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mo. 259.
Dienstag, den 5. Won ember
1895
MorgonDepeschen
Berlin, 5. Nov. Ini Beisein des
Kaiserpaares und des Königs von Portugal
hat heute Mittag 12'/, Uhr in Potsdam
die Vereidigung der Rekruten der Pots-
damer Garnison stattgesunden. Nach den
Ansprachen der evangelischen und katholischen
Geistlichen erfolgte die Vereidigung. Als
die Ceremonie beendet war, hielt der
Kaiser eine Ansprache, in welcher er die
Rekruten auf den eben geleisteten Eid hin
wies und ihnen den unbedingten Gehorsam
zur Pflicht machte.
Berlin, 5. Nov. Die Theilnehmer an
der Conserenz zur Berathung einer
Revision desAlters - und Invalidi-
iätsgesetzes begrüßte Staatssekretär Dr.
von Boetticher. Geheimrath Woedtke führte
aus, daß die Selbstverwaltung und das
berufsgenofsenschaftliche Princip sich sehr
gut bewährten. Präsident Bödiker er-
klärte, daß die Berufsgenossenschaften im
Selbstverwaltungsprincip die Probe gut
bestanden hätten. Redner sprach sich gegen
Vas Markenkleben aus und meinte, die
Berussgenosscnschaften könnien den größten
Theil des Alters« und Jnvaliditätsgesetzes
dahin übernehmen, daß ein bestimmter
Procentsatz, etwa 1 pCt., am Jahres-
schlusse umgelegt und von den Genoffen-
schasten eingezogen wird. Auch die meisten
übrigen Redner sprachen sich über die Bei
rufsgenossenschaften günstig aus.
Hannover, 5. Nov. In dem denach-
barten Torfe Anderten erhängte ein
Arbeiter seine vier Kinder und sich
selbst.
Königsberg i Pr., o. Wov. In der
vorletzten Rächt wurde ein Posten, der
an der Pionierkaserne vor dem Sackhcimer
Thor Wache hielt, von mehreren Per-
fönen, die gestern zur Controllversamm-
lung erschienen waren, beschimpft. Als
nach ihm mit Sternen geworfen wurde,
..gab er Feuer, wobei ein Tumultuant durch
tw.cn Schuß in die Brust getädt.t wurde,
ein zweiter erhielt einen Streifschuß .quer
mber die Brust und wurde schwer .verletzt
nach dem hiesigen Elisabeth-Krankenhaus'
überführt. " ;
Eydtkuhneu, 5. Nov. Heute Nacht er-!
ergneke sich im Onegasee (Gouv. Olonez)
ein furchtbares Unglück. Drei Holzbarken
wurden von einem Bugsirdampser ge
schleppt, der Dampfer verlor in der
Finsterniß das Fahrwasser, die Schisse
fuhren jedoch weiter, in der Hoffnung,
bald den Leuchtthurm zu erblicken. Leider
vergeblich! Plötzlich stießen alle drei
Barken nebst dem Bugsirdampser an das
Fundament des Leuchtthurmes, da dieser
nicht erleuchtet war. Der Wächter war
nach Hause gegangen, weil er glaubte, daß
kein Schiff mehr den Thurm passiren würde
Sämmtliche Schiffe zerschellten. Elf
Menschen sind umgekommen, die Empörung
gegen den gewissenlosen russischen Wächter
ist außerordentlich.
Cagliari, 5. Nov. Heute hat hier ein
heftiger Sturm unter Donner gewüthet.
Mehrere Häuser wurden vom Blitze ge
troffen, ein Matrose vom Blitze erschlagen
Ein Kohlenmagazin wurde in Brand gesteckt
Bern, 5. Nov. Wegen der Verwerfung
der Militärvorlage herrscht hier große Be
stürzung. Den Hauptantheil an der Ab
lehnung des Gesetzentwurfs haben die
Ultramontanen, dann die Arbeiterpartei,
ein großer Theil der Bauern, ferner die
französische Schweiz. Diese Niederlage
dürfte die fernere Gesetzgebung lahmlegen.
Muslmà
'Auherenropàische Gebiete
Newyork, 4. Nov. Die „World" ver
öffentlich eine Depesche aus Pachuca
(Mexiko), wonach zehn Personen im
Gefängniß zu Texacavu auf Befehl des
Richters als K e tz e r lebendig ver
brannt wurden. Der Richter erklärte,
er habe Auftrag won Gott erhalten, und
ließ die Opfer in den Betten verhaften,
ins Gefängniß bringen und daselbst Feuer
anlegen. Das Gefängniß wurde zerstört.
Die Bevölkerung ließ dies alles unter dem
Einfluß religiöser Manie zu. 26 Personen
wurden verhaftet. .Eine Untersuchung ist
eingeleitet.
Yokohama, 1. Set. In Japan haben
sich jetzt der „Daily News" zufolge die
Gemüther nach der Aufregung wegen der
Einmischung der drei europäischen Mächte
beruhigt. Japan verfolge nun zwei Dinge::
seine Armee und Marine zur mächtigsten
in -seinem Theil der Welt zu machen .und
zugleich seinen Handel und seine Industrie
so zu .heben, daß das Land die Lasten
tragen könne. Die Erhöhung der Wchr-l
kraft aber gehe Allem vor, und den
Japanern sei kein Opfer zu groß, um
Japan sin zehn Jahren eine Armee zu
schaffen, die jeder Combination gewachsen
sei, und .eine Flotte, die den Stillen Occam
beherrsche. Darüber Hebe es in dem vsni
Parteien zerrissenen Lande kein Gezänke.
Die Kritiker würden sich Schweigen auf
erlegen, wenn die Regierung mit neuen
Wehrforderungen an den Landtag trete.
Höchstens werde es Abgeordnete Leben,
welche da meinen, daß dies Alles noch
nicht genug sei. Amtliche Zeitungen
lassen schon verlauten, daß die Friedens
stärke des Herres aus 250 000 Mann ge
bracht werden soll; bisher hatte Japan
im Frieden nur 66000 Soldaten. Auch
die Flotte solle bedeutend verstärkt werden.
Spanien.
Madrid, 4. Nov. Wie die Blätter melden,
werden 35 000 Mann unverzüglich nach
Cuba gehen. Weitere Expeditionen
sollen vorbereitet werden.
Oesterreich-Ungarn.
Wà, 4. Novbr. Bei der Lueger-
Feier, die der christlich-sociale Arbeiter
verein veranstaltete, war auch der deutsche
Reichstagsabgevrdnete A h l w a r d t er
schienen. Von den Wiener Antisemiien-
sührern waren nur Schneider und Gregvrig
anwesend. Lueger sandte ein Entschuldigungs-
Telegramm. Schneider theilte mit, dies sei
das verabredete Zeichen, daß Lueger die
Bestätigung des Kaisers für die Bürger
meisterwahl erhalten habe, was mit Jubel
aufgenommen wurde. Ahlwardt hielt eine
Rede, worin er sagte, Lueger habe die
Arbeit eines Culturgottes verrichtet.
Wien, 2. Rov. Der pensionirte Oberst
lieutenant Botruba hat sich wegen Kränk-
lichkeit in einem Aborte am Schottenring
erschossen.
Graz, 2. Nov. Rittmeister Rocholl
der von einem antisemitischen Blatte be-
schuldig^ wurde, den Tod des Prinzen
Rohan verschuldet zu haben, hatte.gegen
sich die Untersuchung beantragt, wurde aber
als unschuldig erkannt.
Belgien.
Antwerpen, 1. Nov. Gestern verhaftete
die Polizei in der Nähe des Bahnhofes
den von Deutschland aus verfolgten, aus
Kiel gebürtigen früheren Gendarm Peter
Baro, der beschuldigt ist, zu Anfang dieses
Monats in Karlsruhe 53 000 Mk. unter-
schlagen zu haben. Der Verhaftete trug
nur etwa 4000 Mk. bei sich und behauptet,
der Rest sei ihm gestohlen worden.
England. (I
London, 4. Novbr. Die Lage in der.
Türkei wird hier sehr ernst aufgefaßt.
Doch heben die leitenden Blätter hervor/
daß deshalb kein Grund zur Besorgniß für!
die europäische Lage vorhanden sei, so lange
das Einverständniß der Mächte bewahrt
werde. Dies sei aber noch der Fall trotz
aller unbegründeten Alarmnachrichten. Hier
herrscht die Ansicht, daß das' türkische
Moratorium aus der Börse hier wenig
direkten Einfluß haben wird, dagegen blickt
man mit Besorgniß auf Paris, da große
Verluste dort zu neuen Verkäufen hier
führen könnten.
Aus London wird berichtet: „Der
Bruder des Earl of Denbigh, der
„Honorable" Mr. Feilding, wurde dieser
Tage vom Polizeirichter in Bunchory
verurtheilt, weil er bei Nacht ohne Licht
ans seinem Rad gefahren Ivar. Das
Urtheil lautete auf Geldstrafe oder 3 Tage
Gefängniß. Zum Erstaunen des Richters
lehnte der vornehme Herr ab, die Strafe
zu zahlen und drückte den Wunsch aus,
er möchte einmal ein schottisches Gefäng
niß von innen sehen. Auf seine weitere
Frage, ob er im Fall unangenehmer Er
fahrungen im Gefängniß die Haft vor
ihrem Ende durch Bezahlung der Strafe
beendigen könne, meinte der Richter, er
solle das mit dem Gesängnißdirektor ab
machen. Der merkwürdige Herr wurde
dann dem Craiginscher Gefängniß in
Aberdeen zugeführt; seine Schwägerin, die
schöne Gräfin von Denbigh, gab ihm zum
Bahnhof das Geleit.
In den Londoner Zeitungen sind jetzt
täglich zahlreiche mehr oder weniger ernst
gemeinte Proteste darüber zu lesen, daß
die Reihen der begehrenswerthen Heiraths-
kaildidaien aus den alten aristokratischen
Familien durch die Heirath mit amerikani-
scheu Damen immer mehr gelichtet werden
Anläßlich der jüngst erfolgten Verlobung
des jungen Herzogs von Marlborough mit
Fräulein Vanderbilt druckt die „Truth"
einen interessanten, „Herzogin-Wittwe"
unterzeichneten Brief ab, in welchem die
Schreiberin erklärt, daß sie ihr Haus jetzt
in eine Combination allerlei moderner
Töchter-Erziehungsmittel, eine Musikhalle,
eine Specialitären-Bühue, Spiel- und Club-
zimmer umgewandelt und ihre Töchter in
den verführerischsten Pas und im „High,
kicken" habe unterweisen lassen. Die Mädchen
wären animirt worden, die schlüpfrigsten
Lieder zu singen, und in der Unterhaltung
habe man sich nicht den geringsten Zwang
auferlegt. Sie hätten in allen fashionablen
Restaurants dinirt und dabei sehr häufig
neben den „notorischsten" Damen der
Stadt geseffen und dennoch blieben die
Männer dabei, entweder Schauspielerinnen
oder 'Amerikanerinnen zu heirathen.
Auhtand.
Wilna, 2. Nov. In Pabole (Kreis
Wilna) wurde die aus 6 Personen bestehende
Familie des Gutspächters Jtzig Cowarski
Nachts von Bauern ermordet und
beraubt. Das Haus wurde in Brand
gesteckt.
Dänemark.
Ueber die jütische Nordseeküste wird
der „Ringkjöbings Amtavis" geschrieben:
Das Meer verschlingt hier bei Ferring so
große Stücke Land, daß der Zustand für
verschiedene Familien kritisch zu werden be
ginnt. Im Laufe des letzten Jahres hat
das Meer an mehreren Stellen bis zu
2 00 Fuß vom Lande verschlungen und
diverse Familien wohnen jetzt nur ca. 200
Fuß vom Abhange entfernt, ja es giebt
Häuser, welche nur 120—140 Fuß von
der gefräßigen See entfernt liegen. An
Tagen des Unwetters, wenn der Sturm
vom Meere her tobt, zittert der Boden
unter diesen Häusern, und große Stücke
der Berge stürzen mit Krach und unter
irdischem Getöse in den Abgrund hinab.
Inland.
-KilßltN'sß
27) Roman von B. Ricdcl-Ahreus
Wie Leonore es gewünscht hatte, verließen
Fräulein Jutta uno Rahcl gleich »ach dem
allgemeinen Äbendgcbei bas Zimmer und şie
blieb mit Pastor Erichsen allein.
„Ich habe Dir etwas zu sagen," begann
sie mit vor Erregung zitternder Stimme,
„willst Du mich einen Augenblick ruhig
anhören?"
»Che ich spreche — bitte, segne mich,
Vater: Du hast cs so lange nicht mehr gethan,"
fügte sie in demselben demütigen Tone hinzu.
Und vor ihm niederkniesid, nahm sie sanft
seme Hand und legte sic sich auf das ge
beugte Haupt.
Pastor Erichsen will im ersten Impuls
die Hand von dem Haupts seines Kindes
ziehen; da fällt sein Blick auf die edle Ge
st^ be# îniecndcn Mädchens, das Lampen-
ruht ans der goldenen Haarfülle — tiefer
îipdļ ntigtc sie die Stirn vor ihm, und ein
menschliches Rührer, ersaßt ihn.
Ist es nicht das Unglück, das die Ver
blendete für sich zu erbitten im Begriffe steht?
„Gott segne Dich, und gebe Dir seinen
Frieden, Lconore. Stehe auf."
Gehorsam erhob sie sich.
„Nun?"
Als der ehrwürdige Greis dann vor ihr
steht, den leuchtenden Bück fest aus sie ge
richtet, da erscheint sie sich so klein und der
Nest des zusammengerafften Muthes droht
zu schwinden; aber etwas unüberwindlich
Treibendes in der Seele giebt ihr dennoch
die nothwendige Kraft. —
„Morgen wird Eugen v. Ravens zu Dir
komme» und Dich um meine Hand bitten."
Eine Pause athemloscr Bangigkeit folgte.
„Wenn meine pflichtvergessene Tochter doch
einmal hinter meinem Rücken .mit dem Herrn
verkehrt, so sage ihm, er solle sich die Mühe
sparen, rch habe nichts mit ihm zu verhandeln,
was cmdfetaebimg wünschen swerth erscheinen
läßt."
Lconore ļàimte sich unter .dem harten
Ausspruch.
„Doch, dsch, Vater, das Şuck meiner
Zukunft hängt davon ab, willst Du um
Deines Haffes willen mir ein Leib zufügen,
das viel schlimmer als der Tod, dessen
Schrecken Du von mir genommen hast?"
„Nicht um des Hasses willen, der längst
erloschen ist, sondern der gerechten Empörung
wegen, die ich gegen das ganze fluchüelasketc
Geschlecht hege und hegen muß, um dss Heil
Demer^ Seele willen, Lconore, die in dev!
Bündniß mit einem der Ravensl'nrger unter
gehen wird. Ich fefje gleichsam schon den
frevel,, der sich vorbereitet und gebe meine
Einwilligung nicht dazu. Hast Du es gehört?
Nük! Und nun gehe; es ist ein unliebsamer
Austritt, zu sehen, wie meine Tochter Schmach
und Erniedrigung für sich erfleht."
„Liegt denn Erniedrigung in der Liebe zu
einem Manne, Vater?" äußerte Leonore vor
wurfsvoll. „Wäre es Waldemar Berg, Du
würdest ihn als Sohn ivillkommen "heißen
und mich nicht verurtheilen."
„Weil der lautere Charakter dieses Mannes
mir die Garantie für Deinen Frieden bietet:
er ist der Dir von der Vorsehung bestimmte
Gatte. ^ Worin besteht das echte Glück? In
dem Frieden der Seele mit sich und ihrem
Gott. Du wählst den Kampf — zwingen
faim ich Dich natürlich nicht; fordere jedoch
nicht von mir," fuhr er mit erhobener Stimme
— Tie „Nordd. Allg. Ztg." schreibt:
Der König von Portugal stattete am
Sonnabend-Nachmittag dem Reichskanzler
Fürsten Hohenlohe einen über eine halbe
Stunde dauernden Besuch ab. Dem
Reichskanzler ist das Großkreuz des
portugiesischen Thurm- und Schwertordens
mit der Kette verliehen worden.
— Den „Münch Neuesten Nachr." ist
von hier über das M ilitärstraf-Ber-
fahren eine Mittheilung zugegangen,,
wonach in den letzten Tagen eine Sitzung
des preußischen Staatsministeriums unter
dem Vorsitz des Reichskanzlers stattge-
gefunden habe, worin die als entschieden
nothwendig erachtete Umänderung des
preußischen Militärstrasverfahrens erörtert
wurde. Der Reichskanzler trat sehr warm
für eine unbeschränkte Oeffentlichkeit des
Verfahrens nach bayerischem Muster ein,
ebenso fast alle anderen Minister, auch der
Kriegsminister. Schließlich einigte man
sich auf eine beschränkte Oeffentlichkeit.
Der bezügliche Entivurf wird demnächst
dem Kaiser unterbreitet, der für seinen Theil
durchaus gegen jegliche Aenderung ist.
— Der Kultusminister emvfiehlt
im Einvernehmen mit dem Justizministcr
s stört, „daß ich die Hand reiche zu Deinem
Bündniß mit dsui Verderben."
„Ich würde unglücklich mit Pastor Berg
werden, Vater," erwiderte Lconore, die stür
mischen Empfindungen niederkämpfend; „der
Kreis einer Pfarrcrssrau in dem nrinen Dorfe
ist mir zu eng, dir Alltäglichkeit in dem be
schränkten Horizont der kleinlichen Pflichten
würde mich erdrücken. Ich möchte an Eugens
Seite hinaus, Welt und Menscheu kennen
lernen, und wo das Ziel der Sehnsucht winkt,
da allein wohnt meines Bedünkens auch das
wahre Glück. Hier ist alles grau mid ein
tönig in der Haide, doch da draußen wohnt
das reich pulsirende Leben mit seiner ewig
jungen Kraft und seinen lachenden Farben."
„Arme Verblendete, weinen möchte ich über
Dich, wenn nicht der Zorn angesichts Deiner
Hoffart die weichere Regung übermannte.
Kind, Kind, Du hast leider wenig von meinen
Lehren prosilirt, das Irdische überwiegt in
Dir! Was ist es, das Dich verlockt und in
die Anne jene Mannes führt? Blinde Genuß
sucht ! Du hast vergessen, daß wir hier unten
auf der Erde weilen, um entsagen zu lernen.
Beherrsche den bösen Willen, der Dich vom
Pfade Deiner Seelciireinigung ablenkt, knechte
die Dämonen, welche Dich i„ Gestalt der
Leidenschaft umgirren und Dich verführen
möchten; _ das ist der höchste Sieg, den Du
als Mensch, als Weib erringen sollst und
mußt! Und nun genug davon — handle, wie
Du meinst, es vor Deincin Gewissen verant
worten zu können; nur halte das Eine fest:
daß, was Du auch beginnst, ich für den
Mann Deiner Wahl niemals r» sprechen bi»!
Gute Nacht."
Nicolaus Erichsens verließ daS Zimmer
und zog die Thür hinter sich ins Schloß;
Lconore stand minutenlang wie angewurzelt;
das war ein trauriges Ergebniß,' denn sie
wußte, der Vater würde die Drohung dem
Buchstaben nach erfüllen. —
Rahel, die ihr Erscheinen voll Spannung
erwartet hatte, wußte genug, als sie die
Schwester blaß und entstellt eintreten sah.
„Mein gutes Kind," sagte Tante Jutta,
die heute einen besonders schwerhörigen Tag
hatte, ergcbungsvoll, „wenn der Vater es
denn einmal durchaus nicht will, läßt sich
da nichts weiter thun. Die Männer halten
sich ja doch für die Herren der Schöpfung,
und da müssen wir nachgeben; bei dem mit
dem Kopfe durch die Wand rennen kommt
auch nichts Gutes heraus."
„Aber ich will nicht nachgeben," brauste
Leonore plötzlich auf. „£), der Vater lehrte
Liebe und Erbarme» für alle Menschen und
hat doch kein Erbarmen für das eigene Kind!"
„Still, Lconore, das ist Sünde, was Du
da redest," mahnte Rahcl. „Begeht Pater
auch »ach unsere Meinung einen Irrthum,
so handelt er doch nach innerster, heiligster
Ueberzeugung, das dürfen wir nicht vergessen."
„Sei vernünftig, Lconore," redete Tante
Jutta zu, „cs ist mm nicht so in der Welt,
daß man immer gerade den kriegen kann,
den man iiiöchic; davon können die meisten
Mädchen ein Lied singen, und mir ist es
auch nicht besser gegangen," sctzie sie mit
einem Seufzer hinzu.
Mir soll es jedoch nicht so ergehen,
Tante Jutta! Und sollte die Welt sich wider
setzen und »ns trennen wollen, wir werden
unser Glück zu vertheidigen wissen und troy
allem einander angehören."
„Wenn zwei solche Wkltstüriiier. zm
sammenkommen, werdet ihr das gewiß zu'
stände bringen, na, ich sehe schon, da steh
eine böse Zeit bevor, Ihr armen Kinder
es bleibt wohl gar nichts übrig, als still>
halten."
Am nächsten Tage gegen Mittag kau
Engen, und schweren Herzens führte Leo
nore ihn in die Wohnstube; Pastor Erich
sen befand sich in seinem Arbeitszimmer.
./Schlechte Aussichten?" fragte er, ihr
niedergeschlagenes Gesicht am Kinn zu sich
emporhebend.
Leider; mein Vater will Dich nicht
sehen, Eugen."
„Oho — so schlimin steht die Sache?
Hm." Dann nach einer Panse kurzen Nach
denkens — in halb scherzendem Tone:
„Da hat Dein Vater doch die Rechnung
ohne den Wirth gemacht, mein Liebling;
er will nicht mit mir sprechen, ich aber
will mit ihm sprechen und dringe ohne
weiteres bis zu ihm vor; er kann sich doch
nicht weigern, mich wenigstens anzuhören."
„Und wenn er es nun doch thut? Du
kennst nicht seine Zähigkeit, seinen unbeug
samen Starrsinn in dem, was er für Recht
erkannte."
„Bah, er ist nicht der Mann, welcher
die einfachsten Gesetze der Höflichkeit außer
Acht läßt; sieht und hört er mich aber
erst, wird sein ungünstiges Voriirtheil bald
schwinden. Muth, mein geliebtes Mädchen!
Weißt Du nicht, die Engländer sagen, jeder
Mensch sei eine Festung, die eingenommen
ein will — wo es aber Festungen zu
türmen giebt, da kommst Du bei mir ge
rade an den rechten Mann, denn für den
Preußen giebt cs keine, die uneinnehmbar
wäre! Ich werde uns Deinen Vater mck
Glan; erobern, warte es nur ab."