Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

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520 ll. 
Morgen-Depeschen. 
Paris. 20. Oct. Sämmtliche 
Minister haben ihre Demission 
eingereicht. 
In der Deputirtenkammer brachte 
Rouanet(Sozialist) eine Interpellation j über 
die Südbahnangelegenheit ein und 
verlangte, daß dieRegierung über die Sache 
völlige Klarheit verbreite und den Verdacht 
beseitige, der über mehreren Parlamentariern 
schwebe. Der Justizminister Trarieutz 
erklärt, sämmtliche Schuldige seien gerichtlich 
verfolgt. Es sei außer den von bekannten 
Senatoren und Deputirten, die sich an dem 
Emissionssyndikat betheiligt hätten, kein 
Name eines Deputirten in den Akten 
gesunden worden. Nach einigen Gegen 
erklärungen wird die Debatte geschloffen. 
Die Kammer nimmt einstimmig (518 
Stimmen) eine Tagesordnung Hadert an 
in der den Mitgliedern der Kammer unter 
sagt wird, finanziellen Syndicaten anzu 
gehören. Rouanet beantragt sodann ein 
Tagesordnung, die völlige Aufklärung 
verlangt und die Minister auffordert, alle 
Verantwortlichen zu verfolgen und den 
Bericht des Experten Flory dem Hause 
mitzutheilen. Ministerpräsident Ribot meint 
nach der heutigen Debatte sei es nicht 
nützlich, den vollständigen Bericht zu ver 
öffentlichen. Was die Verfolgung anbe. 
lange, so habe die Justiz ihre Pflicht 
erfüllt. Diese Frage sei daher erledigt 
(Beifall in Centrum.) Die Tagesordnung 
Rouanet wird jedoch mit 320 gegen 211 
Stimmen angenommm. Die Minister ver> 
lassen darauf den Saal unter ironischem 
Beifall der äußersten Linken. Die Sitzung 
wird geschloffen und die nächste am 
Montag anberaumt. 
Berlin, 29. Oct. Der Jagdbesuch des 
Kaisers beim Hausminister von Wedel- 
Piesdorf auf Schloß Piesdorf ist, wie der 
„Post mitgetheilt wird, aus den 7. und 
8. November festgesetzt. Der Kaiser trifft 
am 7. auf Piesdorf ein und wird am 8. 
an einer Jagd theilnehmen. 
Straßburg, 29. Oct. Eine im Lokal 
der Faverna Acksacienne veranstaltete 
ranzosenfreundliche Demonstration zu 
Gunsten des chauvinistischen Reichstags 
mitgliedes Preiss-Colmar artete in einen 
Skandal aus. Die einschreitende Polizei 
erwies sich als machtlos; ein Militair- 
piquet räumte schließlich das Lokal. 
Pest, 29. Oct. Wie der „Pesti Hirlap" 
meldet, soll die Agliardi-Affäre abermals 
in ein akutes Stadium eingetreten sein, 
und zivar diesmal direkt zwischen der 
Kurie und der österreichisch - ungarischen 
Regierung. Nach Mittheilung dieses 
Blattes wäre von Wien aus nach Rom 
die Anfrage gerichtet worden, warum noch 
nicht die Abberufung Agliardi's erfolgt sei. 
Darauf habe Kardinal > Staatssecretär 
Rampolla geantwortet, daß das Konst 
torium, in welchem Agliardi zum Kardinal 
wnannt wird, erst im Mai nächsten Jahres 
tattfinden wird. Nunmehr wolle man in 
Wien damit antworten, daß der öfter 
ceichisch-ungarische Botschafter beim Vatikan 
nicht eher auf seine» Posten zurückkehren 
oll, bis die Abberufung des Nuntius 
Agliardi erfolgt sei. 
Wien, 28. Oct. Von autoritativer 
Seite geht der „N. Fr. Pr." die Meldung 
zu, daß die Differenzen zwischen England 
und Nordamerika wegen Venezuela immer 
größere Dimensionen annehmen. Die 
amerikanische Note an England, welche 
kir Anwendung der Monroe-Doktrin ein 
tritt, wurde von Salisbury bisher nicht 
beantwortet, weil Letzerer verschiedene 
europäische Regierungen °zu einer Kollektiv 
note zu veranlassen sucht. In dieser soll 
die Annahme der Monroe-Doktrin abge 
lehnt werden und alle europäischen Re 
gierungen sich das Recht Vorbehalten, sich 
in ihren Beziehungen zu den Vereinigten 
taaten an die Regeln des Völkerrechts 
zu halten. Die Monroe-Doktrin bezweckt 
bekanntlich, keine europäische Macht ferner 
in Amerika festen Fuß fassen zu lassen 
un sie bekämpft auch jeden europäischen 
Einfluß auf Amerika. 
Budapest, 29. Octbr. In Hodmezö 
Vasarhely wurde eine Giftmischer 
bände eruirt, die auch in Budapest 
Mitwisser hat. Die Bande, an deren Spitze 
eine Frau steht, a s s e k u r i r t e fremd 
Personen bei Leichenbestattungs 
Anstalten, vergiftete die Versicherten 
und behob die Versicherungssumme. Bisher 
ind 10 Fälle entdeckt und 6 Verhaftungen 
erfolgt. 
London, 28. Oct. Der an Ghazi Osman 
Pascha gerichtete Drohbrief soll von Mit- 
c liebern des Haushalts des Sultans ge- 
chrieben worden sein. 14 Diener, welche 
verhaftet werden sollten, „starben" nach 
der Untersuchung plötzlich. Von türkisch 
offiziöser Seite wird auch diese Nachricht 
bestritten. 
Rom, 29. Oct. Gestern fand hier eine 
Versammlung von Fabrikanten und 
Kaufleuten statt, um gegen die zu 
hohe Steuereinschätzung des Ein 
kommens zu protestiren. Die Ver 
ammlung gestaltete sich zu einer imposan 
ten Demonstration gegen das Ministerium 
auf dessen Veranlassung diesmal die un 
erhört strenge Einschätzung im Widerspruch 
zu den in der Kammer gemachten Ver- 
Brechungen des Finanzministers erfolgt 
lei, der später alle Reklamationen ablehnte. 
Nach langer, erregter Debatte wurde der 
Vorschlag, auf acht Tage alle Läden 
zu schließen, mit frenetischem Beifall 
aufgenommen. Die Versammlung nahm 
-erner einstimmig aus Antrag des Depu 
tirten Barzilai eine Tagesordnung an 
worin alle Kaufleute und Fabrikanten 
Italiens aufgefordert werden, die Zahlung 
der Einkommensteuer für das erste L-emester 
1896 solidarisch zu verweigern, und die 
Hanvelskammern ersucht werden, die größte 
Energie zum Schutze des Kaufmannsstandes 
zu entfalten. Die Versammlung beschloß 
auch die Gasgesellschaft zu ersuchen, daß 
chlls eine neue Steuer auf Gas und 
elektrisches Licht gelegt würde, die Be 
euchtung zu suspendiren. 
Mnslnttd. 
Italien. 
Genna, 28. Oct. Die hiesige elektrische 
Trambahn stieß in der Via Affarotti 
mit einem Postwagen zusammen, den sie 
zertrümmerte, wobei dessen Kutscher ver 
letzt wurde. Den Bremser der Trambahn 
ergriff bei diesem Anblick ein solcher 
Schrecken, daß er absprang, ohne den 
Wagen zu bremsen. Der Conducteur 
folgte seinem Beispiel, und so raste der 
elektrische Wagen ohne Führer mit den 
entsetzten Fahrgästen in furchtbar schnellem 
Tempo durch die belebten Straßen, Menschen 
überfahrend, Fuhrwerke beschädigend, bis 
auf die Piazza Corvetto. Dort entgleiste 
der Wagen, wobei noch drei Insassen ver- 
wundet wurden. Die beiden pflichtver 
gessenen Beamten, der Bremser und der 
Conducteur, sind nicht aufzufinden. 
Oesterreich-Ungarn. 
Wien, 28. Oct. Im Hauptzollpostpacket- 
Amte wurden zwei Sendungen vermißt. 
Die eine, aus München an die Oester 
reichische Creditanstalt adressirt, enthielt 
16 000 Mk. in Gold, die andere, aus 
Paris kommend, 2000 Fr. Silber; die 
Letztere wurde später gefunden. Der Dieb 
der Ersteren, ein gewisser Kornietschnig, 
it in Ratibor verhaftet worden; es wurden 
15 480 Mk. bei ihm vorgefunden. 
Kustland. 
Petersburg, 28. Oct. Der bisherige 
Minister des Innern Durno wo wurde 
unter Enthebung von seinem Amt zum 
Präsidenten des Ministercomitee ernannt. 
Der Gehilfe des Ministers des Innern, 
Goremykin, wurde zum Verweser des 
Ministeriums des Innern ernannt. 
Frankreich. 
Paris, 28. Dct. Der russische Bot- 
"chaster Baron Mohrenheim überreichte 
heute Vormittag dem Minister des Aeußern 
Hanotaux den Großcordon des St. Alex 
ander Newski-Ordens. 
Schweiz. 
Bern, 28. Oct. Im ganzen Schweizer- 
lande wurden gestern Vers am ml ungen 
abgehalten, um das Volk zu bewegen, die 
aui nächsten Sonntag zur Abstimmung 
gelangende Militärvorlage anzunehmen 
Dänemark. 
Kopenhagen, 28. Oct. Die Verlobung 
der Prinzessin Maud, der jüngsten 
Tochter des Prinzen von Wales, mit dem 
Prinzen Karl von Dänemark, dem zweiten 
Sohne des Kronprinzen von Dänemark, 
wurde heute osficiell proclamirt. 
Jîàà 
— Ueber die Vorgänge, welche vor 
Jahresfrist den Anlaß zum Rücktritt des 
früheren Reichskanzlers GrafenCapriv 
gegeben haben, macht die „Saale-Ztg." 
folgende Mittheilungen: In unterrichteten 
Kreisen hat man Grund zu der Annahme, 
daß Caprivi-in letzter Linie deswegen ge 
fallen ist, weil er den Kaiser unmittelbar 
nach dessen ihn desavouirender Rede, wo 
rin die Hoffnung ausgesprochen wurde, 
die Halbbataillone bald als Ganzbataillone 
im Heere stehen zu sehen gebeten habe, 
sich mit ihm über Aeußerungen, die auf 
den Gang der Dinge von Bedeutung seien, 
vorher in's Einvernehmen zu setzen und 
keinerlei politische Kundgebungen zu er- 
lassen, ehe er sich mit dem verantwort- 
lichen Reichskanzler berathen habe. Gegen- 
über der Auffassung des Monarchen, daß 
der Reichskanzler nach dem geltenden Recht 
nur für Anordnungen und Verfügungen 
des Kaisers, nicht aber für dessen Reden 
und Telegramme verantwortlich sei, habe 
Caprivi auf die völlig unhaltbare Position 
hingewiesen, welche sich für ihn daraus 
ergeben werde, daß plötzlich Allerhöchste 
Kundgebungen erfolgten, die für ihn nicht 
nur völlig neu wären, sondern auch des 
Oefteren seine dem Bundesrathe oder dem 
Reichstage gegebenen Zusicherungen des- 
avouirten und dadurch den Zusammenhang 
der Politik zerrissen. Bei der Aussprache 
über diesen Punkt sei es dann unabhängig 
von anderen bestehenden Differenzen zum 
Bruche gekommen. Man habe aber in 
Hoskreisen das Gefühl gehabt, als ob dem 
Grafen Cavrivi schon vorher, und zwar 
bei den immer schroffer werdenden 
Differenzen mit dem Minister-Präsidenten 
von Eulenberg sein Amt gründlich ver 
leidet sei und er nur nach einem Bor- 
wände suche, seine immer schwieriger 
werdende Stellung niederzulegen. Personen 
aus seiner damaligen Umgebung versichern, 
daß er sich in diesem Sinne unmittelbar 
nach dem ohne sein Vorwissen erfolgten 
Empfange der agrarischen Deputation durch 
den Kaiser geäußert habe. 
— Stöcker läßt seine Aufsätze in der 
„Deutsch-Eo. Kirchenztg." als Broschüre 
unter dem Titel „Dreizehn Jahre Hof 
prediger und Politiker" erscheinen und hat 
dazu ein Vorwort geschrieben, in welchem 
er einen leisen Tadel ausspricht gegen die 
sozialen Pastoren, loeil sie „Losungsworte" 
ausgeben, die verwegen klingen und rufen: 
„die Stunde des Großgrundbesitzes hat ge- 
schlagen, das Land den Massen". Freilich, 
Stöcker hat sich niemals an die Junker 
herangewagt und desto mehr nur die 
Massen gegen den Stand der Industriellen 
und der Kaufleute aufzuwiegeln versucht. 
„Richt um Ehre und Macht", sagt Stöcker, 
„haben wir gerungen, sondern um die 
Seele unseres geliebten deutschen Volkes." 
— Wie kam es denn, daß Stöcker sich, 
um die Hofpredigerstelle zu behalten, 1889 
bestimmen ließ, seine politische Agitation 
einzustellen, also zu verzichten „auf das 
Ringen um die Seele des geliebten deutschen 
Volkes?" 
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22) Roman von B. Ricdel-Ahrens. 
„Warum verhinderten sic dm Baron v. 
Ravens, uns zu begleiten, Herr Pastor 
Berg — mit welchem Rechte?" fragte jetzt 
Leonare. 
„Mit dem Rechte der Freundschaft, die 
Ihren Bater mit mir verbindet," antwortete 
der Pastor gepreßt. „Sie gab mir Bcfug- 
niß, so zu handeln weil Sie, am Rande 
des Abgrundes wandelnd, nur die Rosen 
sehen und nicht die gähnende Tiefe." 
„Lassen Sic doch für den täglichen Be 
darf die bilderreiche Kanzelsprache bei Seite, 
Herr Pastor, ich weiß wirklich^ nicht, was 
Sie mit dem Abgrund meinen." 
„Ich bezweifle doch, daß Sic nicht ahnen, 
was ich sagen will," mtgcgnete er leise, 
nur ihr verständlich, indem er seinen Arm 
aus den oberen Rand des Schlittens legte 
und den Kopf neigte. „Sic wissen Leonore, 
daß ich nur um Ihretwillen die Höflich- 
kcitseinladung angcnomnien habe, ohne diesen 
Gründ würde es mir nie eingefallen sein, 
mich als Schaustück von den Neugierigen, 
die mich hajb und halb doch nur in ihrer 
erlauchten Mitte dulden, anstarren zu lassen, 
und meine Befürchtungen bestätigen sich. Sie 
stehen im Begriff, sich von den Schmeichel- 
tönen jenes zuversichtlichen Offiziers bcthörm 
zu lassen und seinen Versicherungen Glan 
den zu schenken!" 
„Gewiß thue ich das." entgegncte sie, 
ihn stolz und vorwurfsvoll anblickend, „weil 
ich fest von seiner Anfrichtigkcit überzeugt 
bin, und ist das etwa so unbegreiflich, muß 
ich nothwendig betrogen sein, wenn ein 
Baron von Ravens mir seine Huldigungen 
darbringt?" setzte sie gereizt hinzu. 
Sie haben mich nicht ausreden lassen," 
warf Waldemar ein, kaum im Stande, die 
Stimme zu bemeistern, welche die Qualen in 
einem Innern verrathen möchte. Wie er 
cs liebte, dieses edclgeschnittenc, ovale Antlitz, 
dem seinen so nahe, mit den leuchtenden blauen 
Augen unter den schmalen, dunklen Brauen! 
Er preßte unbemerkt die Linke gegen sein 
Herz, damit das ungestüme Klopfen nicht 
vernehmbar werde. „Er meint cs vielleicht 
aufrichtiger in dem Sinne, als es seine Ab- 
icht ist, um Ihre Hand zu werben — aber 
erst daun — nach der Ehe wird die_ viel 
größere Täuschung beginnen! Denn jener 
Mann, Leonore — dem Sie sich zuneigen, ist 
oberflächlich und herzlos, ich habe den Zug 
der Grausamkeit in seinem Antlitz gelesen 
und mit dieser Grausamkeit wird er Sie 
zertreten." 
„Das sind Vermuthungen, Herr Pastor 
Berg, denen ich keine Berechtigung zugestehe; 
ich muß Sie wirklich ersuchen, Ihre Theil 
nahme für nnch einzuschränken, da sie es wagt, 
an Dinge zu rühren, die mir selbst noch 
gar nicht in den Sinn gekommen sind." 
Ihm that die Zurechtweisung weh, sie war 
nicht grundlos, über gab sein jahrelanges 
Werben um sie ihm nicht das Recht zu einem 
warnenden Wort — gehörte nicht dieses 
Weib ihm nach dem Gesetze der Natur, die 
es für ihn bestimmt, und daß sich in seinem 
heißen, ehrlichen Herzen durch diese Liebe 
offenbart hatte? 
„Unbequem sind natürlich immer Diejenigen, 
die unS eine Wahrheit vorhalten, die wir 
auf keinen Fall als solche anerkennen wollen 
Leonore, seien Sie nicht zu hart mit dem 
Manne, dessen Schicksal Sic geworden sind, 
der Tag und Nacht nur noch einen Ge 
danken, ein Sehnen und Hoffen hat — Sie; 
ich möchte Sic zurückhalten vor dem drohen 
den Unheil, vor einem Loose, das die herr 
lichste der Menschenblüten entweihen dürfte! 
Alles vermag ich zu ertragen, ohne auch nur 
mit der Wimper zu zucken, nur das eine 
nicht; Dich durch unwüroige Hände von dem 
Altar, den meine Liebe Dir geweiht, herab 
gerissen zu sehen." 
Während sie so regungslos dasaß und 
den Worten des jungen Geistlichen, halb 
gegen ihren Willen, aufmerksam lauschte, da 
empfand sie wieder die magische Gewalt, die 
von ihm ausging und ihr Denken und 
Fühlen traumhaft, in süßem Rausche zu be 
herrschen drohte; doch nicht lange, dann ver 
chwand cs unter dem Bilde des ritterlichen 
Offiziers, von dem bereits ihre ganze Seele 
erfüllt war. 
„Sie sehen Bilder, die nur in Ihrer er 
regten Phantasie cxistircn, Herr Pastor Berg 
ich muß Sie ernstlich bitten, mich meinem 
Schicksal zu überlassen, da cs mir absolut 
unmöglich ist, Ihnen das zu sein, was Sie 
wünschen; ganz unmöglich," fügte sie ent 
schlossener, und wie um den Gegcnredcndcn 
mit cndgiltigem Nachdruck zurückzuweisen 
hinzu, „denn führte mich der Weg, den ich 
nach Ihrer Behauptung am Rande des Ab 
grunds wandle, auch in die Hölle, gleichviel, 
ich ginge ihn doch!" 
Er zuckte zusammen, und das Wort mr 
seinen Lippen verstummte; wie tief mußte sie 
schon im Banne jenes Mannes stehen, um 
so zu cmpsiuden, und was mehr noch, so zu 
sprechen vor ihm, von dem sie wußte, daß an 
ihrem Munde Tod und Leben für ihn hing' 
Weil Sic verblendet sind ; aber die Blind 
heit währt nicht ewig und die Erkenntniß 
wird folgen, hoffentlich nicht zu spät. Sie 
glauben jetzt in jenen Kreisen, die Ihnen bis 
dahin das verbotene Paradies gewesen, das 
Glück gefunden zu haben, nach dem sich 
Ihre schönhcitsdurstigc Seele lange sehnte, 
und nun, da Sie es gefunden haben, legt sich 
Ihnen, wie all den bethörten Sterblichen, die 
Binde vor die Augen. Dean wäre das 
nicht der Fall, Leonore, da müßten Sie bald 
die Hohlheit dieser falschen Welt des Scheins 
erkennen, diese Menschen, die nur das eine 
Ziel besitzen, sich selbst und ihrem jammer 
vollen Ich zu entrinnen. Darum, wenn Sic 
auch jetzt blind in den Strudel der Verderbniß 
kürzen — eines Tages werden Sie sich auf 
ich selbst besinnen — Sie müßten sonst nicht 
Leonore Erichsen, die Tochter Ihres großen 
Vaters, sein." 
„Wer weiß?" fragte Leonore, in einer 
Anwandlung von Muthwillen ihm nach 
seiner in etwas pathetischem Ton gesprochn 
nen Prophezeihnng schalkhaft von der Seite 
in die Augen blickend, „wer weiß, ob Sie 
sich nicht irren in ihrer hohen Meinung 
von mir, und ob ich nicht am Ende doch 
das verlorene Wcltkind bin, das sein Ge 
nüge ganz und gar in jener glänzenden 
lustigen Welt, wo sich's so herrlich lebt, 
findet! Mag ich auch in ihren Augen als 
eine verblendete Thörin gelten, ich dürste 
doch nach ihren Freuden und möchte den 
goldenen Becher an die Lippen setzen, um 
in vollen Zügen zu trinken. Was ich in 
Vaters Hause führe, ist kein wirkliches 
Leben, das ist nur ein dumpfes Sehnen 
nach Unbestimmtem, es läßt mich unbefriedigte 
Ich ivill leben und mich freuen, so lange 
mir der Frühling der rasch entschwinden 
den Zugend lacht." 
Waldemar Berg sah ein, daß jedes 
weitere Wort über den Gegenstand bei 
Leonores gegenwärtiger Gemüthsverfassung ein 
verlorenes sein würde; sie mußte ihren 
Weg gehen, und was das Furchtbarste, 
ihm blieben die Hände gebunden, er war 
gezwungen, sie dem Abgrund zuschreiten zu 
lassen, wenn nicht unvorgesehme Ereignisse 
das Vcrhängniß aufhalten würden. 
Der Schlitten glitt mit Windeseile da 
hin, Haraldsholm lag nicht mehr fern; 
ein paarmal tauchte in ihrer Nähe seitwärts 
ein kleines Bauerngehöft aus dem Dunkel 
auf und verschwand; endlich — die letzte 
Strecke mar schweigend zurückgelegt worden 
— hielt er vor dem Hause Pastor Erich 
en's. Ein kurzer Abschied und Waldemar 
Berg fuhr allein der Richtung nach dem 
Dorfe zu. 
„In Vaters Stube ist noch Licht," sagte 
Rahel verwundert, als sic den Flur be 
traten, „was das nur bedeutet? Ich muß 
doch einmal nachsehen. Er hat gewiß auf 
mich gewartet," dachte sie voll Rührung 
auf dem Wege zu ihm, „oder aus Leonore 
— aber sie ist noch zu voll von dem Er 
lebten und denkt nicht an ihn." 
Nicolaus Erichsen tr ai seiner Dvchter 
aus dem matt erleuchteten Zimmer ent 
gegen ; Rahel schlang die Arme zärtlich um 
seinen Hals. „Du wachst noch, Vater — 
unsertwegen?" 
„Deinetwegen, Rahel," sagte er mit 
eigenthümlicher Betonung und merklicher 
Bitterkeit. „Deine Schutzbefohlene, Anke 
Martens, ist heute abend hier eingetroffen 
— ihre Mutter ist am Nachmittag gestorben."
	        
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