Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

schlägt dort allmählich die französische 
aus dem Felde. Die Mitglieder einer Ge 
meinde errichten auf gemeinsame Kosten 
eine Dampsbutterfabrik mit (Zentrifugal 
und Eiskühlungsmaschinen; an diese liefern 
sie ihre Milch ab und haben an dem Be 
triebsertrag ihren Lieferungen gemäß ent- 
sprechenden Antheil. In den 1000 Ge 
meinden, die Dänemark zählt, finden sich 
augenblicklich schon 480 Privatmeiereien 
Ebenso erfolgreich wie mit seiner Butter 
drang Dänemark auf dem englischen Markte 
mit seiner Speckausfuhr durch. Den un- 
mittelbaren Anstoß dazu gab Deutschland 
mit seinem Schweine-Einfuhrverbot. Früher 
sandte uns Dänemark seine Schweine ge 
mästet zu; jenes Verbot veranlaßte es, 
Antheilsschlächtereien zu errichten, die Thiere 
halbgemästet zu tödten und das Fleisch als 
„bacon" nach England auszuführen. Auf 
40 000 Tonnen ist die Ausfuhr schon ge- 
stiegen und kommt sofort nach der Nord- 
Amerikas, das bekanntlich im Punkte der 
Speck-Erzeugung das Höchste leistet, 
giebt auch Antheils-Brauereien, Mühlen 
und Zuckerfabriken; daneben verfügt jedes 
Dorf über einen selbstverwalieten Konsum 
Verein; und schließlich haben die dänischen 
Bauern, gleich den Schotten, eigene Ban 
ken, in denen sie ihr Geld unter der Ob 
Hut eigener Vertrauensmänner hinterlegen. 
Das ist gesunde Sozialpolitik und diese 
wird noch dadurch erst recht gehoben und 
befestigt, daß der dänische Bauer arbeitet 
und nicht bis in die Nacht hinein Skat 
spielt, um dann am Morgen spät mit 
wüsten! Kopf aufzuwachen, unlustig zur 
Arbeit. 
In Äolding erhängte eine Ehefrau ihre 
beiden Kinder und dann sich selbst, weil 
ihr Mann mit der eigenen Stieftochter in 
einem unerlaubten Verhältniß stand. — 
Das dänische Seebad F a n ö wird jetzt 
durch eine englische Gesellschaft ausgebaut, 
welche eine Million Kronen zur Verfügung 
gestellt hat. 
Jtaliku. 
Aus Palermo wird gemeldet, daß die 
furchtbare Hitze viele Unfälle veranlaßt, 
die mit dem Tode der betroffenen Per 
sonen endigen. Das Thermometer zeigt 
dort 35 Grad Reaumur im Schatten; 
in anderen Gegenden des südlichen Italiens 
zwischen 32 und 34 Grad. 
«şraņkrer«. 
Paris, 9. Juli. Ein Liebesdrama, 
dem zwei blutjunge Leute zu Opfern ge 
fallen sind, hat sich in der Rue de Bau- 
girard abgespielt. Der 18jährige Zeichner 
Henri Häzard hatte seit längerer Zeit mit 
der 17 Lenze zählenden Jeanne Monnin 
ein Verhältniß angeknüpft, das indessen 
wegen des gar zu jugendlichen Alters der 
beiden Liebenden nicht die Zustimmung 
ihrer Angehörigen fand. Die jungen Leute 
kamen trotzdem fortwährend zusammen, was 
von den Nachbarn nicht unbemerkt blieb 
und den Eltern hinterbracht wurde. Es 
folgten lebhafte Auseinandersetzungen, welche 
bei den Liebenden den Entschluß reiften, 
sich gemeinsam den Tod zu geben. 
Man sand sie gestern entseelt in der Woh 
nung der Frau Monnin, die einen Aus 
flug unternommen hatte. Ein abgeschosse 
ner Revolver lag neben dem Paare. Der 
junge Mann athmete noch und wurde so 
fort nach dem Hospital geschafft, wo man 
sollte die betreffende Person damit verfolgt 
haben — und wie hatten sie den von 
tausend Zufälligkeiten abhängigen späteren 
Verlauf der Dinge voraussehen können? 
Nein, es war unmöglich, an dieser Ver 
muthung festzuhalten, um so mehr, als ja 
die thätlichen Angaben des Briefes jetzt so 
unzweifelhaft als wahr erwiesen worden 
waren. Genau an der Stelle, welche die 
namenlose Absenderin bezeichnet hatte, war 
der Freiherr von seinem Schicksal ereilt 
worden. Und zn keinem anderen Zweck 
konnte er sich dorthin begeben haben, als 
um Julia's Erscheinen zu erwarten. Was 
aber hakte sich vor dem Künstlerpförtchen 
zugetragen? Gab es etwa noch einen dritten 
Nebenbuhler um Julia's Gunst, der dem 
Staatsanwalt aufgelauert hatke, um statt des 
betrogenen Bräutigams das Rächeramt zu 
übernehmen? War der verhängnißvolle Schuß 
die Folge eines Streites gewesen? Oder 
halte die Kugel, von der er niedergestreckt 
worden war, vielleicht gar nicht ihn, sondern 
irgend einem Anderem gegolten, dem er un 
glücklicher Weise ähnlich sehen mußte? 
Diese und hundert andere Fragen stürmten 
auf ihn ein, ohne daß er sich nur eine 
einzige befriedigend hätte beantworten können. 
Die Ankunft im Justizpalast erst machte 
seinem unfruchtbaren Grübeln ein Ende, und 
es war ihm nur erwünscht, daß man ihn 
nicht erst lange warten ließ, sondern ihn 
unverzüglich in das Amtszimmer des Unter 
suchungsrichters wies. Es war ein älterer 
Herr von freundlichem und wohlwollendem 
Aussehen, der da hinter dem grünen Tische 
saß. Als Leopold seinen Namen genannt 
hatte, drückte er einen schwarzen Schildplatt- 
zwlcker ans die glase und betrachtete den 
Arzt eine kleine Weile mit sehr aufmerksamem, 
forschendem Blick. Dann wandte er sich 
nnl einigen geflüsterten Worten zu dem 
jungen Menschen, der als Protokollführer 
neben ihm saß und deutete mit leichter 
Handbcwegung auf einen Stuhl. 
(Fortsetzung folgt.) 
ihn zu retten hofft; das Mädchen dagegen 
war todt. Dasselbe hat ein sehr rühren 
des Schreiben an seine Mutter hinterlassen, 
in dem es diese um Verzeihung anfleht 
und sie bittet, auch dem jungen Manne, 
mit dem sie in den Tod gegangen und den 
sie innig liebte, vergeben zu wollen; sie 
bedauere nicht, aus dem Leben zu scheiden, 
da für sie in Folge des Geschwätzes der 
Nachbarn das Glück in dieser Welt doch 
unmöglich geworden sei. In ähnlichem 
Sinne hat auch der junge Mann an seine 
Angehörigen geschrieben. 
Berlin, 10. Juli. Der „Reichsanzeiger" 
meldet die Abberufung des Grafen 
Rantzau auf Antrag'von dem Gesandt- 
schaftsposten im Haag und die Versetzung 
in einstweiligen Ruhestand. 
— Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht 
heute den vor einiger Zeit in kurzen Grund- 
zügen bereits mitgetheilten Gesetzentwurs 
über das Anersbenrecht sammt den 
Motiven im Wortlaute, der 4 Bogen um- 
faßt. 
Berlin, 11. Juli. Die amtliche „Berl. 
Corr." meldet: In Angelegenheit des 
Schutzes der Bauhandwerker gegen 
Ausbeutung durch gewissenlose Bauunter- 
nehmer hat der Reichskanzler die Bundes- 
regierungen im Anschlüsse an die Be 
rathungen im Reichsamt des Innern um 
entsprechende Mittheilungen und gutacht- 
liche Aeußerung ersucht, wie eine Berück- 
sichtigung der Wünsche der Bauhandwerker 
angängig sei. 
Berlin, 9 Juli. Sowohl Dr. Kro- 
patschek wie Major Scheibert, die 
aus der „Kreuzztg." ausgetreten waren, 
treten der „Volkszeitung" zufolge jetzt für 
die Zeit der „Suspension" Hammersteins 
in die Kreuzzeitung" wieder ein. 
— Die Suspendirung des 
Frhrn. von Ham wer st ein wird 
in der Presse natürlich eifrig besprochen. 
Besonders wird beachtet, mit welcher 
Geflissentlichkeit jetzt die conservative 
Parteileitung von ihm abrückt. Sie ver- 
wahrt sich gegenüber Bemerkungen in der 
„Köln. Ztg." energisch dagegen, daß er 
ein Führer der conservativen Partei ge 
wesen sei, und läßt in der „Eons. Corresp." 
feststellen, daß er bei der Neuorganisation 
des Parteivorstandes nicht wieder gewählt 
worden sei. Zugleich wird jede Beziehung 
des Vorsitzenden der conservativen Partei 
zum Curatorium der „Kreuzzeitung" ab- 
gestritten. Diese Auslassungen lassen klar 
genug erkennen, daß der Austritt des 
Frhrn. von Hammerstein aus der Fraction 
kein freiwilliger gewesen ist, sondern mehr 
einem Ausschluß gleichkommt. 
Einen sehr langen und sehr bitteren 
Nachruf widmet ihm die „Köln. Ztg.": 
„Mit ihm scheidet (heißt es da) aus 'dem 
conservativen Parteileben das gefährlichste 
und bedenklichste catilinarische Element, 
das die Partei gehabt hat; aber wir 
mrchten, daß seine Erbschaft noch lange 
Zeit nachwirken wird. Die Verhetzung 
der Partei, an der er die Hauptschuld 
rrägt, wird auch dann, wenn verständigere 
und maßvollere Leute ans Ruder kommen 
ollten, nicht sobald wieder gut zu machen 
sein, denn die schlechten Instinkte, einmal 
gerufen, lassen sich nicht im Handumdrehen 
wieder beseitigen. Immerhin wird der 
fortwährend zu Haß und Unfrieden an 
spornende Antrieb fehlen, denn schlimmer, 
als es war, kann es in Zukunft keinesfalls 
werden. In der vorläufigen Entfernung 
Hammerstein's liegt unseres Erachtens noch 
keine Gewähr für die Wiederkehr besserer 
Verhältnisse; wohl aber sind wir der An- 
icht, daß mit ihm das größte Hinderniß 
beseitigt ist, das sich auch bei steigenden 
Getreidepreisen einer vollständigen und 
maßvolleren Entwickelung der conservativen 
Partei entgegenstellte. Früher unter 
Hammerstein schien eine Umkehr und Ein 
kehr unmöglich; jetzt ist sie wenigstens 
denkbar, wenn auch noch nicht in nächster 
Zukunft." 
Berlin, 10. Juli. Geheimrath Pro- 
essor Finkelnburg in Bonn, der in 
dem Prozeß Forbes-Mellage eine so her 
vorragende Rolle gespielt^ hat, ist ans An 
ordnung des Ministers des Innern und 
der Medicinalangelegenheiten zur Mit- 
Wirkung bei der in großem Umfange be 
absichtigten außerordentlichen Revision der 
Privatirrenanstalten herangezogen worden. 
— Das Sech zehn Millionen-Ge 
schenk, das leider nicht ohne Schuld des 
Centrums von den Junkern im Abge- 
ordnetenhause durchgesetzt ist, wird von 
der „Correspondenz für Centrumsblätter" 
als eine äußerst bedenkliche und ungerechte 
Maßregel verurtheilt. Die Korrespondenz 
hält es für den „Gipfel der edlen 
Dreistigkeit, die sich in der heutigen 
Zeit des rücksichtslosen Jntereffenkampfes 
breit macht, daß die Großgrundbesitzer und 
reichen Fideikommiß - Inhaber die Klinke 
der Gesetzgebung ergreifen, um unter Ver 
schiebung des „Bruders Bauer" sich per 
sönlich jeder einige Tausende aus dem 
Säckel der Steuerzahler schenken zu lassen." 
— Als „Zeitungsquatsch" hat der Abg. 
Zimmermann die Mittheilung bezeichnet, 
daß er bei seiner Kanalsahrt als Diener 
einen sehr reichen ehemaligen Hotelbesitzer 
Namens Köhler mitgenommen habe. Diese 
reizende Bezeichnung des biederen Abgeord- 
ueteu trifft aber lewer nicht das Richtige. 
Die geistreiche Bemerkung löst sich in eitel 
Wind auf. In der „Staatsbürgerzeitung" 
wird jetzt zugegeben, daß dieser Köhler in 
der That als Diener des Abg. Zimmer- 
mann fungirt hat. Zimmermann glaubte 
eines Dieners auf der mehrtägigen Reise 
nicht entbehren zu können, ist aber dabei 
nach der „Staatsbürgerzeitung" nicht vor 
sichtig in der Wahl gewesen. Herr Köhler 
hatte leider nach 24 Stunden bereits die 
Dienergeschäfte satt, fuhr nach 
Hause und überließ den Abg. Zimmer- 
mann seinem Schicksal. — Vielleicht war 
dem „Diener Köhler" die Sache etwas zu 
kostspielig. 
In der Chloroform Narkose sind 
gestern in Berlin wieder einmal zwei Per 
sonen anläßlich einer Operation gestorben 
In beiden Fällen wird angenommen, daß 
Herzlähmung eintrat. 
— Verschwunden ist seit dem 1. Juli 
der „Bankier" Albert Richter. Er 
betrieb in der Metzer Straße 19 eine 
Hemdenfabrik, dann miethete er Alexander 
straße 54 im ersten Stockwerke größere 
Räumlichkeiten, in denen er unter der 
Firma „Norske Kreditbank" ein Bank- 
institut eröffnete. Der Name sollte Kunden 
anlocken, die der Ansicht waren, daß es 
sich hier um ein Zweiggeschäft des gleich 
namigen bekanntenGeldinstitutsinChristiania 
handelte. Vor allem mußten die Bureaus 
der „Norske Kreditbank" würdig ausge- 
stattet werden, und es gelang R. auch, 
die Einrichtung dazu zu erhalten. Eine 
Tischlerfirma lieferte für das neue Unter- 
nehmen für 800 Mk., ein Maler für 
250 Mk. (Firmenschilder), ein Möbelhänd- 
ler für 1000 Mk.- ein Teppichhändler für 
300 Mk., eine Druckerei für 200 Mk. 
Waare, und alle diese Lieferanten sollten 
Anfang Juli ihr Geld erhalten. Eine 
einzige Zeitungsanzeige genügte, um das 
für den Bankbetrieb erforderliche Personal 
zu erlangen. R. verpflichtete zum 1. Juli 
12 Damen zum Adressenschreiben, zwei 
Buchhalter und einen Kassenboten, zum 
15. Juli vierzehn Buchhalter und zun, 
1. August noch weiteres Personal. Am 
1 Juli 8 Uhr früh wurde denn auch die 
Norske Kreditbank eröffnet, und die Damen 
wurden sofort mit dem Schreiben von 
Briefen zur Erwerbung von Kunden be- 
schästigt, während die Buchhalter mit der 
Einrichtung und Liniirung von Geschäfts 
büchern zu thun hatten. Die in Er 
mangelung von Porto nicht zur Absendung 
gelangte Geschäftsanzeige hatte folgenden 
Inhalt: „Die Norske Kreditbank gewährt 
Gelddarlehen in beliebiger Höhe zu gesetz- 
lich erlaubten Zinsen — 1 pCt. Provision 
und 1 Mk. sür Auskunft — an höhere 
Militärs, aktiveStaatsbeamte der preußischen 
Monarchie, sowie an jeden solventen Bür 
ger der Stadt Berlin. Auf Grundstücke 
gewähren bis 2 / 3 pCt. der Feuerkasse je 
nach Lage u. s. w." Am 1. Juli Abends 
bereits trat oer „Chef" eine Geschäftsreise 
an, von der er bis zun, heutigen Tage 
noch nicht zurückgekehrt ist; in den Bureaus 
„arbeitete" man noch bis Sonnabend, 
dann aber wurde man mißtrauisch, man 
erbrach die Thür des Privatkvntors und 
fand den übrigens noch unbezahlten Arn- 
heim offenstehend, seine Fächer leer, vor. 
Der Chef hatte die gesammten eingezahlten 
Kautionen seines Personals, soweit bis 
jetzt festgestellt ist, mindestens 3000 Mk. 
mit sich genommen. Die Angelegenheit 
wurde der Polizei gemeldet, die die Räume 
der „Bank" bereits geschlossen hat. Bei 
einer Durchsuchung wurden 2000 gedruckte 
Kautionsformulare sowie 80 nach' Abreise 
des Chefs eingelaufene (Offerten von 
Stellungsuchenden vorgefunden, in denen 
etwa 8000 Mk. Kautionen angeboten waren 
Welchen Umfang diese Schwindeleien ge 
habt haben dürften, beweist der Umstand 
daß Richter einen Kassenboten zum 15. Juli 
verpflichtet hatte, der bei einem Monats 
gehalt von 180 Mk. 3000 Mk. Kaution 
stellen sollte. Der Kassenbote tvar bereits 
im Begriff, diese Summe zu erlegen, als 
er noch im letzten Augenblick gewann wurde. 
— Auf der Bühne wahnsinnig ge 
worden. Von einem tragischen Schicksal 
ist der erste jugendliche Liebhaber und Held 
des Berliner Nationaltheaters Herr Carl 
Wesselski betroffen worden. Am Freitag- 
Abend uiurde im Nationaltheater das 
ensations-Drama „Im Irrenhause" ge 
geben, und in diesem Stück war Herr Carl 
Wesselski hervorragend beschäftigt; er gab 
einen jener Unglücklichen, die im Irren 
hause gewaltsam festgehalten werden. Eben 
sollte das vorletzte Bild gegeben werden, 
und bei heruntergelassenen Vorhang machte 
der Jnspicient die Runde, um sich zu 
überzeugen, ob auch alles am Platze sei. 
Da bemerkte er mitten auf der Bühne 
eine Person lang hingestreckt aus dem 
Fußboden liegend, von krampfhaften 
Zuckungen gepeinigt. Der Jnspicient er- 
kannte in dem Kranken Herrn Wesselski, 
den er nun aufrichtete. Stieren Blickes 
schaute Herr Wesselski sich uni, und indeni 
er abwehrende Geberden machte, rief er 
fortwährend die Worte seiner Rolle: „Ich 
bin nicht irrsinnig, gebt mir mein Geld 
wieder!" Anfänglich glaubte man, daß 
der Schauspieler sich einen schlechten Scherz 
erlaubt habe, da er aber immer mehr 
tobte und nicht zu beruhigen war, )o 
tvurde ein Arzt von der nächsten Unfall 
station herbeigeholt, der den Patienten 
nach dem städtischen Krankenhause Friedrichs 
Hain überführen ließ. — Hier verfiel 
Wesselski in Tobsucht, und es ist leider 
wenig Aussicht vorhanden, daß er wieder 
genesen wird, denn unterdessen ist bekannt 
geworden, daß der Schauspieler bereits 
vor drei Monaten einen ähnlichen Anfall 
zu überstehen hatte. Der so plötzlich er 
krankte Künstler ist ein Wiener von Geburt 
und jetzt 38 Jahre alt. Er wurde von 
Laube entdeckt und an's Burgtheater 
engagirt; später wurde Wesselski, der mit 
der Tochter eines reichen Grundbesitzers 
verheirathet war, vom Director Pollini 
nach Hamburg berufen. In Hamburg 
lockerte sich das Band der Ehe, und beide 
Gatten gingen auseinander; Wesselski ver 
fiel dem Trünke. Eine Zeit lang trieb 
er sich an kleinen Wanderschmieren umher 
bis sich Director Samst des hoffnungs 
vollen Künstlers annahm. 
In den Armen seines N a ch f o l- 
gers gestorben ist gestern der Wirth 
des Cöpenicker Schützenhauses. Ueber den 
Vorfall wird geschrieben: Der Päch 
ter des Schützenhauses, Herr August Wolff 
der noch die kürzlich stattgefundene Jubel 
feier der Coepenicker Gilde fröhlich mitge 
macht hat, beabsichtigte, sich von der Stätte 
eines Wirkens zurückzuziehen. W. hatte 
einen Nachfolger gefunden, mit dem er sich 
gestern Mittag zum Notar begab, um dort 
den Kauf abzuschließen. Als Alles erledigt 
war, verließen die beiden Männer das 
Bureau des Notars und begaben sich auf 
den Heimweg. Auf der Straße angelangt, 
machte W. einige taumelnde Bewegungen, 
dann ergoß sich ein Blutstrom aus seinem 
Munde. Sein Begleiter fing ihn auf, 
doch er hatte bereits eine Leiche in seinen 
Armen. Der Verstorbene hatte das Schü 
: zenhaus drei Jahre lang verwaltet. Er 
hinterläßt eine Frau mit fünf Kindern, 
die zum Theil in noch sehr jugendlichem 
Alter stehen. 
>ln, 10. Juli. Prinz Georg von 
Preußen, der Protector des Kölner 
Gesangvereins „Kölner Liederkranz", hat 
gestern im Hotel du Nord den Präsidenten 
des Vereins, Lehrer Albert Urbach, und 
drei Vorstandsmitglieder in längerer 
Audienz empfangen. Heute Vormittag fuhr 
Prinz Georg von Preußen zunächst nach 
Ehrenbreitstein und Coblenz, von wo er 
ich morgen zur Kur nach Ems begeben wird. 
— lieber die Entfremdung z w i- 
ch e n dem Kaiser und dem Für 
tenBismarck bringt die „Köln. Bolks- 
ztg." in einen, gegen die „Hamb. Nachr." 
gerichteten Artikel einige interessante Mit 
theilungen. Sie ist der Ansicht, daß zu 
der Entlassung des Fürsten Bismarck die 
Rechtskonservativen durch ihre Hofoerbin 
dungen beigetragen hätten. Es handelte 
ich zunächst um die sozialpolitischen Er 
lasse, bei denen auch dem Grafen Walder- 
'ee ein Antheil zuzuschreiben sei. Allge 
mein politisch ging die Richtung aber gegen 
den Fürsten Bismarck und gegen 
den gouvernementalen v. H e l l d o r f f 
zugleich. „Es erfolgte der Bruch, welcher 
am 26. Jan. v. I. durch eine Versöhnung 
halb zugekleistert wurde. Der diesjährige 
Mairegen hat den Kleister wieder aufge 
löst. Auch das kann keinen Kenner Bis 
marck's verwundern. Er hat nicht ver 
gessen, wie Lasker ihn geärgert, wie 
Windthorst ihn bekämpft, noch viel weniger 
wird er vergessen und vergeben, was der 
Hos ihm angethan hat. Wenn ein anti- 
Pinitisches Dresdener Blatt andeutet, als 
ob der Kriegsminister Bronsart v. Schel 
lendorf ihm einen ungnädigen Beseht des 
Kaisers ausgerichtet, und Fürst Bismarck 
darauf seine bekannte Oppositionsrede an 
den Bund der Landwirthe gehalten hat, 
'o ist das unzutreffend. Der Kriegsminister 
hat dem Fürsten weder einen Tadel aus 
gerichtet, noch dazu Auftrag gehabt. Es 
mag sein, daß im Gespräch beiläufig er 
örtert wurde — was aber ja schon aus 
den Zeitungen bekannt war — die Aeuße 
rangen des Fürsten über den Herzog 
Friedrich von Schleswig-Holstein-Sonder- 
burg-Augustenburg hätten verstimmt, jeden 
falls hat aber schon damals und auch bei 
andern Gelegenheiten Fürst Bismarck seiner 
Unzufriedenheit über den Hof in weit 
höherm und drastischerm Maße Ausdruck 
gegeben, als das eventuell umgekehrt ge- 
schehen ist. Wer des Altreichskanzlers 
Temperament kennt, wird keinen Augenblick 
im Zweifel sein, daß er der A n g r e i- 
er ist. Er ist des trockenen Tones 
schon lange satt und wird auch nicht 
eher zufrieden sein, bis der Kaiser ihm 
entweder den Reichskanzlerposten von 
Neuem angeboten oder ihn für seine Amts- 
Entlassung öffentlich um Verzeihung ge 
beten haben wird. Ihn „brennt die alte 
Wunde", und am Abend seines Lebens 
will er noch den schwersten Waffengang 
machen, den mit seinem Souverain." 
Bei einem Scheiben wettschießen 
Beneschau in Overschlesien zwischen dem 
Rentmeister Wetekamp, dem Mühlenbesitzer 
Luschek und den, Förster Petrzik wurde 
Lutschek erschossen. Er hinterläßt eine 
Wittwe und vier Kinder. 
Arolsen, 10. Juli. R e i ch s t a g s e r- 
a tz w a h l. Bis gestern Abeuo 11 '/■, 
Uhr wurden gezählt: für Boucher (nat.- 
lib.) 2492, für Müller (Bund der Land 
wirthe) 3452, für Schücking (freis.f 1778 
und für Garbe (Soc.-Dem.) 703 Stimmen. 
Es ist Stichwahl zwischen den ersten Beiden 
erforderlich. 
Aus Stuttgart wird uns berichtet: Der 
Neckaremser Mord übte bei der Verhand 
lung vor dem Stuttgarter Schwurgericht 
eine ganz außerordentliche Anziehungskraft, 
insbesondere auf das schwächere Geschlecht. 
Sticht nur daß Frauen jeden Alters und 
Standes Tag für Tag stundenlang in 
Hitze und Gedränge aushielten, eine junge 
Frau ließ sich sogar täglich ihren jüngsten ì 
Sprößling in den Justizpalast 
bringen, um ihn während der Mittags 
pause zu stillen! 
In Hüssenhardt wurde der evangelische 
Dekan Einwächter sowie der Kirchenrechner 
wegen Unterschlagung von Stiftungsgeldern 
verhaftet. Die Unterschlagungen sollen bis 
in die 80 Jahre zurückreichen und sich über 
20,000 M belaufen. 
Im anhaltischen Ort Pötnitz ist der 
jedenfalls sehr seltene Fall vorgekommen, 
daß bei Ausschüttung einer Conkurs- 
masse nicht nur alle Gläubiger voll be 
ledigt worden sind», daß Gerichts- und 
Anwaltskosten bezahlt wurden, sondern 
daß auch noch ein nicht unerheblicher Be 
trag übrig blieb. Der Conkurs wurde 
einer Zeit über die Hinterlassenschaft eines 
Verstorbenen eröffnet; die nächsten Erben 
hatten wenig Vertrauen zu der Erbschaft 
und wollten sie nicht antreten, Nachdem 
die Sache sich nun günstiger gestellt hat, 
der st 
gesterr 
Dr. ü 
Assess- 
Vision 
besont 
auf di 
erstreb 
In 
ragt es sich, was aus dem Ueberschuß der 
Conkursmasie wird, denn die Erben haben 
verzichtet. Da wird sich der Fiscus in's 
Fäustchen lachen. 
Lübeck, 8. Juli. Die Deutsch-Nordische 
Handels- und Industrie-Ausstellung zu 
Lübeck charakterisirt sich durch die zahlreiche 
Betheiligung der Industriellen Deutschlands 
und der ^nordischen Länder Finnland, 
Rußland, Schweden, Norwegen und Däne 
mark. Das zweite hervorzuhebende Moment 
ist die bisher in Deutschland unerreichte 
Größe der Ausstellung, zu der zum Wett 
bewerb in der Hauptausstellungs- und 
Maschinenhalle, sowie in der land- und 
sirstwirthschaftlichen Ausstellung ca. 2000 
Firmen mit ihren Erzeugnissen sich stellten. 
Der Ausstellung von Frauenarbeiten ist 
besondere Berücksichtigung geschenkt, wie 
nicht minder der Weinhandel und das 
Brauereigewerbe zur hervorragenden Gel 
tung gekommen ist. Hervorragend ist auch 
die Marine- svivie die Kolonial-Ausstellung, 
welche in eigens den besonderen Zwecken 
angepaßten Ausstellungs-Gebäuden unterge 
bracht sind. Reizende Restaurants, 
Pavillons und Verkaufstempel verschönern 
die mit vielen Thürmen, Kuppeln und 
Zinnen geschniückten, einheitlich gestalteten 
Ausstellungsräume. Der Volksbelustigung 
ist ein breiter Raum auf einem großen 
Terrain gewährt. Concert rühmlichst be 
kannter Militärkapellen wechseln täglich 
mit der aus 63 Mann bestehenden Aus 
stellungskapelle; ein VariotS-Theater, noch 
nie gesehene brillante Land- wie Wasser- 
Feuerwerke, der Luftschiffer F. Klünder mit 
dem Ballon „Excelsior", das Rheindiorama 
und vieles andere in reichster Abwechselung 
wird zur Unterhaltung des Publikums ge 
boten. So kann ein Ausflug nach Lübeck 
zur Ausstellung mit vollem Recht empfohlen 
werden. 
Die Entschädigungssumme für den Har- 
bnrgcr Petroleum-Brand sind jetzt festge- 
tellt und gezahlt. Der Betrag beziffert 
kch auf 1 115 000 Mk. Die Zollver- 
waltung hat auf die Erhebung des Zoll 
betrages von ca. 500 000 Mk. verzichtet. 
Eine hochherzige That vollführte ein 
lunger Geistlicher, Hülfsprediger Dr. 
Jenisch von der Katharinenkirche in Ham 
burg. Auf einem Spaziergange kam er 
in dem Augenblick au einen tiefen Kanal 
im Borort Hammerbrook, als eben ein 
7jähriges Mädchen im Wasser mit dem 
Tode rang, ohne daß es jemand von den 
händeringenden Passanten gewagt hätte, 
dem Kinde Hülfe zu bringen. Der Geist 
liche sprang kurz entschlossen ins Wasser, 
erreichte nach mehreren vergeblichen Ver 
liehen das Kind und brachte es schwimmend 
ans Ufer. 
BrovrnzielleS 
Altona, 9. Juli. Bekanntlich hat die 
Militärbehörde den Soldaten 
der Garnisonen von Altona und Hamburg 
den Besuch verschiedener Tanz 
oka l e verboten, in denen Seitens 
der sozialdemokratischen Partei Maifeierlich 
keiten abgehalten wurden. Die Betreffen 
den haben sich, unterstützt durch Eingabe« 
verschiedener Kriegervereine, an die Kom 
mandantur mit der Bitte um Zurücknahme 
des Verbots gewendet. Dieser Tage ist 
ihnen ein von dem Stadtkommandanten 
Generalmajor v. Schleinitz unterzeichnetes 
Schreiben zugegangen, in welchem sie auf 
gefordert werden, in mehreren näher be 
zeichneten Zeitungen öffentlich zu erklären, 
daß sie ihr Etablissement fernerhin nicht 
sir sozialdemokratische Parteizwecke her 
geben tverden. Sollte die Erklärung nicht 
erfolgen, so würde aus weitere Eingabe« 
keine Antwort ertheilt. Die Betreffenden 
oeigern sich, die geforderte Erklärung zu 
rlasseu. 
Altona, 9. Juli Die Jrrenpflege-An- 
stalt in der Norberstraße unter Leitung 
Temp 
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