Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

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WO. 251. 
Sonnabend, den 26. October 
1895. 
Morgerr-Depeschen. 
-1- Itzehoe, 25. Octbr. Die Auslieferung 
der Gewinne der Pferdelotterie des Ver 
bandes der Pferdezucht-Vereine in den 
holsteinischen Marschen ist wieder frei 
gegeben, da die Untersuchung ergeben, daß 
Unregelmäßigkeiten bei der Ziehung nicht 
vorgefallen sind. 
Berlin, 26. Oct. Von berufener türki 
scher Seite wird der „Nordd. Allg. Ztg." 
geschrieben, daß die Gerüchte über Ver- 
schwörungen gegen den Sultan, die Jnter- 
nirung mehrer türkischer Minister u. s. w. 
übertrieben sind. 
Berlin, 26. Oct. Wie die „Volksztg." 
erfährt, ist auf morgen Nachmittag eine 
Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses 
der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896 
anberaumt mit der Tagesordnung: Elek 
trische Beleuchtung. Mehrere Stadtver- 
ordnete sind eingeladen worden, der Sitzung 
beizuwohnen. Es darf angenommen 
werden, daß der am Mittwoch-Abend ge 
faßte Beschluß unter dem Drucke der 
öffentlichen Meinung aufgehoben werden 
wird. 
Berlin, 26. Oct. Für die Landbrief 
träger soll mit dem Beginn des nächsten 
Etatsjahres eine Gehaltsaufbesserung statt 
finden. So soll, wie die „Post" ver 
nimmt, bei der Aufstellung des Etats der 
Reichspost- und Telegraphenverwaltung 
eine bestimmte Summe zur Aufbesserung 
der bisher schlecht besoldeten Beamten in 
Vorschlag gebracht sein. 
Berlin, 25. Oet. In sechs öffentlichen 
socialdemokratischen Versammlungen wurde 
gestern über den Parteitag, sowie über die 
Frauenagitationsfrage aus Anlaß der Wahl 
von Vertrauenspersonen als Ersatz für die 
aufgelöste Frauen - Agitations - Kommission 
Bericht erstattet. Wegen ihres Verhaltens 
aus dem Breslauer Parteitage wurden die 
Abgeordneten Fischer, Schippet, Schönlank, 
Singer, sowie der Privatdocent Dr. Arons 
heftig angegriffen. Seitens des letzteren 
wurde die unentschiedene Haltung des 
„Vorwärts" gegenüber den bayrischen 
Genossen gemißbilligt. Fischer vergleicht 
das Verhalten der Berliner Socialdemo 
kraten mit demjenigen einer Allweiber- 
geselljchaft, ebenso äußerte sich Stadthagen. 
Eine Versammlung bezeichnete in einer 
Resolution die Behandlung der Berliner 
durch die Genossen aus der Provinz als 
spießbürgerlich und reaktionär. Im vierten 
Berliner Wahlkreise wurde die Bericht- 
erstattung über den Parteitag vertagt, weil 
befürchtet wurde, daß die Versammlung 
wegen stürmischen Verlaufs gesprengt werden 
könnte. Schönlank wurde von eineni Dele- 
girten bornirt genannt. In fast . allen 
Versammlungen gelangten Resolutionen 
die sich gegen die genannten Abgeordneten 
richten, zur Annahme. Zwei Versammlungen 
wählten je eine Frau als Vertrauensperson, 
während die übrigen es ablehnten, Frauen 
als Verirauenspersonen zu ivählen. 
München, 26. Oct. Die „Franks. Ztg." 
berichtet: Nach Provinzialblättcrn hält der 
Bund der Landwirthe demnächst in allen 
Theilen Bayerns Versammlungen ab, um 
die bayrische Bauernvereinigung an den 
Bund der Landwirthe anzugliedern. Berlin 
soll der Centralpunkt sein. 
Bozen, 26. Oct. Die historische Schrift 
des Priesters Pilati („Brantonico und 
seine Kirche") wurde von dem Staats- 
anmalt wegen Beleidigung der Mitglieder 
des kaiserlichen Hauses beschlagnahmt. 
Paris, 26. Oct. Die türkische Gesandt 
schaft theilt der Presse durch eine Note 
mit, daß alle sensationellen Gerüchte über 
die pessimistische Lage in der Türkei un 
begründet seien. Besonders die Nach- 
richten von Haussuchungen bei höheren 
Beamten und von den. Vertheilen auf- 
rührerische Flugblätter seien unwahr. 
Petersburg, 26. Oct. Herr von Ptehwe 
ist zum Minister des Innern ernannt. 
Varna, 25. Oct. Einer Meldung des 
Rcuter'schen Bureaus zufolge erhielten der 
Sultan und der Marineminister 
Drohbriefe, infolge deren im Aildiz- 
Kiosk umfassende Vorsichtsmaßregeln ge 
troffen werden und das Haus des Marine 
ministers von Truppen bewacht wird. 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Chinas völlige Unterwerfung 
unter Rußland ist besiegelt. Aus 
Hongkong wird der „Times" aus angeblich 
durchaus zuverlässiger Quelle gemeldet: 
Durch den jüngst zwischen Rußland und 
China geschlossenen Vertrag erlange Ruß 
land das Recht der Anerkennung für seine 
Flotte in Port Arthur, ferner die Be 
rechtigung, unter russischer Verwaltung 
eine von Nertschinsk direkt nach Wladiwostok 
über chinesisches Gebiet gehende Eisenbahn 
mit einer Zweigbahn von Tsitsihar nach 
Port Arthur zu bauen und zu betreiben 
sammt anderen Handlnngsvortheilen, auf 
welche die Meistbegünstigungsklausel nicht 
anwendbar sei. China behalte sich das 
Recht vor, die Eisenbahn nach 20 Jahren 
zu einem später festzusetzenden Preise anzu 
kaufen. Damit hat sich China einfach an 
Rußland verkauft. Rußland hat ein lang 
ersehntes Ziel erreicht, für seine Kriegs 
flotte in Ostasien einen eisfreien Hafen zu 
besitzen. Es fragt sich nur, ob Japan 
und England sich das alles ruhig gefallen 
lassen werden. 
Japan hat sich jetzt vollständig dem 
Dreibund Rußland-Frankreich-Deutschland 
gebeugt. Es ermäßigt die Entschädigung, 
für die Räumung der Halbinsel Liaotong 
auf 30 000 000 Taels; ferner erklärt sich 
Japan damit einverstanden, aus dem Ab 
schluffe eines Handelsvertrages mit China 
keine Bedingung für die Räumung der 
Halbinsel Liaotong machen zu wollen! 
diese Räumung hat zu Ende des Monats 
Januars stattfinden. Endlich verpflichtet 
Japan sich, auf jede Kontrolle über den 
Kanal von Formosa zu verzichten und 
Formosa und die Pescadores - Inseln an 
keine andere Macht abzutreten. 
In Tokio hat der Notenaustausch statt 
gefunden, durch den Japan vollständig den 
Gesichtspunkten beigetreten ist, welche die 
Intervention Deutschlands, Frankreichs 
und Rußlands in dem chinesischen Conflict 
zwischen China und Japan aufgestellt 
hatte. 
Aus Newyork wissen die. Blätter wieder 
einige Neuigkeiten von dem Herzog von 
Marlborough, dem Verlobten der Miß 
Consuelo Vanderbilt, zu berichten. Am 
Nachmittag des 18. Oktober wurde der 
Herzog, als er im Central-Park auf dem 
Zweirad eine Anhöhe hinunterfuhr, von 
einem Polizisten angehalten und zur Poli 
zeistation gebracht. „Wissen Sie, wer ich 
à?" fragte der Herzog den Beamten. 
„Nein, das ist mir gleich", war die Ant- 
Ivort. „Ich bin der Herzog von Marl- 
borough. Hier ist meine Karte. Ich möchte 
wissen, was Sie von mir wollen", sagte 
er, kühl wie eine Gurke" (as cool as a 
cucumber). „Ich will, daß Sie beim Fahren 
nicht gegen das Gesetz verstoßen", meinte 
der Beamte. Nachdem sich herausgestellt, 
daß der Herzog die gesetzlichen Vorschriften 
nicht gekannt, und nachdem er sich ent 
schuldigt hatte, wurde er freigelassen. — 
Die Hochzeit des Herzogs ist nun end- 
giltig auf den 6. November festgesetzt. Die 
Feier findet in Newyork statt. 
Portugal. 
Eine König in, die Medizin studi rt, 
aus Liebe zu ihrem Gemahl, lebt 
nicht im Märchenlande. Die Königin 
Amalie von Portugal hat sich seit 
längerer Zeit mit den, Studium der 
Medizin beschäftigt, und zwar war der 
Grund hierfür ein Leiden ihres Gemahls. 
Bor. einigen Jahren schon zeigten sich bei 
König Karl Anzeichen von Fetlleibigkeit. 
Trotzdem der König ein sehr thätiges 
Leben führte, wenig schlief, nicht viel 'aß 
und auch sonst alles vermied, was das 
Leiden verschlimmern konnte, nahm es doch 
beständig zu, so daß er sich genöthigt sah, 
verschiedene Aerzte zu konsultiren, die ihm 
dann auch eine Lebensweise vorschrieben 
die dem König zu streng erschien, so daß 
er oftmals von ihren Vorschriften abwich. 
Die Königin hatte keinen sehnlicheren 
Wunsch, als das beginnende Leiden ihres 
Gatten im Keime zu ersticken; daher 
studirte sie fleißig Medizin, um den König 
selbst zu behandeln. Ihre Kenntnisse sind 
nun so weit vorgeschritten, daß sie eine 
Prüfung ablegen und die Behandlung 
ihres Gemahls übernehmen konnte. Der 
König unterwirft sich jetzt ihren Anord- 
ordnungen mit allem Vertrauen, und es 
soll in der That seitdem eine auffallende 
Besserung in seinem Befinden eingetreten 
sein. 
Türkei. 
Wie der „Standard" aus Konstantinopcl 
meldet, bestätigt sich das Gerücht von der 
summarischen Hinrichtung zahlreicher 
Führer der jungtürkischen Partei; aus 
guter Quelle wird hinzugefügt, sie seien 
nach einem Verhör in ein Boot eines 
Kriegsschiffes geführt und aus diesem im 
stärksten Strom ins Wasser geworfen 
worden. Der Muth der türkischen 
Revolutionäre sei durch diese Maßregel 
vollständig gebrochen. 
Italien. 
Rom, 25. Qct. Auf dem italienischen 
Aerzte-Co ngresse ereignete sich beider 
Besprechung über Maragliano's Tuber 
kulose-Serum ein hitziger Zwischenfall. 
Professor Diomigliano beantragte, der 
Congreß möge sein Mißtrauen über Mara- 
gliano's Serum ausdrücken, und fügte 
hinzu, Maragliano sei es mehr darum zu 
thun gewesen, Geld zu machen, als 
die Wis sen sch a ft zu fördern. Hierauf 
folgte großer Tumult, Beifall und Zischen. 
Nur mit großer Mühe gelang es Baccelli, 
die Ruhe wiederherzustellen; er erklärte, 
daß die Zeit noch nicht gekommen 
sei, über das Serum ein endgültiges Ur 
theil abgeben zu können. 
England. 
Ein seltener Unfall ereignete sich in 
Glasgow. Das Schwungrad einer Locomo 
bile löste sich durch unbekannten Grund 
von seiner Achse und wurde mit riesiger 
Gewalt hinweggeschleudert, und zwar nahm 
es 'seine Bahn durch das Fenster eines 
Zimmers in Paterson-Street, in welchem 
sich zwei Personen befanden, von denen 
die eine sofort getödtet wurde, während 
man die andere schwer verwundet hinweg 
trug. 
Dänemark. 
Der wegen Unterschlagung seit zehn 
Monaten inhaftirte Bankkassirer Steffensen 
in Aarhus (früher an ver dänischen Filial- 
bank in Flensburg angestellt) hat in der 
letzten Jahren, wie durch die Untersuchung 
nunmehr festgestellt ist, etwa 20 000 Kronen 
Bankgelder verbraucht, über deren Verbleib 
er keine Rechenschaft zu geben vermag. Es 
ist auch festgestellt, daß Steffensen unmittel 
bar vor seiner Verhaftung nicht Iveniger 
als zehn ganze Loose in einer deutschen 
Lotterie spielte, jedenfalls in der Hoffnung, 
durch etwaige Gewinne die Fehlbeträge zu 
decken. Diese Loose kosten ihm etwa 1000 
Kronen. 
Inland. 
— Zum Jahrestag der Entlassung 
des Grafen Caprivi, die bekanntlich 
am 26. Oktober 1894 erfolgte, bringt das 
„Deutsche Wochenblatt" in seiner letzten 
Nummer einen Artikel. Herausgeber des 
Organs ist Herr Dr. Otto Arendt. Ueber 
die Vorgänge giebt das „Wochenblatt" 
folgende Enthüllung: 
„Die Kanzler- und Ministerkrisis ivar beige 
legt, als Se Maj. der Kaiser zur Jagd nach 
Liebcnberg fuhr. Dort bestand so wenig dre 
Absicht einer politischen Jrtrigue oder Ver 
schwörung, daß zunächst der Minister Graf 
Eulenburg gar nicht anwesend und gar nicht ge 
laden war — und gerade das wurde für Graf 
Caprivi verhangnihvoll. 
Die bekannten Auslassungen in der „Köln. 
Ztg." haben schließlich dahin geführt, daß Graf 
Eulenburg Beschwerde erhoben, und daß Graf 
Caprivi in einem besonderen Memorandum dem 
Kaiser seine Ansichten gegenüber der Auffassung 
des Grafen Botho Eulenburg entwickelte. Der 
Kaiser hatte hierauf entschieden, daß sowohl der 
Reichskanzler wie der Ministerpräsident im Amt 
bleiben solle. Er selbst wolle in Liebenberg dem 
Grafen Eulenburg das mittheilen und ihn be 
stimmen, neben dem Grafen Caprivi im Amt zu 
bleiben. Zugleich befahl Se. Majestät, daß die 
Abschrift des Caprivischen Memorandums dem 
Grafen Eulenburg zugehen solle. 
Zu seiner Ueberraschung fand der Kaiser unter 
den Jagdgüsten in Liebenberg den Minister- 
Präsidenten nicht, worauf diesem sofort der 
kaiserliche Wunsch, ihn dort zu sehe», telegraphisch 
übermittelt wurde. Graf Caprivi fühlte sich 
vollkommen als Sieger und übersandte sein 
Memorandum schleunigst, ohne weitere Auf 
klärung, nur mit dem Bemerken: auf Befehl des 
Kaisers, dem Grafen Eulenburg, der hierdurch 
äußerst erregt, ohne Kenntniß von der vom 
Kaiser getroffenen Entscheidung, sofort sein Ab 
schiedsgesuch niederschrieb. Erst dann kam die 
telegraphische Berufung nach Liebenberg. Der 
Ministerpräsident steckte das Abschiedsgesuch in 
die Tasche und fuhr dann dorthin. 
Der Kaiser war höchstlich überrascht, als hier 
bei der ersten schicklichen Gelegenheit Graf Eulen 
burg seinen Abschied erbat, glaubte er doch, daß 
nach seiner Unterredung mit Graf Caprivi die 
Krisis beigelegt sei. Nach Aufklärung, welche ihm 
zu Theil wurde, fiel der Grund fort, Graf 
Caprivi länger zu halten. Während dieser ge 
hofft hatte, "durch die beschleunigte und jeder 
Aufklärung entbehrende Uebersendüng des Memo 
randums die Demission des Ministerpräsidenten 
doch herbeizuführen, besiegelte er damit nur den 
eigenen Fall, der sich nun zu einer Entlassung 
stempelte." 
Es wäre nicht unmöglich, daß die Dar 
stellung, die hier im „Wochenblatt" ge 
geben wird, annähernd das Richtige träfe, 
wenn einiges davon auch sehr auffällt, 
z. B., daß der Ministerpräsident Gras 
Eulenburg nicht zur Jagd eingeladen ward, 
obgleich der Kaiser ihm dort eine außer 
ordentlich wichtige politische Mittheilung 
machen wollte. Da eine Anzahl Frei 
konservative am Hofe verkehren, erscheint 
es nicht ausgeschlossen, daß in ihr Organ 
eine Schilderung der Vorgänge gelangen 
konnte, wie sie in Hofkreisen kolportirt 
wird. 
Obigem steht aber die Thatsache gegenüber, 
daß der bekannte Artikel der „Köln.Ztg." 
erst am Mittwoch, den 24. erschienen 
ist und die Entlastung des Grafen Caprivi 
bereits am Freitag, den 26. Oktober, 
Nachmittags 6 Uhr erfolgte. Der Artikel 
der „Köln. Ztg." konnte dem Grasen 
Eulcnburg vor Mittwoch - Abend oder 
Donnerstag-Morgen, selbst auf telegraphi- 
schem Wege, gar nicht bekannt werden. 
Wenn dieser Artikel den Kaiser in Folge 
einer Beschwerde des Ministers Grafen 
zu Eulenburg veranlaßt hat, dem Grafen 
Caprivi die Abfassung eines Memorandums 
aufzugeben, so kann dies erst frühestens 
am Donnerstag geschehen sein, an dem 
selben Tage, an welchem der Kaiser Abends 
nach Berlin zurückkehrte. 
Berlin, 23. Oct. Im Anschluß an die 
jüngsten Mittheilungen über die Ehrengabe, 
die sich Herr v. H a m m e r st e i n im 
Namen deutscher Frauen und Jungfrauen 
durch seine Freundin Flora Gaß von Stettin 
aus zuschicken ließ, um dann eine großartige 
Danksagung an die ihm angeblich unbe 
kannten Spenverinnen zu veröffentlichen, 
schreibt der „Voss. Ztg." eine hiesige Dame, 
daß sie in ihrem Geschäft jenes Kissen im 
Aufträge von Flora Gaß habe 
anfertigen lassen. Es zeigte auf 
dunkelgrünem Plüsch das Wappen des Herrn 
v. Hammerstein „in natürlichen Farben 
und das Monogramm in Gold." Also 
auch Flora Gaß hat das Kissen nicht ein 
mal selbst gemacht! 
— In der nächsten Tagung des Reichs 
tages ivird, wie ein Berichterstatter meldet, 
eine Vorlage eingebracht werden, wonach 
die Zuständigkeit der Amtsgerichte 
erweitert werden soll, indem diese fortan 
in Streitgegenständen bis zur Höhe von 
500 bis 600 Mt. entscheiden sollen. 
— Zur Behandlung des Krebses 
mit Erysipel- (Wundrose-) Seruni veröffent 
lichen die Herren Prof. Dr. Emmerich und 
Dr. Max Zimmermann einige interessante 
neue Krankengeschichten. Sie sind nach 
der Ansicht der genannten Forscher um so 
beweiskräftiger für |bie Heilwirkung des 
Serums, als es sich dabei ausschließlich 
um alte „inoperable Fälle, also um Kranke 
handelte, die von der operativen Chirurgie 
und Medizin kein Heil mehr zu erwarten 
hatten und ihrem trostlosen Schiksal über- 
lassen waren. Selbst in diesen Fällen, die 
bisher als absolut hoffnungslos zu be> 
zeichnen waren, ist durch die Serumdehand- 
lung noch Stillstand im Wachsthum der 
Geschwülste, Verkleinerung oder voll- 
ständiges Verschwinden, sowie namentlich 
auch die vollkommene Beseitigung der 
continuirlichen oder zeitlveise aufgetretenen 
hestigen Schmerzen erzielt worden. Unter 
den angeführten Fällem ist besonders der 
eines 40jährigen Zahnarztes Dr. B. be- 
mcrkenswerth, der an einem von den 
Chirurgen für unoperirbar erklärten 
Zungenkrebs erkrankt Ivar. Eine Er- 
kankung an Wundrose, die infolge der 
Serumeinspritzung eintrat, beeinflußte den 
Zustand des Patienten auf's Günstigste; 
zwei dem Aufsatz beigefügte Photographien, 
das Aeußere des Patienten vor und nach 
der Behandlung zeigend, geben ein an 
schauliches Bild der Besserung. Auch von 
einer Anzahl anderer Aerzte des In- und 
Auslandes, die das Emmerich'sche Serum 
anwandten, erhielten die Entdecker des 
Mittels günstige Mittheilungen über die 
Erfolge bei bösartigen Neubildungen. 
— Eine anerkennenswerthe Auffassung 
des Verhältnisses zwischen Beamten und 
Publikum hat kürzlich der Württembergische 
Ministerpräsident Frhr. v. Mittnacht 
kundgegeben. Bei der Fünfzigjahr-Feier 
der Eröffnung der ersten württenibergischen 
Eisenbahn hielt er eine Ansprache, in der 
er bemerkte: „Wenn auch das sehr ver 
ehrte Publikum oft scharfe Klagen gegen 
die Eisenbahn richte, so dürfe diese nicht 
ungehalten sein, denn jenes habe das 
Recht zum Urtheil, und man solle nicht 
vergessen, daß es noch keine Beamten 
unfehlbarkeit gebe; man lerne wohl 
am meisten von Denen, für die die Bahnen 
gebaut wurden, die Verwaltung solle für 
Belehrung zugänglich sein, denn ihr Wirken 
werde doch auch anerkannt." 
— Die Sammlungen für die Familien 
der wegen Mein e ids verurtheilten sozial 
demokratischen Bergarbeiter Schröder und 
Genossen haben im Ganzen 33 000 Mark 
ergeben. 
Der Antrag der sieben sozialdemo 
kratischen Gemeindeverordneten zu 
Rixdorf um Entbindung von ihren Aemtern 
wurde in der gestrigen Sitzung der Ge 
meindevertretung zu Rixdorf einstimmig 
abgelehnt, da das dem Antrage zu 
Grunde liegende Motiv kein stichhaltiges 
sei. Bekanntlich mußten die Herren auf 
Verlangen der Partei ihre Aemter 
niederlegen, weil sie gelegentlich der letzten 
Kriegerfestlichkeiten für Errichtung eines 
Kaiser Wilhelm-Denkmals gestimmt haben. 
Zur gemeinsamen Bekämpfung der 
Sozialdemokraten haben sich in 
Spandau angesehene Bürger verschiedener 
Parteien zusammengeschlossen und unter 
der Bezeichnung Städtischer Verein 
einen Sammelpunkt für alle ordnungs 
liebenden Elemente geschaffen. Die Thätig 
keit des Vereins soll sich auf kommunalem 
und gemeinnützigem Gebiet bewegen; 
zunächst will man bei den bevorstehenden 
Stadtverordneten > Wahlen deni weiteren 
Eindringen sozialistischer Elemente in die 
Stadtverwaltung einen Damm entgegen 
setzen. Dem Verein gehören auch sämmt 
liche Magistratsmitglieder und die Mehr 
zahl der Stadtverordneten an. 
Prcnzlau, 25. Oct. Gegen den Schmiede 
meister Springstein, der seine Ehe 
frau mit Strychnin vergiftet haben soll, 
hat die Staatsanwaltschaft nunmehr An 
klage erhoben; gegen ihn wird am 4. 
November vor dem Prenzlauer Schwur 
gericht verhandelt. Springstein ist, wie vor 
einiger Zeit gemeldet, auch dringend ver 
dächtig, vor sieben Jahren in Königsberg 
(Neumark), wo er früher wohnte, in kurzen 
Zwischenräumen seine Mutter, seinen 
L-chmager und dessen Kind, sowie eine 
Lehrerin Fiebelkorn und einen seiner 
eselten vergiftet und seinen Vater 
dadurch ermordet zu haben, daß er dessen 
Kops so lange in eine gefüllte Wassertonne 
gehalten, bis sein Opfer erstickt war. Er 
ist also eines 7fachen Mordes verdächtig. 
Glogau, 25. Oct. Wegen schweren Ver 
dachts, den neulich gemeldeten Brand in 
der hiesigen Brückenkopfkaserne durch 
Brandstiftung verursacht zu haben, ist ein 
Quartiermeister des Feldartillerie- 
Regiments v. Podbielsky auf Veranlassung 
des Generalauditeurs verhaftet worden. 
Ein entlassener Reservist hat angeblich den 
Verhafteten zur Anzeige gebracht. 
Die Bahnsteigsperre hat in Mittel 
walde zu folgendem sonderbaren Vor 
fall geführt. Ein dortiger Einwohner 
hatte für sich und seine Tochter Fahrkarten 
zu dem um 1 Uhr 24 Minuten von dorr
	        
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