, bei welchem gestern 
eine Haussuchung abgehalten wurde. 
Die Zahl der Bewerber um die erledigte 
Rect or stelle an der Bergedorfer Stadt 
schule ist bereits bis auf über 100 ge 
stiegen. 
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BrovinzieUeS. 
Altona, 6. Nov. Ein Aufruf zur Be 
theiligung an einer Dohrnstiftung 
ist an die zahlreichen Freunde und Ver 
ehrer des dahingeschiedenen Probsten Dohrn 
erlassen. Die Erträge der Stiftung sollen 
dazu dienen, das evangelische Vereinshaus 
in Altona, welches im Jahre 1889 durch 
Propst Dohrn gegründet wurde und für 
dessen gedeihliche Fortentwickelung er bis 
an sein Ende mit dem größten Eifer 
thätig gewesen ist. für alle Zeiten sicher 
zu stellen. Der Aufruf zur Zahlung von 
Beiträgen geht von dem Vorstand der 
Altonaer Stadtmission und Freunden des 
Heimgegangenen aus. Es ist ihr Wunsch, 
daß das Bereinshaus mit einem äußerlich 
hervortretenden Erinnerungszeichen an den 
Verstorbenen, sei es eine Büste oder eine 
Gedenktafel, versehen und fortan nach 
seinem Namen genannt, als bleibendes Er 
innerungszeichen an Propst Dohrn unserer 
Stadt erhalten bleibe. 
Dem Erbauer der Altonaer Friedens 
kirche, Maurermeister Heitmann, ist der 
Kronenorden 4. Klasse verliehen. 
Unter der Ueberschrift „Menschenelend 
im reichen Hamburg" brachte der sozialde 
mokratische „Vorwärts" einen Artikel, der 
auf der irrthümlichen Anschauung beruhte, 
daß Lokstedt auf hamburgischem Gebiet 
liege, während es doch ein schleswig 
holsteinischer Ort ist. Jetzt wird mit Be 
zug hierauf noch mitgetheilt, daß der 
„arme Arbeiter", der, weil er seiner Arbeit 
nachgehen mußte, seine scharlachkranken 
Kinder hülflos zu Hause zu lassen ge 
zwungen war, in Wirklichkeit ein wohl 
habender Schlächtermeister R., Be 
sitzer mehrerer Grundstücke in Hamburg 
und Altona ist, der, weil seine Gattin 
kürzlich gestorben war, die beiden kranken 
Kinder dem Krankenhause zur Pflege und 
Heilung übergab. Der -Fall an sich ist 
ja für Herrn R. sehr traurig, aber das 
„Menschenelend" ist doch in diesem Falle 
nicht vorhanden. 
? Kiel, 6.^Nov. Am heutigen ersten 
Tage der Stadtverord neten-Wahl 
wurden die drei ausscheidenden Stadtver 
ordneten: Chefredakteur Niepa mit 
1040, Geh. Sanitätsrath Dr. Neu der 
mit 813 und Fabrikant Daevel mit 711 
Stimmen wiedergewählt. Der national- 
liberale und der liberale Verein hatten 
şich in seltener Uebereinstimmung für die 
jetzt gewählten Kandidaten entschieden, 
trotzdem dieselben verschiedenen politischen 
Parteien angehören. Die sozialdemokratische 
Partei hatte wieder gänzliche Wahlent 
haltung gepredigt, da nach der Erhöhung 
des Wahlcensus die Wahl eines sozialistischen 
Parteigenossen durchaus -aussichtslos ge- 
worden. Der Kieler Bürgerverein hatte 
sich auch sür die beiden erstgenannten 
Kandidaten ausgesprochen, anstatt des 
Fabrikanten Daevel aber den Schlosser- 
meister Barkmann auf den Schild ge 
hoben, für den auch der Haus- und Grund- 
besitzer-Verein eingetreten war. Barkmann 
erhielt 518, Kaufmann Jes Andersen 376 
Stimmen. Wahlberechtigt sind 5400 
Bürger. 
Geheimrath v. Esmarch, seit 1857 
ordentlicher Professor an der Kieler 
Universität, wird demnächst in den Ruhe 
stand treten. Johann Friedrich Georg v. 
Esmarch ist am 9. Januar 1823 zu 
Tönning geboren und hat den schleswig 
holsteinischen Krieg als Arzt mitgemacht. 
Er gilt als einer der bedeutendsten 
Hoheit 
jetzige 
70000( 
in Erfo 
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